Am Sonntag starten wir wieder an der alten Werft beim Kloster Agios Ioannis Detis. Alex ist gestern von Athen zurückgekehrt und wird die Tour führen, Sofia ist nicht dabei, sie ist in Athen. Wir sind drei Doppel: ein deutsches, ein australisches und ein amerikanisches Paar, und drei Einer: eine Französin, Alex und ich. Das Wetter ist anhaltend schön.
Im Paros Park ist heute Saisonschlussfest mit Schwimm- und Segelwettbewerben für Kindern. Wir sehen uns das vom Wasser aus an nachdem Alex die Einführung gegeben hat und auch nochmals die Geschichte des Klosters und von den Russen in der Bucht erzählt hat. Auf Arte gibt es auch ein kurze Sendung dazu.
Die Vormittagsrast findet wieder am Strand von Tourkou Ammos statt. Ein Mann kommt mit zwei harpunierten Oktopussen vorbei, die er an der felsigen Küste erlegt hat. Der eine zappelt noch, und ich denke, dass ich doch lieber keine mehr essen möchte. Zumal Alex dann erzählt, dass die Nachfrage in den Restaurants das Angebot weit überschreitet. Und allerlei anderes über die lokalen Fische, die Preise und die Fischerei. Und Fischzuchten. Er weiß sehr viel darüber. Und kann ich dann gleich auch unsere Story vom Dienstag mit dem Preis-Schock zum besten geben.
Danach paddeln wir aber südwärts. Unser Ziel sind bei beiden kleinen Inselchen Agios Artemios und Agia Kali. Auf letzterer wollen wir die Mittagspause verbringen. Vorher geht es aber nach einer Runde um Agios Artemios und vorbei an Agia Kali zum Kolymbithres-Strand. Der spektakuläre Strand ist der bekannteste Strand von Paros, aber nicht wegen feinen Sandes oder vergleichbarem, sondern wegen der rundgelutschten Felsenformationen, die die zerklüftete Küste dort bildet. Am Sonntagsmittag ist das aber alles gut belegt, und aus Rücksicht auf mögliche Schwimmer halten wir Sicherheitsabstand.
Das Anlanden in Agia Kali ist etwas schwierig, da der optimale Platz von einigen Leute mit Gummikajak belegt ist. Man kann als guter Schwimmer hier durchaus von Paros aus herüberschwimmen. Und in Kolymbithres auch entsprechende Ausrüstung leihen. Wir steigen etwas weiter rechts aus, wo der Strand felsig ist, und ziehen die Kajaks an Land.
Jeder nimmt seine Sachen mit, und außerdem brauchen wir vier Paddel für das Sonnendach, das Alex später an der kleinen Kirche aufbauen wird. Eine hübsche Kapelle mit blauer Kuppel und kariertem Fliesenboden, schön kühl. Die ist der Analipsi geweiht, also Himmelfahrt, aber wohl auch der heiligen Kalí, die mir bisher kein Begriff war. Die Ikonostase zeigt entsprechend in der zweiten Türe rechts eine Himmelfahrtsikone während die Ikone der heiligen Kali rechts auf einem Extratischchen liegt. Dass sich Heilige ein Gotteshaus teilen, kommt öfters vor. Außerdem teilte die heilige Kali schon zu Lebzeiten ihr Haus mit Obdachlosen, das passt also.
Wir sind nicht obdachlos, aber Alex wird hier später den Lunch aufbauen, den wir aber draußen einnehmen werden. Zuerst geht es aber auf einem gepflasterten Weg hinab zur Küste, wo ein zementierter Anleger ins Meer ragt. Er ist etwas hoch und glitschig, aber man mit einem festgebundenen Seil kommt man auch rein und raus wenn man nicht springen will.
Vor uns liegt mal wieder eine fette Motoryacht, von der laute Musik herüberschallt. Mit langen Seilen ist die Yacht an unserem Inselchen vertäut, wir mussten vorher unter den Seilen durch fahren.
Auch dieses Teil kann man mieten, 210.000 Euro die Woche, zuzüglich Spesen. Eine aufblasbare Rutsche führt von der 50 Meter langen "Ouranos" ins Wasser, und laute Wasservergnügungen wie Jet-Skis sind an Bord. Klar, wer so viel Geld ausgibt, der will auch gesehen und gehört werden.
Wir plantschen im Wasser, schnorcheln entlang der Küste und sonnenbaden. Ich drehe danach eine Runde auf der kleinen Insel, wo eine steinerne Tafel an einem Grab in drei Sprachen an die russischen Seeleute erinnert, die hier ums Leben kamen. Die Russen hatten sich zuerst auf dem Inselchen niedergelassen ehe sie die ganze Bucht mit Beschlag belegten.
Außer der Kapelle und dem Grab gibt es aber keine Gebäude auf Agia Kali.
Unter dem Schattendach genießen wir danach das Picknick. Ich finde es wieder sehr interessant, die Meinungen der Mitpaddler über Paros und die griechischen Inseln zu hören. Das amerikanische Paar war vorher auf Santorin und fand es überfüllt und nach einem Tag stinklangweilig. Sie hätten nicht mehr gewusst was sie hätten tun sollen. Das deutsche (jüngere) Paar ist jetzt zum zweiten Mal auf Paros und ihnen gefällt es hier. Von Inseln wie Sifnos oder Milos haben sie alle noch nie gehört. Es gibt also noch Hoffnung, dass sich der touristische Hauptstrom auch zukünftig vor allem auf Mykonos, Santorin, Paros und Naxos ergießt. :-)
Der Wind hat aufgefrischt als wir uns kurz vor halb vier wieder aufs Wasser begeben. Das Meer zeigt heftige Wellen, so dass Alex kurz erwägt, nur rüber Richtung Kolymbithres überzusetzen, wo er uns dann mit dem Van abholen würde. Das lassen wir dann aber doch, denn der Wind kommt von hinten. Ich mag das nicht, auch wenn er dann schiebt, denn die Wellen sind dann schwer einzuschätzen. Flugs sitzt die Kenter-Angst wieder mit in meinem Kajak, aber ich kämpfe dagegen an.
Wir fahren nahe entlang der Küste um wenigstens etwas Windschatten zu haben. Vorbei am Aqua Paros Waterpark, der die Saison schon beendet hat und mit den leeren Becken und Rutschen deprimierend aussieht.
Ungekentert kommen wir alle um Viertel nach vier am Ausgangspunkt an und sind uns einige, dass das eine schöne Tour war.
In Naoussa verabschiede ich mich von den anderen (Die Amerikaner drücken Alex ein paar Scheine in die Hand, was er irritiert zur Kenntnis nimmt, denn sie haben die Paddelgebühr schon bezahlt. Es ist Trinkgeld. Puh, lass das nicht Theo lesen!) und von Alex und bedanke mich für die schönen Tage mit ihm und Sofia. Ich bezahle jetzt alle Touren in bar, natürlich gegen Beleg und wünsche ihm und seiner Frau alles Gute für den Familienzuwachs. Auf Griechisch wünsche man καλή (ε)λευθερία - gute Freiheit, sagt Alex. Gefällt mir. Jetzt im Januar, da ich diesen Text schreibe, müsste das Kind kommen. Ob Junge oder Mädchen wollen die Eltern vorher nicht wissen.
Zurück im Quartier fange ich an zu packen. Mein roter Mietwagen steht immer noch vor dem Haus wie ich ihn gestern Abend abgestellt habe. Knapp hundert Kilometer bin ich doch gefahren. Den Schlüssel habe ich am Morgen Sofia gegeben, die mir für morgen acht Uhr auch ein Taxi zum Flughafen bestellt hat. In dem kleinen Bistro, das tagsüber im Frühstücksraum an der Rezeption geöffnet ist, ist sie aber nicht. Ich solle morgen früh bezahlen, sagt die Blondine, die mich auch bei meiner Ankunft in Empfang genommen hat (Namen vergessen, signomi) und die offenbar hier immer die Spätschicht hat und sich um das Bistro kümmert.
Ein Ouzo samt Meze - Brot mit Tomatenscheiben und Feta - bringt mich in eine schwingende Stimmung. Die Abendsonne färbt die Berge auf Naxos in alpenglüh-rosa und macht mir den Abschied schwer. Paros ist nicht meine Insel, und wird es auch nicht. Aber mit meiner Quartierwahl und den Paddeltagen habe ich es gut getroffen und die Insel sehr schön und besonders erlebt.
Auf dem Weg hinein nach Naoussa zeichnet die untergehende Sonne die scharfen Umrisse der Küste und Häuser in die Reste des spärlichen werdenden Lichtes und des reflektierenden Meeres. Ich habe Glück und bekomme einen Tisch im "Palio Agora". Das Speisenangebot liest sich ausgezeichnet und ich habe die Qual der Wahl. Entscheide mich schließlich für einen Tirokafteri und einen Fischsalat und bin vor allem gespannt auf letzteren. Der Service ist sehr schnell, kaum bestellt, stehen beide Tellerchen schon auf dem Tisch. Der Käsesalat schön scharf, der Fischsalat höchst interessant und köstlich, aber schwer zu beschreiben. Lange sitzen kann man hier aber nicht, denn die Wartenden - darunter Roxane und Cathrin - stehen in den Gassen. Die Rechnung ist niedrig, und bei einem anschließenden Einkaufsbummel werde ich noch fündig.
Beschwingt-melancholisch klingt der Abend aus.
*
Der Wecker klingt jäh um halb sieben.
Der Sonnenaufgang übertrifft alle vorherigen als wolle er mir die Zähne lang machen.
Um halb acht habe ich fertig gepackt und gehe nach nebenan, wo Sofia mir auch heute wieder ein frühes Frühstück macht und ich die Rechnung bezahlen und mich herzlich bei ihr bedanken kann. "Bocamviglies Rooms" - absolut zu empfehlen.
Das Taxi ist pünktlich um acht Uhr da, und das ist auch gut, denn auf der Strecke zum Flughafen haben wir einen Schleicher nach dem anderen vor uns, hängen hinter Müllabfuhr, Traktor und LKW. Mein Flug nach Athen geht um 09:25 Uhr, erst eine Dreiviertelstunde vorher bin ich schließlich am Ziel. 35 Euro kostet die Taxifahrt, was angesichts der Tatsache, dass für das Taxi schon von Parikia nach Naoussa 25 Euro fällig waren, in Ordnung ist.
Der Flughafen, beziehungsweise seine Piste, wurde vor drei Jahren ausgebaut. Für ganz große Flugzeuge und internationale Flüge reicht es aber wohl noch nicht, auch weil sich HochTief, die Betreiber des Athener Flughafens, eine entsprechende Klausel samt 100-Meilen-Sperrzone in den Vertrag haben schreiben lassen.
So ist der aktuelle Flughafen etwa so übersichtlich und gemütlich wie der von Naxos und auch eine Dreiviertelstunde vor dem Abflugszeit herrscht hier null Hektik. Siga, siga, es reicht für alle.
Check-In, Gepäckaufgabe und Sicherheitscheck gehen schnell und familiär, und ich staune, wie liebevoll sich das Personal um eine bäuerlich gekleidete alte Frau kümmert, die wie ich bis Stuttgart weiterfliegen wird. Aegean/Olympic - einfach die beste Fluggesellschaft.
Wir fliegen mit einer Dash 8 Q400, die 78 Plätze hat und recht voll ist. Pünktlich hebt sie ab.
Ich habe einen Fensterplatz rechts und genieße den Blick über die Bucht von Parikia, dann die unbewohnten Fyra-Inseln.
Im nackt-braunen Kythnos glänzt weiß die Chora, dann liegt mir die sandige Verbindung des Kolona-Strandes zu Füßen. Unnahbar dann wie ein Klotz Kea. Und vor der Landung die unbewohnte Insel Patroklos vor der Küste von Attika.
Um zehn Uhr laden wir in Athen, wo ich knapp drei Stunden Aufenthalt habe , ehe es mit Traumblick auf Salamina, den Kanal von Korinth und den Golf, die Brücke Rion-Antirio, Kastos, Kalamos, Preveza und Othoni entlang der Adria geht. Ein Genuss, der mir das Urlaubsende versüßt.
Schön war's wieder.
Noch lange nicht genug.