Vani

Nach einer halben Stunde Fahrt legt die kleine Fähre um elf Uhr in Pollonia an. Die umgehende Rückfahrt wird voller werden: am Anleger warten einige Autos und Menschen, es wird kurz eng.

Ich freue mich, wieder auf Milos zu sein. Und ich habe jetzt dreieinhalb Stunden Zeit bis der Bus in den Inselwesten fährt. So habe ich mir das zumindest ausgedacht. Der Blick auf den ausgehängten Busfahrplan belehrt mich aber prompt eines besseren. Ersten fährt der Bus schon um zwei Uhr. Und zweitens fährt sonntags gar kein Bus. Was unten auf dem Plan nur auf Griechisch steht, und auf der Website von Milos Buses gar nicht. Heute ist Sonntag. Ich beschließe, einfach mal so zu tun als ob der Bus fahren würde. Und dann sieht man weiter.

 

Zunächst deponiere ich meinen Trolley in einer versteckten Ecke, dann bummel ich durch den Ort. Eine Schar Katzen stürzt zur Fütterung durch eine Tierfreundin. Ein Mann schlägt am Ufer einen Tintenfisch weich.

Ich würde gerne mal einen Blick auf den Steinbruch und die Verladung von Voudia werfen, merke aber, dass das weiter ist als gedacht. Auf Wanderungen auf der Straße habe ich heute keine Lust, zumal der Verkehr deutlich stärker ist als auf Kimolos. Aber am Wegesrand erfreuen mich die vielen Blumen, im Beet angepflanzt oder wild wachsend. Heute ist Muttertag, ein virtuelles Blumenbukett geht via eMail in die Heimat.

Auch zum Baden habe ich heute keine rechte Lust. Träge hänge ich im Schatten am Strand ab, beobachte die spielenden Kinder. Ist Wasser traut sich aber kaum eines.

 

Schließlich bestelle ich mir im "Giallos" ein Dakos und ein Viertel Wein. Hat letztes Jahr schon gut geschmeckt hier, und auch jetzt werde ich nicht enttäuscht. Es ist ganz schön was los hier an diesem sonnigen Sonntag, viele Griechen sind unter den Gästen.

Faszinierend die Schattenspiele der Fischschwärme im flachen Wasser, durch hineingeworfenes Brot leicht zu beeinflussen. Da stellt sich ein angenehm hypnotische Zustand ein, aus dem ich mich um kurz vor zwei Uhr herauskämpfe: der Bus.

Ich hole mein Gepäck und warte halbherzig an der Bushaltestelle, in Gesellschaft eines französischen Paares. Kein Bus kommt. Das war zu erwarten. Als gegen halb drei ein Taxi seinen Fahrgast hier absetzt, frage ich ob es frei ist. Es ist, und ab geht die Fahrt nach Triovasalos. Ich glaube, es ist der gleiche Fahrer wie vor eineinhalb Jahren, zumindest reagiert er gleich auf meine Ansage "Kafenion Perros": "So you paddle with Rod!" Korrekt.

Schon um Viertel vor drei setzt er mich vor dem geschlossenen Kafenio ab. Klar, ich bin zu früh dran, schließlich habe ich mich erst zwischen drei und vier Uhr angesagt. Macht nichts, ich setze mich einfach vors Haus und warte. Ich bin gespannt, welches Zimmer ich dieses Mal bekomme.

 

Nach einer Weile kommt eine von Petrinelas Schwestern. Sie würde mir mein Zimmer zeigen. Die Zimmer hier wären alle belegt, ich würde gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnen, neben ihrem Haus.

Sie führt mich eine lange Treppe hinauf, die zu einem Zimmer im ersten (gefühlt zweiten) Stock führt. Das Zimmer ist geräumig und hat sogar eine Küche (inklusive Müll des Vorgängers unter der Spüle). Aber die Möbel sind etwas abgewohnt, nicht der sonst gewohnte Standard. Es fehlen (wie so oft) Haken, und Wlan hat es natürlich auch nicht (das war aber schon im oberen Stockwerk des Haupthauses ein Problem). Die Klappstühle auf den Balkon sind abgeschossen und durchgesessen. Dafür hat es, wie ich in der Nacht merken werde, jede Menge Mücken. Logisch, es hat keine Moskitogitter an den Türen, und der Vorgänger war da wohl etwas achtlos.

Nach den drei schönen Quartieren zuvor bin ich etwas frustriert. Triovasalos wäre ja eh nicht meine erste Wahl wenn ich nicht paddeln wollte. Der Ort liegt zwar zentral und ist so griechisch wie kein zweiter auf Milos. Aber für Touristen ist er nicht so schön, mangels Meer, Pittoreskem und Aussicht.

Ich entsorge den Müll aus der Spüle auf dem Balkon und lege mich erst mal ernüchtert aufs Bett. Gut, der Moment kommt in jedem Urlaub, früher oder später.

Dazu kommt noch, dass Rod mir geschrieben hat, dass seine morgige Paddeltour ausgebucht ist und ich erst ab Dienstag mitkann. Full house bei den Kajakern. Na gut, das mit dem Paddeln stört mich nicht wirklich. Ich werde später nach Adamas hinab wandern (Bus fährt ja nicht da Sonntag) und mir ein Auto leihen. Und morgen Vani in Angriff nehmen. Da will ich unbedingt hin.

 

Es ist etwa vier, halb fünf Uhr, da wird es vor dem Kafenio gegenüber lebendig: Zwei Taxis spucken eine Ladung Neuankömmlinge aus, sechs Frauen, zwei Männer. Es ist eine Gruppe aus Dänemark, die die nächsten fünf Tage aufs Wasser wollen. Sie werden von Petrinela, die jetzt da ist, ins Untergeschoss des Haupthauses und auf die Zimmer bei Rods Wohnhaus verteilt. Ich begrüße Petrinela und gönne mir einen Frappé im Kafenio.

Wenig später kommen die Paddler von ihrer Tagestour zurück. Sie waren in Kleftiko und sind entsprechend erfüllt von den Eindrücken des Tages. Neue Gruppe trifft alte Gruppe, es herrscht eine geschäftiges Durcheinander, in dem ich irgendwann auch Rod begrüßen kann. Ich freu mich über das Wiedersehen, schön wieder hier zu sein. Er ist ziemlich beschäftigt wie nach jeder Tagestour, aber wir werden noch Zeit haben zu schwätzen.

Die Däninnen sind nett (die Herren etwas zugeknöpfter). Ziemliche Paddelprofis, werde ich feststellen, aber dafür Griechenland-Rookies. Einige von ihnen waren aber schon mal vor eineinhalb Jahren hier zum Paddeln. Immerhin. Ich komme schnell ins Gespräch mit einer der Frauen (auf Englisch, mein Dänisch ist nicht vorhanden), und sie lädt mich ein, mit ihnen Abendessen zu gehen wenn ich möchte. Das möchte ich gerne, allerdings nicht heute: Da werde ich unten in Adamas essen, wenn ich schon wegen des Auto dort bin. Und schnüre kurz darauf meine Wanderschuhe und mache mich auf den Weg. Den kenne ich bestens, er führt über Tripiti und an Klimatovouni vorbei, wo ich wieder keine Zeit für den Besuch der Kapelle Panagia Tourliani habe, aber die wunderbare Aussicht zum Kap Vani genieße. Morgen komme ich! Schön auch die immer noch blühende Wegränder - der Mohn scheint sich hier länger zu halten als auf den Nachbarinseln.

Nach einer Stunde bin ich unten in Adamas.

 

Ich steuere gleich den Autoverleih "Happy Ride" an der Paralia an. Dort gibt es nämlich - im Gegensatz zu anderen Anbietern - laut Website keine für Mietwagen verbotenen Gebiete. So ganz glücklich ist die Dame am Schalter, eine Französin, aber trotzdem nicht, als ich ihr erkläre, dass ich nach Vani will. Sie würde das Fahren in den Inselwesten zwar nicht generell verbieten (weil das Verbot wahrscheinlich eh nicht berücksichtigt wird), aber ich solle doch bitte sehr vorsichtig fahren. Klar, mache ich. Und es gäbe doch Alternativen zum Westen. Die Alternativen kenne ich - morgen will ich aber nach Vani. Punkt. Wenn die Straße zu schlecht wird, geht es zu Fuß weiter, verspreche ich. Und bekomme einen Fiat Panda für 25 Euro plus fünf Euro Vollkasko (dem schlechten Straßenzustand geschuldet, und weil ich mich dann besser fühle). Schnell die Schuhe gewechselt und noch etwas eingekauft.

 

Und nun wohin zum Abendessen? Mit dem Auto könnte ich zum "Alevromilos" hinauf fahren, das an der Straße von Adamas nach Pollonia liegt und mir empfohlen wurde. Dort angekommen sieht das Lokal samt Parkplatz aber so verlassen aus, dass ich wieder abdrehe. Da ist es unten am Ufer östlich der Stadt netter. Meine Wahl fällt auf das "Mikros Apoplous" und dort auf die Fischsuppe (die Karte ist umfangreich, die Preisklasse leicht gehoben). Das Lokal wird vor allem von Touristen besucht, und die Kellner entwickeln dazu die obligatorische Geschäftigkeit. Aber die Suppe ist gut und reichlich, gesättigt machen ich mich auf die Rückfahrt und bin früh im Bett. Wo ich mich die halbe Nacht mit sirrenden Schnaken herumärgere.

 

*

Um halb neun ist Frühstück im Kafenio Perros. Full house natürlich auch hier, und viele sind schon in ihren Paddelklamotten zugange. Nach der mäßigen Nacht ist mir das bienenstockähnliche Getümmel beim Frühstück etwas zu heftig, da bin ich Morgenmuffel. Beobachte aber die Gruppierungen: ziemlich multikulti. Neben den Dänen hat es noch Amerikaner und Israelis, und vielleicht auch noch andere. Keine Briten aber. Und kein Paul - er hat sich zur Ruhe gesetzt. Die Assistentin ist zur Zeit Ellen, eine junge Schwedin.

Eine der Däninnen, Heidi, entpuppt sich als Schweizerin, was die Konversation deutlich erleichtert. Der Liebe wegen ist sie vor Jahrzehnten nach Dänemark und offenbar völlig assimiliert.

 

Rod verkündet das Tagesziel - es geht nach Vani, von Plathiena aus. Na, das ist aber witzig, da werden wir uns wohl treffen. Ich bin ganz froh, dass ich heute nicht mitmuss/-darf, denn der Weg nach Vani führt quer über die Bucht von Milos, und das ist ein ziemliches Stück. An meinem ersten Tag wäre mir etwas die Küste entlang lieber, aber ich steige ja erst morgen ins Kajak und werde dann sehen wohin es geht. Da der Wind seit Tagen vor allem von Süden weht und sich das auch in den nächsten Tagen nicht wesentlich ändern soll, wird es wohl eher etwas an der Nordküste sein. Oder West-Kimolos. Schon wieder Kimolos? Puh, muss das sein?

Egal, heute Vani. Me ta podia.

 

Um Viertel nach neun fahre ich los, kaufe mir in Adamas beim Bäcker noch etwas Proviant, und nehme dann die Straße entlang der Bucht von Milos unter die Räder. Bis Agia Marina geht die asphaltierte Straße, und so weit kenne ich den Weg. Erster Fotostopp, es werden weitere folgen mit dem traumhaften Blick über die Bucht hinüber nach Plaka, Tripiti, Klima und Adamas. Da liegt heute ein Kreuzfahrtschiff. Mhh, außerplanmäßig, es ist doch Montag (mittwochs kommt immer die "Celestyal Crystal").

Noch dominieren blühende Wiesen die Landschaft.

Die Straßenoberfläche wird nun zwar rauh, aber die Straße ist weiterhin breit. Kein Problem, sie zu befahren. Auch wenn einmal an einer schmaleren Stelle plötzlich ein LKW vor mir steht. Hoppla! Etwas zurück, dann passt er vorbei.

Die Siedlung von Emborios mit der Windmühle ist jetzt zu sehen. Alles wirkt sehr ruhig, fast entrückt. Es hat kaum Wind, der Himmel drückt etwas. Saharasand liegt in der Luft.

An der Kreuzung nehme ich den Weg nach Norden, hebe mir das Kloster Agios Ioannis Siderianos für später auf. Die Botanik wechselt von Wiesen zu noch grüner, aber nicht mehr blühender Frygana, die Straße zur Piste mit gelegentlichen Löchern. Geht aber noch.

 

An der nächsten Gabelung nehme ich die linke Abzweigung, und jetzt wird die Piste schlecht. Ich entscheide kurz darauf, das Auto hier abzustellen und meine Wanderung zu beginnen. Keine Ahnung, wie weit es ab hier ist, weder Weg noch Ziel sind ab hier einsehbar und ich weiß auch gar nicht genau wo ich bin. Es ist kurz vor halb elf - die Fahrt hat sich gezogen.

Die Piste führt nun löchrig bergab und nach wenigen Minuten stehe ich vor einer Weggabelung, die nicht beschildert ist. Ich bin unschlüssig welchen Weg ich nehmen soll. Kann aber gut sein, dass beide Wege letztendlich zum Ziel führen, und so nehme ich den linken. Der führt durch ein Felsental abwärts, vorbei an den alten Minen von Mersinia mit ihren rostrot-weißen Wänden, in denen Kaolin und Baryt abgebaut wurden.

 

Ich habe die Karte vom Miloterranean Walk Nr. 1 mitgenommen, die erst ab hier dringend empfiehlt, zu Fuß zu gehen. Gut, gab es eben eine Gratis-Meile extra für mich.

Kurz darauf passiere ich den Hof eines Hirten, des einzigen Bewohners des Inselwesten. Er werkelt in seinem Haus, grüßt freundlich. Sein Hund kläfft laut. So viele Leute kommen hier bestimmt nicht vorbei.

 

Die Sonne hat eingeheizt und ich bin froh, dass ich aus der Mersinia-Senke herauskomme und in den Genuss eines angenehmen Lüftchens komme. Von rechts mündet ein Weg, hier wäre ich hergekommen wenn ich die andere Route gewählt hätte.

Vor mir ragt nun in der Ferne in voller Breite Antimilos empor. Eine beeindruckende Landmarke, 671 Meter hoch. Unerreichbar.

Unten an der milischen Küste kann ich den Strand von Agathia sehen. Der Weg dorthin, ein Abstecher von 1,4 Kilometern oneway, biegt etwas später links ab. Auf dem Rückweg vielleicht. Noch denke ich ja, dass ich in Vani baden kann.

 

Eine kleine Blockhütte, eingerahmt von einer großen Mülltonne und einer griechische Flagge, steht nun am Weg und erregt mein Interesse. Sie gehört dem Jagdverein von Milos und ist unverschlossen. Drinnen befindet sich was des Jägers Herz begehrt: Zigaretten, Kaffeepulver, Zucker, Papp- und Plastikbecher, Tüten mit Frappé-Sets und zwei Plastikflaschen klaren (aber unklaren) Inhalts. Außerdem ein Gaskocher. Was man halt so braucht wenn Mann auf Jagbares wartet. Ich vermute, selten alleine.

Mein Ziel ist ein anderes, und kurz darauf kommt es endlich in Sicht: die markante Klippe von Kap Vani. Der Weg schlängelt sich nun ziemlich, die Landschaft ist noch kärger und felsiger geworden. Das frische Grün der Frygana und des niedrigen Wacholders, der kleinblütige gelbe Ginster kontrastieren schön zum zunehmend dunkelrostroten Felsen.

 

Schließlich endet die Piste, ich bin fast am Ziel: in den weiten Ausläufern des ehemaligen Mangan-Bergwerkes. Fast weglos wandere ich über graue Felsenplatten und durch lose Steinrinnen und befinde mich bald in einer Art riesiger Schüssel, von rostfarbenen Felsenwänden umgeben.

Das ist also die Mine von Vani. Eine archaische, fast surreale Gegend, von Mensch und Natur gestaltet.

Es ist zwölf Uhr, ich war also gut eineinhalb Stunden unterwegs für die sechs Kilometer.

Ich durchstreife das weitläufige Gelände, in dem einige Ruinen verlassener Minengebäude stehen. Von 1886 bis 1909 und von 1916 bis 1928 wurde hier im Tagebau Mangan-Erz abgebaut, das man in der Stahlindustrie benötigt. Bis zu 150 Menschen arbeiteten hier, darunter auch Frauen und Kinder, die das Erz sammelten und sortierten. Ein Knochenjob. Noch dazu heizt sich die Mulde der Mine in der Sonne ziemlich auf, so auch jetzt. Sicher haben die Arbeiter hier gewohnt, der Weg war zu weit sonst. Oder kamen sie mit Booten vom Norden? Ich muss doch noch mal ins Mining Museum, Antworten auf meine Fragen holen.

 

Ein paar Wacholderbäume behaupten sich schattenspendend in der grau-roten Ödnis. Unter einem gibt es sogar einen hübschen Rastplatz. Rods Werk?

Es dürfte noch dauern, bis die Paddler hier eintreffen.

Ich möchte die Gelegenheit für ein Bad nutzen und gehe durch einen Hohlweg vor zum Strand. Vor mir ragt nun links die vielleicht dreißig Meter hohe Klippe von Kap Vani empor, unerreichbar für mich, da durch einen schmalen Kanal vom Land abgetrennt. Und auch noch ein ganzes Stück weit weg. Rechts ragt wie abgenagt ein bizarrer roter Felsen in die Höhe. Und dazwischen ein Strand. Na ja, wenn man die Ansammlung wunderschöner, aber faust- bis fußballgroßer Kieselsteine einen Strand nennen mag. Das Ganze ist extrem unbequem zu begehen, und in Ufernähe wird es auch noch glitschig. Da kann man sich leicht die Füße vertreten oder brechen, zumal wenn ich die Wanderstiefel ausziehe (was sich beim Baden empfehlen würde).

Ich streiche meinen Badepläne und bewundere dafür die Steine. Tonnen davon könnte ich hier einpacken, aber da ich sie auf meinem Rücken zum Auto tragen muss, beschränke ich mich auf zwei, drei kleinere Exemplare. Und Fotos.

Es ist heiß hier, und so gehe ich wieder zum schattigen Picknickplatz zurück und raste.

Gucke dann vorsichtig in Stolleneingänge - das ist hier ja alles lose und marode. Rostige Eisenteile liegen auch noch herum, deren ursprünglichen Zweck ich noch nicht mal errate kann. Erinnert mich an die Schwefelminen im Inselosten, nur dort in Gelb.

Und als ich wieder am Hohlweg stehe, biegen die ersten bunten Kajaks um die Ecke.

Heidi wird mir erzählen, mein grünes Shirt wäre vom Meer aus ein nicht zu übersehender Farbklecks im roten Felsenmeer gewesen. Wir begrüßen uns aus der Ferne, denn für die Kajaker geht es erst ums Kap Vani, ehe sie hier rasten werden. Da würde ich jetzt gerne auch im Boot sitzen, denn das Kap ist vom Meer aus einfach unglaublich. Nehmt mich mit!

 

Ich klettere auf den rechten roten Felsen, von hier ist die Sicht auf die schrägen und rautenförmigen Gesteinsschichten der Felsen vor dem Kap besonders gut. Rot, violett, gelb, schwarz. Genial. Gut ausmachen kann ich jetzt auch die Reste eines hellgrauen Verladeturms vor dem Kap, wie eine Säule mit hölzernen Streben. Oder ist es ein Sprungturm?

Die Paddler lassen sich Zeit mit der Rückkehr, erst nach einer Dreiviertelstunde erscheinen die 17 bunten Punkte - alle Kajaker fahren heute im Einer - wieder am Horizont. Der Landgang erweist sich als schwierig, wird aber gemeistert. Ich helfe wo ich kann. Gut, wenn man Schuhe mit Grip oder festen Sohlen hat! Ein kurzer Plausch hier und dort, die Paddler haben noch reichlich Aufenthalt hier und werden den Lunch unter dem Schattenwacholder einnehmen. Ab morgen gehöre ich auch dazu, heute wird es für mich aber jetzt Zeit für den Rückweg.

Um zwei verabschiede ich mich von der Paddel-Parea und suche im Gelände etwas mühsam und mit Trial-and-Error den Rückweg zur Piste. Dort angekommen schalte ich auf Automatik und wandere ohne Halt und Abstecher zum Agathia-Strand (zu warm, zu weit) zum Auto zurück. Bewundere allerdings kurz die Ziegen unweit des Hofes, die in den vertikalen Felsen des alten Steinbruches hängen und entlang des Felsenbänder horizontal fliehen.

Um Viertel nach drei sehe ich mein Auto oben auf dem Sattel stehen, und fünf Minuten später bin ich dort. Boah, das war jetzt warm. Puh, bin ich jetzt fertig! Als ich die Wanderstiefel ausziehe, konstatiere ich, dass ich für diesen Urlaub nun genug gewandert bin. Ab morgen ist Arm- und Rumpfarbeit gefragt!

Damit fange ich jetzt schon mal an, als ich mit dem Auto zum Kloster Agios Ioannis Siderianos kurve. Die Straße in den Südwesten ist schlechter als gedacht, und wird immer schlechter. 4,7 Kilometer sind es laut Karte von der Kreuzung, ich brauche dafür über zwanzig Minuten weil ich sehr vorsichtig fahre.

 

Die Landschaft (Chalakas heißt diese Gegend des Inselsüdwestens) ist wieder komplett anderes als was ich von Milos schon kenne: Karge Berge und Täler, reichlich Ziegen, und einmal ein einsames Touristenpaar, das mir auf einem Quad entgegenkommt. Immerhin.

 

Das Kloster sieht man schon von Weitem, aber es kommt nur langsam näher. Und wo kommt eigentlich plötzlich der starke Wind her, der mich fast wegbläst als ich das Auto auf dem riesigen Parkplatz am Kloster abstelle?

Kloster Agios Ioannis wird schon lange nicht mehr bewirtschaftet. Die Tore zum weitläufigen Klostergelände sind verschlossen, die Mauern hoch. Ich kann sie aber an einem der Tore überklettern und gehe vorbei an unzähligen Besucherzellen zur Kirche, die natürlich zu ist. Alles ist frisch gestrichen und wirkt sehr gepflegt. Am 25. September (oder dem Vorabend) wird hier ein großes Panigiri gefeiert, dann wird oft auch die Straße gerichtet, die jetzt im nassen Winter besonders gelitten hat. Auch die Straße hinab zum Strand von Agios Ioannis, wo die Festgäste mit Booten ankommen, und von wo aus Rod in seltenen Fällen zur spektakulären Höhlenbucht von Sykia paddelt. Die Piste wäre gerade besonders schlecht, wird mir Rod erzählen, und die Anfahrt ab Triovasalos dauere ewig. Schade, da werde ich kaum mal in den Genuss kommen.

 

Von hier aus könnte ich auch nach Sykia oder Kleftiko wandern, aber wie gesagt: Schluss mit Wandern für diesen Urlaub. Man muss sich ja immer auch Ziele aufheben um wiederzukommen. Eine Milos-Wiedergängerin (oder -Wiederpaddlerin?) bin ich ja eh schon geworden.

Der kalte Wind und die Verlassenheit des Klosters lassen den Aufenthalt keinen langen werden. Über die Schlaglochpiste fahre ich zurück und bin froh, als ich in Agia Marina wieder Asphalt unter den Rädern habe.

 

Nachdem das Baden in Vani ausgefallen ist, steure ich jetzt noch die Südküste für einen schnellen Sprung ins Meer an. Und wo dort? Ich entscheide mich für Tsigrado, völlig vergessend, dass man da an der Leiter zum Strand hinabklettern muss. Das wäre jetzt an sich kein Problem, aber das Stück oberhalb der Leiter führt durch reichlich losen Sand, und ich will jetzt nicht wieder die Wanderschuhe anziehen um sicher anzukommen. Dann eben Fyriplaka, wo ich das Auto an einem kleinen Parkplatz abstelle. Und wo geht es nun zum Strand? Die Piste hinab, und dann über die Felsen springen. Nasse Füße nicht ausgeschlossen. Muss ich das jetzt haben?

Och nö, eigentlich ist es mir doch viel zu kühl zum Baden.

Ich trete den Rückzug an und fahre nach Adamas um den Mietwagen abzugeben und dann mit dem Bus um halb sechs hinauf nach Triovasalos zu fahren. Vorher gönne ich mir bei "Angeliki" noch ein Mille-feuille (Galaktobureko gab es leider nicht). Obwohl ich die Sahne übriglasse, ist mir danach schlecht. Trotzdem, musste jetzt sein. Das Wasser dazu verdunstet im Nu.

 

Die Autorückgabe verläuft problemlos, und auch die Fahrt mit dem Bus hinauf ins Quartier (die Haltestelle ist fünfzig Meter hinter dem Kafenio Perros).

 

Die Paddler sind spät zurückgekommen, die dänische Parea lädt mich ein, zum Abendessen mitzukommen. Es soll in ein neues Lokal in Plaka gehen, "Mavros Chiros/Μαυρος Χοιρος" (Schwarzes Schwein), Petrinela hat einen Tisch für uns bestellt. Da komme ich heute gerne mit, um halb acht gehen wir los, noch genug Zeit für eine herrliche Dusche.

Es wird ein netter Abend, an dem ich mir ausgezeichnete Lachanodolmades schmecken lasse. Auch die Gruppe ist mit dem Essen zufrieden, vor allem der Rotwein schmeckt. Und ich bestaune , mit welchem Equipment hier manche Paddler ihre zurückgelegten Tageskilometer dokumentieren. Vor allem die Herren sind in einem Wettstreit, wer im Jahr die meisten Meilen macht. Mit solchen Kayak-Freaks, das kann ja morgen heiter werden.

 

Ich schlafe schlecht in der Nacht, weil ich erstens erneute die Mücken heimsuchen, und zweitens der plötzlich aufgekommene Wind überall an Läden und Türen klappert.

Oder ist es das Paddelfieber, das mich um den Schlaf bringt? Etwas aufgeregt bin ich schon wegen morgen.


 

Die Fotos der Paddler aus der Kajakperspektive gibt es hier:

https://seakayakmilos.smugmug.com/Day-trips/All-2019-Photos/May-13-Cape-Vani