Es ist windig, aber ich ziehe gegen halb zehn Uhr los. Erst noch ein wenig Proviant einkaufen, dann die Hauptgasse von Apollonia südwärts aufwärts. Die Mutter hatte eigentlich mit wollen und der Profitis Ilias wäre auch nicht zu hoch für sie gewesen. Aber unser Wandertempo ist bergauf nicht kompatibel – ich müsste ständig warten, sie sich ständig hetzen. Mit Sicherheit wäre es für uns beide eher unentspannt gewesen, und so macht sie sich heute einen faulen Tag in Apollonia während ich Gipfel stürme.
Die Hauptgasse liegt in vormittäglicher Ruhe (ähm, eigentlich liegt sie zu jeder Tageszeit in Ruhe, jetzt, Ende September), Gelegenheit, einige Details auf sich wirken zu lassen. Zum Beispiel das Telefon, das auf einer niedrigen Umgrenzungsmauer liegt – wen soll man denn da anrufen? Die vertrockneten Maikränze, die dekorativen Stromzähler, die bockelnden Ziegen. An der Schule vorbei dann hinein nach Katavati, wo einem Wegweiser das Verlaufen schwer machen: der Prophet ist bestens ausgeschildert. Und natürlich habe ich mein Ziel vor Augen, den breiten felsig-runden Rücken des Vorgipfels und dahinter die weiße Gipfelkirchenanlage.
Sieht eigentlich nicht weit aus.
In Katavati dann hinab in eine Senke, eine Infotafel informiert über das Natura-2000-Gebiet, das hier beginnt. Beim Kloster Firogia verlässt man die Zivilisation und taucht ein in ein grünes (leider nicht mehr wie bei Theo blühendes) Tal, in dem der Weg links des Talbodens ständig ansteigt und beim Blick zurück eine schöne Aussicht auf Artemónas und Apollonía freigibt.
Nach einer guten halben Stunde Wanderzeit zweigt der Weg zum Profitis Ilias rechts ab, geradeaus geht es weiter nach Vathý. Noch immer bin ich niemand begegnet. Im Schatten des Berges ist vom Wind kaum etwas zu spüren, aber es ist nicht heiß, und angenehm zu gehen, auch wenn es nun konstant aufwärts geht. Aus dem nackten Boden des sehr guten Weges wachsen violett-schachbrettartig gemusterte Herbstzeitlosen (Colchicum variegatum), ab und an steht eine Hütte für Schäfer am Wegrand. Aber kein Gemecker. Einsamkeit.
Ich genieße den Aufstieg auf dem uralten Stufenweg. Das Ziel entschwindet gelegentlich hinter einem Vorgipfel aus dem Augen, taucht dann ganz nah wieder auf, aber der Weg führt nach rechts, weg davon. Unter mir das weite Tal mit verstreuten Kapellen darin, jenseits davon der Burgberg des Agios Andreas, auf den ich schon herabblicke. Eine Straße führt dort hin, die muss neueren Datums sein, in meiner Anavasi-Karte ist sie nicht verzeichnet (Ok, die ist nicht ganz neu, von 2003. Aber auch im MM von 2009 ist sie noch nicht eingezeichnet oder erwähnt).
Das Grün des Tales bleibt mehr und mehr zurück, Steine und Felsen dominieren. Vereinzelt hat es goldgelbe sternenförmige Disteln am Weg, zieren kleine kokonartige Puppen die Felsen. Und dann bin ich fast oben, das Kloster scheint aus dem Felsen herauszuwachsen, abgesetzt nur durch die weiße Farbe der Sichtmauern. Die griechische Fahne über dem Tor steht waagrecht im Wind. Endspurt. Vom Abzweig im Tal war ich etwas über eine Stunde unterwegs, vom Ausgangspunkt in Apollonia eindreiviertel Stunden. Ohne gerannt zu sein, gezogen nur vom sich nähernden Ziel.
Kurz vor halb zwölf Uhr erfasst mich der kalte Wind auf dem ungeschützten Grat vor der Klosterpforte, treibt mich nach einem schnellen Rundum-Panoramablick (wow!) ins Innere der Klostermauern.
Eine Baustelle. Überall liegen Betonsäcke, Sand, Werkzeug. Als wäre gerade noch jemand an der Arbeit gewesen. Aber ich bin alleine, auch kein Gehörnter will etwas erschnorren. Das Kirchengebäude überrascht durch seine ungewöhnliche Farbgestaltung in steingrau und weiß – keine Ahnung ob das eine Tradition hat, Farbmangel entsprang („ich dachte, du hast den zweiten Eimer mit weißer Farbe dabei… “) oder nur eine vorübergehende Laune des Anstreichers war.
Die Kirche ist offen, die Ikonostase eine wilde Mischung von neu und alt, farbfroh-naivem Kasperletheater, kitschig-süßlichen Heiligendarstellungen und klassischen Ikonen. Am besten gefällt mir die Verkündigungsszene vergleichsweise neuen Datums auf der Doppeltüre ins Allerheiligste. Hier eine Kerze anzuzünden ist ein Muss, und ein Eintrag ins Gästebuch.
Danach sehe ich mir die anderen Gebäude an. Gegenüber vom Kirchenportal befindet sich eine geöffnete Türe, die in einen großen Raum mit Tisch, Stühlen und einer primitiven Küche führt – das Refektorium. Rechts steht verlockend ein großer Ouzokolben, die Flüssigkeit darin entpuppt sich aber leider nur als mit Ouzo parfümiertes Wasser. Dafür weist eine mehrsprachige Aufschrift (komischerweise nicht in Deutsch, wo das doch die heftigsten Gipfelstürmer sind) auf einem mintgrünen Hängeschrank darauf hin, dass man sich hier gerne einen Kaffee machen kann – alles dazu Notwendige befindet sich in dem Schränkchen, außerdem einen Flasche Wein (noch geschlossen).
Und eine Fertigmahlzeit Spaghetti Carbonara für ganz Hungrige….
Ich hab ein Vesper dabei, und genug Wasser, suche mir einen Picknickplatz mit Aussicht. Gar nicht so einfach – innerhalb des Klosters sind die Mauern zu hoch, vor dem Tor zieht es wie Hechtsuppe. Ich klettere schließlich auf das Dach eines Gebäudes neben dem Tor und Sifnos liegt um mich herum. Gegenüber der andere Profitis Ilias, der von Troulaki, und Agios Simeon, der Hausberg des Hafenortes Kamares, den man von hier aus nicht sehen kann.
Kahle Einöde.
Nach Nordwesten die zusammengewachsenen Orte Artemonas, Ano Petali, Apollonia, Katavati und Exambeli, dahinter der Kastrohügel am Meer. Nach Süden das Natura-2000-Gebiet mit der Piste, die sich hindurchfräst. Zu Füßen des Berges ein Bauernhof, wo gerade eine riesige Herde dunkler Ziegen glockenbewehrt vorbeigetrieben wird. Sitzen und gucken.
Der vor den Toren liegen Kapelle Agii Anargiri (laut Anavasi-Landkarte, ich dachte aber, die Kapelle hieße Profitis Elisseos) statte ich auch noch einen Besuch ab, der Wind weht hier unverändert stark.
Ich mache mich an den Abstieg. Eine Fähre kommt steuert auf Kamares zu, das muss die „Express Pegasus“ sein, mit Richi an Bord auf dem Weg nach Serifos. Ich schicke eine SMS runter.
Ich hab noch so viel Schwung, und beschließe, gleich hinüber und hinauf nach Agios Andreas zu wandern. Der Burgberg mit der Ausgrabung liegt noch unter mir, aber das ändert sich schnell. An der Abzweigung im Tal nehme ich nun den Weg nach rechts Richtung Vathy durch die Talsenke, folge kurz darauf dem Wegweiser zur Kapelle des heiligen Efstathios, hinauf durch grünen Buschwald. Etwas weiter drüben lockt vergebens die Kuppelkapelle Taxiarchis – kein gotteshausfreier Blick ist auf Sifnos möglich.
Ai Stathis – nichts besonderes, die Kapelle. Aber sie ist geöffnet, und nachdem ich die obligatorische Kerze angezündet habe, finde ich im Gästebuch den Eintrag eines mir bekannten Vorwanderers, vom Mai 2011. Tja, Theo, das Rendezvous ist abgehakt.
Von der Kapelle geht ein schmaler Treppenweg hinauf zur Schotterpiste, die auf meiner Landkarte noch nicht verzeichnet ist. Ich folge ihr in östlicher Richtung, lasse mich durch einen abzweigenden Ziegenpfad dazu verlocken, das Tal und die Kurve abzuschneiden und scheitere kurz darauf beinahe an der Straßenkante, die sich so erbarmungslos in den Hang gefräst hat und gefährlich loses Geröll hinterlassen hat. Fast stürze ich ab, nicht 50 oder hundert Meter, aber sechs, sieben, in Stacheliges und Gerölliges hätten es auch getan. Gerade kann ich noch die Leitplanke fassen und mich auf die Asphaltstraße ziehen. Tss, wäre ganz schön blöd, sich hier zu verletzten nur um fünfzig Meter abzukürzen…
Vor dem Ausgrabungsgelände auf der Berggipfel ist ein großer Parkplatz, genau ein Auto steht dort – gehört vermutlich der Aufseherin, die an dem neu aussehenden Besucherzentrum gerade Blumen gießt. Noch eine Dreiviertelstunde, bis 15 Uhr, muss sie aushalten, dann schließt die Ausgrabung. Ein kleiner Ausstellungsraum soll dort auch sein, ist aber (schon) geschlossen. Ich betrete das Gelände, bin die einzige Besucherin. Reichlich gut erhaltene Grundmauern machen die Struktur der aus mykenischer Zeit (13. Jahrhundert vor Christus) stammenden Akropolis deutlich, alles umschlossen von einer doppelten Ringmauer. Gut beschriftet, gut gepflegt das Ganze, aber ehrlich gesagt interessiert mich vor allem die Aussicht.
An der höchsten Stelle des Berges thront die Kirche Agios Andreas, und auf einem Seitentrakt sind drei äußerst fotogene Tontöpfe einzementiert – Werbung für die lokale Keramikbranche? Die Kirche ist geöffnet, heute sammle ich Kirchen – ein leichtes Unterfangen auf Sifnos. Dann genieße ich windzerzaust die Aussicht hinab auf Artemonaspetaliapolloniakatavatiexambela, aufs Kloster Vrisses, nach Kastro und Stavros. Wieder Gipfelstürmerglück. Können Autofahrer das verstehen?
Hinab nehme ich den steilen Zickzack-Fußweg, der an der Asphaltstraße nach Vathy endet. Ich blickt zurück, hinauf – saumäßig steil! Besser erklimmt man den Berg von hinten.
Am Kloster Firogia schließt sich der Kreis für mich heute, ich durchwandere das schon wieder oder immer noch wie ausgestorbene Katavati, und das in nachmittäglicher Ruhe liegende Apollonia.
Am Kiosk der Platia Iroon hole ich schnell noch ein kühles Bier samt Limo für ein Radler auf den Balkon. Gegen halb vier bin ich wieder in der Unterkunft, das Radler zischt ins Glas, und die Dusche hab ich mir auch verdient. Wandern macht Spaß und durstig! Die Mutter hat den Tag auch gut verbracht, auf Balkonien lesend.
Mit dem Bus um 18.30 Uhr fahren wir hinab nach Kamares. Genießen den Sonnenuntergang bei einem Ouzo in Agia Marina und anschließend die belebte Atmosphäre in Kamares. Natürlich sehen wir bei Antonis, dem Töpfer, hinein, kaufen eine Kleinigkeit. Seine Töpfereien gefallen mir immer noch am besten, leider sind sie inzwischen nicht mehr so sorgfältig gearbeitet wie früher, haben scharfe Grate, unsaubere Kanten. Der König der Kamakis ist in seiner Werkstatt an der Arbeit, die Frau eines skandinavischen Pärchen passt offensichtlich in sein Beuteschema (trotz anwesendem Gatten und Kleinkind), wir sind schon zu alt und werden ignoriert. Das können wir verkraften.
Schade, dass die schönen Schmortöpfe einfach zu groß sind als Souvenir.
Um einen Tag haben wir ein cineastisches Highlight verpasst: am Sonntag und Montag wurde in Apollonia der 2010 auf Sifnos und Milos gedrehte Spielfilm „Nicostratos le pélican“ (griechisch „Νικόστρατος: Ενα Ξεχωριστό Καλοκαίρι“) gezeigt, wie wir einem in Kamares hängenden Plakat entnehmen können. Den französischen Spielfilm von Olivier Horlait (Ολιβιε Ορλε) mit Emir Kusturica in der Hauptrolle (nein, nicht als Pelikan) will ich unbedingt sehen – leider ist er in Deutschland nicht in die Kinos gekommen. Auf Französisch ist er inzwischen als DVD erhältlich, nicht ganz billig – ist es mir das wert?
Zum Essen gehen wir zu Sofia ins „Posidonas“. Am übernächsten Tisch sitzt ein Mann, der mir bekannt vorkommt. Ich glaube, er war damals im Sprachkurs von Dimitrios als ich 2003 dort einmal für ein paar Stunden hineinsah und -hörte. Und beschloss, einmal (2005) diesen Sprachkurs hier auf der Insel zu absolvieren.
Sofia bringt die Karte, und sie erkennt mich gleich wieder. Freut sich. Erinnerungen werden ausgetauscht, und Fragen gestellt. Sie ist einfach eine Nette, spricht hartnäckig Griechisch, zwingt mich so auch dazu. Puh, die Sprachkurse der letzten Jahre waren nicht umsonst, inzwischen trau ich mich zu reden, das war 2005 noch anders. Sie verweist mich auf den Mann vom Nachbartisch – also doch. Er erinnert sich aber nicht mehr an mich. Nun, vielleicht hab ich ihn auch in dem Buch gesehen, das eine damalige Sprachschülerin glaubte über ihren Aufenthalt schreiben zu müssen – warum auch immer. Inspiration kann es nicht gewesen sein, denn in dem Buch erfährt so gut wie nichts über Insel oder Sprachkurs, dafür aber jede Menge über die Befindlichkeiten der Autorin (Regen! Kalt! Frustriert!), die es geschafft hat, so ziemlich jede inseltypische Aktivität (Panigiri! Bootsfahrt!) wegen Lustlosigkeit zu verpassen. Ist ja erlaubt, aber warum dann darüber schreiben?
Einige von Dimitrios‘ Sprachschülern sind Stammgäste auf Sifnos geworden, nicht zuletzt auch wegen Sofia. Wie oft haben wir den Sprachunterrichtstag bei einem Ouzo (oder in meinen Fall bei einem Tzipurro) bei Sofia ausklingen lassen…. Und jetzt weiß ich auch wieder was ich oben in Apollonia vermisse. …
(Hier gibt es übrigens seit neuestem eine schöne Kamares-Webcam.)
Ich frage Sofia wie die Saison auf Sifnos gelaufen ist. Es sind weniger Gäste gekommen im Sommer, vor allem weniger Griechen. Zum Glück (für die Insel) haben inzwischen zahlreiche ausländische Gäste die Vorzüge der Insel entdeckt und die Lücke halbwegs gefüllt. Aber es bleibt schwierig. Ja, das haben wir oben in Apollonia gemerkt.
Natürlich bestellen wir auch etwas zu essen: Kapernsalat, Pastizio und Atherines, Weißwein dazu. Auf den Kapernsalat bin ich gespannt, habe ich noch nie gegessen. Es kommt ein Tellerchen mit süß-sauer eingelegten Kapern (samt Kraut, was ich im Gegensatz zu Theo keinen Mangel finde) und Zwiebeln, lecker und erfrischend. Werde ich mir merken.
Einen Nachtisch gibt es noch aufs Haus, und eine Tischdecke des Lokales für meine Mutter – ich hab schon eine, vom letzten Mal, in Ehren gehalten. Gutes Mitbringsel für Theo (wolltest du nicht mal einen Text über die griechische Tafelkultur schreiben?) wenn wir uns in Piräus treffen – meine Mutter braucht das Papierteil nicht wirklich.
Der letzte Bus ist längst schon weg, mit dem Taxi fahren wir wieder hinauf nach Apollonia, acht Euro schlagen dafür zur Buche.
Am Freitag darf die Mutter das Tagesprogramm bestimmen. Sie will nach Cheronissos, mit dem Vormittagsbus hin und dem Nachmittagsbus zurück. Mehr Busse gibt es auch nicht dorthin. Dort dann faulenzen, am Strand sitzen, eventuell baden, in der Taverne essen. Es ist unverändert sehr windig.
Der Bus fährt um 10 Uhr ab Artemonas, wir haben uns verbummelt, wollen deshalb den Bus von Kamares nach Artemonas nehmen. Gegen dreiviertel zehn. Bloß wo hält der genau? An der Platia Iroon? Der mobile Fischhändler dort meint nein, wir sollten vor zur Kreuzung. Also vor. Und der Bus kommt, hält – und fährt vorbei: Malak… - ja super! Was nun? Gegenüber steht ein Taxi, wir steigen ein: nach Artemonas. Fahren hinter dem Bus her zur Haltestelle in Artemonas. Zahlen drei Euro, zwei hätte es mit dem Bus gekostet. Ich gleich auf den Busfahrer los: warum er nicht gehalten hätte, er hätte doch gesehen dass wir mitwollen. Er weist die Vorwürfe von sich: wir wären an der falschen Stelle gestanden. Also doch Platia Iroon…. danke an den fliegenden Fischhändler für die Fehlauskunft – vermutlich ist er noch nie Bus gefahren.
Außer uns sind nur noch eine junge Frau und ein älteres Paar in den Bus gestiegen, keine Einheimischen. Wer will schon in die Einöde des Inselnordens? Die Fahrt entlang der Gipfel von Agios Simeon und dem Proftitis Ilias Troulakiou und durch den Weiler Troulaki dauert etwa zwanzig Minuten. Am Schluss geht es ganz schön runter, das war mir überhaupt nicht mehr so in Erinnerung. Endstation Cheronissos – jetzt haben wir fünfeinhalb Stunden Zeit….
Der Wind bläst über die Senke, die das Nordwestkap mit der Insel verbindet. Dort oben liegt die Kirche Agios Giorgos, in der wir zwei schöne weinseelige Panigiria erlebt haben. Eine Straße führt inzwischen hinauf, macht den Kirchenfestbesuchern den Weg leicht. Da gehen wir doch erst mal rauf.
Die Wellen branden tosend von Norden gegen die Felsen der Landzunge. Wo sind eigentlich die anderen Mitfahrer hin? Der Bus ist schon wieder weg, womöglich sind sie gleich wieder umgekehrt?
Hinauf zur Georgskirche.
Schön hier oben.
Der Blick nach Serifos. Huhu Richi!
Schön auch, dass die Kirche geöffnet ist. Wie eigentlich alle Kirchen auf Sifnos. Innerhalb der Mauer kann man prima im Windschatten sitzen. Da hätten wir aber beinahe den Viermaster verpasst, der um das Kap segelt und Kurs auf Kamares nimmt. Imposantes Teil, es könnte die „Wind Spirit“ sein. Hätte ich mir gerne mal in Kamares näher angeguckt, aber da kommen wir heute nicht hin.
Etwas weiter westlich liegt ein Hof mit Ziegen – von dort aus bzw. dem Weg dorthin sieht man auch gut in die Bucht von Cheronissos, wo wir schließlich hinabgehen. In der Bucht ist es windgeschützt, da will ich dann doch noch schwimmen gehen. Es wird ein kurzes Bad – das Meer ist frisch, die Luft ist es auch. Außer mir baden nur noch zwei Enten. Weiß jemand warum es auf den griechischen Inseln so häufig Enten an den Stränden gibt? Wegen der Eier wohl kaum, und dass sie gegessen werden kann ich mir auch nur schlecht vorstellen.
Die rechts in der Bucht gelegene Taverne hat schon geschlossen und wird winterdicht gemacht. Aber die andere, „Ammoudia“, ist geöffnet. Inzwischen haben sich auch einige Touristen mit Mietfahrzeugen eingefunden, Franzosen und Österreicher. Was heißt Lachanosalata auf Französisch? So schnell bin ich nicht polyglott…. Gönne mir zwei Fische zum Mittagessen, die Mutter Nudeln mit Hühnchen, dazu Tirokrokettes und Weißwein. Wir haben noch genug Zeit, und hier ist wunderbar träumen.
Der Wirt spendiert uns einen griechischen Kaffee, dann sehen wir uns noch die benachbarte Töpferei an, von der zwei tönerne Gestalten den „Ort“ schmücken: eine winkt vom Dach eines Hauses, die andere bewacht die irdene Auslage vor dem Laden. Drinnen ist niemand. Der ganze Ort ruht nun, die Bötchen in der Bucht schaukeln sanft auf und ab. Gelegenheit für ein Nickerchen auf der steinernen Sitzbank am Ufer.
Schließlich ist es halb vier Uhr vorbei und wir gehen wieder hinauf in den Wind auf dem Sattel. Pünktlich sehen wir den Bus auf der Straße herabkommen, um 15.55 Uhr geht es zurück nach Artemonas, wo wir natürlich wieder in der Siesta ankommen. Wir schlendern durch den Ort hinauf Richtung Windmühle, vorbei an der imposanten Kirche Agios Spyridonas, verwunschenen zugewachsenen Villen, blühendem Hibiskus und dekorativ gereihter Töpferware. Ich hatte Artemonas gar nicht so groß in Erinnerung. Auf dem Weg nach Apollonia finden wir wieder „unsere“ Bäckerei geöffnet, kaufen nochmals Gebäck und Tsourekia – die sind einfach saugut!
Von der Terrasse vor der Kirche Agios Ioannis Prodromos hat man einen wunderbaren Blick auf Apollonia und Agios Andreas dahinter. Der Wind hat allem Dunst weggeblasen, die schon tief stehende Sonne zeichnet die Konturen der Häuser deutlich. Wie viele Kirchen und Kapellen sieht man von hier aus?
Ouzo Barbagiannis und Feigen (gestern gekauft in Kamares) gönnen wir uns als Aperitif auf unserer Terrasse, bei Wolken und dem scharfen Umrisse des Profitis Ilias als Kulisse. Eigentlich haben wir heute nichts geschafft, trotzdem stellt sich wohlige Zufriedenheit ein.
Nicht dass wir am Abend wirklich noch etwas zu Essen brauchen würden, aber was wäre ein griechischer Inselabend ohne Tavernenbesuch? Wir gehen die Hauptgasse hinauf, es ist Freitag, und endlich mal etwas mehr los. Das „Tou Apostolou to Koutouki“ gegenüber von der Taverne „Sifnos“ hat heute doch tatsächlich geöffnet – da müssen wir rein. Man ist sehr beschäftigt – offensichtlich hat sich eine große Gruppe angemeldet, die Tische werden eingedeckt. Und es gibt nur eine kleine Essensauswahl, aber wir sind ja nicht sehr hungrig. Finden ein Plätzchen drinnen, bestellen Fava, Tomatensalat mit Kapern und raffiniert gefüllte Teigröllchen namens Floghera.
Dann kommt die Gruppe – mindestens dreißig Leute, Griechen, vielleicht auf dem Wochenendausflug vom Festland nach Sifnos. Sie bekommen alle das gleiche Essen, anders könnten die drei Personen in Küche und Service das nicht stemmen: griechischen Salat, Fava, Tsatsiki, danach Berge gebratenen Fleisches mit Pommes, und der Wein fließt aus den hier hergestellten Tonkrügen in Strömen. Der Lärmpegel steigt nicht unbeträchtlich. Wir haben Mühe, uns irgendwann bemerkbar zu machen um zu bezahlen.
Die Rechnung fällt für drei Vorspeisen und einen halben Liter Wein mit 24 Euro 60 höher aus als erwartet. Sifnospreise. Aber schön, dass endlich mal was los ist! Das lässt hoffen für Samstag. Da wollen wir wieder wandern.