Neulich habe ich hier im Focus-Magazin gelesen, dass „nichts so sehr mit Urlaub assoziiert (wird) wie ein Stück Erde umgeben von Wasser.“ Weiter steht da: „Seit jeher üben diese kleinen Flecken Erde, ganz vom Festland getrennt, einen eigentümlichen Reiz aus. Der Gedanke, ein paar Tage auf einer Insel zu verbringen, löst bei vielen Menschen eine Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit aus. Vermutlich ist auch Daniel Defoes weltberühmter Roman „Robinson Crusoe“ daran schuld. Der Traum vom einfachen Leben auf der sonnigen Insel – angesichts einer immer hektischeren Arbeitswelt – bleibt verlockend.“
Eine griechische Insel ist bei der Top-Ten-Insel-Liste des Focus dann aber nicht dabei. Die dort genannte Äolische Insel Alicudi kommt dem wohl am nächsten. Aber sollen die Leute vom Focus oder sonst wo ruhig ein Inselranking machen – wir sind froh, wenn unsere Lieblinge nicht dabei sind. Denn das sind dann die Inseln, die tatsächlich von der Alltagshektik verschont sind – zumindest in der Vor- und Nachsaison, wenn wir reisen.
Das „einfache, aber glückliche Leben“ halte ich dagegen für trügerisch. Auf keiner griechischen Insel wollte ich das ganze Jahr leben. Die Winter sind lange und einsam, die Häuser schlecht isoliert und beheizbar. Jeder kennt jeden, nichts bleibt verborgen.
Ich bin auch wieder froh, wenn ich nach ein paar Tagen oder Wochen wieder weg kann. Soo einfach will ich es dann doch nicht. Bin lieber in unserer Zivilisation, wo die S-Bahn halbwegs pünktlich fährt (immer seltener allerdings), man eben mal einkaufen kann was man möchte und doch nicht braucht, der Weg zum nächsten Arzt kurz ist und Theater, Museen und Bibliotheken locken. Nicht, dass ich sie immer nutzen würde. Dass ich sie überhaupt nutzen würde. Aber schon die Anwesenheit beruhigt.
Und kaum daheim, packt mich schon wieder die Sehnsucht. Habe den Geruch der Inseln in der Nase. Beginne zu planen, studiere Fährpläne.
An manche Fragen habe ich mich längst gewöhnt. Fragen wie „Kastellwas?“ (Kastellorizo!), „Schon wieder auf die griechischen Inseln? Ist dir das nicht langweilig?“ (Nein, ist es nicht!) und „Gehst du auch noch woanders hin?“ (Ja, nach Frankreich, Italien oder in die Schweiz! Aber immer seltener....)
Die nächste Frage ist dann: „Warst du schon auf allen griechischen Inseln?“
Nein, war ich nicht.
Es sind zu viele.
Die Zahl für die bewohnten griechischen Inseln schwankt je nach Quelle zwischen 140 (Yiannis Desypris in "777 herrliche griechische Inseln"), 163 (Erich Hänßler in einem Artikel der „Stuttgarter Zeitung“) und 167 (Johannes Gaitanidis in "Inselmeer der Griechen").
Wikipedia legt sich nicht fest, nennt „mehr als 3.000 Inseln, von denen nur 78 mehr als 100 Einwohner haben.“
Das kommt mir nun wieder etwas wenig vor... daher habe ich mich kundig gemacht und etwas recherchiert. Siehe dazu meinen Artikel Nissologie mit reichlich Zahlen.
Demnach sind es plusminus 100 ganzjährig bewohnte Inseln.
82 griechische Inseln hab ich inzwischen besucht. Die Sammelwut lässt nach, zugunsten der Wiedersehensfreunde mit schon bekannten Inseln.
Nissomanie bedeutet mir schon lange nicht mehr, möglichst viele Inseln zu besuchen und abzuhaken. Sondern überhaupt Urlaub auf einer (griechischen) Insel zu machen. So viel Urlaub habe ich aber leider nicht, daher fallen bei mir wenig attraktiv erscheinende Inselziele durch den Rost. Kefalonia**, Evia**, Lesvos? Zu groß. Thassos**? Zu grün. Zakynthos? Zu touri, und eh auf der "falschen" Seite (= im ionischen Meer).
Trotzdem: die Qual der Wahl macht mir die Auswahl jedes Jahr wieder schwer.
Eine Frage kommt auf alle Fälle noch:
„Und welches ist nun deine Lieblingsinsel?“
Ich gerate ins Grübeln. Und finde keine Antwort. Vielleicht kann ich zehn Inseln nennen, die zu meinen Lieblingsinseln zählen. Und habe bestimmt eine oder zwei vergessen.
Deshalb hier meine Top-Ten, ohne Reihenfolge, einfach aufgezählt wie sie mir einfallen. (Meine Mutter, die mich früher auf viele griechische Inseln begleitet hat, hat schon wieder ganz andere Lieblinge).
Tinos. Der Erstling, die erste große Liebe, die man nicht vergisst. Griechisch wie wenig andere Inseln. Speziell, wegen der Wallfahrer. Wunderbar die Marmordörfer, und Taubenhäuser. Die Strände, na ja.
Amorgos. Das Abendlicht in der Bucht von Katapola oder der Blick von Minoa hinunter. Die steilen Inselflanken und -berge, dunkel und verbrannt. Wanderungen. Inselmusik live im alten Kafenion von Kyrio Preka. Das weiße Kloster, am Hang hängend. Die Segler im Hafen. „The Big Blue“. Blühende Oleandertäler. Die „Skopelitis“.
Kastellorizo. Schönstes Ende Griechenlands. Die Uferpromenade. Freundlichen junge Soldaten. Malerische Ruinen. Treppenweg auf die Hochebene. Herzliche Vermieter. Bunte Häuserfronten mit neoklassizistischen Giebeln. Dolce far niente.
Sifnos. Die weißen Dörfer. Die Strände. Die unglaublich nette Sofia vom „Poseidonas“ mit ihrer speziellen Bewältigung des „germaniko systemo“ (hat sich längst zur Ruhe gesetzt). Die Panigiria. Die Wanderwege. Agios Simeon. Und noch mehr Heilige. Und Chrissopigi, natürlich.
Agathonisi. So unauffällig, kaum einer kennt sie, viele Reiseführer lassen sie unerwähnt. Mit allen Vorteilen, die so kleine Inseln haben. Ruhe. Gemächlichkeit. Und manchmal der Flüchtlingsansturm.
Milos. Die Steine, die Farben, die Küsten. Die Fischersiedlungen. Genial im Kajak.
Karpathos. Olymbos am Abend ohne Tagesausflügler. Mantinades in der Nacht. Makkarounes. Gastfreundliche Wirte. Die geschäftige Vermieterin. Die Frauen in Tracht. Strandnahes Wohnen in Arkassa. Mit dem Kaiki von Nikos unterwegs zu einsamen Stränden und Traumbuchten. Frischgefangener Thunfisch zum Abendessen. Wandern im Mai.
Skyros zum Karneval. Kalt und windig. Aber was für ein Erlebnis! Ohrenbetäubend und intensiv. Was weiß schon der Augusturlauber?
Nisyros. Die Tagesausflügler gehen wieder, aber die Insel erlebt nur wer bleibt. Im Häusergewirr von Mandraki, beim Aufstieg auf die Berge, im Dorf Nikia. Vulkangrau.
Und die zehnte? Ich kann mich nicht entscheiden. Sikinos? Fourni? Hydra?
Ich tue denen unrecht, die ich nicht nenne.
Es sind zu viele. Es kommen gelegentlich neue dazu. Und jede hat was. Jede!
Oh, so viele Inseln.....
Ergänzung Januar 2013:
Nicht jede Lieblingsinsel hält einem Wiederholungsbesuch nach einigen Jahren stand. So musste ich Tilos aus den Top-Ten streichen - irgendwie hat man sich dort zu sehr dem (zugegeben gemäßigten und auch nicht unangenehmen) internationalen Tourismus verschrieben.
Neue Lieblinge dafür? Kimolos? Kithira? Ikaria? Psara?
Ich kann es einfach nicht sagen....
Inselrankings sind was für schlichte Gemüter. Ich spare mir das.
* Februar 2013:
Aktuelle Zahlen aus der Zählung 2011 gibt es hier unter "Nissologie".
** inzwischen doch auch besucht. :-)
Erstfassung geschrieben im Mai 2008, mehrmal überarbeitet.
Letzte Aktualisierung März 2024.