Sonntags zum Strand von Papa Minas

Am Sonntagmorgen sehe ich die Fähre „Prevelis“ mit nur wenig Verspätung Diafani ansteuern, und weil ich sowieso schon wach bin, flitze ich vor zum Anleger. Ein paar Leute warten auf ihre Passage nach Kassos, Kreta oder Piräus, Jörg und die Radfahrerin sind darunter. Die Radlerin habe ich ein paar Mal gesprochen, sie war auf dem Profitis Ilias und ist die Ostküste Richtung Tristomo gewandert. In den Tavernen hat man sie aber nie getroffen – steht wohl nicht so auf Gesellschaft. Dabei ist das unbestreitbar einer der großen Vorteile von Diafani – man kriegt in dem überschaubaren Ort leicht Kontakt. Wenn man will.

Diafani
Diafani

Überraschend viele Leute gehen von Bord, kommen also von Rhodos, wo die Fähre heute Nacht um drei Uhr abgelegt hat. Es sind fast keine Touristen darunter. Später fällt mir ein: heute ist die erste Runde der Kommunalwahlen. Und weil es keine Briefwahl gibt muss man zur Wahl an den Ort reisen an dem man offiziell gemeldet ist. Was dazu führt, dass Schulen und Ämter vor und nach Wahlen mehrere Tage geschlossen sind und die Griechen zu einem Volk von Reisenden werden. Diese freien Tage für die Möglichkeit der Briefwahl zu opfern ist vermutlich nicht wirklich gewünscht.

 

Ich winke Jörg nach – viel Spaß auf Kreta! Geldautomaten hat es dort genug. Aber Karpathos ist netter, und ich bin froh, dass wir noch bleiben können.

Nach dem Frühstück wollen die Mütter dem Gottesdienst einen Besuch abstatten. Ich beobachte von unserem Balkon aus, dass bei der Marinepolizei-Station zur Feier des Wahltages die gehisste Flagge geordnet wird – soll ja anständig und glatt im Wind wehen und sich nicht um den Mast krumpeln. Das Wahllokal befindet sich im Gemeindezentrum unter der Kirche, wo vorgestern die Jugendlichen tanzten. So kann man Gottesdienst und Wahl miteinander verbinden. Später gucke ich in der Kirche vorbei – drinnen sitzen, schön nach Geschlechtern getrennt, die Frauen – überwiegend in Tracht -  links, die Männer rechts. Es wird heftig gesungen, und Papa Minas ist vor und hinter der Ikonostase zugange. Immer wieder sehr fremd für mich, die orthodoxe Liturgie.

Die Mütter sitzen auf der rechten Seite, bei den Männern. Den Platz hätte man ihnen angeboten, verteidigen sie sich später. Griechische Gottesdienste dauern lang, wer will da schon stehen? Und im Gegensatz zu anderswo ist es hier auch kein so Kommen und Gehen. Zwei Frauen sitzen auf der Bank vor der Kirchentür, die eine schläft, schlägt das Kreuz automatisch.

Sonntag in Diafani.

Theo strebt schon wieder bergwärts – er muss sich offensichtlich seinen vorabendliche Rappel herauswandern. Über Agios Konstantinos Melenou nach Olymbos, und via Avlona wieder zurück. Ein ehrgeiziges Programm, aber wenn es hilft die Gedanken zu sortieren…

 

Die Cousine und ich wollen lieber zum Papa-Minas-Strand. Der Strand liegt etwas über eine Fußstunde südlich von Diafani. Am Anleger vorbei führt eine Piste dorthin, die man an zwei Stellen (wo sie besonders weit ins Inselinnere pendelt) mit einem Monopati abkürzen kann. Theoretisch – wir haben nur die erste, die größere Abkürzung gefunden. Es ist ein schöner und wenig anstrengender Weg, der mit Ausblicken auf das blaugrüne Meer und die hellgrüne Vegetation erfreut. Schon vor unserem Ziel hat es kleine Strandbuchten und einen beeindruckend abgeknickten Baum. Dass hier an der Ostküste der Wind auch so stark wehen kann. Heute aber nicht, die Sonne scheint zögerlich – Fotowetter.

Am Schluss sollte man den längeren Weg gehen, der auf der Piste noch um eine Kuppe herumführt. Wir haben uns natürlich von der anscheinenden Direttissima verführen lassen, aber da muss man dann auf einem sehr schmalen Weg sehr steil durch lose Felsen queren, und das sieht ziemlich halsbrecherisch aus. Also zurück. Zwei Badegäste sind ganz rechts am vielleicht achtzig Meter breiten Strand, sie nutzen die Einsamkeit zum hüllenlosen Bad, und das werden wir dann auch tun.

 

Verblüfft sind wir durch eine Handvoll Steinpyramiden, die am Rande des Strandes stehen. Drei davon sind über zwei Meter hoch, stabil gebaut, innen hohl, und sogar mit Holz verstrebt. Nein, das kann niemand mal eben an einem langweiligen Strandtag gebaut haben, denn da hat man eine Leiter oder einen Stuhl dazu gebraucht, und einiges an Zeit.* Errichtet sind die „Steinmänner“ aus den grauen flachen Kieseln, aus denen der Strand von Papa Minas besteht (der Name hat übrigens nichts mit dem gleichnamigen polyglotten Pfarrer von Diafani zu tun, der uns in seinem "Schlumpfoutfit" (Zitat Theo) öfters mal über den Weg gelaufen ist).

Wenn man über den – ziemlich heißen – Untergrund läuft, dann klirren die Steine wie Scherben. Das kennen wir noch vom sehr ähnlichen Forokli-Strand, der keine zwei Kilometer weiter südlich liegt.

Wir finden ein Schattenplätzchen unter einem kleinen Baum und genießen das Meer, das heute wunderbar warm ist. Ob wir nochmals Gelegenheit zum Baden haben werden wenn wir morgen ins Inselinnere ziehen?

 

Ein bizarres angeschwemmtes Wurzelholz inspiriert uns dazu, eine der kleinen Steinpyramiden umzugestalten – sie winkt jetzt mit einer Hand. :-)  Falls jemand nach Mai dort ist – würde mich interessieren ob unsere Konstruktion gehalten hat.

 

Nach zwei Stunden Entspannung geht es dann auf den Rückweg.

Das Paar ist schon vorher weg, dafür geben wir Bernd den Staffelstab in die Hand, der den Strand nun am Nachmittag alleine genießen kann und unsere Umdekoration natürlich sofort bemerkt hat.

Auch auf dem Rückweg sind die Farben des Meeres und der Küste einfach überwältigend. Was ist Karpathos schön! Vor allem hier im Norden.

 

Wir biegen vor dem Ort noch links ab um uns den Friedhof von Diafani anzusehen, und treffen dort die Mütter. Erneut beeindrucken uns die gepflegten Blechkisten mit den Gebeinen der Angehörigen im Beinhaus. Und die obligatorische Mischung von Marmor und Plastikblumen auf den Gräbern, nicht ganz kitschfrei – Engel und Tauben sind beliebt.

Eigentlich wollen wir dann auf ein kühles Getränk ins „Gorgona“, aber das hat geschlossen. Sonntags nie? Wir kommen am Kafenio von Anna vorbei, wo sich die Männer von Diafani treffen, und das wir bisher gemieden haben – gerne lassen wir ihnen diesen Rückzugsort. Weil dort aber Ute sitzt (solange ihr Partner Bernd am Strand ist), die Kollegin von Barbara, kehren wir dort ein und bestellen zwei Frappédes, die aufgrund eines Missverständnisses leider als heiße Nescafédes kommen. War nicht was wir uns vorgestellt hatten, aber trinken wir eben die.

 

Die Abendstimmung genießen wir wieder auf unserem Balkon. Wie wohl die Kommunalwahlen ausgegangen sind? Und ob sich daraus Änderungen für Karpathos‘ Norden ergeben? Im letzten Herbst war gedroht worden, den Hafen von Diafani nicht mehr mit den großen Fähren anzufahren. Dem konnte – zumindest für dieses Jahr – noch entgangen werden. Das kleine Boot, das mehrmals die Woche nach Pigadia gependelt war (zuletzt die „Chania III“), gibt es auch nicht mehr. Jetzt, wo die Straße fertig ist soll der Norden auf dem Landweg an den Rest der Insel angebunden werden. Auch wenn ein Linienbus trotzdem nur zwei bis drei Mal die Woche zwischen Süd und Nord pendelt, und im Winter gar nicht.

Die lange ersehnte Straße, von der man sich in Olymbos und Diafani Auftrieb für den Tourismus erhoffte. Manchmal werden Träume zu Albträumen.

 

Es ist schon spät, halb acht vorbei, als Theo auf dem Rückweg von seiner Wanderung bei uns am Hotel vorbeikommt. Da war er ganz schön lange unterwegs. Wir wollen heute nochmals in „Korali“. So wie gestern, das ist ja kein Abgang sonst. Und Theo hat unterwegs offensichtlich eine Erleuchtung samt Einsicht gehabt, auf alle Fälle will er sofort, noch vor der Dusche, einen Versöhnungs- und Friedensraki mit Michali trinken. Michalis wird natürlich versöhnlich reagieren – er hätte viel zu tun wollte er allen Gästen grollen mit denen es eine Meinungsverschiedenheit gibt.

Wir kommen dann nach.

 

Und so endet unser letzter Diafani-Abend versöhnlich im „Korali“ bei Fava, Fasólia mit Skordalia, Makarounes, Chtapódia und Palamida. Und mehreren  Portionen Loukoumades – besonders lecker mit knusprigem Sesam überstreut.

 

Theo wird noch bis Dienstag bleiben, da geht abends sein Flugzeug nach Athen.

Und wir lassen uns am Montagvormittag – nach einem phänomenalen Sonnenaufgang – von unserem Wirt Minas nach Olymbos hinaufbringen, wo wir bis Freitag bleiben werden.

Inzwischen haben wir uns gegen die Rückfahrt mit der Fähre am Donnerstag samt notwendiger Zwischenübernachtung in Pigadia und für die Straße und Minas‘ Auto am Freitag entschieden.

Ein Tag länger im Norden – kann doch kein Fehler sein.


* Im Oktober habe ich erfahren, dass die großen Steinkegel von jemanden zur Erinnerung an seine verstorbene Frau errichtet wurden. Eine schöne Idee.


Da stimmt es mich um so trauriger, dass sie 2014 im Sommer von jemanden absichtlich zerstört wurden.

Gedankenlosigkeit, Absicht, Dummheit? Ich verstehe es nicht... :-(