Kimolos zu Fuß - Esel und Dreiräder

Der Wind ist wieder so stark wie vor zwei Tagen. Beim Frühstück auf der Straße bläst es uns beinahe das Brot vom Teller. So ziehen wir uns nach drinnen zurück, wo heute zum ersten Mal fast niemand ist. Auch Apostolis‘ Vater kommt erst später, er ist sehr schlecht zu Fuß, geht am Stock. Aber gleich nimmt er wieder seinen Stammplatz hinter der Kasse ein.

Wenn es so windig ist, ist gut wandern. Vor allem bergauf. Wir werden die Dieter-Graf-Wanderung Nr. 37 zum „Steinpilz“ machen, mit der kleinen Variante, dass wir nicht zum Strand von Mavrospilia hinabgehen wollen, sondern auf dem gleichen Weg zurück. Die Wegbeschreibung im Wanderführer erweist sich als überflüssig – der Weg ist inzwischen zur Straße ausgebaut und ausreichend mit Wegweisern versehen. Wir verlassen Chorio (da schlampt auch Dieter Graf, der von Chora schreibt) Richtung Norden, vorbei an einigen Höfen mit Geflügel, Kisten mit frischen Weintrauben und einem nicht verkehrsschildgemäßen Vieh. Chorio franst in die erdfarbene abgeerntete Landschaft aus, aufgeteilt von niedrigen Mäuerchen, und ein paar grüne Baumbüschel in den Senken.
Der Weg geht bergauf, der Wind schiebt uns ein wenig. Ein Bauer geht schnellen Schrittes vor uns her, er grüßt freundlich – sicher auch einer von Apostolis‘ Stammgästen – die kennen uns schon alle.
Mit ansteigendem Weg wird der Blick auf die Bentonit-Verladestelle bei Prasa an der Ostküste von Kimolos frei. Hier wird immer noch abgebaut, die Steinbrüche werden wir bei der Weiterfahrt nach Sifnos von der Fähre aus gut sehen können.

An der Kapelle Agii Anargiri befindet sich eine offene Zisterne, mit Tränke und zu meinem Entzücken einem geparkten Mazda-Dreirad in gutem Zustand. Ja, Kimolos ist eine dieser Inseln mit optimaler Dreirad-Größe. Gegenüber sind zwei Esel parkiert – auch für sie gibt es hier noch Arbeit.

Wir halten auf einen Berg mit einer Art Parabol- oder Radarspiegel auf der Flanke zu – laut MM soll es sich um den Gipfel des Palekastro (365 m) handeln. Der liegt allerdings tatsächlich ein gutes Stück dahinter, unser Weg führt auch zu der mittelalterlichen Stadt (von der laut MM nichts mehr zu sehen ist – wir gehen dort nicht hin um das zu überprüfen, aber wenn man auf dem falschen Berg ist, gibt es natürlich nichts zu sehen…), er zweigt erst später ab. Der Berg mit dem spiegelähnlichen Gebilde ist der 358 Meter hohe Sklavos.
Um die Verwirrung perfekt zu machen, gibt es in der Ecke auch gleich zwei Profitis-Ilias-Kapellen: die äußere (exo), lassen wir zunächst links über uns liegen, die zweite, mittlere (messa) liegt östlicher und abseits unserer Route. Die Echinoussa-Landkarte erweist sich als überraschend brauchbar und richtig.

Ein PKW überholt uns, eine sonntagsmittägliche Fahrt von drei Einheimischen, die nach ihren Feldern gucken. Hier, in einem fruchtbaren Tal mit abwärts führendem Weg, gibt es auch endlich mal einige reife Feigen. Nur wenig später verlässt unser Weg nun die Straße nach links, auf einem Felsen unübersehbar beschildert. Noch hundert Meter, dann muss auch der faulste Autofahrer sein Auto abstellen – nun geht es nur noch zu Fuß weiter, auf gleicher Höhe entlang eines terrassierten Hanges, den roten Punkten folgen. Ein Erbsenfeld rechts (keine Kichererbsen wie zuerst gedacht, die sehen doch anders aus).

Eine Viertelstunde später zweigt rechts der Weg zum Palekastro ab. Wir gehen links, und sehen kurz darauf unser Ziel vor uns: den Steinpilz! Eine etwa drei Meter hohe Gesteinsformation, die von hier aus nicht so beeindruckend aussieht, wenige Minuten später von der Nähe aber doch: wie ein überdimensionierter Pilz. Das weichere weiße Gestein des Sockels oder Stieles wurde in Jahrtausenden vom Wind abgetragen, das härter Gestein oben blieb wie ein Dach erhalten. Weil es immer noch sehr windig ist, können wir uns das gut vorstellen. Abweisend und scharfkantig ist hier auch der Boden. So richtig trauen wir uns nicht unten der Steinschirm, schon gar nicht zwecks Picknick. Das werden wir später etwas weiter oben, im Windschatten eines Häuschens nachholen.

Aber ein paar Fotos von uns unter dem Steinschirm müssen natürlich sein (alle von mir zensiert da grässlich).
Nach Süden sehen wir Milos im Dunst liegen - Pollonia ist gut auszumachen mit seinem Pensionsquartier auf der erhöhten Landzunge. Der Kastroberg bei Plaka weiter rechts ist allenfalls zu erahnen.
Und ab hier könnte man hinab zu Westküste von Kimolos, was wir uns aber jetzt sparen: da geht es dann morgen hin.

So machen wir uns schließlich wieder auf den Rückweg und biegen noch ab zur Kapelle des äußeren Profitis Ilias. Unverwechselbar der gemauerte Vorbau für die Glocke, sicher aus einheimischem Gestein. Am besten aber ist der Blick hinab nach Chorio und auf das vorgelagerte Poliegos (da kommen Erinnerungen auf an ein Kapellenrätsel von Richi).

Und auf eine Baustelle etwas unterhalb, wo am hellen Sonntagnachmittag ein Bagger und eine Raupe Gelände planieren – für einen Neubau oder für Felder? Eher für Zweiteres: wir sind überrascht, wie viel Landwirtschaft es trotz Wasserarmut auf Kimolos gibt. Natürlich in bescheidenem kykladischem Rahmen, aber trotzdem. Und ich hatte gedacht, Kimolos würde vor allem von den Steinbrüchen leben, aber das sind eher die wenigen jüngeren Leute, die dort arbeiten. Dass der Tourismus außerhalb der Hochsaison noch im Dornröschenschlaf liegt, haben wir ja gerade selbst erfahren.
 
Das geparkte Mazda-Dreirad an der Agii-Anargiri-Kapelle ist inzwischen zur Bestätigung der landwirtschaftlichen Aktivität mit Getreideballen bepackt. Landwirtschaft auf den Kykladen heißt kleine Brötchen backen, mühsam das Gelände bearbeiten, harte Arbeit. Wenn das ein mitteleuropäischer Landwirt sehen würde… Gegen drei Uhr am Nachmittag sind wir wieder in unserem Quartier, wo wir uns erst eine Dusche und dann eine Siesta gönnen.

Am Abend findet an der Kirche Agios Ioannis Theologos ein kleines Panigiri statt (zum Todestag des Heiligen, wird eigentlich am 26. September gefeiert, heute ist der 25.), deshalb ist der Platz auch mit Fähnchen geschmückt. Der Gottesdienst scheint gerade im Gange, viele Leute sitzen vor der Kirche, Kinder spielen auf dem benachbarten Spielplatz. Musik oder Tanz wird es aber nicht geben, wie wir später auf dem Rückweg sehen.
In einer guten Viertelstunde sind wir unten am Strand in Psathi, wo das „Echinoussa“ auch tatsächlich geöffnet hat. Am Nachbartisch eine Parea mit dem Besitzer des „Arzantiera” – er gehört wohl zur Familie der Wirtin. Kimolos ist klein.

Das Menuangebot ist saisonbedingt überschaubar, wir bestellen Atherines, Kolokithokeftedakia (da kann ich nie nein sagen…) und Spaghetti, dazu einen offenen Weißwein. Alles schmeckt ausgezeichnet, und das Ambiente ist ausgesprochen nett. Ein Segelboot legt im Dunkeln an, Italiener. Und dann ist da noch ein italienisches Paar am Nachbartisch – yippie, wir sind nicht mehr die einzigen ausländischen Touristen auf Kimolos!
Die Hauskatze macht sich über die Portulakröschen im Blumentopf her, wir essen lieber das Dessert - Joghurt mit Früchten – das es aufs Haus gibt. Lecker! Zum Wiederkommen! Im Dunkeln wanken wir bergwärts und genießen oben einen völlig ungestörten Nachtschlaf.

*

 

Am Montag müssen wir drinnen frühstücken, draußen zieht es zu sehr. Bei starkem Wind soll man laut Reiseführer von Kimolos nur schlecht wegkommen da der Anleger relativ ungeschützt liegt. Müssen wir uns Sorgen machen? Nein, beschließen wir, wir wollen ja erst morgen weiter. Und nach Milos wird man schon irgendwie kommen falls die große Fähre nach Sifnos ausbleibt. Sonst bleiben wir halt da….

Wir wandern am späteren Vormittag los Richtung Südwesten, Ziel ist Mavrospilia. Noch in Chorio kommen wir an einem Haus vorbei auf dessen Terrasse unzählige farbige und muschelverzierte Holzbretter stehen. Wie wir noch stehen und staunen kommt ein älterer Mann heraus und bittet uns herein, auf die Terrasse und ins Haus. Überall stehen seine Kreationen – bunt bemalte Bretter, Türen und Fensterläden, verziert durch aufgeklebte Muscheln, Steinen, Tellern und anderen Fundstücken. Alles hat der Mann selbst gemacht, in jahrelanger Arbeit seit seine Frau starb. Stolz führt er uns durch die Zimmer, alle voll mit den Zierstücken. Die Kommunikation ist schwierig, mein Griechisch reicht nicht aus ihn zu verstehen und die Fragen zu fragen, die sich mir aufdrängen. Ehrlich gesagt: ob so geballtem Muschelkram gruselt es uns beträchtlich. Er will die Dekostücke nicht verkaufen, sondern uns einfach nur zeigen, stellt sich gerne in Positur für ein Foto. Wir staunen noch angemessen, ehe wir vorsichtig und uns bedankend den Rückzug antreten.

 

Wir bleiben auf der Straße nach Aliki. Der Graf-Wanderführer verzeichnet einen Weg oberhalb der Straße, da dort die Route allerdings in umgekehrter Richtung führt, wissen wir nicht genau, wo der abzweigt (hier hätte man es gesehen, aber den Link hab ich erst nach dem Urlaub entdeckt). Und auf der Straße ist auch kaum mit viel Verkehr zu rechnen. Und wir kommen in Aliki vorbei, da wollte ich eh einen Blick drauf werfen.
Am Ortsausgang stehen zwei beeindruckende Windmühlenruinen gegenüber deiner über Eck gebauten Doppelkapelle. Und dann kommt uns noch ein Mazda-Dreirad entgegen – nicht das gleiche wie gestern, es scheint hier noch mehr zu geben. Ein Ape-Dreirad vom Elektriker steht nur wenig später an der Straße hinunter nach Psathi – es wird an einer Stromleitung gewerkelt.

Unsere Straße führt mehr oder weniger auf einer Höhe bis leicht bergab, links sieht man zum Hafen hinab, wir lassen ihn links hinter uns. Vor uns taucht das italienische Paar von gestern auf, auch sie auf dem Weg nach Aliki? Wir überholen sie irgendwann kurz vor Aliki. Man begegnet sich immer zwei Mal.
Unser „Künstler“ von vorhin scheint vorher in einem Haus an der Straße bei Aliki gewohnt zu haben – dort stehen neben ausgedienten und bemalten Herden, Vasen und Gestellen auch eine muschelverzierte Tür – alles schon etwas verwittert und ausgebleicht. Vielleicht auch der Sommerwohnsitz….

Aliki selbst ein dann kein richtiger Ort, sondern nur eine Siedlung am Strand mit ein paar verstreuten Häusern, und hier ist total der Hund begraben. Alles zu. Das einzige Lebendige sind ein paar Pferde, Maultiere und ein Esel, die sich oberhalb der Straße befinden. Ein Muli und ein Schimmel scheinen eng befreundet, Kopf an Kopf äugen sie zu uns hinab.

Links zweigen immer wieder Pisten zu diversen Stränden ab, Bonatsa, Kalamitsi, Agios Giorgos, Fikiada, wir bleiben aber auf der Straße, wollen erst am Ziel baden, nach insgesamt etwa fünf Kilometern. Nach etwa einer Stunde Wanderzeit wird die Wegesituation etwas unübersichtlich, überall zweigt etwas ab. Hier hat es einige Bauernhöfe, Weinberge, geparkte dreirädrige und vierbeinige Lastesel. Wir fragen einen Mann, der im Weinberg arbeitet, nach dem Weg – es ist nicht mehr weit, und am Schluss hat es da auch wieder einen Wegweiser.

 

Noch über einen Hügel – da befindet sich auch ein Kloster oder etwas ähnliches, nirgends verzeichnet. Dann sehen wir die vorgelagerte Insel Agios Andreas , auf der es früher eine Siedlung gab, und die Strände Ellinika und weiter rechts Mavrospilia.

Mavrospilia ist ein schöner schattenloser Sandstrand, aber die Brandung ist sehr stark, und so beschränken wir uns aufs Muschel- und Steinsuchen. Und natürlich auf das Betrachten und Fotografieren der bizarren vorgelagerten Steinformationen, von Wind und Meer gebildet. Auch das hohe Ufer mit seinem hellen Stein ist ganz ausgewaschen.

Etwas weiter links, bei einem Haus auf einem Kap (hier ging früher vielleicht die Landzunge zur Insel Agios Andreas), sieht man dann noch tollere Steingebilde: eine riesige Maus, oder Leute mit Hüten, Pilze. Dazu große, rundgewaschene Klötze, die weißgelbe Küste wie vom Borkenkäfer zerfurcht. Dazu das türkisfarbene bis dunkelgrüne Meer – eine tolle Kulisse!
Zwei zerfressene vertikale Metallpfeiler wie Schrottkunst auf einem natürlichen Anleger lassen den Schluss zu, dass hier einst Gestein abgebaut und verladen wurde.

Außer uns ist kein Mensch zu sehen. Weil ich doch noch gerne baden würde, wenden wir uns vom Kap zum weiter südlich gelegenen Ellinika-Strand. Zusammen mit Mavrospilia bildet er eine weite Doppelbucht, nur unterbrochen von dem Kap mit den Felsen. Ein ebenso schöner Strand wie der andere, nicht ganz so tief allerdings, und etwas steiniger. Fußballgroße runde Kiesel in den schönsten Farben. Auch hier tobt die Brandung, ich hätte doch die Badeschuhe mitnehmen sollen – so bleib ich dann doch lieber draußen.

Jemand hat hier zuletzt gecampt, Überreste eines Schutzdaches aus Schilf sind noch vorhanden - der perfekte Schattenplatz für ein Picknick. Wir verlieren ein paar Chipskrümel und sehen wenig später, wie eine Gruppe Ameisen ein gut briefmarkengroßes Chipstück hangaufwärts – fast vertikal – zu seinem Bau schleppt! Ein paar sitzen drauf, vermutlich damit der Wind das Nahrungsmittel nicht mitnimmt. Wir meinen sie keuchen zu hören. Gelegentliche Rückschläge, wenn das Stück wieder ein paar Zentimeter abrutscht, werden ignoriert, immer mehr Ameisen eilen zu Hilfe. Und sie schaffen das Chip (heißt das so?) tatsächlich bis zum Baueingang. Da passt es nicht hinein, wird aber vor dem Eingang gesichert und dann später zerteilt.

Wir sind schon vom Zusehen erschöpft, machen uns dann aber wieder auf den Rückweg.
Ein alter Mann mit vier Eseln kreuzt unseren Weg, auf dem Weg auf seine Felder. Wie mühselig!

Weil ich noch eine letzte Badehoffnung auf Aliki setze, bleiben wir auch auf dem Rückweg auf der Straße und nehmen nicht das Monopati. Am Ortseingang von Aliki sehe ich die Pferde, Mulis und den Esel, die vorhin so einträchtig zu uns hinab geguckt hatten. Wir sind noch knapp hundert Meter entfernt, ich erkenne, dass eines der Mulis den Zaun überwunden hat und auf die Straße gelangt ist, wie auch immer. Sein Kumpel, der Schimmel, will es ihm nachtun, überwindet den dünnen Drahtzaun und stürzt kopfvoraus den zwei, drei Meter hohen Rain hinab in den Straßengraben! Da liegt er nun auf dem Rücken und strampelt! Rappelt sich schließlich auf und hinkt zum Muli.
Ich erschrecke zu Tode: was soll ich hier in der verlassenen Gegend machen wenn das Pferd sich ein Bein gebrochen hat und leidet? Wo hier Hilfe holen? Wir kommen schnell näher und erkennen zum Glück, dass das Pferd hinkt weil ein Vorder- und ein Hinterbein zusammengefesselt sind – die typische Art hierzulande, genau solche Eskapaden zu verhindern. Also nicht weil es sich ein Bein gebrochen hat – Gott sei Dank! Außer einem gehörigen Schrecken und ein paar Beulen scheint das Tier in Ordnung zu sein. Nun hat die Mutter Sorgen – sie hat schlicht Schiss vor den Viechern, die die Straße blockieren, will nicht an ihnen vorbei. Zu ihrem Glück zweigt das tierische Paar in einen Seitenweg ein – sie wollen offenbar zum Bonatsa-Strand, Badefreuden nachgehen. Zwei der zurückgebliebenen paarhufigen Kumpel gucken ihnen sehnsuchtsvoll nach – der kleine Esel scheint eine rechte Nervensäge zu sein, vielleicht hat er das Duo durch plagendes Verhalten in die Flucht geschlagen?
Ein Auto fährt vorbei, der Fahrer wird sicher wissen wem die Tiere gehören und dem Besitzer Bescheid sagen, dass sie ausgebüxt sind.

Weiter vorne, am östlichen Ortseingang von Aliki, biegen wir dann zum Strand ab. An der Ecke ist eine Taverne, aber natürlich schon geschlossen – der Besitzer winkt ab als wir auf einige Stühle zusteuern. Schade, ein Radler wäre nett gewesen. So kühle ich mich im Meer ab. Der Strand von Aliki ist weitläufig, aber mit Steinen und trockenem Gras durchsetzt und etwas stachelig, Schatten bieten zahlreiche Tamarisken. Und wieder die wundervollen farbigen Kieselsteine!

Von hier kann man gut den Kirchenkomplex auf Agios Georgios sehen mit seinem hohen, durchbrochenen Campanile. Und den nordöstlichsten Ausläufer von Milos (Ormos Voudia) mit seinen Steinbrüchen und -verladestellen.

Zurück in Chorio sind wir einigermaßen müde. Wir kommen zufällig an einem der beiden Reisebüros vorbei, und es hat tatsächlich geöffnet. Ich weiß nicht ob ich es gefunden hätte, die Gassen hier sind sich sehr ähnlich, und Chorio ist weitläufiger als man denkt. So kaufe ich die Tickets für die „Aqua Jewel“ morgen nach Sifnos, Abfahrt 15.20 Uhr, zum Preis von sieben Euro pro Person.

Und als wir an der unverputzten Kirche Agios Ioannis Chrisostomos vorbeikommen, haben wir nochmals Glück: sie ist geöffnet, eine Frau putzt gerade darin. So können wir eintreten und die wunderschöne doppelschiffige alte Ikonostase bewundern. Das Kirchengewölbe aus grobem gelblich-rosanem Kimolos-Gestein ist niedrig und schlicht, der Boden besteht auf einfachen Steinplatten; zusammen ein warmes, stimmiges und anrührendes Interieur. Wir würden gerne singen, trauen uns aber nicht so recht. Zünden wenigstens eine Kerze an, ehe wir wieder gehen nachdem wir uns bei der Frau herzlich bedankt haben.

Zwei Tavernen soll es noch hier in Chorio geben: das „Meltemi“, in Sichtweite von unserem Balkon etwas außerhalb des Ortes. Ob es geöffnet ist können wir nicht sagen. Wir probieren es am Abend im „Panorama“, einer großen Taverne nahe dem Kastro, und dort ist tatsächlich geöffnet. Wir sind die einzigen Gäste, die Wirtin und ihr Mann starren geballt in den Fernseher, über den irgendeine griechische Soap flimmert. Es gibt Kaninchen-Stifado und Bekri Meze, beides ganz ordentlich und reichlich, aber das Ambiente der Taverne ist nicht annähernd so nett wie das im Kali Kardia oder unten am Hafen. So bleiben wir nicht länger sitzen als nötig ehe wir in unserem Quartier todmüde ins Bett sinken.

Da unsere Fähre erst am Nachmittag geht, haben wir vormittags noch Zeit für einen Einkaufsbummel in Chorio, vor allem im „Arzantiera”. Der freundliche Besitzer verpackt die Mitbringsel aufwendig und liebevoll – noch ein Papierschiffchen dran, und einen Pappstern. Als er erfährt, dass wir heute abreisen wollen äußert er sich kritisch bezüglich der Windprognosen und dem damit verbundenen Anlegen der Fähre. Och, Bange machen gilt nicht!

 

Nochmals eine Runde durch das Kastro, und wieder haben wir Glück: eine Frau öffnet uns die älteste Kapelle der Insel, Jenisi tou Christou (1592). Eine wunderschöne alte Ikonostase, und mit der Frau kommen wir dann auch noch ins Gespräch: woher wird kämen, und welche Religion wir hätte? Evangelisch? Na, egal, es wäre sowie der gleiche Gott, und nur die Liebe zählt. Da hat sie recht!
Natürlich schließt sie uns auch noch die Nachbarkapelle der heiligen Methodia auf. Die Kapelle ist vergleichsweise neu (1962): die Heilige Methodia (1861-1906) lebte auf Kimolos und entschloss sich, ihr Leben Gott zu weihen als sie in jungen Jahren Witwe wurde. In einer Zelle an der Stelle, wo jetzt die Kapelle steht, lebte sie ein asketisches Leben. Nur zum Gottesdienst verließ sie ihre Zelle, beriet durch ein Fenster Frauen, die seelischen Beistand suchten. Am 5. Oktober 1908 starb sie, weshalb jedes Jahr an diesem Datum ein großes Panigiri gefeiert wird.

Wir wollen bereits gegen ein Uhr hinab zu Hafen um dort noch etwas zu essen und zu baden. Sagen Apostolis Bescheid und bezahlen das Zimmer – 80 Euro für vier Nächte. Er hat keine Zeit, uns zum Hafen zu bringen, und bestellt uns ein Taxi, auf das wir warten. Im Kafenio sitzt unser Seebär von der Ankunft bei einem Omelette mit Loukaniko. Ob es uns hier gefallen hätte? Wir bejahen, und bedanken uns nochmals für die Hilfe. Aus den Lautsprechern kommt Rembetiko-Musik, ich bin in Stimmung, tänzel etwas herum. Der Seebär ist begeistert, winkt mich her, bietet mir auf einem Zahnstocher ein Stück Wurst aus seinem Omelette an. Lecker! Auch die Mutter muss kosten. Leider kommt in dem Moment das Taxi und beendet die Szene. Wir verabschieden uns von Apostolis und seinen Eltern – selten haben wir irgendwo so nett gewohnt.

Keine fünf Minuten später sind wir an Hafen. Die Taxifahrerin weigert sich, von uns Geld zu nehmen - Apostolis würde bezahlen. Da helfen auch keine Überredungskünste.
Der merkwürdige Sitzplatz in Anlegernähe eignet sich hervorragend um das Gepäck dort zu deponieren. Dann sitzen wir in das „To Kíma“ und bestellen uns ein Omelette mit Kapern und Zucchini und einen griechischen Salat. Ein Glas Weißwein dazu – Blick zum Strand und zum Anleger, wo eine englische Crew gerade versucht, ihr Segelboot festzumachen. Geht es uns gut! All exclusive!

 

Hier unten ist es übrigens gar nicht sehr windig, das lässt für das Kommen der Fähre hoffen. Ich bade im immer noch angenehm warmen Meer.

Kurz vor drei Uhr gehen wir zum Anleger, und die Fähre biegt nur wenig später um das Kap, fährt vor der Insel Agios Georgios und hinter Agios Efstathios vorbei. Das Anlegen ist kein Problem, nur eine Frau verlässt das Schiff, und außer uns gehen nur noch zwei Griechen mit Auto an Bord – sie haben einen Tagesausflug von Sifnos gemacht.

Schnell bleiben Psathi, Chorio und Goupa hinter uns zurück, entlang der Küste sehen wir nun die hellen Steinbrüche bei Prasa. Der Himmel ist blau, das Meer noch blauer, die griechische Flagge weht im Wind.

Wir blicken vorwärts nach Sifnos.

Aber Kimolos mit seinem guten Herz haben wir wirklich lieb gewonnen!