Einen Nescafé, eine Bougatsa und fünfzig Minute später dann der erste Halt in Koufonissi, schon im Hellen. Es kommen viele Leute an Bord, und die Heckwelle des „Blue Star Naxos“ überschwemmt beim Ablegen den Anleger. Ruhiger ist es auf Schinoussa, da wartet mal gerade ein halbes Dutzend Leute, und die Fähre ist offensichtlich zu früh dran – sie hält noch minutenlang mit geöffneter Klappe und gelangweiltem Bordpersonal darauf obwohl niemand mehr kommt.
Rüber nach Iraklia, dramatischer Himmel im Osten. Anna „fängt“ sich die beiden einzigen Touristen, die von Bord gehen, die Konkurrenz geht leer aus. Die Inseln werden leerer.
Außer Naxos.
Wieder stehen wir im Pulk der von Bord Drängenden. Auf der Höhe von Mikri Vigla hat der Regen eingesetzt, ein feiner Landregen. Der Himmel ist grau geworden, die Sonne kaum aufgegangen schon wieder verschwunden. Ich hatte unsere Ankunftszeit und die Fähre an Dimitris, den Besitzer des Hotel „Anixis“ durchgemailt damit er uns abholt (oder vor allem unser Gepäck). Aber auch ganz vorne, wo die Zimmervermieter stehen, kann ich ihn nicht entdecken. Natürlich bekommen wir zahlreiche Angebote jetzt, brauchen wir aber nicht, wir haben ja schon. Nur eine Fahrgelegenheit wäre nett gewesen, jetzt wo es dickere Tropfen regnet. Stellen wir uns aber zum Peilen der Lage erst mal im Pavillon der Touristeninfo unter. Anruf im Hotel – nein, er kann uns nicht holen, er hat zahlreiche Gäste, die auschecken wollen.
Gut, dass wir schon auf Amorgos die Wanderstiefel angezogen haben – auf den nassen Gassen geht es unter dem Schirm nun aufwärts. Gut auch, dass wir im Gassenlabyrinth einen kurzen Weg finden, und sich die Zahl der zu überwindenden Treppenstufen in Grenzen hält. Aber eine Unterbodenwäsche für unsere Trolleys ist allemal drin.
Dafür bekommen wir im „Anixis“ ein schönes Zimmer im ersten Stock mit Blick auf das zunehmend unruhigere Meer und die davonfahrenden „Blue Star Naxos“. Hoffentlich beruhigt sich das Wetter bis Dienstag halbwegs, sonst haben wir ein Problem. Aber Dienstag, das ist ja noch lange. Für Sonntag, also morgen, sind aber Windstärke acht und Böen bis zehn angesagt – meine geplante Zas-Besteigung kann ich damit vergessen. Aber man kann nicht alles haben, und das war mir schon klar als wir auf Amorgos verlängert hatten.
Nach zwei Stunden, in denen wir uns im Zimmer gemütlich einrichten, hat der Regen aufgehört, und wir brechen zu einem Stadtbummel auf. Bei dem schlechten Wetter sind viele Menschen in der Stadt, und die Einkaufsmöglichkeiten sind ja hier ausgesprochen zahlreich. Vieles vom Angebotenen ist dabei originell und unterscheidet sich vom sonst üblichen Touristenkitsch ohne ein Vermögen zu kosten.
Dann meldet sich der Hunger, und wir kehren in die Pizzeria-Taverne „Kali Kardia“ an der Paralia ein.
Nach acht Tagen griechischer Küche darf es heute auch mal eine Pizza sein – selbst zu zweit schaffen wir sie nur mit Mühe. Mit Blick auf die Hauptgasse staunen wir, was da so alles vorbeipromeniert, mehr oder weniger gut auf das Regenwetter eingestellt. Naxos brummt an diesem Tag, und in diesen Wochen. Waren wir zu lange nicht mehr auf der Insel, dass wir diese Entwicklung verschlafen haben? Oder lag es daran, dass wir zuletzt schon Ende April, Anfang Mai oder sogar erst Mitte Oktober hier waren? Außer, dass Naxos immer noch eine gelungene Mischung von Architektur, Kultur, Natur, Strand und Einkaufen bietet, verliert die Insel angesichts des Getümmels in meinem persönlichen Ranking ziemlich an Plätzen. Es sind einfach zu viele Touristen, mit allen Auswüchsen, die das (überall auf der Welt) so mit sich bringt. Schade. Aber den Einwohnern zu gönnen, die davon leben.
Inzwischen ist der Himmel wieder blau geworden, und wir machen den Bummel zur Portara, der zu jedem Naxos-Besuch gehört. Man muss etwas aufpassen dass man nicht nass wird, denn immer wieder schlagen die Wellen in hohen Brechern über den Dammweg, der die Tempeltorinsel mit der Stadt verbindet. Aber der Blick auf die Stadt mit den schroffen Bergzacken dahinter ist einfach toll. Und der breite Gipfel des Zas in der Ferne ist auch frei. Wie schnell sich hier das Wetter ändern kann!
Das merke ich auch, als ich später nochmals zum Fotobummel Richtung Kastroviertel aufbreche. Es ist düster geworden, der Wind hat zugelegt. Oben im Kastro fängt es wieder an zu regnen, ich flüchte in die katholische Kirche, die ich (glücklicherweise) zum ersten Mal geöffnet finde. Eine französische Gruppe bekommt gerade eine Führung, und ich damit den Wechsel der beiden Hauptbilder hinter dem Altar demonstriert – die (wunderschöne) Muttergottes Odijitria aus dem 12. Jahrhundert muss Johannes dem Täufer Platz machen. Aber nur ganz kurz.
Auch die Tafelbilder in den Seitenflügel sind alt, sehr schön der Erzengel Michael im rechten Flügel. Und der Marmorboden (natürlich aus einheimischem Marmor) mit Wappen- und Gedenkreliefs darin.
Da bummle ich abwärts, und muss schon weniger Meter später in einem Tor wieder unterstehen um nicht trotz Schirm klatschnass zu werden. Der Regen sammelt sich schnell und verwandelt die abschüssigen Gassen in Bäche. Zumindest in der Mitte. Am venezianischen Museum hat man die Stühle schon hochgestellt, in einer originellen Reihe, und ein Stück weiter im nächsten Tor an einer Boutique wirkt das überdachte Rinnsal äußerst fotogen.
Ich rette mich schließlich ins Captain’s Cafe, wo man unter den Planen halbwegs trocken und trotzdem draußen sitzen kann. Es gießt wie aus Kübeln, das Wasser sprudelt aus Regenrinnen und die steilen Gasse zum Meer hinab. Bei einem heißen Nescafé warte ich eine Regenpause ab, was eine Weile lange dauert. Gegen halb sieben lässt der Niederschlag nach, schnell hoch durchs Labyrinth.
Und vom letzten Durchgang beim „Panorama“ bis zum „Anixis“, keine fünfzig Meter des Weges, erwischt mich dann ein Wolkenguss. Ich bin nass bis auf die Knochen als ich unser Zimmer erreicht. Immerhin: meine neuen Wanderschuhe sind wasserdicht. Im Gegensatz zu unserem Zimmer – die Balkontüre geht nach Norden, der Regen prasselt dagegen, läuft am Türflügel herab und damit über die Schwelle ins Zimmer. Immerhin von dort direkt ins benachbarte Bad, und dort an den tiefsten Punkt, wo der Abfluss ist (das ist nicht selbstverständlich in Griechenland – meist hat der Installateur in Unkenntnis der Naturgesetze den Abfluss an höherer Stelle positioniert).
Andere echt griechische Installationen können wir draußen bewundern: funkensprühende Elektroleitungen an einem großen Masten, vom Wind gepeitscht, vom Regen durchfeuchtet. Das Licht bei uns setzt immer mal wieder kurz aus.
Wir schließen die Läden vor dem Balkon um das Wasser abzuhalten, und verbringen den Abend mit dem Lauschen auf den Regen und den Sturm – das externe Abendessen muss ausfallen weil wir nicht gerne klatschnass in der Taverne sitzen. Ein paar Restvorräte haben wir ja noch, und im Zimmer ist es gemütlich.
Wenn morgen wenigstens der Regen aufhört, der macht die Sache echt ungemütlich. Dann könnten wir noch etwas unternehmen. Ich hab eine lange Liste, aber wir werden uns etwas davon aussuchen müssen.