Anfang Mai 2003 waren wir einige Tage auf Serifos. Es war unser erster Besuch auf dieser Insel und zunächst waren wir nicht so angetan, denn die unbefestigte, sandige Uferstrasse und der etwas zersiedelte Hafenort Livadi mit dem anschliessenden Strandort Livadakia machten keinen so properen Eindruck wie etwa Sifnos, die Insel von der wir kamen.
Am ersten Tag fuhren wir mit dem Bus hinauf nach Chora und bummelten durch die Gassen hinauf zum Burgberg: Einfach wunderschön!! Kykladenarchitektur vom Feinsten, und ohne die sonst auf den Kykladen unvermeidlichen Leitungen oder Solaranlagen auf den Dächern (verboten!). Die Bewohner achten sehr darauf dass die Häuser nur im typischen Stil renoviert werden – kein billiger Spaß, sehr aufwendig und arbeitsintensiv. Mit dem Auto ist nicht beizukommen. Aber man bleibt in der Chora lieber für sich: Reiche Festlandsgriechen und Künstler sind die Hausbesitzer, keine „Rooms“ sind zu vermieten.
Nach einem Kafedaki im Unterdorf Kato Chora und dem Abstieg auf dem Treppenweg faulenzen wir am schönen Strand von Livadakia: genug Schatten durch Tamarisken, die Wassertemperatur in der flachen Bucht betrug schon erstaunliche 21°C!
Dann kam nachts ein starker Wind auf, der auch an den nächsten Tagen kaum einmal nachlassen sollte. Das Ergebnis: Staub und Sand überall in Livadi, vor allem in den Tavernen und Cafés am Hafen. Die Kellner kamen mit dem Wischen der Tische überhaupt nicht nach, die tags zuvor noch ordentlich stehenden Stühle lagen wild durcheinander.
Nun, wir wollten wandern und waren dankbar, dass es nicht so heiß war. Auf Serifos gibt es ein gut ausgebautes und beschildertes Wanderwegenetz mit einem großen Manko: es gibt fast keine Busse,
die einen zu den Ausgangsorten der Wanderung bringen könnten. Die einzige Ausnahme: 2 Mal am Tag fährt ein Bus von Livadi über Chora und das Taxiarches-Kloster nach Kentarchos.
Durch eine gebirgige Landschaft und über einen recht hohen Pass fuhren wir auf kurvigen Straßen nach Norden bis zum Kloster, dass wir gerne besichtigt hätten, allein: der einzige Mönch dort war
ausgegangen oder machte seinen Mittagsschlaf – es war zu. Wir besichtigten das festungsähnliche Kloster von außen und marschierten anschließend eine halbe Stunde die Strasse oberhalb der Küste
entlang nach Kentarchos, einem verschlafenen Dorf, das steil an einem Hang liegt. Hier begann der Eselspfad nach Chora, dem wir folgten. Zunächst aufwärts und windgeschützt, oben auf dem Kamm
aber den starken Böen des Meltemi ausgesetzt.
Gerne hätten wir gerastet und ein paar Kekse gegessen, aber es war schwierig, einen Sitzplatz neben dem Weg zu finden, die Vegetation war zu hoch und dornig. So setzten wir uns schließlich mitten auf den Weg – wir waren ja völlig alleine weit und breit – dachten wir. Bis ich plötzlich ein metallisches Geräusch hörte und eine halbe Minute später ein Auto um die Ecke bog! Der Fahrer war mindestens so erschrocken wie wir, so abseits in der Pampa Menschen zu treffen, die noch dazu auf dem Weg picknickten. Er wollte nach seinen Ziegen schauen, die allerdings durch die Anwesenheit von uns Fremden reichlich scheu und aufgeregt schienen und partout nicht dorthin wollten, wo er sie gerne gehabt hätte. Um die Situation zu entspannen machten wir, dass wir weiterkamen.
Der Wege führte immer auf halber Höhe östlich den Berg entlang, schon bald konnten wir den ersten Blick auf die malerische Chora werfen – aber noch gut eine Stunde entfernt. Manchmal war der Weg
ganz zugewachsen von der Blütenpracht, dank der Wegmarkierungen fanden wir ihn aber immer. Es ging durch hüfthohe Margeriten- und Mohnwiesen, duftenden Thymian, Ginster und Salbei sowie allerlei
unbekannte Flora. Am Weg lagen weiße Kapellen und halb verfallene Taubenhäuser, immer wieder flüchteten Eidechsen vor unseren Schritten. Unten an der Küste lagen die Strände von Psili Ammos und
Agios Ioannis, weit entfernt, aber es war sowieso kein Badewetter. In einem Tal führt der Weg gut hundert Meter durch ein Bachbett. Dank der ergiebigen Regenfälle des Frühjahres führte es noch
Wasser, was die Passage deutlich erschwerte, wollten wir uns doch keine nassen Füße holen.
Das Schlussstück nach Chora führte dann wieder leicht bergauf. Wir bummelten durch die verwinkelten Gassen des ausgestorben wirkenden Ortes. Die Häuser sind oft sehr klein, liegen wie Adlerhorste auf den Felsen, gehen über 2 Stockwerke auf kleiner Fläche. Aber es sind wahre Schmuckstücke an Häusern entstanden wie wir bei einigen indiskreten Blicken ins Innere feststellen konnten (siehe auch das Buch „Living in Greece“). Dazu der herrliche, weite Blick über die Unterstadt und den Hafenort bis hinüber nach Sifnos, am schönsten von der höchsten Stelle, dem ehemaligen Kastro aus.
Nur den Sonnenuntergang kann man hier nicht genießen: die Sonne verschwindet schon sehr früh hinter den knapp 600 Meter hohen, westlich gelegenen Bergen und taucht die Chora und Teile der
Südostküste in Schatten.
Noch einen Kafés Ellinikós an der zauberhaften Platia mit dem klassizistischen Rathaus oder im unteren Ortsteil Kato Chora bei der Evangelistria-Kirche, dann nahmen wir den Treppenweg hinab nach Livadi.
Eine wunderschöne Wanderung war zu Ende!
Erlebt im Mai 2003