Zum Leuchtturm + Abschied

Das schöne Wetter von gestern hat sich nicht gehalten: Heute ist es bewölkt und trüb. Wir sitzen zum Frühstück (mit dem gebunkerten Brot ;-)  ) auf dem Balkon, als der Tavernenwirt auf dem Motorroller vorbeikommt und unseren Bootsausflug absagt, wegen des Wetters. Schade! Andererseits, wir haben sowieso schon ein kleines Boot-Trauma (das sich in diesem Urlaub noch auswachsen wird), und dafür mehr Zeit für die Wanderung zum Leuchtturm, was ja auch nicht schlecht ist.

Gegen 11 Uhr ziehen wir los, die Straße hinauf, die östliche Straße dieses Mal, vorbei an der Krankenstation und einem schmucken Anwesen, an dem heftig gebaut wird. Die Straße schlängelt sich durch Olivenhaine, wie wir sie schon kennen. Und immer wieder mehr oder weniger große Häuser und Höfe darin. Hier ein Haus haben? Irgendwie gefällt mir die Vorstellung, eine romantische, völlig unrealistische Vorstellung, denn die Insel ist jwd und schwer zu erreichen, man sieht das Meer meist vor Olivenbäumen nicht, das Brotproblem kommt noch dazu, und was soll man hier eigentlich den ganzen Tag tun? Dennoch, oder gerade deshalb: ein Steinhaus im Olivenhain auf Othoni – das hat was. Komisch, auf den Kykladen hat es mich noch selten verlockt. Nun, ich bin kein Träumer und auch nicht wohlhabend genug, und so muss der Makler Arzumanidis sich für sein „einfaches Bauernhaus“  einen anderen Käufer suchen.

An einigen Häuser stehen Betonmischer, wird gearbeitet, renoviert, saniert. Vielleicht ist Othoni in zehn, zwanzig Jahren wie Paxos heute? Das werden wir Tage später auf Paxos denken. Edelsanierte Anwesen, die mich an die Provence denken lassen, sind zumindest auch hier vorhanden. Ob sie den nach USA-Ausgewanderten gehören, oder reichen Italienern? Eine Deutsche soll hier auch irgendwo wohnen, so wurde uns von einigen Seiten versichert.

Nach einer halben bis dreiviertel Stunde, in Mastoratika, einer Häuseransammlung, weist uns ein Wegweiser den Weg zum Leuchtturm und zum Elicodromio (= Hub- schrauberlandeplatz) nach rechts. Ein großer Feigenbaum lockt mit reifen Früchten, nur steht leider ein Haus unweit, wir trauen uns nicht so recht.... Die Olivenbäume verschwinden, rechts und links des Weges nun Nadelbäume: Pinien, Wacholder, und ein undurchdringliches Brombeerdickicht, guter Ersatz für die entgangenen Feigen. Und Weintrauben, schleck... Die schlanken Stengel der Meerzwiebeln tanzen im Wind wie Feen, und auch die rosa Lilien sehen wir wieder.

Je weiter wir nach Osten kommen, umso niedriger wird die Vegetation. Heidekraut und niedriger Wacholder geben den Blick auf das Ostkap Othonis mit dem Leuchtturm, unserem Ziel, frei. Im Osten ragen die Berge Albaniens auf, ganz schön hoch. Wäre auch ein reizvolles Ziel, ich winke Babis hinüber.

Die Straße schlängelt sich, führt zum Hubschrauberlandplatz. Zum Leuchtturm muss man die Schotterpiste links nehmen. Auf der linken Seite fällt uns eine merkwürdige Konstruktion auf: ein offener Bretterverschlag, mit Zweigen getarnt. Mit eingebauter Kloschüssel? Häh? Die Kloschüssel entpuppt sich beim Näherkommen als Pappe, und das Ganze als Ansitz für Jäger. Ein Novum für uns, was Griechenland betrifft. Der Boden ist mit Patronenhülsen übersät, die Jagdsaison ist eröffnet. Auf was schießt man hier? Etwas größeres als Kaninchen wohl kaum, und die können sich im Heidekraut und der niedrigen Macchia prima verstecken. Es werden wohl ein paar arme Vögel dran glauben müssen, wir haben auch nur sehr wenige gesehen hier. Stolze Jäger, sollten sich mal ein Beispiel an der Insel Tilos nehmen, wo die Jagd seit Jahren verboten ist, was zu einer großen Artenvielfalt bei den Vögeln geführt hat. Und ich muss an Anafi denken, wo vor Jahren ein Jäger im Rambo-Outfit in Kafenion seine stolze Jagdbeute am Gewehr hängend präsentierte: zwei kleine Vögel, vermutlich kaum mehr zu essen ob es Bleis, das sie zerschmettert hatte. Aber er war der Star. Das Paradies ist nirgendwo....

Schließlich erreichen wir den Leuchtturm. Wer nun eine Vorstellung von einem schlanken, hohen, womöglich rot-weiß-gestreiften Turm hat, der wird enttäuscht sein. Die griechischen Leuchttürme sind ne Nummer kleiner, und rot-weiß wäre auch nicht angebracht, eher blau-weiß. Der hier ist weiß, nicht so hoch, und – natürlich – abgeschlossen. Sehr schade, wobei das Panorama auch von unten nicht schlecht ist. Die albanischen Berge und Korfu im Osten, Erikoussa davor. Othoni bis zur Kirche Agios Giorgos im Westen, der Hafenneubau im Südwesten, Mathraki daneben im Süden, und der Felsen, der ein wenig wie ein Schiff aussieht. Ein Fischerkaiki an der Nordküste von Othoni. Auf der Inselkarte, die am Hafen steht, ist dort ein weiterer Hafen, Ormos Fiki,  eingezeichnet. Nach der Karte könnte man überhaupt den Eindruck haben, auf einer richtig großen Insel zu sein: Orte, Häfen, Straßen – Trugbilder.....

 

Eine ausgefranste griechische Fahne knattert neben uns im Wind – das Wetter könnte wirklich besser sein! Mit blauem Himmel machen sich einfach die Fotos stärker. Dieses ionische Wetter – nicht unser Ding. Es wird hoffentlich nicht noch regnen, zur Abwehr haben wir die Schirme dabei.

Wir wandern wieder zurück. Zuhause werde ich lesen, dass man vom Faros aus noch zum „Kastro“ hätte gehen können, irgendeiner mittelalterlichen Konstruktion, von der aber nur noch ein paar Mauern oder Steine übrig sind. Blöd, wenn man keinen Reiseführer hat! Aber auch nicht so wichtig, Mauern und Steine haben wir schon reichlich gesehen hier.

Bis Mastoratika gehen wir den gleichen Weg wie auf dem Herweg (an Trauben und Brombeeren vorbei *njam*), dann biegen wir rechts ab, in der Hoffnung, dass die Straße nicht im Nirwana endet. Das tut sie nicht, an ein paar verlassen wirkenden Häusern („Deletatika“ nennt sich dieser Weiler) vorbei geht es leicht bergab, nun wieder schmucke Villen, neuen Ferienhäuser, Rohbauten. Eine Truppe Albaner arbeitet an einem großen Haus. Wir sind gespannt, wo in Ammos wir nun herauskommen werden. Das letzte Stück durch einen waldigen Hohlweg, leicht vermüllt, und wir stehen vor dem großen, merkwürdige deplazierten, grauen Neubau, dessen Architektur so gar nicht auf die Insel passen will, und der an dem Weg hinter unsere Unterkunft liegt (Warum hab ich das Teil eigentlich nicht fotografiert?).

In unserem Zimmer angekommen, können wir unseren Vermieter gerade noch davon abhalten, unsere Betten neu zu beziehen. Auch die Handtücher tun es noch, schließlich waschen wir uns vor dem Abtrocknen... Als „Entschädigung“ bringt er uns einen Teller voller Feigen und Weintrauben, aus eigenem Garten und ungespritzt, wie er versichert. Er ist wirklich sehr um seine Gäste bemüht, will aber auf keinem Fall aufdringlich erscheinen, dabei hätte ich ihn so gerne mal ausgefragt, nach Frau, Kindern, dem Leben auf Othoni, das er nur mit einer schwarzen, kuscheligen Katze zu teilen scheint. Wenn er nicht da ist, steht seine Wohnungstüre offen – hier kommt nichts abhanden.

Die Feigen sind so süß und lecker, wir müssen uns beherrschen, nicht alle auf einmal zu essen was für die Verdauung beschleunigende Folgen haben könnte (und auch hat).

 

Ich gehe nochmals baden, aber heute halte ich es nicht lange aus am Strand, es ist kühl und ungemütlich, nur das Wasser ist noch angenehm.

Das Abendessen verläuft wie gehabt, mit einer kleinen Variante: der Wirt hat auf allen Seiten die durchsichtigen Windschutzrollos heruntergelassen. Er hat die Wettervorhersage gehört, scheint uns, und tatsächlich geht, noch während wir essen, ein Regenschauer nieder!

 

Die Grille hat es nicht wieder in unser Appartement geschafft, und unsere Nachruhe wäre ungestört, würde unser Zimmerwirt nebenan jetzt nicht lautstark telefonieren. Irgendwann singt uns die lauter werdenden Brandung dennoch in den Schlaf.

 

*

Es hat immer wieder geregnet in der Nacht, aber am Morgen ist es trocken. Das Meer sieht recht unfreundlich aus, es hat Wellen, und der Himmel ist wolkenbedeckt. Um 12 Uhr soll die „Pegasos“ laut Fahrplan kommen, wir fangen an zu packen, sind aber skeptisch. Ich beschließe, in der Dorfzentrale nachzufragen wie es denn aussieht mit der Fähre. Im Kafenion beim Laden treffen ich unseren Zimmervermieter. „Echi Thalassa“ sagt er, und ich kann bestätigen: das Meer ist da, klar, wir sind auf einer Insel. Er meint damit allerdings „es hat Seegang“, und er guckt skeptisch. Mhh. Es sei noch nicht klar ob die Fähre kommt, er würde uns auf dem Laufenden halten. Wir packen weiter, und warten.

Irgendwann dann die Auskunft: die „Pegasos“ kommt. Allerdings wird sie nicht im Ammos-Hafen anlegt, sondern weiter im Osten, am Avlaki-Hafen. Wenn ich an unser Anlegemanöver denke, dann ist das sicher keine schlechte Entscheidung. Weil das doch ne ganze Ecke ist (300 Meter ;-)  ), wird unser Vermieter uns mit dem Auto hinfahren.

Uns ist mulmig zumute, schließlich war schon die Herfahrt bei deutlich ruhigerer See nicht das reine Vergnügen. Oder sollen wir erst morgen mit der größeren „Alexandros K“ fahren, wie unser Wirt uns empfiehlt? Dann wären aber einige unserer Pläne, etwa der Tagesausflug von dort nach Mathraki, Makulatur. Nach Erikoussa sollte es nicht länger als eine Stunde dauern, das werden wir schon aushalten. Prophylaktisch schlucken wir eine Reisetablette.

Gegen 12 Uhr geht es mit dem Auto zum Avlaki-Hafen.

 

Man sieht die „Pegasos“ schon von Mathraki her kommen, das Meer ist aufgewühlt schmutzig braun-grau. Viele Leute sind hier, und auch etliche wollen anscheinend mit dem Boot mitfahren, übers Wochenende nach Korfu. An dem großen Sandhaufen, zwischen dem alten Hafen und der Baustelle, warten wir. Noch mehr Leute kommen, in ihren Pick-Ups und Allradautos, Gepäck wird ausgeladen.

Die „Pegasos“ legt an. Hier ist es so geschützt, dass sie sogar ihren Steg ausklappen kann. Sehr praktisch, denn dieser Steg wird zur Rutschbahn für die Ladung, die vor allem aus Getränken und Gemüse besteht. Mit Schwung werden die Plastikflaschenpacks über die Rampe geschossen, etwas Zielsicherheit ist gefragt damit nichts im Meer verschwindet. Eine Viertelstunde dauert das Entladen, und die halbe Insel ist jetzt da. Mancher sichert sich gleich sein Brot uns den ausgeladenen Papiertüten, müssen schon sehr hungrig sein.

Wir verabschieden uns von Tavernen- und Zimmerwirt, und bekommen „kalo taxidi“ gewünscht. Wie gut wir das brauchen könne, ahnen wir noch nicht... Vier oder fünf Frauen und ein paar Männer reisen ebenfalls mit, entern das Schiff, verstaunen das Gepäck auf der Ladefläche hinten. Im Passagierraum riecht es schon wieder nach Auspuffgasen. Kurz bevor die Fähre ablegt, kommt noch ein hupendes Fahrzeug. Im entsteigt ein unglaublich dicker Mann mit Reisegepäck inklusive Sauerstoffgerät auf Rädern. Er will auch mit, wie er über den Steg kommt, kann ich nicht mehr sagen, aber er besetzt die bisher noch freie Bank auf der Ladefläche im Freien auf der vollen Breite.

 

Dann legen wir ab.

Volle Fahrt nach Erikoussa.