Zur Quelle und Stränden

Der Montag ist unser letzter Tag auf Ithaki. Das Wetter bestimmt heute der Südwind, also ist es diesig und warm. Wir lassen es ruhig angehen und fahren nach dem Frühstück zunächst hinauf nach Perachori in der Absicht, bis zur Kloster Taxiarchon vorzudringen. Die Straße hinauf nach Perachori ist auch mit dem Auto ganz schön steil, und die asphaltierte Straße endet am oberen Ortsende von Perachori und geht in eine Piste über. OK, kein Kloster, denn zu Fuß haben wir keine Lust.

Also wenden, und wieder hinab durch Perachori bis rechts die Straße nach Marathias abzweigt. Sie führt vorbei an Bauernhöfen, durch Obstplantagen und Weinberge hinab, dann wird die Landschaft kärger, Buschwerk statt Wein. Und nach einer Biegung steht da ein Picknick-Pavillon und ein Wegweiser nach links "Arethoussa-Quelle".

Gut, da wollen wir hin. Eine Entfernungs- oder Zeitangabe suchen wir vergeblich, der Reiseführer schreibt etwas von zwei Kilometer und einer Stunde pro Richtung wenn man gemütlich geht. Aber irgendwie habe ich das überlesen, oder ausgeblendet. Ich denke, es wäre kürzer.

Der Weg ist gepflastert und breit, mit schönen Stufen. Genau dreihundert Meter lang, bis der Weg hinter einen Biegung verschwindet. Dann geht er in ein steiniges Monopati über. Entweder sind dann die Fördergelder ausgegangen, oder die Lust, oder beides, oder man hat gedacht, man macht mal den Anfang verlockend.

Der Weg führt konstant leicht bergab entlang des Hanges nach Südosten durch niedrige, sehr grüne Vegetation. Erdbeerbäume, Zistrosen. Und Spinnen. Alle zwei, drei Meter spannt sich ein Netz über den Weg, und das Gespinst ist erstaunlich robust. Die zähen Fäden hängen an meiner Kleidung, in meinen Haaren, an meinem Hals, die eine oder andere Spinne macht den blinden Passagier. Brrr...Ich suche und finde einen langen dünnen Ast und kämpfe mich d'artagnanmäßig fechtend den weiteren Weg vor. Selbst mit Stock schafft es das eine oder anderen Netzteil, mir zu entgehen und sich an mich zu hängen. Man sollte die Arethoussa-Quelle umbenennen, in Arachne-Quelle...

Die Mutter hinter mir hat es leicht, sie geht spinnenfrei. Aber der Gedanke, dass wir diesen Weg nachher wieder zurück , und aufwärts gehen müssen, erfreut sie überhaupt nicht: Es ist warm. Zu warm. Der Weg zieht sich.

 

Es gibt schöne Blicke auf das vorgelagerte Inselchen Perapigadia und die Küste mit dem grauen Meer, das übergangslos und ohne Weitblick in den Himmel übergeht. An ein paar Stellen ist der Weg richtig felsig und unbequem. Sind wir noch nicht bald da? Doch, noch eine Rampe mit Schotter, und nach einer Dreiviertelstunde kommt das Ziel in Sicht: eine felsige Scharte, in der sich die Quelle verstecken muss. Und sie versteckt sich wirklich, denn sie ist nach einem Erdbeben abgesunken, so dass man sich schon tief in das schwarze Loch hinab beugen muss, um das Wasser in zu erkennen. Vorsicht, jetzt nicht kopfvoran hineinstürzen!

Ein Plastikeimerchen liegt da, mit einem Draht daran. Wenn ich diesen an meinem "Wanderstab" befestige, kann ich tatsächlich etwas Wasser aus der Quelle fischen. Eine kleine Abkühlung tut gut! Leider gibt es nicht mal einen Platz, an den man sich zu Rast setzen könnte.

 

An der Arethussa-Quelle soll Odysseus den Schweinehirten Eumäos getroffen haben, der hier seine Tiere getränkt hat. Was um der alles hat Odysseus hier so jwd gemacht?

Die Quelle hat ihren Namen von der Nymphe Arethoussa, die sich hier aufgehängt haben soll nachdem ihr Sohn bei der Jagd tödlich verunglückte. Vorher hat sie mit ihren Tränen die Quelle herbeigeweint.

 

Sollen wir auch ein bißchen weinen? Die Quelle ist als Wanderziel eine kleine Enttäuschung , selbst wenn mein Erwartungshorizont niedrig war. Und dann reißt auch noch meine Hose (nein, nicht hinten, sondern vorne, wo sie durch einen Materialfehler schon vorperforiert war. Ratsch, habe ich einen zwanzig Zentimeter langen Riss über den Oberschenkel. Ok, das macht hier nichts außer zusätzlicher und willkommender Luftzufuhr, aber zurück in der Zivilisation sieht das ziemlich abgerissen aus. Im wahrsten Wortsinn....

 

Aber erst mal müssen wir zurück, und so beginnt der mühselige Rückweg. Immerhin: nur die ganze schnellen Spinnen haben es geschafft, ihre Fäden schon wieder über den Weg zu spannen. Gegen ein Uhr sind wir wieder am Auto, durstig und erhitzt. Eindreiviertel Stunden nachdem wir aufgebrochen sind. Jetzt was Kühles zu Trinken! Schnell!

Über unser Quartier (Klamottenwechsel und erste Wasseraufnahme) fahren wir hinab nach Vathy und bestellen in einem der Cafés an der Platia einen Apfelkuchen mit Vanilleeis zum Kaffee. Den haben wir uns verdient!

 

Nach der innerlichen Abkühlung folgt die äußerliche:  von Vathy fahren wir ostwärts: an der Sarakiniko-Bucht vorbei zum Strand von Filiatró, laut MM-Reiseführer einer der schönen Strände der Insel. Und zum ersten Mal bekommen wir dort einen kleinen Vorgeschmack darauf, was hier im Sommer los sein könnte: ein Parkplatz, auf dem schon einige Autos stehen, eine Strandtaverne, an der  von einer Handvoll Männer unter Mithilfe lauter Musik gerade die Saison vorbereitet wird. Möglicherweise kann man untern den Bäumen hinter der Bucht auch halbwild campen. Und einige Leute am Strand, der an Land aus Kieseln besteht, im Wasser aber sandig wird. Die hellen, geschichteten Felsen und die grünen Bäume darüber, die die Bucht einrahmen, geben dem Ganzen wirklich einen sehr schönen Rahmen, und das Wasser hat kuschelige 22 Grad.

Danach dann sonnenbaden. Und immer mehr Badegäste kommen.

Zeit für uns zu gehen.

Am Sarakiniko-Strand legen wir neugierig noch einen Halt ein. Hier entstand 1979 ein Kommune namens Sarakiniko Alternatives Leben GmbH, die es mit einige Mitglieder tatsächlich bin in die Gegenwart geschafft hat. Inzwischen gibt es auch ein Art Nachfolgprojekt  ecotopia.

Die Stichstraße bis zum östlichen Strand hinunter sehen wir schnell, dass Strand hier nicht der richtige Ausdruck ist. Ein Dutzend Boote und Bötchen liegen in der geschützten Bucht, es sieht unaufgeräumt und vernachlässigt aus, und niemand ist da. Ok, dann lass ich das halt mit meinem alternativen Leben... ;-)

 

Wir fahren zurück nach Vathy, vorbei an einer tollen Wiese der violetten Disteln, die ich immer noch nicht näher bestimmen kann. Es ist kurz vor fünf Uhr, eigentlich wäre ich noch gerne auf den Aetos, aber dazu ist es fast zu spät und die Mutter hat auch keine Lust. Noch ein Grund wiederzukommen. Gut.

Also fahren wir entlang der Bucht von Vathy nach Norden, zunächst zum Loutsa-Strand

Sand und Kies auf fünfzig Metern, an den Rändern gemauert mit  Weg. Eine ruhigere und nettere Ecke als gedacht, mit Baywatch-Turm.

Muss ja mächtig was los sein in der Saison. Zwei Mütter mit vier Kindern sind dort, die Kinder spielen lautstark im Wasser. Heute ist wirklich ein Vorgeschmack von Sommer.

 

Und dann fahren wir noch zur Skinos-Bucht, Mnimata-Strand. Vor uns ein Mann auf einem Motorroller, der sich in am Mnimata-Strand als der Koch des Portani-Restaurants entpuppt. Er komme gerne zum Schnorcheln her. Ist auch hübsch hier, Kiesstrand, und keine Badegäste. Aber inzwischen ist es wolkig und damit schattig geworden, und ich war ja vorhin schon baden.

So kehren wir in unsere Veronis Apartments zurück, wo wir anfangen zu packen, und ich noch ein längeres und interessantes Gespräch mit Makis habe, über Ithaki, Griechenland, die Krise und vieles mehr. Eine Quittung für unsere Übernachtungen hat er schon unaufgefordert fertig, und für morgen wird er wieder Dionysis, den Taxifahrer bestellen. Unsere Fähre geht um neun Uhr ab Pissaetos, um halb neun wird er uns abholen.

Um halb Acht geben wir das Mietauto unten in Vathy ab (177 Kilometer sind wir gefahren und haben vorhin noch schnell 12 Liter getankt - mit Quittung!), und kehren nochmals im "Poseidon" ein. Heute ist außer unserem nur noch ein Tisch belegt. Montagsabend. Aus der nahen Musikschule kommen Klarinettenklänge.

Wir bestellen Saganaki und die die "beste Moussaka der Insel". Die schmeckt auch wirklich gut, aber ob sie besser ist als die vom Portani kann ich jetzt nicht sagen. Muss ich auch nicht. Billiger ist sie allemals.

 

Ein letzter schöner Abend auf Ithaki klingt aus, und zum letzten Mal gehen wir die Stufen zu unserem Domizil hinauf.

Doch, Ithaki hatte uns viel zu geben. Eine sympathische Insel, und bis zur Wiederkehr wird es hoffentlich keine zwanzig Jahre dauern.

 

*

 

In der Nacht gewittert es mit Regen, am Morgen ist es aber schon fast wieder trocken. Nach einem knappen Frühstück ist Dionysis pünktlich da und chauffiert uns hinüber nach Pissaetos. Das ist kein Ort, nur ein Anleger an der Westküste mit wenig Platz. Die Straße führt in Serpentinen hinab, das Verkehrsaufkommen ist jetzt hoch, die Lastwagen können nur auf der Zufahrt parken und stehen Schlange. Bis zum Anleger dürfen nur Taxis. 15 Euro bekommt der hübsche Dionysis für die Fahrt.

Hinter uns ragt die Pyramide des Aetos, des Adlers, hoch. Das ausgelassene Ziel.

Die Tickets hab ich gestern schon in Vathy gekauft, 9,20 Euro bis Astakos.

 

Und da kommt auch schon unsere Fähre, die "Ionion Pelagos". Fast pünktlich und mit einer Ladeklappe am Bug, das ist selten. Eine Gruppe ausländische Touristen geht von Bord, samt Bus. Tagesausflug ab Sami, Kefalonia, die Fähre kommt am Nachmittag zurück und holt sie wieder ab. Ithaki im Schnelldurchgang.

Wir gehen an Bord, und mit fünf Minuten Verspätung legt die "Ionion Pelagos" ab, zunächst mit Kurs auf Sami/Kefalonia und von dort dann nach Astakos auf dem Festland in der Region Ätolien-Akarnanien (was hab ich geübt bis ich das aussprechen konnte!).

Das ist eine ziemliche Wasser-und-Land-Strecke zu unserem nächsten Ziel, mal sehen was uns erwartet.