West-Kimolos

Samstag, mein letzter Urlaubstag. Auch drei Wochen Ferien gehen irgendwann zu Ende. Leider.

 

Das Wetter ist sonnig und es hat wenig Wind. Rod verkündet beim Frühstück, dass es nach West-Kimolos gehen soll. Also wieder eine Querung. Ich freue mich drauf, weil ich diese Ecke von Kimolos noch nicht kenne. Start ist in Pollonia. Wir werden wieder zahlreiche Tagesgäste dabei haben: sechs Deutsche von einem Segelboot, und ein australisches Paar, das gestern schon dabei war und mehrere Touren gebucht hat, aber nicht in Triovasalos wohnt. Die auf drei Paddlerinnen geschrumpfte dänische Frauenparea ist wieder dabei, dafür nimmt das dänische Paar heute seinen freien Tag. Ich übernehme das Steuer des weißen Kleinwagens, während Paul und Rod mit den Gästen und den Kajaks nachkommen werden.

 

Es sind noch wenige Badegäste am Strand in Pollonia, die sich durch unser Treiben gestört fühlen könnten. Die meisten gucken eher fasziniert als ungnädig. Und wir sind auch gleich weg. Die deutsche Segelcrew - vier Männer, zwei Frauen bayrische Provenienz - verteilt sich auf drei Doppel, Rod nimmt wieder ein Doppel mit Carol (später wechselt er in den Einer von Brian), und der Rest sitzt im Einer. Ich kriege heute ein anderes Kajak, gelb, bei dem sich das Steuerruder wesentlich besser bedienen lässt. Kann also losgehen.

 

Es geht aus der Bucht von Pollonia hinaus, dann queren wir den Kanal von Pollonia, der etwa eineinhalb Kilometer breit ist. Es geht ganz gut, auch wenn der Wind außerhalb der Bucht etwas stärker ist und ich sofort wieder unsicher bin. Die Däninnen helfen mit Tipps aus, und geben Sicherheit. Danke!

Da der Wind heute aus Westen weht, bieten die Inseln keinen Windschatten. Aber die Querung geht schnell, und vor der Südwestspitze von Kimolos hat es dann wieder nette helle Felsen zum Durchpaddeln.

Wir passieren die vorgelagerte Insel Agios Andreas, die früher mit der Hauptinsel verbunden war und wo die Reste einer Stadt aus mykenischer Zeit im Meer versunken sind.

 

Besonders imposant sind die Felsenformationen bei Ellinika, die ich vor sieben Jahren von der Landseite aus erlebt habe. Es macht einfach Spaß, hier durchzufahren. Vor allem der Felsen mit der Gestalt eines sich aufbäumenden Tieres (Maus?) ist spektakulär. Gut, dass ich mich vorgestern wieder ins Kajak getraut habe, sonst hätte ich das hier verpasst.

Nach etwa einer Stunde erreichen wir den Strand von Mavrospilia, wo wir die Kajaks für die Vormittagsrast an Land ziehen. Es ist eine einsame Gegend, auch wenn hierher eine Piste führt und im Hinterland ein paar Häuser liegen.

Der Strand ist sandig und mit den schönen farbigen Kimolos-Kieseln durchsetzt, das Wasser klar.

Lone übt sich in der Kenterrolle, unterstützt von Rod. Mae kann sie ebenfalls, und so sind auch die Segler beeindruckt, die sich zunächst etwas überlegen gegeben hatten, aber ganz nett sind. Sie bleiben nur wenige Tage auf Milos, aber immerhin. Ich empfehle den Besuch des Bergbaumuseums, und eine Tour um die Insel. Müsste ja auch mit dem eigenen Boot gehen. Nach meiner Erfahrung sind die meisten Segler vor allem wild aufs Segeln und sehen nur wenig vom Land. Was sie da alles verpassen....aber auf Milos verpasst so einiges, wer nur an Land bleibt.

Dann paddeln wir weiter nach Norden. Die steile und zerklüftete Küste wartet mit allerlei weißem und farbigem Gestein auf, man könnte sich fast daran gewöhnen, wenn es nicht immer wieder so überwältigend wäre. Genauso wie das Paddeln durch Tunnels. Einer ist ganz schmal und flach, man muss sich etwas durchruckeln, damit man nicht festsitzt wenn man die perfekte Passagestelle verpasst hat. Geht aber.

 

Nach einer Stunde zeigt Rod auf eine breite Bucht zur Rechten. Dort würden wir Mittag machen. Vorher gäbe es aber noch einen viertelstündigen Abstecher weiter nach Norden, aber wer wolle, könne hier schon an Land gehen. Aus dem bayrischen Männerdoppel tönte es großspurig, dass das doch alles ganz easy war. Ja, klar, im Doppel mit zwei Manpower hat man es leicht. Ich will mit meinen Kräften haushalten, schließlich muss ich ja wieder zurück, und steuere die Bucht an. Allerdings bin ich die einzige, und das gefällt mir dann doch nicht. Also schnell den anderen nach, kleiner Zwischensprint. Ich fühle mich auch gut heute auf dem Wasser.

Der Abstecher führt zu einer rosa-rostfarbenen Felsenwand. Leider bin ich zu weit weg um Rods Erklärungen zu verstehen, aber diese abgelegen Ecke ist beeindruckend, der Abstecher hat sich gelohnt.

Und nun bin ich gespannt auf unsere Standbucht für die Mittagspause. Offiziell heißt sie Athinia, aber auf Rods Website mit den täglichen Fotos heißt sie "Donkey Beach". Weil ein netter Esel sich dort aufhält und freut, wenn er Besuch bekommt. Jan hatte gestern erzählt, dass sie mal erlebt hat, wie Rod beim Ansteuern der Bucht anfing, sich mit dem Esel zu "unterhalten" - ein wiehernder, krähender Dialog, sehr selt- und unterhaltsam. Heute gibt es keinen Dialog vorab, aber als wir die Kajaks auf den flachen Kiesstrand ziehen, taucht der Esel sofort neugierig unter den Bäumen auf, die den Strand säumen. Es ist erst Rods zweiter Besuch hier in diesem Jahr, da ist der Esel noch etwas entwöhnt. Und er ist kein Streicheltier, lässt sich weder vereinnahmen noch abknuddeln. Aber natürlich weiß er, dass er nachher die Reste des Lunches bekommen wird. Wofür er sich extra an eine bestimmte Stelle hinter einem dicken Ast im Gebüsch stellt, quasi der Futterplatz. Gut erzogen, das Tier. Es wäre auch schwierig, wenn er über die auf der Tischplatte (natürlich gibt es auch hier eine) angerichteten Lebensmittel herfallen würde. Dann müsste man ihn vertreiben. Nein, er weiß was sich gehört. Ein braves Tier, das sich aber auch an den Strand vorwagt. Sieht so aus, als würde er mal das Kajaken erwägen. Einer oder Doppel?

Zunächst aber baden und planschen wir in der Bucht, genießen die Sonne. Carol probiert sich vorsichtig im Einer, und Lone will nachher, unterstützt von Rod, weiter an der Verbesserung der Kenterrolle arbeiten.

 

Im Hinterland ist eine steiniger Wiese aus violettem und weißem Strandflieder, eingerahmt von niedrigen Bäumen und steinigen Felsenhängen.

 

Nicht ganz ohne Sorge habe ich bemerkt, dass der Wind wieder stärker geworden ist. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich, das ich aber während der Pause noch erfolgreich verdrängen kann. Und inzwischen ist der Lunch fertig, stilecht mit gedrechselten Tischbeinen im Schatten aufgebaut. Und schmeckt wieder. Als Nachtisch gibt es Orangen, auf deren Schalen der Esel besonders scharf ist und sie rückstandsfrei vertilgt. Und zu seinen Hufen sitzt eine kleine Eidechse, die sich über die abfallenden Krümel und einen Apfelbutzen freut. Paradiesische Zustände.

 

Während Rod und Lone unermüdlich trainieren, führt Paul uns auf den Hügel am nördlichen Buchtende. Es ist eine schmaler, steiniger Fußweg, für meine Badeschuhe nur mäßig geeignet. Den Sandalen eines Mitpaddlers gibt er den Rest, zum Glück sei er Barfußgehen gewohnt, erzählt er.

 

Auf dem Hügel gibt es ein kleines Privathaus mit einer ummauerten Terrasse. Und eine herrliche Aussicht Richtung Nord-Milos. Gerade zuckelt die "Dionysios Solomos" durch den Kanal von Pollonia, während sich unten in unserer Bucht Lones Kayak ständig kieloben zeigt. Absichtlich natürlich, und inzwischen hat sie die Rolle wohl echt drauf. Ich bin beeindruckt von so viel Beharrlichkeit.

Was übrigens echt nervt, ist, dass alle Paddel-Laien immer als erstes fragen, ob ich denn auch die Eskimorolle könne wenn ich vom Paddeln auf den Kykladen erzähle. Das ist wie die unvermeidliche Frage nach Sirtaki wenn man erzählt, dass man griechische Tänze tanzt. :-(

Es ist fast vier Uhr, als wir die Bucht und den freundlichen Esel verlassen und uns auf den Rückweg machen. Der Wind kommt von der Seite und lässt die Kajaks auf den Wellen tanzen, was mir sehr unangenehm ist, weil die alten Kenterängste wieder hochkommen. Prompt finde ich mich am Ende unserer Gruppe, nur begleitet vom unermüdlichen Paul, der versucht, mich mit Gesprächen abzulenken. Danke, sorry, aber was hast du gesagt? Funktioniert nicht so.

 

Inzwischen habe ich doch tief in mir drin realisiert, dass ich mit diesen Kajaks nicht so schnell kippe, und dass das Tanzen auf den Wellen durchaus Spaß machen kann. So gewinne ich allmählich mehr Sicherheit und Selbstvertrauen, und schließe zum Rest der Truppe auf, als diese im Windschatten von Agios Andreas warten. In der Gruppe fühle ich mich sicherer, und ich schaffe es, drin zu bleiben.

 

Wir halten uns nahe der Küste, aber natürlich müssen wir hinüber nach Pollonia wieder das offene Meer queren. Rod wartet bis alle aufgeschlossen haben, und fragt wie es mir geht. Mein größtes Problem ist allerdings - zu seiner Überraschung - dass meine Sonnenbrille völlig verspritzt ist, und ich fast nichts mehr sehen kann. Da kann er mit einem trockenen Taschentuch aushelfen und für klare Sicht sorgen. Und das letzte Stück krieg ich schon auch hin.

 

Vom Kap bei Fykiada peilen wir dann die Häuser auf der Felsenkante von Nord-Pollonia an. Der seitliche Wind hat zugenommen, aber richtig anstrengend wird es, nachdem wir entlang der Küste nach Osten fahren und dann in die Bucht von Pollonia hineindrehen. Denn jetzt kommt der Wind direkt von vorne, und das ist ganz schön heftig. Ich hab jetzt mal alle Varianten gehabt: von hinten, von der Seite, und von vorne, und weiß nicht was ich am unbequemsten finde. Auf alle Fälle gefällt mir weniger Wind besser. :-)

 

17 Uhr ist vorbei, als wir die Kajaks am Strand von Pollonia an Land ziehen, und den dortigen Badegästen wie eine Invasion erscheinen. Ich entschuldige mich bei einem älteren Herren, der aber auch ganz neugierig guckt: wir sind gleich wieder weg. Reiner und Inkie erwarten uns, sie sind vorgestern hierher gezogen und haben uns natürlich gesehen. Die Beiden sehen so aus, als würden sie am liebsten direkt wieder in ein Kajak steigen. Ja, diese Paddelei kann schon süchtig machen.

Ich fürchte, ich muss auch wiederkommen. Nächstes Frühjahr, in Kombination mit Sifnos? Mal sehen.

Am Abend gehen wir alle zusammen in Tripiti im "Barriello" essen. Es ist Jans und mein Abschiedsessen. Das "Barriello" liegt auf dem kleine Platz bei der Nikolaos-Kirche mit Blick über die Bucht von Milos, und gehört irgendwie zu Petrinelas Familie. Es bietet gehobene Küche ausschließlich aus lokalen Zutaten und bio an. Der Wirt ist nett, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu beflissen, die Preise sind über dem Durchschnitt. Es ist noch warm, wir können draußen auf der Terrasse sitzen (mit Jacke). Der Sommer ist jetzt nicht mehr weit.

Bei Frikassé, Risotto, Kaninchen in Wein- und Orangensauce, griechischem Salat, Wein und netten Gesprächen klingen der Tag und mein Urlaub aus.

Morgen werden Jan und ich nach einem frühen Frühstück bei Petrinela (zu dem fast die ganze Parea inklusive Rod und Petrinella zwecks Abschied hinzustoßen wird) mit dem Taxi zum Flughafen von Milos fahren (kostet inzwischen 20 Euro). Es wird gut reichen, eine Stunde vorher da zu sein, eingecheckt haben wir schon online. Ich werde das deutsche Paar wiedertreffen, das in Sifnos im Nachbarzimmer gewohnt hat. Ihnen hat Milos auch gut gefallen.

 

Pünktlich um halb zehn wird das Flugzeug nach Athen starten, der Flug wird mir letzte Blicke auf Milos' imponierende Oberfläche erlauben, den Steinbruch von Aggeria inkusive. Danach mehr Wolken und wenig Sicht. In Athen werde ich nur siebzig Minuten Aufenthalt haben, aber da das Gepäck durchgecheckt wird, wird es locker auf den Aegean-Flug nach Stuttgart reichen.

Drei herrliche, abwechslungsreiche und aktive Wochen Urlaub gehen nun zu Ende. Ich hätte gedacht, ich wäre dann endlich mal satt von Griechenland. Dummerweise ist das überhaupt nicht der Fall.

Im Gegenteil: ich kann es kaum erwarten, wieder hinzukommen.

Mal sehen wohin. :-) Vielleicht mal was Neues?