Die Briefe des deutschen Arztes.

 oder: Die lange Geschichte zu einem Buch

 

  

Im Mai 2017 stieß ich im Shop des Milos Mining Museums auf ein Buch, von dem ich bei diablog schon gelesen hatte: "Der Arzt Hans Löber. Briefe aus Milos, 1943-1944".

Hans Löber war während der deutschen Besatzungszeit als Marinearzt auf Milos stationiert, von Juni 1943 an, und hatte sich auch sehr um griechische Patienten gekümmert. Er wurde dort am 5. Dezember 1944 vermutlich von griechischen Partisanen getötet.

 

Das Buch im Museum war das letzte Exemplar und schon etwas angestaubt. Ich zögerte es zu kaufen weil ich mein Reisegepäck nicht damit belasten wollte. Wenn ich mich richtig erinnerte, dann war das Buch in Deutschland auch zu bekommen.

Das Buch blieb also im Shop, und ich reiste weiter, und schließlich wieder heim. Milos hatte durch den Aufenthalt aber angefangen, mich mehr zu interessieren. Folglich wollte ich das Buch unbedingt haben. Also bei diablog nachgeguckt und eine eMail an die dort angegebene Adresse auf Milos geschickt. Tage und Wochen vergingen. Keine Reaktion - weder Antwort, noch Buch. Auch eine zweite Anfrage blieb ohne Antwort. Schade.

 

Ich suchte nach Bestellalternativen und stieß auf den Segelbericht im Blog von Roland, der offenbar kurz nach mir auf Milos gewesen war, das Buch im Museum erstanden hatte, und ein zweites Exemplar bei einem notwendigen Krankenstationbesuch in Plaka vom behandelnden Arzt geschenkt bekommen hatte. Mhh, er hatte das Buch also doppelt. Vielleicht konnte er ein Exemplar entbehren? Schnell angeschrieben, und postwendend eine sehr nette Antwort bekommen: Gerne könnte ich eines der Bücher haben. Zwar nicht das vom Arzt auf Milos geschenkte mit Widmung, aber das andere. - Super, herzlichen Dank! Wenig später dann die zerknirschte Meldung: das Buch sei verliehen, und käme wohl nicht so schnell zurück.

Roland hat dann via facebook versucht, eine Bezugsquelle ausfindig zu machen, aber das blieb ohne Erfolg.

 

Nicht so schlimm, im Oktober wollte ich wieder nach Milos. Dort hab ich an das Buch zunächst nicht mehr gedacht (Sea Kayaken absorbiert alles andere) bis ich am vorletzten Tag in Adamas ein Auto mietete und schnell beim Mining Museum vorbei sah. Leider war dort aber nur die griechische Ausgabe des Buches vorhanden. Keine Problem, sagte die nette Verkäuferin, sie könne das Buch besorgen, und übermorgen könnte ich es abholen. Morgen, am Montag, ist das Museum geschlossen. Und ich leider wieder auf dem Heimweg ab Milos. Ich könne es auch per eMail ans Museum bestellen, dann würde sie es mir schicken. Das war eine Option, aber ich versuchte es am Montagvormittag dann doch nochmals in Adamas. Würde zwar auf Kosten meiner Badezeit in Paleochori gehen, aber das war es mir wert.

 

Erster Versuch in dem Buchladen an der Hautstraße. Echete to biblio tou jemanou jatrou? Ochi - nein, aber im Supermarkt an der Paralia Richtung Flughafen würde ich es bekommen. Dort hin und angefragt: Leider nein, aber der Periptero an der Paralia hätte es. Hatte er auch, aber nur auf Griechisch. Ich solle es in dem kleinen Buchladen in der Gasse zur Kirche probieren. Dort erhielt die die abschließenden Antwort, dass es das Buch nur in der Krankenstation oben in Plaka gäbe.

Mist, da hatte ich fünf Tage dort um die Ecke gewohnt, aber glücklicherweise keinen Anlass gehabt, die Krankenstation aufzusuchen. Und nach Büchern fragt man dort ja normalerweise nicht.

Und jetzt war die Zeit zu knapp. Ich würde Milos auch dieses Mal ohne das Buch verlassen.

Nun, immerhin ein guter Grund, dort wieder hinzukommen (neben zahlreichen anderen). Deshalb hab ich es auch nicht im Museum bestellt.

 

Ein paar Wochen später ergab sich ein netter Kontakt zu Immo von milos-greece, der mir schrieb, dass er einige Möbel aus dem Haus von Dr. Löber hat und wie es dazu kam. Erstaunlich, und es wurmte mich nun wieder, das Buch nicht gelesen zu haben.

 

Und dann trudelten einen Tag später abends drei eMails bei mir ein: zwei von Roland, und eine von Dr. Hanns-Georg Löber aus Köln, dem Sohn des Milos-Arztes. Er hatte meine Klage darüber, dass die Bestellmail nach Milos ohne Resultat geblieben war, auf Rolands Website gelesen. Und Roland hatte prompt reagiert und ihm meine Adresse gegeben. Noch am gleichen Abend ging meine Bestellung nach Köln. Es dauerte dann noch etwas bis eine Antwort kam, aber wenig später wurde mir das Buch angekündigt. Und kurz vor Weihnachten war es in der Post, und ich bin sehr gespannt darauf, es zu lesen. Es kostet übrigens 20 Euro, die der Krankenstation auf Milos zugutekommen.

 

Kein Grund aber, nicht trotzdem wieder nach Milos zu reisen. :-)

 

Ganz herzlichen Dank an alle, die sich so sehr nett bemüht haben, dass ich das Buch bekomme. Und falls noch jemand ein Exemplar möchte - ich kann gerne den Kontakt zu Dr. Hanns-Georg Löber vermitteln. Er hat noch Bücher. Oder hier über diese Seite bei diablog, ganz unten.

 

 

 

2. Januar 2018:

Inzwischen hab ich das Buch gelesen, und finde, dass es den Aufwand absolut wert war.

 

Man darf beim Lesen nicht vergessen, dass es sich um kein geschriebenes Buch, sondern um Briefe handelt, die eigentlich nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren. Das bringt viele Wiederholungen und Aufzählungen mit sich, ist aber nicht weniger interessant.

 

Fast jeden frühen Sonntagvormittag hat Dr. Löber einen Brief an seine Verlobte und an seine Familie geschrieben (die Briefe wurden jeweils innerhalb der Familie weitergereicht). Im Mittelpunkt steht dabei wenig der Krieg, als vielmehr die Insel Milos mit ihrem Wetter, ihren Früchten, ihren Orten. Und ganz besonders die ärztliche Leidenschaft, die Dr. Löber nicht nur den deutschen Soldaten zugutekommen lässt, sondern auch den Griechen. Er zählt glücklich die Operationen an Greisinnen, Kindern und Bauern auf, die offenbar meist sehr gut verlaufen sind und ihm Berge von Früchten und Hühner als Dank einbringen. Man staunt, wie häufig (Leisten-)Bruchoperationen sind, und kann sich vorstellen, wie lange die Menschen diese Brüche schon mit sich herumschleppten.

Auch der Kampf gegen die Malaria, unter der im Sommer viele litten, wird intensiv geführt.

Zweimal besteigt er den Profitis Ilias, er besucht das Schwefelbergwerk und die Nachbarinsel Kimolos.

 

Voller Demut spricht er oft von seinem Paradies, in dem es so viele pralle Früchte gibt, und von den Erfolgen und Misserfolgen seiner Geflügelzucht, des Kartoffel- und Tomatenanbaus.

Der tobende Wind, die große Kälte, die sommerliche Hitze - alles erträgt er mit einer tief religiösen Einstellung voller Freude und ohne Gejammer. Und antwortet auf die Nachrichten wie die vom Tod zweier seiner Brüder. Am Ende möchte mal fast nicht mehr weiterlesen, weil man weiß, dass es ihn selbst treffen wird. Und bedauert es unendlich, dass die griechischen Partisanen - oder waren es eventuell doch Engländer? - diesem Menschen keine Heimkehr gönnten.

 

Der Krieg ist ohne Gnade.

Dass man auch als Teil einer Besatzungsmacht als Mensch handeln kann, zeigen diese Briefe eindrucksvoll.

Sehr zu empfehlen!

 

 

4. Januar 2018 - ein kleiner Nachtrag:

Vorgestern das Buch ausgelesen. Gestern den Artikel hier fertig geschrieben. Heute ein dicker Brief in der Post: das per eMail auf Milos bestellte Buch. Bestelldatum: 13. Juni 2017. Versanddatum: 11. Dezember 2017. Gut Ding will Weile haben. Jetzt hab ich das Buch doppelt.

Ich hoffe, es kommt nicht noch eines, weil ich sicher bin, dass ich im Sommer zwei Bestellmails nach Milos geschickt habe. :-))

PS. Nein, es ist nicht noch ein Buch gekommen. Und für mein Doppelexemplar habe ich auch Verwendung gefunden.

 


Ein Artikel aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 18. Januar 2019 über Löber, seinen Sohn, Milos und ein Theaterstück über den Arzt: „Hans – Mitten im Einen das Viele“ - Ein Kölner auf den Spuren des Vaters.