Die Ostküste, oder: die Wanne ist voll.

Als die Fähre in Psathi anlegt, bin ich die Einzige, die das Schiff verlässt. Mal wieder. Aber ich werde erwartet, von meiner Vermieterin Aspasia, in deren "Sofia's Apartments" ich mich einquartiert habe. Eigentlich hätte ich gerne hier unten in Psathi gewohnt, direkt am Meer, aber um diese Jahreszeit ist von den wenigen Quartieren hier am Meer noch nichts geöffnet. Und es wäre wohl auch nicht meine Preisklasse gewesen. So habe ich mich für Sofia's in Chorio entschieden und die kontaktfreudige Aspasia hat auch schnell geantwortet. 45 Euro die Nacht, und sie wird mich am Hafen abholen.

Sie steht schon da und winkt. Ich werde in ein Taxi verfrachtet, in dem schon ein älteres englisches Paar wartet, das auch gerade angekommen ist, offenbar mit der kleinen Fähre von Apollonia. Sonst hätte mich Aspasia samt Gepäck auf ihren Motorroller verladen und hinauf nach Chorio gefahren.

Mir ist das, ehrlich gesagt, lieber so mit vier Rädern.

 

Das Taxi hält unterhalb des Ortes, durch ein paar enge Gassen - hier wird mein Trolley mit dem Roller gefahren - geht es dann zu dem Quartier, das direkt neben der Hauptkirche Panagia Odigitria liegt. Ich bekomme eines der beiden Apartments im oberen Stock. Riesig ist es, mit einer großen Wohnküche und extra Schlafzimmer, und zwei Balkonen mit Blick hinunter Richtung Friedhof und Goupa hinüber nach Políegos. Super!

Bloß das Wlan dürfte besser sein, ich arbeite mich am starken Signal mit dem angegebenen Passwort ab, nur um dann von Aspasia zu erfahren, dass ich mich in das andere Netz einwählen muss. Dessen Signal aber kaum zu empfangen ist. Ja, man ist verwöhnt geworden in diesen Dingen. Andererseits ist das in Zeit von EU-weitem preiswertem Roaming nicht wirklich ein Problem. Noch vor ein paar Jahren wollte ich im Urlaub nicht online sein und Telefonate waren für Notfälle. Und nun genieße ich die Vorzüge diverser Apps, von Windfinder über Marinetraffic bis zum Stuttgart-Zeitung-Abo. Und die kostenlosen Telefonate zur Mutter in der Heimat natürlich, gerade auf den Inseln, die sie auch kennt. So kann ich sie wenigstens ein bißchen mitnehmen.

Die Briten ziehen nebenan ein, ich werde kaum in Kontakt mit ihnen kommen, man grüßt sich, und das war's. Aspasia wird mir erzählen, dass sie seit vielen Jahren kommen und dieses Jahr sogar vier Wochen bleiben werden. Aha, also auch Kimolos hat seine Wiedergänger.

Als erstes unternehme ich einen Einkaufsbummel durch den Ort. Und erlebe dabei einen kleinen Kulturschock: Im Gegensatz zum gepflegten und aufgeräumten Sifnos ist Kimolos viel vernachlässigter. Mehr Müll, mehr Ruinen, mehr vergammelnder Plunder. Weniger Wohlstand. Eine Feststellung, die sich in den nächsten Tagen bestätigen wird. Aber auch mehr Freundlichkeit, mehr Neugier. Man fällt als Fremde viel mehr auf als auf Sifnos. Und es ist noch viel weniger los als auf Sifnos. Mittags hat nur die Eisdiele geöffnet und das "Kali Kardia". Ebenso keiner der Souvenirläden, die meisten haben die Saison noch gar nicht eröffnet. Aber die Mini-Märkte sind offen, der Bäcker neben dem "Kali Kardia" und die Läden, die die Einheimischen eben brauchen. Tagesausflügler von Milos scheinen noch nicht unterwegs zu sein.

 

Der zweite, nördlichere Mini-Markt an der Straße ins Inselinnere jenseits der Bushaltestelle (es gibt aber noch keine Busverbindungen) ist übrigens besser sortiert und preiswerter als der bei der Krankenstation.

 

So, und was nun anfangen mit dem angebrochenen Tag? Unten sehe ich die "Artemis" auf dem Rückweg nach Sifnos vorbeifahren, laut hupend hat sie wieder in Kimolos gehalten. Schade, dass ich da noch nichts vom Verlust meines Fernglases wusste - da hätte ich noch Chancen gehabt, es wiederzubekommen. Aber ich werde dennoch nach Psathi hinab gehen, das "To Kyma" am Strand dort sah aus der Ferne geöffnet aus, die Sonnenschirme waren zumindest offen.

Auf dem Fußweg, der die Straße abkürzt, bin ich schnell unten am Hafen und finde einen schattigen Platz unter den Schirmen des "To Kyma". Es ist nur einer der Tische hier besetzt, ein älterer Grieche, der es sich mit Zeitung beim Essen gemütlich gemacht hat.

Schnell kommt ein junger Mann und bringt mir die Karte. Ich bestelle Zucchini mit Kapern, dazu Skordalia und ein Viertel Weißwein. Die Zucchini präsentieren sich als umfangreiches Omelette, und die Skordalia ist so knoblauchgeschwängert, dass es schon fast an Körperverletzung grenzt. Aber beides schmeckt köstlich, und zusammen mit dem Wein und der Mittagsstimmung gebe ich mich danach dem Faulenzen hin.

 

Die Pantoffel-Fähre "Panagia Faneromeni" kommt angetuckert und erinnert mich an einen gescheiterte Überfahrt vor zwei Jahren, dann kehrt wieder Ruhe ein.

Der Strand von Psathi ist noch nicht vollständig vom Seegras gesäubert, man hat am südlichen Rand aber schon mal angefangen. Weil es im Schatten wieder eher kühl ist, hab ich keine Lust zum Baden mehr. Ich komme schon noch ins Wasser, spätestens auf Milos.

 

Durch das Hinterland von Psathi gehe ich zur Straße hoch, wo zwei Wegweiser die maßgeblichen Entfernungen auf der Insel verzeichnen. Natürlich nur die auf der Straße erreichbaren. Die weitesten Entfernungen sind Mavrospilia und Vromolimni mit je 6500 Metern. Ob ich so weit muss? Mal sehen.

Am Ortsrand von Chorio vorbei statte ich dem Friedhof einen Besuch ab und stelle fest, dass die Leute hier ganz schön alt werden. Offenbar ein gesundes Leben auf der Insel, wenn auch sicher kein einfaches.

 

Jetzt bin ich schon fast da, also kann ich auch noch hinab zur Bootshaussiedlung Goupa-Kara gehen.

Entlang der Küste ziehen sich zahlreiche in die weichen Tuffsteinfelsen gehauene Bootsgaragen. Einige sind in einem ziemlich vernachlässigten Zustand, die Garagentüren sehen so aus, als würde sie sich beim Öffnen in ihre Einzelteile zerlegen. Andere sind frisch gestrichen, aber ob dahinter wirklich noch Boote liegen? Es ist niemand da, den ich danach fragen könnte, nur eine einsame Katze schläft im Schatten. Auch die Häuser über den Garagen wirken verlassen, aber von irgendwoher dudelt leise ein Radio. Und überall blüht violett der Strand-Flieder. Draußen im Meer schwimmen bizarre Felsen namens Revmatonissia, ich glaube, wir sind damals mit dem Kajak dort herumgepaddelt.

Ich gehe entlang der Küste so gut das möglich ist, springe über glitschige Stufen und Absätze und klettere über Mauern. Es hat hier auch ein paar Feriendomizile mit eigenem Badeplatz zwischen den Felsen. Badeschuhe empfohlen. Schließlich erreiche ich wieder einen Weg, der hinauf zur Straße führt, und gehe zurück nach Chorio.

Ich genieße die Abendsonne nicht auf meinem schattigen Balkon (Südostseite), sondern auf dem Absatz vor der Wohnungstüre, der nach Westen geht. Dabei werde ich immer wieder durch tierische Laute aufgeschreckt: mal klingt es wie ein Esel, mal wie ein Hahn, mal wie ein Puter, mal wie ein Hund. Und manchmal gar nicht tierisch. Eher gruselig. Sehe ich die Ursache zunächst in der landwirtschaftlichen Umgebung, so merke ich bald, dass ein großgewachsener junger Mann der Verursacher der Geräusche ist. Er wohnt im Nachbarhaus und ist offenbar psychisch gestört. Oft läuft er im großen Garten herum, der an mein Quartier grenzt, gebärdet sich wie die Tiere, die er nachahmt. Nachdem ich ihn gesehen habe, erschrecken mich die Laute nicht mehr, auch wenn sie frühmorgens oder nachts ertönen.

 

Am Abend bin ich wegen des späten Mittagessen nicht wirklich hungrig, unternehme aber einen kleinen Ortsbummel Richtung "Kali Kardia". Da haben wir vor Jahren gewohnt, aber ich habe erfahren, dass das Lokal sich inzwischen zum richtigen Restaurant gemausert hat, wo es nicht nur ausnahmsweise für Zimmergäste Essen gibt.

Da bin ich natürlich neugierig und gespannt. Von außen sieht es unverändert aus, drinnen sitzt mein britisches Nachbarpaar, und ein paar alte Herren an den Tischen. Also etwas kafenionmäßig ist es schon noch, das konnte ich auch vor eineinhalb Jahren schon sehen, als wir mit den Kajaks den Trip nach Kimolos gemacht haben und hier auf einen Frappé eingekehrt sind. Der Wirt ist aber nicht mehr Apostolis, sondern ein jüngerer Mann. Ich bestelle eine Melitzanosalata und Wein, beides ist in Ordnung. Aber irgendwie fehlt mir hier etwas. Die Jukebox ist es nicht, die ist noch da. Aber irgendwie ist es etwas unpersönlich geworden. Und natürlich fehlen die tavli- und kartenspielenden Männer.

Die Zeiten ändern sich.

Mit etwas Wehmut gehe ich heim ins Quartier, ich bin echt müde. Leider haben sich mangels Moskitogittern ein paar Stechmücken in mein Schlafzimmer verirrt und halten mich in der Nacht auf Trab. Mückenjagd, weitgehend erfolglos. Ärgerlich, dass ich meinen Mückenstecker vergessen habe. Und das Spray dazu. Irgendwann kann ich die Quälgeister ignorieren, und die Stiche jucken auch gar nicht. Wenigstens was.

 

*

 

Das Wetter ist für die nächsten drei Tage gut prognostiziert, aber morgen soll es recht windig werden. Da werde ich morgen ins Inselinnere wandern, und heute zum Strand. Zum Strand von Prassa. Ich hab mir im Milos Mining Museum die Landkarte des Miloterranean Walks Nr. 5 "Kimolos" gekauft, ein vergrößerter Auszug der Milos-Karte von Sky-Terrain. Und da sind auch zahlreiche Fußwege eingezeichnet. Einer davon führt vom nördlichen Ortsende von Chorio nach Norden, den werde ich nehmen.

 

Gegen zehn Uhr verlasse ich den Minimarkt am Nordende des Dorfes, wo ich noch etwas Proviant eingekauft habe und die Besitzerin sich nach meinem Ziel erkundigt. Prassa, das wäre schön, und vielleicht könnte ich dort baden. Ja, das hoffe ich auch.

Kurz darauf biege ich rechts von der "Hauptstraße", die Richtung Skiadi führt, ab, nehme an einer Kapelle wieder den rechten Abzweig, und wenige Schritte das Monopati, das von dort nach links führt. Ein Mann grüßt freundlich von der Arbeit auf seinem kleinen Feld. Das ist typisch für Kimolos: sowohl die kleinen Gärten und Felder, die noch überall bewirtschaftet werden, als auch die Zugewandtheit der Leute. Ich bin heute in einem ärmellosen Shirt unterwegs, er deutet an, dass ich an den Schultern auf die Sonne aufpassen soll. Natürlich hat er ein Hemd mit langen Ärmeln an, nur Touristen setzen ihre Haut unnötig der Sonne aus. Ich freu mich aber, dass sie scheint, es sind trotzdem nur 20, 21 Grad (während ich das schreibe zeigt mein Thermometer eine Außentemperatur von 38,4 Grad an, und in meiner Dachwohnung hat es ganz kuschlige 33 Grad. Nein, da gehe ich auch nur in die Sonne wenn ich muss. Deutscher Sommer - besser als sein Ruf. Aber etwas Meer wäre schön, seufz....).

 

Der Fußweg ist überraschend gepflegt und führt mal wieder entlang üppig blühender Wiesen und Felder, begrenzt von Steinmäuerchen. Rechts überspannt eine kleine Steinbrücke einen Bachlauf, von einigen Hügel blinken weiße Kapellen herüber. Der Weg wird schmaler, ist aber gut erkenn- und begehbar. Ginster wechselt mit gelben Wucherblumen, ein paar kratzige Disteln versuchen mit Erfolg, ihre Spuren auf meinen Waden zu hinterlassen. Aber es wandert sich trotzdem ganz ausgezeichnet so.

 

Zwei Esel gucken erwartungsvoll über eine Mauer und bestätigen mir, dass sie hier zur Arbeit tatsächlich noch gebraucht werden. Auf kaum einer Insel gibt es noch so viele im landwirtschaftlichen Dienst wie auf Kimolos. Eine kleine Eule (ein Steinkauz?) fliegt über den Weg und setzt sich auf einen der Haufen aufgetürmter Steinbrocken. Von denen gibt es hier auch viele. Also Steine, nicht Eulen.

Ich erreiche wieder die Piste ins Inselinnere und gehe auf ihr ein paar Meter abwärts, ehe ich einen Fußweg wähle, der links abzweigt. Er ist nicht so gepflegt wie der vorherige, aber dafür führt er mitten durch gelbe Wiesen. Schopflavendel gibt es auch, er beginnt gerade zögerlich zu blühen. Und einmal auch durch schwarz verbranntes Gestrüpp, in dem gelbe Blüten farbige Akzente setzen. Ich bin ziemlich überwältige von der blühenden Landschaft, hätte das nicht erwartet.

 

Nach Nordosten werden nun die weißen Halden der Steinbrüche von Prassa sichtbar. Mein Fußweg mündet in eine Piste und trifft auf der Höhe des Strandes von Livadaki auf die Straße nach Prassa. Ein Mann arbeitet in seinem Weinberg, fast erschrecke ich ihn durch mein Auftauchen: Fußgänger so abseits, welch ungewöhnlicher Anblick!

 

Noch über einen niedrigen Hügel, dort weidet eine große Herde kurzhaariger schwarzer und brauner Ziegen nebst einigen Schafen, die von ihrem Hirten mit Mühe und Geschrei daran gehindert werden kann, zur Küste durchzubrechen. Hütehunde sind hier selten im Einsatz, da muss der Hirte selbst tätig werden.

Um Viertel vor zwölf erreiche ich dann schließlich den Kieselstrand von Pigados, an dessen Ende sich eine große Verladestelle von Bentonit befindet. Ein Frachter versteckt sich dort hinter dem Hügel, er wird gerade beladen. Die LKW kommen von der Abbaustelle nördlich von Prassa, offenbar gibt es dort keine Verlademöglichkeit. Und so muss ich auf meinem weiteren Weg entlang der Bucht von Prassa auf den Schwerverkehr Rücksicht nehmen. Und er auf mich.

 

Ich lasse die Verladestelle auf dem Felsenkap und das Kurhaus hinter mir, mein Ziel ist zunächst die Sandbucht Agios Georgios am nördlichen Ende der Bucht.

Unablässig kommen mir die Lastwagen entgegen, in gemäßigtem Tempo aber - man hat hier Zeit. Zeit auch, die Wanderin zu grüßen. Und im Zweifelsfall ordentlich Staub schlucken zu lassen. Wie war noch die löbliche Einrichtung auf Milos, die Straßen mit Wasser zu sprengen? Hier nicht.

Unter diesen Einschränkungen genieße ich den Blick auf das grüngraue Meer in der Bucht, auf das vorgelagerte Inselchen Prassonisi und die vom Meer gestaltete helle Felsenküste. Die Kontraste von Felsen und Meer, von weißgrau und Grün, die sind atemberaubend. Kimolos steht Milos diesbezüglich nicht nach. Gut nur, dass das kaum jemand weiß.

 

Schließlich erreiche ich den gleißend weißen Strand von Agios Georgios. Hier biegt die Straße zum Steinbruch nach Norden ab, der Übergang von Strand und Landschaft ist fast fließend. Drei Reihen hohe Pfosten im Strand und ein verrammeltes Bretterbüdchen lassen darauf schließen, dass hier in der Saison reger und bewirtschaftete Badebetrieb herrscht. Aber jetzt bin ich völlig alleine hier, ich kann es kaum glauben. "Κίμωλο παράδεισό μου" - dieser Spruch, der in Chorio eine Wand ziert, er könnte hier Wirklichkeit werden.

Wegen des passierenden LKW-Betriebes - die machen aber offenbar jetzt Mittagspause, denn plötzlich ist Ruhe - verzichte ich aber doch aufs textilfreie Baden. Auf einem Stapel Euro-Paletten richte ich mich im Schatten einer Tamariske ein und stürze mich dann ins kalten (18°C), aber trotzdem wunderbare Meer.

Ist das schön!

Ich bin kaum im Wasser, da hält ein Mietwagen am Strand, dem drei Griechen - zwei Frauen, ein Mann - entsteigen. Auf der Suche nach einem Schattenplatz sehen sie, dass ich den besten Platz schon okkupiert habe und richten sich widerwillig unter einer mickrigen Tamariske ein paar Meter weiter ein. Die beiden Frauen ziehen sich umständlich verdeckt von einem Handtuch um, während der Mann einem Fußweg entlang des Kaps folgt. Gut, dass ich nicht nackig im Wasser bin, sonst müsste ich womöglich länger drin bleiben.

Eine der Frauen wagt einen vorsichtigen Badeversuch, wie ich findet sie es herrlich wenn sie mal drin ist. Die andere kann sich nicht überwinden und wandert lieber am Strand entlang. Lange bleiben sie aber nicht, kaum ist dem Mann von seinen Erkundigungen zurück, packen sie ihre Sachen zusammen und verschwinden wieder. Mit einem Auto kann man auf Kimolos an einem Tag ziemlich viel sehen: einmal Ost, einmal West. Aber die Dinge, die die Insel tatsächlich ausmachen, die verpasst man. Sag ich jetzt mal einfach so.

 

Ich hab mich gerade wieder am Strand installiert und umgezogen, da hält das nächste Auto. Dieses Mal sind es fünf Griechinnen, die sich aus einem Kleinwagen zwängen. Sie sind weniger zurückhaltend als die Vorgänger, zerren einige herumliegende Euro-Paletten zum Strand und richten sich lautstark häuslich ein. Ende des Paradieses.

Gut, ich wollte sowieso gleich gehen.

Bevor ich mich auf den Rückweg - dieses Mal auf der Straße - mache, gehe ich noch am Kap entlang bis zur Kapelle Agios Georgios. Ein unscheinbarer kleiner Bau, wie die meisten Kapellen auf Kimolos. Aber er ist offen, und die Decke ist interessant: sie besteht aus Geflecht und ich kann mich nicht erinnern, so etwas schon mal gesehen zu haben. Allerdings wird mir eine vergleichbar Decke morgen nochmal unterkommen. Typisch für die Insel?

Der LKW-Verkehr ist immer noch unterbrochen, und als ich am Südende der Prassa-Bucht ankomme, sehe ich auch warum: der Frachter fährt gerade weg. Aber ein zweiter steht schon bereit, nähert sich langsam. Und ich mich dem Haus, in dem sich das Kurbad mit Thermalwasser aus einer heißen Quelle befindet. Vor zwei Jahren sah es nicht so aus, als ob hier noch ein irgendwie gearteter Badebetrieb stattfinden würde: Fenster und Türen verrammelt, Sanitärkeramik und Stühle standen draußen. Aber offenbar hat man damals nur renoviert, denn ein parkendes Auto deutet nun auf Besuch hin. Und das Restaurant kann nicht gemeint sein, das ist definitiv geschlossen. Ich blicke durch die offene Türe auf der Meerseite und das sitzt ein älterer Mann auf einem Stuhl, voll bekleidet, offenbar wartend. Ich kann aber einen Blick auf eine Wanne im Inneren erhaschen, und liegt jemand drin: Die Wanne ist voll!

 

Diskret ziehe ich mich zurück, nehme noch eine Nase voll Nadelholzduft. Badezusatz? Ob das hier ein offizieller Badebetrieb ist, oder eher ein Do-it-yourself-Planschen? Auf der anderen Seite des Hauses ist auch eine Türe offen, dort steht ein nicht mehr ganz neues Sofa im Eingangsbereich, aber nichts von Öffnungszeiten. Ob ich hier einen Bademeister finde, denn ich nach einer Badeanwendung fragen kann? Leider nicht, und als ich auf der anderen Seite wieder auftauche um nochmals hineinzuspähen, macht der ältere Herr die Türe zu. Ok, ich habe verstanden - das hier ist privat. Kein Kurbad für mich. Vielleicht hab ich auf Milos mehr Glück, aber das Spa in Adamas scheint auch nur im Sommer geöffnet zu sein.

 

Nun wende ich mich wieder dem Frachter zu. Die "Nacy Atabey" hat sich der Verladestelle genähert und wird von einem kleinen Kaiki mit zwei Männern umkreist. Mit einem langen Haken angelt einer der Männer nach einem Tau, das vom Schiff herabgelassen wird. Die Leine wird an Land gebracht und dort an einem Poller befestigt. Eine zweite Leine folgt auf der andere Seite des Schiffes, das sich damit ganz langsam an Land heranzieht. Oben stehen schon die beladenen Lastwagen darauf, ihre Fracht loszuwerden. Aber das dauert noch eine Weile, mir zu lange. Ich wandere auf der Straße zurück.

Der Hirte hat mit seiner Herde auf die andere Straßenseite in einen abgezäunten Bereich gewechselt und kann sich jetzt einen Mittagsschlaf gönnen. Der Mann im Weinberg bei Livadakia ist immer noch zugange. Und ein Auto überholt mich, der Fahrer hält, bietet mir eine Mitfahrgelegenheit an. Danke, das ist nett, aber ich möchte noch etwas gehen. Mindestens einen Blick in die Bucht von Agios Minas werfen, wo viele kleine Kaikia liegen und zwei Männer an einem Boot arbeiten.

 

Faszinierend sind hier auch die hohen und dicken Steinmauern und -hügel, ganz offenbar von Menschenhand aufgetürmt, aber ohne erkennbaren Zweck. Außer dem, die Steine aus dem Weg zu schaffen. Die Sonne brennt ganz schön, und das nächste Wegstück habe ich von vor zwei Jahren weniger attraktiv in Erinnerung. Da trifft es sich gut, dass ich erneut eine Mitfahrgelegenheit angeboten bekomme, und dieses Mal nehme ich sie an. Der Mann im edleren Pickup wohnt am Ortseingang von Chorio, wo er mich herausläßt und ich noch etwas durch die Gassen streunen kann. Eine Kleinigkeit zu Essen wäre schön, aber nur die Eisbude ist geöffnet. Das dunkle Schokoladeneis schmeckt ausgezeichnet, für zwei Euro 50 gibt es eine dicke Kugel.

Danach ist Ruhen im Quartier angesagt.

Zum Abendessen gehe ich nochmal hinab nach Psathi. Zuerst ein Ouzo im "Postali" am Fähranleger, danach das Abendessen im "To Kyma". Beleuchtete Tisch locken zum Sitzen draußen, ich ziehe aber die verglaste Veranda vor, wo doch tatsächlich noch ein französisches Paar beim Essen sitzt. Ich bestelle kotopoulo lemonato, das ausgezeichnet schmeckt. Ein vielleicht zweijähriger Junge spielt kontaktfreudig im Gastraum, freundlich betreut und umsorgt von der Familie des Wirtes. Neugierig bietet er mir Spielzeug an, wird dann aber vom Opa oder Onkel abgefangen.

 

Beschwingt und zufrieden wandere ich spät wieder hinauf nach Chorio, wo ich in der Nacht schlecht schlafe: wieder die Mücken, dazu eine Überdosis Sonne. Egal, Kimolos gefällt mir.

Morgen will ich dann in die Berge.