Mestá - Olymbi - Mestá, und noch Armólia

 

Am Mittwoch ist der Himmel bewölkt und es hat etwas abgekühlt, aber immerhin regnet es nicht. So können wir also nach Olymbi wandern.

Die Wanderung ist nicht lange, eher ein Spaziergang von einer Stunde/2,5 Kilometern je Richtung mit einem leichten Anstieg. An der Bushaltestelle hab ich schon eine Übersichtstafel gesehen, und wenige Meter weiter links ist der Einstieg in den Weg beschildert und immer leicht zu finden. Es ist Viertel nach zehn als wir losgehen.

Wir lassen Mestá schnell hinter uns und gehen auf einem gepflegten Monopati durch Olivenhaine. Nach wenigen Minuten erreichen wir einen Brunnen mit Zisterne in einem trockenen Bachlauf, ein niedriges Steinhaus dabei. Ab hier wird der Weg schmaler und steigt leicht bergan. Das Licht in den silbernen Olivenblättern, die Wolken am Himmel – tolle Stimmung!

Hinter uns die grautristen Gebäude von Mesta mit den schwarzen Wassertanks, schmalen Kaminen und Masten auf den Dächern – von Weitem sieht das slumartig aus. Fremd.

Herbstzeitlosen auf dem Weg, violett-kariert. Windmühlenstümpfe auf dem Hügel. Auf dem Sattel steht die Kapelle Agios Antonios inmitten von Zypressen, die Glocke im Baum. Nach Nordwesten hat man den Blick auf das Meer und darüber hinaus bis Psara.

Und nun stehen wir mitten im Mastix. Die Reihen niedriger, fast strauchartiger kugelig-breiter Bäume mit den tiefgrünen Blättern, die nackten Stämme und Äste, der aufgeräumte rotbraune Boden darunter. Man muss geduckt unter die Bäume gehen. Wir suchen Tränen. Die Erntezeit ist vorbei, jetzt hängt allenfalls Übersehenes an der Rinde. Ab ersten Juli wird die Rinde des Baumes regelmäßig angeritzt, dann tritt das Baumharz aus, tropft auf die gesäuberten und mit Kalk bestreuten Böden und wird aufgelesen. 200 Gramm wirft ein Baum pro Jahr ab, für das Kilo Mastix erzielt ein Bauer siebzig Euro – gereinigt und sortiert natürlich. Frauenarbeit.

Wir testen vorsichtig einen abgekratzten Tropfen. Gar nicht so übel, kann man richtig kauen. Darf nur nicht zu trocken sein.

Olymbi im Blick geht es nur abwärts. Der Weg ist gelegentlich etwas ausgespült, aber trotzdem unproblematisch. Anhand der reifen Früchte identifiziere ich die Sträucher am Wegrand als Erdbeerbäume. Die gab es auf den Äolischen Inseln, vor allem Salina, aber im Mai ohne die Früchte sehen sie nur irgendwie lorbeermäßig aus. Weil wir nicht wissen ob sie essbar sind (ja, sind sie) verzichten wir aufs Probieren.

 

Wir haben uns wirklich Zeit gelassen und deshalb fünf Viertelstunden bis Olymbi gebraucht.

Der Ort präsentiert sich sehr geschlossen im steingrauen Outfit, enge Gassen, zahlreiche Häuser schön renoviert. Viel los ist nicht, keine Mastixsortiererinnen vor den Häusern – das Wetter ist auch unbeständig und die Sonne schafft es vorerst nicht heraus.

In der Stadtmitte gibt es noch eine sehr gut erhaltene Fluchtburg mit zwei Kafenia bzw. Tavernen darin. Eine junge Frau aus einem der Lokale namens „Amethystos“  drückt uns gleich ein Faltblatt über Olymbi in die Hand (in Griechisch, Englisch und Türkisch) über – natürlich möchte sie, dass wir dort einkehren. Nachdem wir eine Runde auf der Platia um den Fluchtturm gedreht haben, machen wir das auch (im Kafenio auf der anderen Turmseite sitzen natürlich nur Männer – nichts für uns). Zum Kaffee einen Galaktobureko mit Mastix-Geschmack – mhhh, geht, aber muss nicht sein. Pur ist uns der Grießpuddingkuchen lieber. Das große Stück sättigt ungemein.

 

Olymbi hat etwa die gleiche Größe wie Mesta, und gefällt mir ähnlich gut. Auch in Olymbi gibt es an einigen Wänden und Torbögen Kratzputzdekor. Und da reiten doch – wie fürs Fotoalbum bestellt – zwei Frauen auf ihren Eseln vorbei. Wir schnell hinterher. Die beiden Frauen halten wenig später, steigen ab, laden ihre Lasttiere ab. Keine touristisch gestellte Szene – für die Bewirtschaftung der Felder und in den schmalen Gassen von Olymbi sind Esel immer noch das optimale Transportmittel. Seit der Krise sollen die Grautiere auch wieder im Kommen sein.

Wir machen uns wieder auf den Rückweg. Der Himmel ist aufgerissen, die Sonne scheint, es ist angenehm warm und der Weg ist schön. So richtig Spaß macht Griechenland eben doch zu Fuß, und wenn es dann mal keine Straße ist auf der man wandert, sondern ein gepflegtes Monopati, dann erst recht.

 

Um halb zwei erreichen wir Mesta und umrunden den Ort – die geschlossene Ansicht von außen ist interessant. Ein fliegender Fischhändler ist gerade an der Platia an der Bushaltestelle, sein Angebot stößt auf rege Nachfrage. Gegenüber verkauft ein Töpfer in einem großen Laden jeder Menge dekorative und skurrile Dinge, aber was mir gefällt ist zu groß und auch nicht gerade preiswert. Ob er viel verkauft?

Nach einer Siesta fahren wir später noch nach Armólia. Von dem Töpferdorf kann man zu Fuß hinauf zur Ruine der Festung von Apolichnon. Wir parken das Auto am Beginn des Weges, nahe bei einem großen Laden mit Töpferwaren.

Der Weg ist beschildert und führt zunächst als Piste durch Oliven- und Mastixhaine. Zu Beginn des Burghügels erreichen wir den Bereich, der im August 2012 den Bränden zum Opfer gefallen ist. Die Grenze verläuft hier – rechts noch ein grünes Tal, links vertrocknet-herbstliche Bäume, krallenartig-verkohlte Sträucher, im Tal jenseits der Burg dann alles grau und verwüstet.

Eine halbe Stunde brauchen wir hinauf, der Weg ist gut zu finden. Oben dann die gezackte Mauer einer genuesischen Festung aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Eine weitläufige Anlage ist das, die mich an das Kastro oberhalb Megalo Chorio auf Tilos erinnert. Ganz so steil ist der Weg hinauf aber nicht, und oben bläst auch der Wind nicht so stark wie er es dort tat.

 

Toll der weite Blick - nach Süden sieht man auf Armolia und Kalamoti, dahinter die Küste bei Emborios. Vorne die gescheckten Plantagen – oliven-silbrig und mastix-grün vor kornfarbenem Grund. Nach Norden ein kahles Tal – hier beginnt das Brandgebiet, die betroffenen Bäume sind teilweise schon abgeholzt. Nach Westen eine große, mäßig versteckte Kaserne (no photo?). Und nach Süden liegt in den Hügeln ein kleines Kloster mit einer einsamen Zypresse – hübsch sieht es aus. Das muss das Kloster Vretou (auch Zoododou Pigis Vretou) sein. Keine Ahnung, ob es noch bewohnt ist. (laut dieser Quelle ja, von zwei Mönchen).

Wir sind alleine hier oben. Und sehen jetzt – auch im Inneren der Burg hat es verkohlte Sträucher. Die Mauerreste sind aber noch unverrußt weiß.

Schnell sind wir wieder unten in Armolia. Natürlich schauen wir uns den großen Töpferwarenladen an. Der geht über zwei weitläufige Stockwerke und bietet derart viele unterschiedliche irdenen Sachen an, es ist keine Handschrift zu erkennen. Dass alles hier von der Insel und auch noch aus dem Ort kommt, kann ich nicht glauben - bei manchem lässt Fernost grüßen. Die Verkäuferin schenkt uns einen Becher Mandarinensaft von Chios – vermutlich, um uns in Zug- und Kaufzwang zu bringen. Es ist schwer in dem Wust von Zeug etwas Originelles und Originäres zu finden, das auch noch handlich genug ist um es mitzunehmen. Ein kleiner Teller mit einem aufgemalten Mastix-Baum entspricht meinen Vorstellungen noch am ehesten und wird schließlich mitgenommen.

 

Dann bummeln wir in den Ort hinein. Im Vergleich zu Mesta oder Olymbi wirkt er ungepflegt und in manchen Ecken leicht angegammelt (Ruinen), aber bewohnt, und die Bewohner sind freundlich - es ist kein Museumsdorf. Man scheint sich über uns zu wundern – Touristen in Armolia?

 

Über Eláta - Fotostopp am Dreirad, lachend beobachtet von Einheimischen – und Limenas fahren wir zurück nach Mestá. Warum man die Durchfahrtsstraße unterhalb von Elata mit schicken Laternen und einem gepflasterten Gehweg versehen hat, muss ich nicht verstehen – die Wege der Subventionen sind oft rätselhaft und verschlungen.

 

Die Westküste ins abendliches Felsenglühen getaucht. In Mesta selbst sieht man keinen fotogenen Sonnenuntergang – die unser Quartier umgebenden Mauern sind zu hoch, und die Sonne verschwindet unspektakulär hinter einem Hügel. Den pirasi – wir hatten schon so schöne Sonnenuntergänge in diesem Urlaub.

Zu Abend essen wir heute nicht an der Platia, sondern in der Psistaria „Mestousiko“. Draußen ist es zu kühl, als wir ins Innere des sehr kleinen Lokales steuern – im Erdgeschoss hat es eigentlich nur eine Theke mit einem Stehtisch - ist die nette Wirtin überrascht. Wahrscheinlich hat sie nicht mehr geglaubt, dass wir noch mal zu ihr kommen.

Im ersten Stock hat es Tische mit Sitzplätzen, wir sind die einzigen Gäste, und sie macht für uns das Licht an. Noch bevor wir bestellen steht ein Krug mit einem dunklen Rotwein auf dem Tisch – von Weinberg der Familie, sagt die nette Wirtin Marina. Wenn er uns schmecken würde – sie hätte noch mehr. Es gibt Sachen vom Grill: Loukanika, Souvlakia, und Käsebällchen vorab, der Wein passt sehr gut dazu, und wir bestellen noch ein Viertel. Nicht die raffiniertere Küche wie an der Platia, aber solide Grillküche - es schmeckt uns. Preiswert ist das Essen noch dazu – achtzehn Euro fünfzig stehen auf der Rechnung.

Später kommt noch eine merkwürdig inhomogene Gruppe an den Nachbartisch – ein griechisches Gastgeberpaar (von Lida Mary?) mit britischen oder französischen Gästen. Man feiert Abschied. Die Saison geht auf Chios mächtig zu Ende, am zweiten Oktober. Wir sind froh, dass wir noch etwas bleiben dürfen. War ein Tag mit vielen Eindrücken!

 

Morgen wollen wir uns die Inselmitte ansehen, Anavatos und Avgonima. Und im Meer baden wäre auch mal schön.