Andros – ein Hauch Côte d’Azur und 100 Stufen.

 

Von Rafina kommend und an Evia vorbei ist es schon dunkel geworden als wir mit der „Theologos“ in Gavrio anlegen. Das also ist Andros. Meine „letzte“ Kyklade! Fanfare! (Mindestens ein Empfangskomitee und die silberen Ehrennadel der Kykladen hätte ich da schon erwartet ;-)  ) Der Vater unserer Vermieterin Nora steht am Hafen, wie verabredet. (Doch ein Empfangskomitee!) Wir haben vorab ein Zimmer im „Dora I“ in Batsi bestellt weil wir nicht im Dunkeln nach einem Quartier suchen wollen. Auf Empfehlung von Arion haben wir dem „Dora I“ den Vorzug gegeben vor dem strandnah gelegenen „Dora II“ – wir haben einfach gerne Aussicht, und die ist im „Dora I“ sehr schön.

Zimmer mit Aussicht liegen meistens oben (wer hätte es gedacht), was zur Folge hat dass man vom Strand und den meisten Läden und Tavernen 100 Stufen hinauf muss: Diese schönen kykladischen Stufen: jede anders, und dazwischen gerne eine halbmannhohe. Und die Vermieterin Nora (die wir nicht zu Gesicht bekommen) hat es noch besser mit uns gemeint: wir haben unser Zimmer im obersten Stockwerk, noch mal 30 Stufen zusätzlich. Kein Problem für mich, aber die Knie meiner Mutter finden das dann doch manchmal zu viel. Wobei noch die Frage ist, was für die beanspruchten Knie schlimmer ist: rauf oder runter. Das können wir in den nächsten Tagen auf Andros ausgiebig testen.

 

Nun, zunächst fährt uns Noras Vater zu unserer Unterkunft, etwa 15 Minuten dauert die Fahrt. Es geht unten die Bucht von Batsi entlang, das im Dunkeln größer scheint als es ist. Am Strand noch ein Spätheimkehrer vom Baden, mit nacktem Oberkörper. Kein Wunder, es ist auch noch sehr warm, gut 25°C.

Unser Zimmer ist sehr schön und sauber, könnte aber etwas größer sein. Vor allem das Bad ist mini. Dafür ist der Balkon groß. Mit Aussicht über die Bucht von Batsi. 30 Euro bezahlen wir pro Nacht, kann man nix sagen. So allmählich fällt die Anreisehektik vollends ab, aber beim Kofferauspacken finde ich einen Brief, den ich in Deutschland dringend noch hätte einwerfen sollen! Na super, aber der wird nun wohl zu spät ankommen!

Dann nehmen wir zum ersten Mal die 30 + 100 Stufen abwärts, wollen noch eine Kleinigkeit essen und trinken, im „Meltemi“, ordentlich. An der Bushaltestelle stehen die Abfahrtszeiten nach Andros-Stadt und Gavrio, blöd, wir haben nichts zum Schreiben dabei. Morgen. Noch ein wenig Brot, Honig und Butter fürs Frühstück gekauft, und eine Plastikflasche kretischen Rakí für nach dem Essen, der halbe Liter für 3 Euro. Die Verkäuferin muss erst mal die Leiter holen bis ich in dem engen Laden ganz oben ans Regal komme. Dann wieder die 130 Stufen aufwärts. Puh! Noch einen Rakí auf dem Balkon, zur Verdauung. Lecker!

 

Die Zimmer im „Dora I“ sind gut ausgestattet, mit Kochecke und Wasserkocher (und alles sehr sauber, ohne Ekelfaktor zu benutzen), da brauchen wir unseren eigenen nicht. Das Frühstück auf dem Balkon bei schon wieder angenehmen Temperaturen. Ob man hier das Wasser aus dem Wasserhahn bedenkenlos trinken kann? Oder holt man es sich besser bei einem der zahllosen Brunnen? Der nächste ist 50 Meter weiter unten bei der Schule. Ich besorge noch etwas unten im Ort, schreibe den Busfahrplan ab. Oh, der nächste Bus nach Andros-Stadt fährt in 20 Minuten, der nächste erst eine gute Stunde später. Den kriegen wir noch, nix wie die Treppen rauf, und 20 Minuten später stehen wir unten an der Bushaltestelle. Eine große, blonde Frau wartet mit uns, sie kam mir gerade entgegen als ich die Treppen raufgeflitzt bin. Wir fragen vorsichtshalber nach dem Bus: ja, der kommt gleich. Sie muss es wissen, denn als wir einsteigen, entpuppt sie sich als die Fahrkartenverkäuferin. 3 Euro pro Person kostet die Fahrt nach Andros-Stadt, stolze Preise für Kykladenverhältnisse (Ich vermute, die Einheimischen zahlen weniger)!

Aber eine schöne Fahrt ist es, zunächst die Küste entlang. Ich muss sagen, eine Insel wie diese habe ich auf den Kykladen noch nicht gesehen! Die Straße führt auf fast halber Höhe den Hang entlang, zum Baden ist es weit (nach unten). Jedes Dorf besteht aus zwei Ortsteilen, einem an der Straße (Kato) und einem oberhalb (Ano). Dazwischen liegen ein- bis zweihundert Meter Höhenunterschied (und jede Menge Stufen). Gut zu sehen ist nach Süden hin die Insel Giaros, die während der Juntazeit 1967 – 74 als Straflager diente (U.a. der Dichter Giannis Ritsos war hier interniert). Heute ist die Insel unbewohnt.

Bei Stavropeda zweigt die Straße von der Küstenstraße ab. Durch mehrere Orte geht es nun, der Bus muss sich mit Hupe und Rangieren den Weg frei machen durch die zugeparkten Dörfer. Nach einer dreiviertel Stunde Fahrtzeit sind wir dann in Andros-Stadt. Viele Leute warten schon an der Bushaltestelle. Wir schlendern auf der breiten Einkaufsstraße Richtung Altstadt.

Ganz schön was los hier! Schön, die Platia Kairis mit dem großen marmornen Brunnenhaus! Links geht es zum Museum für moderne Kunst. Wo auf den griechischen Inseln gibt es so etwas schon? Das sehen wir uns an. Zuerst die ständige Sammlung im Gebäude links des Weges. Interessant. Griechische Künstler sind außerhalb der Landesgrenzen nahezu unbekannt, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen.

Die ständige Ausstellung besteht nur aus zwei kleinen Räumen mit einem tönenden Kunstwerk von.... Tja, das muss ich noch recherchieren... In der Wechselausstellung werden Gemälde und Grafiken von André Masson gezeigt, vor allem Pasiphae wie sie sich mit dem Stier vergnügt. Wild, und surrealistisch, und nicht so mein Ding.

Unser Museumsdurst ist dann auch gestillt, wir verzichten auf das archäologische Museum. Irgendwie ähneln die sich auf den Inseln eh sehr, und wir hatten schon das auf Milos, Naxos, Kea, Tinos....

 

Dafür gönnen wir uns einen griechischen Salat in der Taverne an der Platia Kairis, mit wunderbarem Blick. Ja, und ich wollte mich eigentlich kürzer fassen, und nun wird es doch wieder lange.... Denn wie wir da so sitzen und in unserem Reiseführer blättern (Michael-Müller: Kykladen, natürlich), spricht uns eine Griechin vom Nachbartisch an. Sie interessiert sich für den Reiseführer, möchte die Adresse haben. Sie habe nämlich eine Pension, nicht hier in Chora, sondern in Batsi. Die „Studios Maistrali“. Neben den Studios „Dora II“. Mindestens genauso schön oder noch besser! Mit Frühstück für 30 bis 70 Euro. Aber es käme leider nicht im Reiseführer drin (Im Gegensatz zum „Dora II“, was sie ausgesprochen ärgert!), und dagegen möchte sie etwas unternehmen. Nämlich einen Brief an den Verlag schreiben (ich vermute: mit einem oder zwei Scheinchen beigelegt ;-) ). Ich sage ihr, dass ich mir die Zimmer in den nächsten Tagen angucken werde und wenn ich sie für gut befinde, dann würde ich mich für sie einsetzen, sie dem Verlag empfehlen. Zwei Tage später sehen wir uns einige Zimmer an. Die sind wirklich schön und empfehlenswert. (Aktualisierung 2011: wegen nicht eingehaltener Versprechen und unseriösen Gepflogenheiten der Vermieterin, die mir zu Ohren kamen, kann ich die Studios nicht mehr empfehlen!)

 

Aber zurück nach Andros-Chora. Nach der Stärkung geht es durch das Tor hindurch auf den Felsensporn, in die Altstadt von Chora. Neoklassizistische Häuser. Ziegelgedeckt im Stil wie auf dem attischen Festland oder auf Kea und Kythnos. (Für typische Kykladenarchitektur gibt es keinen Grunde: es muss kein Regenwasser aufgefangen werden, denn es gibt genug Quellen.) Gepflegt. Sehr nett. Und nun sehr ausgestorben. Auch vorne an dem Platz mit den Denkmal des Seemanns, mit dem Blick auf die Reste der Festung, dem Leuchtturm auf dem Felsen dahinter. Wir genießen die Ruhe. An das Flair anderer Choras (Chores?) wie etwa auf Serifos oder Amorgos kommt das nicht ganz ran. Zu ordentlich, zu unbewohnt, zu nobel. Unten auf einem Anleger ist eine leicht rostige Dusche, die funktioniert sogar. Chic.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir am Nordstrand Nimborio, das Wasser hat laue 25°C. Wir beobachten den Auszug der Jollen-Schule, die um den Leuchtturm herum kreuzen.

 

Um 18 Uhr fährt der Bus zurück nach Batsi. Aber am Busbahnhof sind wir ganz alleine, niemand ist sonst da. Auch kein Busfahrer. Dann kommt noch eine Familie. Die fragen uns ob der Bus nicht fährt. Woher sollen wir das wissen? Wir hoffen es zuversichtlich! Nach 10 Minuten kommt dann der Busfahrer, der auf der Fahrt nach Batsi wohl die Verspätung wieder hereinholen möchte – er fährt wie der Henker. Und braucht trotzdem eine dreiviertel Stunde. So im Abendlicht ist es auf der Küstenstraße besonders schön. Die Fahrkartenkontrolleurin steigt unterwegs wieder ein. Kurz vor Batsi hält der Bus, damit sie einen Granatapfel am Straßenrand pflücken kann.

Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang sind wir in Batsi. Schnell ein paar Fotos.

Bei „Stamatis“ essen wir zu Abend, Humus, Hühnchen, lecker! Es ist Freitag und ganz schön was los. Nebenan bei der Töpferin Melissa hat es hübsche Sachen zu günstigen Preisen. Dann mit vollem Bauch die 100 Stufen hinauf, schön langsam. Kalinichta.

Am Samstag wollen wir wandern. Wenn wir gewusst hätten dass es am nächsten Tag so stürmisch wird, hätten wir das wohl verschoben. Heute ist es nämlich heiß. Ziemlich. Bestimmt 30°C. Und kein Lüftchen. :-(

Wir lassen uns für 8 Euro mit dem Taxi nach Ano Aprovato (oder Aprovatou?) an den Hängen des Petalo, zur Taverne „Balkoni tou Aigaiou“ bringen. Das ist eigentlich nicht wirklich weit. Aber oben (wir erinnern uns: Kato ist unten an der Küstenstraße, Ano oben am Berg). Bis Pitrofos wollen wir wandern, also nur die halbe Inseldurchquerung, das reicht heute.

Der Weg ist anhand des Wanderführers „Östliche und nördliche Kykladen“ von Dieter Graf gut zu finden. Und es ist ein Weg, wie ich ihn in Griechenland eigentlich noch nie hatte: Im Schatten, zwischen Büschen und Bäumen. Eine Wasserleitung begleitet uns eine weite Strecke, sorgt mit undichten Stellen für Duschen und Abkühlung. Bei der Hitze heute sehr angenehm. Ein großes Wasserbecken rechts am Weg. Bizarre Wurzeln. Bloß die Spinnennetze und –fäden, die sich ständig über den Weg spannen, stören ein wenig.

Am Anfang begegnen wir noch einem Mann auf einem Muli, es transportiert Holz, später einem mit Hund. Das ist es dann für die nächsten Stunden. Die Aussicht auf die Küste hinunter ist sehr schön, man wandert einsam und ist doch recht nahe dran. Die Vegetation erinnert hier mehr an die Toskana, es hat Zypressen überall. Weit unten und draußen ziehen die Fähren nach Tinos vorbei, auf der Küstenstraße sehen wir den Bus, hören die Autos, blicken auf Paleopolis.

Nach einer guten Stunde Gehzeit kommen wir zu den Wasserfällen von Mavro Gourna. Die Wasserfälle sind eigentlich nicht wirklich der Rede wert wenn man an mitteleuropäische Verhältnisse denkt. Für die Kykladen sind sie aber was besonderes, kann mich nicht an Wasserfälle woanders erinnern. In einem schattigen Tal, grün bewachsen, fließt das Bächlein hinunter, fällt über einige Stufen, mehrmals in Tümpeln gestaut. Auch Ende September führt es noch gut Wasser, es rauscht sogar ein wenig. Platz für eine kleine Rast, Abkühlung. Dann geht es weiter über den Bergrücken, die Büsche und Bäume verschwinden, es wird steinig, Ziegen sind nun überall, mustern uns aus der Distanz.

Nun wird es mühsam, die Sonne setzt uns zu. Der Weg ist mit roten Punkten markiert, wie schön! Man hat hier ein Herz für Wanderer. Überall die Schiefersteinmauern, ohne Mörtel und typisch für Andros. Xirolithiés nennt man sie. Manchmal fehlen die Zwischensteine, dann sehen die Reste aus wie ein lückenhaftes Gebiss. Wir biegen ab Richtung Osten, weg von der Küste, ins Inselinnere. Wir durchqueren ein dorniges, steiniges Plateau, dann Heidelandschaft mit blühender Erika, von den Mauern gesäumt. Der Wanderführer empfiehlt hier die Rast an einem Bach, aber Schatten oder Wind suchen wir nun vergeblich.

Dann erreichen wir Pitrofos (genauer: Ano Pitrofos), ein nettes Dorf am Hang, mit zahllosen Treppen und Brunnen. Walnussbäume, Feigen, Hühner, Kirchen, aber keine Taverne, kein Café, kein Laden. Eine Ölmühle als Museum, aber geschlossen. Nein, weiter nach Menites, Strapouries  oder Messaria wollen wir nicht, gehen die unvermeidlichen Treppen hinunter, zur Straße. Warten in dem Bushäuschen auf den Bus, der wenig später kommt.

Zurück nach Batsi. Mit ziemlich gebremster Wanderlust. So heiß ist einfach nichts.

 

Ganz Batsi wird beschallt von Musik. Ich will an den Strand, komme der Musikquelle näher: in einer der Tavernen am anderen Ende des Strandes findet eine Parea statt, wegen einer Taufe. Mit Live-Musik, schöner Inselmusik, aber kein Tanz. Am Nachmittag, ist das normal? Am Abend hören wir nichts mehr. Ich gehe schwimmen, das Meer ist lauwarm und samtig-weich, mein Badethermometer zeigt immer noch 25°C. Eine Gruppe älterer Griechen sind amüsiert über das Thermometer, wollen aber gleich die Wassertemperatur wissen. So warm? Normal sei das nicht.... Der Sandstrand von Batsi ist übrigens sehr schön (hat auch eine blaue Flagge) und es ist nicht viel los, samstags, Ende September. Es gibt natürlich Sonnenschirm und –liegenverleih, Duschen, Umkleidekabinen, einen Holzweg am Strand entlang, und sogar getrennte Mülleimer für Glas, Dosen und Kunststoff. Bloß nicht für Restmüll...

Schon wieder so ein schöner Sonnenuntergang. Und in der Kirche gegenüber findet eine Hochzeit statt, mit Autokorso und Hupkonzert.

 

Wir wandern für das Abendessen eine Taverne weiter: ins „O Ti Kalo“. Lamm und Rindfleisch, auch gut, aber bei „Stamatis“ wars besser. Am Samstagabend ist sehr viel los hier. Am einen Tisch sitzen Soldaten von dem Kriegsschiff, dass schon seit gestern draußen in der Bucht vor Anker liegt. Jeder der jungen Burschen mit Handy, einer sogar mit Headset, er redet ununterbrochen hinein, hat es wichtig. Spät kommt noch eine Gruppe von gut 20 Menschen aller Altersstufen. Bei uns würde man sagen: “Tut mir leid, wir haben keinen Platz mehr!“ Hier werden Tische geschleppt und gerückt, grigora grigora, und die Gruppe findet Platz. Komische Leute: einer verteilt Tetrapacks mit Milch an die Gruppe.... Wir genießen das Spektakel.

 

Nach der strapaziösen Wanderung fühlen sich die 100 Stufen aufwärts heute wie 200 an... morgen werden wir ein Auto mieten!

 

Und zwar bei Colours Travel Rent a Car, in dem Reisebüro an der Ecke unten. Die Frau ist sehr nett. Wir müssen noch ein wenig warten, das Auto wird noch gewaschen. Ja dann. Wir nehmen es gleich für 2 Tage, Andros ist ja so groß und wir wollen nicht nur fahren, sondern auch was sehen. Bezahlen Euro 50,- dafür, bekomnen einen Hyundai Atos, mit nur 8.000 Kilometern. Ach ja, das Wetter ist heute nicht so toll. Sehr windig, Wolken am Himmel, trübe. Morgen soll es noch windiger werden! Wir packen trotzdem Badesachen und Wanderschuhe ein.

Die Fahrt geht nach Norden, wo wir wegen Baustelle und schlechter Straße die Abzweigung zum Kloster Agias verpassen. Macht nichts, können wir uns auch auf dem Rückweg oder in den nächsten Tage ansehen, vielleicht zu Fuß. Nun können wir einen Blick auf die schönen Strände zwischen Batsi und Gavrio werfen – sieht gut aus! Aber ist ja kein Badewetter heute.

Zuerst bummeln wir ein bisschen durch Gavrio – da ist man aber schnell fertig, viel zu sehen gibt es nicht.

 

Dann weiter gen Norden, wo es deutlich einsamer wird, ländlicher. Kapellen, menschenleere Dörfer, Höfe, bellenden Hunde, Windräder: nichts Spektakuläres. Aber etwas weiter ein erstaunlich grünes, breites Tal mit Olivenbäumen, Wein, Feigen, auch hier mehr Provence als Kykladen. Als die Straße irgendwo zwischen Fellos und Amolochos vom festen in den schotterigen Zustand übergeht, kehren wir wieder um, fahren zurück nach Gavrio und dann auf der nächsten Straße ins Landesinnere.

Die Reste der byzantinischen Kirche von Kloster Sotiros sind unser Ziel – mal wieder in keinem Reiseführer erwähnt. Aber in dem wohl regelmäßig erscheinenden Heft des Tourismusverbandes Andros (sehr informativ und auch in Deutsch erhältlich. Allerdings hatten wir eines von 2002/2003.) Wir kommen am Turm von Agios Petros vorbei, DER Sehenswürdigkeit auf der Insel. Jo, ganz nett. Erinnert an den Turm von Agia Marina auf Kea, der allerdings nicht rund ist (und am Einfallen).

Steil führt die Straße bergauf, vorbei an abgebrannter Macchia – im Juli hat es hier gebrannt. An einer Ecke eine hübsche Kapelle unter einer riesigen Platane. Etwas weiter eine weitere Kapelle und 100 Meter weiter sehen wir plötzlich rechts unten einige Ruinen – das muss die gesuchte byzantinische Kirche sein, wir haben sie erst weiter vorne erwartet. Umdrehen, bei der Kapelle parken und schnell auf einem Fußweg vor zur Kirche.

Das unverputzte Gemäuer wurde an einigen Stellen mit einem Gerüst abgestützt – immerhin soll es nicht weiter einfallen. Kauert sich in eine Mulde an den Hang. Hinein kann man natürlich nicht – Einsturzgefahr! Schön, wie das Dach mit Schiefer gedeckt ist! Zwei weitere byzantinische Kirchen, neu restauriert, sehen wir in den nächsten Tagen in Messaria (Taxiarchis) und Melida (Archangelos). Ich mag diese kleinen, geduckte wirkenden, Natursteinkirchen einfach! Neben der Kirche steht ein großer Feigenbaum mit zuckersüßen, weichen, grünengelben Feigen, wir essen bis kurz vor der Übelkeit.

Danach steht uns der Sinn nach etwas Deftigem, also fahren wir nach Gavrio und finden ein Lokal an der Hafenpromenade, wo wir uns ein Omelette (ohne Wurst, also keine Froutalia) gönnen. Es ist ganz gut was los im Hafen, denn es ist Sonntag, und die Fähre nach Rafina kommt gleich. Was wir uns natürlich ansehen. Es ist die „Theologos“, mit der wir auch gekommen sind. Die obligatorische Hektik, und die Ruhe danach. Es ist früher Nachmittag, wohin nun?

Zurück nach Batsi und auf der neuen Straße von Arni nach Vourkoti über den „Col d’Andros“ (oder „Col de Petalo“?). Nicht weit von Batsi, bei Remmata, verändert sich die Landschaft, es wird steiler und grüner, die Straße schlängelt sich, und es geht aufwärts, an den Hängen des 997 Meter hohen Petalo hinauf. Gestern sind wir an der Ostseite entlang gewandert, eher flacher und trocken. Die Westseite dagegen ist steiler und fruchtbar, grün, erinnert an die Côte d’Azur. Oder an die Kanaren wie ich sie mir vorstelle (war noch nicht dort). Bloß das Meer unten fehlt.

Letzte schöne Ausblicke ehe wir bei Arni in den dicken Wolkennebel eintauchen. Es ist richtig unwirtlich, Sicht keine 10 Meter mehr, heftige Sturmböen schütteln das Auto. Es würde mich nicht überraschen wenn es schneien würde. Vorsicht, Ziegen auf der Straße! Langsam fahren wir sowieso, alleine in der Pampa. Wie hoch wir hier wohl sind? Schätze, so 700 bis 800 Meter über Meereshöhe werden es wohl sein. Dass wir über den Berg sind, merken wir nur daran dass es nun wieder abwärts geht, zu sehen ist immer noch nichts außer der Straße und Felsen rechts und links. Dann ein paar Häuser, das muss Vourkoti sein. Wieder Einsamkeit, nichts grünes mehr, alles steinig, fühle mich an die Hochprovence erinnert. Komische Insel, das!

 

Eine Abzweigung links verweist auf das Kloster Agios Nikolaos, die Straße ist nicht so schlecht, also fahren wir hinunter, ein guter Kilometer ist es bis wir das große Kloster sehen, der Wolkennebel wird dünner. Außer uns ist nur ein Taxi da, das 3 Frauen gebracht hat, und wir haben auch Glück, das Kloster hat gerade um 17 Uhr wieder geöffnet.

Frauen sollen nur in Röcken rein. Wir haben lange Hosen an und probieren es trotzdem. Werden von einem Mönch zurückgescheucht: das geht gar nicht! Am Eingang gibt es wundervolle Leihröcke, und ich habe auch einen Rock dabei, ziehe ihn über die Hose, sehe aus wie Türkischfrau. Der Ursprung des Klosters soll 1.000 Jahre alt sein, die jetzigen, unverputzten grauen Klostergebäude stammen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, und sehen aus wie neu. Scheint ein reiches Kloster zu sein, mit mehreren Mönchen. Uns begegnet nur der Zerberus, der ausgesprochen unfreundlich ist obwohl wir nun „anständig“ gekleidet sind. Nachdem er uns hat warten lassen, bequemt er sich endlich, die Kirchentüre zu öffnen. Licht macht er keines an. Wir betreten die nur von einigen Kerzen und Öllampen erhellte Kirche, und sehen – nichts. Dann eben nicht. Selten ein so abweisendes Kloster erlebt! Wir schlendern noch ein wenig herum, verkrümeln uns dann.

Fahren weiter Richtung Chora, kommen endlich aus dem Nebel, sehe das schöne, üppige Tal von Apikia. Bestimmt kann man hier prima wandern, treppauf, treppab natürlich! Vielleicht beim nächsten Andros-Besuch, heute ist es zu spät, zu windig, zu kühl, und Lust haben wir auch keine. Nicht mal zum ein wenig durch die Dörfer schlendern. Außerdem geht um 19 Uhr die Sonne unter, das ist in einer guten Stunde. Wir halten an als man einen schönen Blick auf Chora hat. Der Wind verwackelt alle Fotos. Über Chora, Messaria auf der uns schon bekannten Straße. Da oben links am Hang, da muss das Kloster Panachrandou sein. Morgen. Bei Melidas sehen wir uns noch die frisch renovierte byzantinische Kirche Archangelos an, direkt an der Straße, schon im Schatten der Hügel liegend, bei einem kleinen Friedhof. Ziegel- statt schiefergedeckt. Nett. Leider ist sie zu.

Von der Küstenstraße sehen wir das windzerfetzte Meer unten, das aussieht wie zersplittertes Eis. Wir sind weit darüber, die Windböen schieben das Auto hin und her, zum Glück ist kaum Verkehr. Wieder sind wir erst zum Sonnenuntergang in der Pension. So wird das kein Erholungsurlaub! Aber bei dem Wetter ist Strandliegen auch kein Spaß.

 

Heute nehmen wir die dritte Taverne, neben dem „O Ti Kalo“, das „Delfinia“. Dank des Windschutzes kann man draußen sitzen. Auch hier ist das Essen ansprechend, Fisch und Spaghetti probieren wir aus. Heute ist nicht so viel los, Sonntagabend, die Wochendausflügler sind heimgekehrt. Am Nachbartisch heute eine Seglercrew, gut durchgeschüttelt. Statt der Stufen nehmen wir heute die Straße hinauf. Nicht wirklich eine Alternative, finde ich.

 

 *

 

Montag, der Wind ist noch stärker geworden. 7 bis 8 Beaufort. Ob die Fähre am Dienstag fährt? Oder bleiben wir sowieso noch ein wenig, zur Erholung, nach dem Wander-, Besichtigungs- und Autofahrstress?

Heute ist Autofahrerstress angesagt. Nein, nicht wirklich Stress. Aber Autofahren. In den Süden. Gegen die Böen von heute sind die von gestern auf der Küstenstraße nichts. Gut dass wir keine Leichtgewichte sind, so leicht verpustet es uns nicht. Bis Stavropeda kennen wir die Strecke, dann kommt Neuland. Keine Ortschaften mehr, nur gelegentlich eine Kapelle. Der Wind hebt das Auto. So fühlt es sich zumindest an. Eine tapfere Fähre stampft vorbei, sie fahren also. Gut. In Aipatia biegen wir nach Norden ab, die letzte Südschleife schenken wir uns. Kommen nach Ormos Kortiou, parken an der südlichen Uferpromenade und kommen kaum aus dem Auto vor lauter Wind! Am Ufer entlang? Vergiss’ es! Da spielen nur zwei Kinder, dass es die nicht wegbläst.... Die Fußgängerzone geht aber in zweiter Reihe, da ist man geschützt. Die Schule am Anfang, ein lebendiger Ort mit Bäcker, Friseur, Metzger, alles was man braucht.  Und leckeren Keksen. Und Marzipanmakronen. Wenn nur der Wind nicht wäre.... Auf dem Rückweg probieren wir es doch der Uferpromenade entlang, sehen merkwürdige Werke aus aufgestapeltem, angeschwemmtem Holz und Steinen auf den Ufermauer.

Wir verlassen die Küste, das Kloster Panachrantou ist unser Ziel. Alle Wege führen dort hin, scheint mir, aber die meisten haben wir verpasst. Über Kochilou und Vouni (Exo und Messa) führt die Straße bergan, dann über den Bergrücken des Gerakonas. Rechts der Berg des Paleo Kastro mit seiner wilden Besatzungs- und Verräter- geschichte, eine Kapelle leuchtet darauf weiß.

Plötzlich Aussicht auf den Petalo (in Wolken) und das Tal zwischen Pitrofos und Chora davor. Wo ist nun das Kloster? Die Straße wird schlecht, aber noch befahrbar, auf der anderen Seite des Berges hinunter.

Da liegt das Kloster, wie sehen es von oben. Parken in der Serpentine davor. Sind wir mal wieder alleine? Ist es überhaupt offen? Die Reiseführer schreiben von einem bis fünf Mönchen, die noch in dem Kloster leben würden und sich über Besuch freuen. Doch, das Kloster ist geöffnet, schön der Vorhof. Und auch hier sehen wir diese, wie uns scheint, für Andros typischen Querrillen im Putz der Wände. Das belebt die Wände, gibt Struktur, und gefällt uns! Hier gibt es keinen Rockzwang, wie angenehm. Im Torgang überall Blumen, Pflanzen, mehr oder weniger kitschige Heiligenbilder. Die Mönche scheinen Freude an Farben zu haben. Aber wir treffen keine Mönche. Die Kirche ist abgeschlossen. Statt dessen Bauarbeiter. Die Zellen des Klosters werden ausgebaut, neue Matratzen liegen da, und auch die alten, versyphten. Wir können uns ungestört im ganzen Kloster bewegen, müssen nur aufpassen dass wir keinen Sand von der Baustelle in die Augen bekommen. Das Kloster ist an den Hang gebaut, immer kann man noch höher hinaufsteigen, hat einen besseren Überblick. Rechts sieht man einen Staubweg hinunter ins Tal, da hätte man zu Fuß auch herkommen können. Ist aber ordentlich steil! Leider fehlt der blaue Himmel, der die Fotos erst so richtig gut macht. Aber es gibt dennoch einiges zu knipsen. Die Zwiebeln, die auf einer Bank liegen. Eine Rohrkonstruktion aus einem Auspuff. Oder der verrostete Feuerlöscher, hoffentlich brennt es hier nie! Aber es gibt ja einen eigenen Brunnen. Draußen, vor dem Tor, gefällt uns vor allem der luftige Sitzplatz auf dem Dach einer Kapelle. Da kann man das ganze Tal beobachten!

Weiter geht unsere Fahrt durch das Mühlental. Wasser, nicht Windmühlen. Aber entweder sind wir blind, oder die Mühlen verfallen, oder man muss tatsächlich zu Fuß durch das Tal des Dipomata wandern: Wir sehen keine Mühlen! Was uns nicht sooo sehr stört, auf Kea hatten wir schon mal das Vergnügen. Mühlräder waren dort keine mehr zu sehen, nur an den Wasserrinnen waren die Mühlen überhaupt zu erkennen.

Und so landen wir schließlich in Sineti, dem Dorf am Ende des Tales, großflächig am Hang dahingezogen, zum Meer hin. Letzte Hoffnung auf eine Mühle treibt uns hinunter in den Talboden. Nichts, wir müssen wieder hinauf ins Dorf. Üppig grün ist es hier, große Walnussbäume, Feigen. Oliven. Hühner. Mispeln. Wasserrinnen dazwischen. Unheimlich ländlich, keine Spur von Tourismus, keine Taverne, keine Rooms. Aber wieder diese göttlichen süßen Feigen! In Reichweite. Ein freundlicher Esel mit schmuckem Zaumzeug beobachtete uns, verrät aber unseren Feigenklau nicht. Braves Tier!

Ob wir hier in der Bucht ein Bad nehmen sollen? Nein. Das Meer ist sehr aufgewühlt, sieht richtig feindlich aus.

 

Wir fahren weiter nach Chora, essen etwas in dem Lokal, in dem wir schon ein paar Tage vorher waren, schlendern den Paraporti-Strand entlang, wo ein paar Jugendliche sich im Wellenreiten versuchen. Doch, die Wellen sind nicht schlecht und die Jungs werden ordentlich durchgewirbelt. Aber zum richtigen Wellenreiten reichen die Wellenpracht dann doch nicht ganz. Vielleicht Kite-Surfen?

 

In Messaria sehen wir uns dir dritte byzantinische Kirche auf Andros an, die Taxiarchis. Wir müssen ein wenig suchen bis wir sie finden, denn die Beschilderung ist leicht zu übersehen. Auch diese Kirche neu renoviert, und natürlich geschlossen. Schade! Besonders schön hier die Details: Tierfiguren, Oberlichter, Schmuckintarsien.

Bevor wir endgültig nach Batsi zurückfahren, noch schnell nach Menites, dem wasserreichsten und kühlsten Ort der Insel. Bekannt für seinen Brunnen mit den vier Löwenköpfen (à la Spili auf Kreta) im Schatten hoher Bäume. Eine Oase, überall fließen Bächlein.

Zurück auf der Küstenstraße setzt uns wie am Vormittag der Wind mächtig zu. Er hat kein bisschen nachgelassen, auch wenn wir dies im Inselinneren manchmal dachten. Trotzdem ein sehr schöner Tag, den wir im „Koala“ beschließen.

Statt nach Tinos weiterzufahren, gönnen wir uns noch einen Faulenzertag in Batsi. Ich würde ja noch gerne zum Kloster Agias rauf, aber das Mietauto haben wir schon abgegeben und zum Wandern hab ich heute keine Lust. Der Wind ist etwas weniger stark als gestern, aber immer noch ganz ordentlich. Wir bummeln den Strand entlang bis zum Felsenkap, nehmen auf den löchrigen Felsen ein Sonnenbad, ich danach in der kleinen Bucht noch ein richtiges im Meer. Das Wasser hat nur noch 21°C, so schnell kann das gehen! Zurück im Hafen beobachten wir einen jungen Kormoran, der zwischen den Booten Fische fängt – es hat dort ganze Schwärme von Minifischen, die wild in alle Richtungen fliehen wenn er zwischen sie flitzt.

 

Einige der Restaurants haben nun schon geschlossen, ob für den Rest des Jahres oder nur bis zum Wochenende? Im „O Ti Kalo“ stehen Tische und Stühle zu kompakten Paketen verschnürt auf der Terrasse. Am besten geschmeckt hat es uns in Batsi im „Stamatis“, und so essen wir dort am letzten Abend. Stifado und Jemista schmecken auch sehr gut. Müssen aber drinnen sitzen, draußen zieht es zu sehr. Hinter uns an der Wand hängt ein großes Foto von Batsi mit Schnee, ist erst zwei oder drei Jahre alt. Winter in Batsi.

Und am nächsten Tag heißt es packen, wir reisen ab. Zum Hafen nach Gavrio werden wir nicht gebracht (Den Service gibt es nur bei der Ankunft, bevor die Gäste womöglich nicht in die Pension finden. Wenn sie gehen, braucht man sie ja nicht mehr...), wir sollen den Bus nehmen, der 50 Meter weiter unten an der Schule hält. Wie wir lange vor der Zeit auf die Straße treten, rauscht ein Bus vorbei – es wird doch nicht unserer gewesen sein? Wir warten dann ziemlich lange auf den Bus, ich überlege gerade wie wir jetzt noch auf die Schnelle an ein Taxi kommen ohne unser Gepäck die Stufen zum Taxistand runter schleppen zu müssen, da kommt er endlich. Ist knackig voll, das Gepäck muss unten rein in den Bus, und wir ergattern gerade noch ein Sitzplätzchen. Die Fahrt kostet € 1,50 pro Person, und in 10 Minuten sind wir in Gavrio. Die Tickets für die „Superferry II“ von Blue Star nach Tinos (€ 8,-) haben wir schon, aber die Fähre ist noch nicht da, es sind auch noch 20 Minute bis zur fahrplan- mäßigen Abfahrt. Da sind dafür die „Theologos“ und die „Penelope“, die Schiffe kommen im Viertelstundentakt, denn es kann immer nur eine Fähre anlegen, die andere muss warten. Pünktlich um 10.20 Uhr legen wir aber mit der „Superferry II“ ab.

Die Fahrt geht die Küste von Andros entlang, wir können nochmals unsere Wanderroute, den Straßenverlauf und die Ortschaften beobachten, und die Stromleitung bis zum Südzipfel der Insel, von wo aus sie nach Tinos hinübergehen soll.

Ja, das war Andros, meine „letzte Kyklade“. Zu groß um sie in den paar Tagen auch nur annähernd zu erkunden. Ich werde wohl wiederkommen müssen...

Im Oktober 2007