Nach Chalki und der erste Tag dort

 

Von Diafani dauert die Überfahrt nach Chalki knapp 2 Stunden (Euro 9,30). Draußen ist es dunkel, und es zieht mächtig auf Deck, also gehen wir rein, verbummeln die Zeit. Es ist nach 22 Uhr, als wir uns Lichtern nähern – Chalki! Und ganz schön viele Lichter! Die obligatorische Durchsage kommt dann auch, schnell runter in den Laderaum, die Trolleys holen. Außer uns will wohl niemand von Schiff – sollen wir auch drauf bleiben? Kein Gedanke daran!

 

Der Hafen, nein: die ganze Uferpromenade, ist hell erleuchtet. Rechts liegen zwei große Yachten aus Holz, Musik schallt herüber. Ich glaube, wir bekommen einen Kulturschock! Entlang der Promenade liegt eine Taverne an der anderen, und überall scheinen Leute zu sitzen. Ich dachte, die Insel hat nur 300 Einwohner.

 

Wir sollen Jannis von Zifos Travel gegenüber vom Anlieger treffen, und da ist er auch schon, begrüßt uns. Ein Junge wird uns den Weg zu unserem Quartier zeigen, der schnappt sich einen Teil des Gepäcks und läuft los, wir wetzen hinterher... Erst nach links. Dann in die zweite Reihe, eine mäßig beleuchtete Treppe hoch, deren letzte Stufe fast halbmannhoch ist, ächz. Noch etwas nach links, und dann einen lange Treppe (mit Zwischengeschoss, hier wohnen unsere Vermieter, wie wir später erfahren) hinauf – da sind wir. Auf einer sehr großen Terrasse. Der Junge öffnet die Türe, zeigt uns schnell die Räumlichkeiten, dann entschwindet er. Was wir sehen, gefällt uns: eine große Küche, super ausgestattet. Zwei Zimmer mit je zwei Betten. Ordentliches Bad mit Duschvorhang. Alles sauber, geräumig und gepflegt. Endlich haben wir auch mal eine Villa. Der Tipp, Jannis vorher anzurufen und darauf zu vertrauen dass er uns keine Rumpelbude vermietet, war gut! Und die Terrasse ist so groß, hat sogar zwei Sonnenliegen, und einen wunderbaren Blick über Bucht und Hafen. Yeah, Chalki fängt gut an!

 

Wir genießen noch ein wenig die Nachtluft, als die „Ierapetra“ von Rhodos kommt und es laut wird am Hafen. Später in der Nacht, es ist schon fast Morgen, kommt die „V. Kornaros“ auf dem Weg nach Sitia. So viel Fährverkehr sind wir gar nicht nicht mehr gewohnt.

 

Mit dem Rest des Brotes vom Karpathos machen wir uns leckeres Frühstück auf der Terrasse. Wahrscheinlich kriegt man hier im Ort überall englisches Frühstück, denn die Engländer machen 90% der Feriengäste auf Chalki aus. Früher war der britische Reiseveranstalter Laskarina Travel dafür verantwortlich, vor einem oder zwei Jahren hat Laskarina aber dichtgemacht, seither heißt der Veranstalter, der die Briten hier pauschal herbringt, Direct Greece/Direct Holidays. Mit den Laskarinanern haben wir auf Tilos nette Erfahrungen gemacht, auch hier auf Chalki sind es keineswegs die Rüpel, die auf der Nachbarinsel Rhodos für einen schlechten Ruf der Briten sorgen. Im Gegenteil, der typische Chalki-Urlauber ist 50+(+) und hat es lieber ruhiger.

Wir stehen aber nicht so auf Ham and Eggs und Baked Beans zum Frühstück, das erinnert zu sehr an einen Zypernaufenthalt.

„Villa Neovi“ heißt unsere Unterkunft, wie wir nun bei Tageslicht dem Schild am Eingang entnehmen können. Sie liegt in zweiter Reihe mit wunderbarem, leicht eingeschränktem Blick zum Hafen. Eine mehrfache Stromleitung, die sich in Blickhöhe vor uns hinüberspannt, wird leider auf allen meinen Fotos nicht wegzuretuschieren sein. Oft sitzt ein Pärchen Wildtauben darauf, ist ihr Stammplatz.

 

Natürlich sehen wir uns als erstes den Ort an. Emborio heißt er, oder Nimborio, oder von mir aus auch Chalki. Viele andere Orte gibt es nämlich nicht, nur noch das verlassenen, wieder im Teilaufbau befindliche Dorf Chorio unterhalb der Johanniterfestung. Vor gut hundert Jahren, zur Hochzeit der Schwammtaucher, hatte Chalki gut 4.000 Einwohner. Vom damaligen Wohlstand zeugen die neoklassizistischen Giebelhäuser und Villen überall, ähnlich wie auf Simi und Kastellorizo. Nach dem zweiten Weltkrieg wanderten viele Chalkioten aus, vor allem nach Florida, wo sie in dem Ort Tarpon Springs weiterhin als Fischer und Schwammtaucher ein Einkommen hatten – der „Boulevard Tarpon Springs“ von Emborio zum Strand zeugt davon. Auch heute noch herrscht reger Austausch zwischen Florida und den Dodekanes.

Heute hat Chalki noch etwa 300 Einwohner, viele der vor 40, 50 Jahren verfallenen Villen wurden aber renoviert und in edle Touristenquartiere umgebaut. Der spontane Inselspringer hat Pech – am Hafen stehen keine Vermieter, keine Rooms-To-Rent-Schilder sind zu sehen, und wir sehen abends ein verzweifeltes Paar auf der Suche nach einem Quartier. Hier bucht man vorher – so wie wir es auch gemacht haben, etwa bei Zifos Travel.

 

Wie wir unten an der Uferpromenade eintreffen, kommt gerade ein Schiff von Kamiros Skala/Rhodos, die „Nissos Halki“, und bringt eine Ladung Tagesausflügler. Zwei Schiffe sind auf Chalki stationiert und pendeln ein bis zwei Mal täglich zwischen hier und Rhodos, die „Nissos Halki“ und die „Nikos Express“. Schon früh um 6 Uhr geht die erste Tour ab Chalki, die etwa 70 Minuten dauert und 10 Euro pro Person kostet. Da ist eine Tagestour nach Chalki von Rhodos aus gut möglich.

Der Ort präsentiert sich als ausgesprochen herausgeputzt. Eine gepflegte Uferpromenade, nagelneu erscheinende Häuser, zwei große Glockentürme prägen das Ortsbild. Die Natursteinmauern lassen das ganze mehr wie Provence als wie Griechenland wirken.

Es gibt jede Menge Tavernen und Bars, eine Bäckerei (sehr lecker das dunkle Brot und die Hefeschnecken!), ein paar kleine Boutiquen, zwei Reisebüros, und unheimlich viele Blumen: Oleander, Hibiscus, Bougainvillea, blaue Winden, um nur die zu nennen, die ich kenne. Das ist um so erstaunlicher, als die Insel keine Quellen hat, also extrem wasserarm ist, die Tankschiffe kommen ab dem Frühjahr zwei bis drei mal pro Woche von Rhodos.

Fast zu geschleckt ist uns das Ganze... aber der Insel ist die Aufwärtsentwicklung zu gönnen, das Stück vom Tourismuskuchen. Vorher war sie die ärmste Insel des Dodekanes.

 

Im Hafen reiht sich ein buntes Kaiki an das andere, Fischer reinigen die Netze. Wir gehen aber zu dem zentralen Turm, hinter dem ein großes Gebäude emporragt – ein Kirche? Nein, die steilen geometrischen Treppenaufgänge führen zum Rathaus. Wegen Bauarbeiten ist das Haus aber völlig leergeräumt und wir bekommen mal wieder einen Eindruck vom Fleiß albanischer Bauarbeiter. Der von einem Exli-Chalkioten (danke Aribert für die Info!) gestiftete Uhrturm steht ganz alleine, ohne Kirche, daneben die Kuppel einer Zisterne, halbverfallen, grünüberwachsen.

 

Die Kirche Agios Nikolaos mit einem weiteren Turm, dieses Mal einem Glockenturm, dem höchsten der Dodekanes, befindet sich weiter östlich, nahe am Hafenbecken. Wunderschön der Chochlaki-Boden, mit einem prächtigen Doppeladler und einer Darstellung einer Zypresse mit einem Vogel darauf. Das Ganze im Schatten einer echten Zypresse, groß und buschig. Die Kirche hat eine schöne, geschnitzte Ikonostase und eine blaue, verzierte  Decke. Besonders gefällt mir die Ikone des heiligen Nikolaos. Draußen könnte man auf einer schmalen Treppe auf den Glockenturm stiegen, eine luftige Sache, muss nicht sein. Ach, und ein Kirchenmuseum gibt es anscheinend auch noch, im Nebengebäude, es hat aber geschlossen.

Auf dem Weg zurück zur Villa müssen wir von bei Zifos Travel vorbei, wegen der Vermietungsformalitäten. Daneben befindet sich einer der Minimärkte, wir müssen Wasser kaufen, denn das Leitungswasser ist hier nicht trinkbar. Und dann entdecke ich noch einen Busfahrplan. Bus? Ja, es gibt tatsächlich einen Kleinbus, von der Gemeinde betrieben, der zwischen Emborio und den Stränden pendelt. Und einmal am Tag, gegen 17 Uhr, nach Chorio und Agios Ioannis. Muss man sich merken!

 

Am Nachmittag geht es an den Strand. Wobei man sagen muss, dass Chalki alles andere als eine Badeinsel ist. Es gibt zwei Strände nahe Emborio, wir wollen nach Pondamos, über den (u.a. aus EU-Mitteln) neu gepflasterten Boulevard Tarpon Springs über eine Anhöhe in 10 Minuten vom Hafen in Emborio aus zu erreichen. Der Sandstrand ist vielleicht 25 Meter breit und nur 3 bis 5 Meter tief. Liegen stehen nebeneinander, 6 Euro möchte man pro Liege und Tag, der Sonnenschirm kostet extra, nochmals 6 Euro! Vielleicht bezahlen das die britischen Touristen, wir machen es uns da lieber auf dem Boden bequem, es ist auch schon 16 Uhr vorbei. Das Meer ist warm, 24°C zeigt das Thermometer. Kein Wunder, denn es ist ausgesprochen flach hier, reicht auch nach 10 Metern kaum bis zum Bauch. Ordentlich Wellen hat es, so wird man wenigstens schnell nass. Angenehm der Sandgrund. Ein paar Leute sind noch da, vor allem vier, fünf junge Griechen blödeln und raufen herum – Soldaten der nahen Kaserne? Neben dem Strand befindet sich eine „Kantina“, eine Imbissbude, noch geschlossen, sowie eine Taverne, geöffnet. Und es gibt eine Dusche und eine Umkleidekabine! Nicht schlecht für so einen Ministrand – im Sommer liegen die Gäste hier bestimmt wie die Ölsardinen. In der Taverne gönnen wir uns einen Ouzo mit Wasser, das leider nicht gut schmeckt. Schade um den Ouzo!

 

Hinter dem Strand steigt die Straße steil an, ein Felsriegel wächst empor. Dort hinauf geht es nach Chorio und noch weiter zum Kastro, dem Johanniterkastell, dessen Ruinen den vorderen Teil der Insel überragt. Da möchten wir hinauf in den nächsten Tagen.

 

Zurück gehen wir an der Küste entlang. Zuerst links ein windschiefes Agavenwäldchen, sieht aus wie Telegrafenmasten. Dann bei der Kapelle Agia Thekla und beim Friedhof vorbei, den wir uns ansehen. Sehr nüchtern, die steinernen Einfassungen, die Gräber oft mit Kies bedeckt, keine Pflanzen, klar bei dem Wassermangel. Schimmeliger Geruch in der Kirche. Trotzdem am späten Nachmittag eine schöne Stimmung.

 

An der nächsten Kreuzung nehmen wir den linken Weg und durchqueren die gammeligste und trübste Kaserne, die ich bisher auf den griechischen Inseln gesehen habe. Stacheldraht, Fotografierverbot – alles ein wenig lächerlich. Woher soll der Feind denn kommen?

Zum Abendessen wählen wir das Lokal „Mavri Thalassa“ aus - gutes Preis-Leistungsverhältnis. Gegen 20 Uhr ist es schon beinahe komplett belegt – die Briten gehen lieber früher essen. Auch die anderen Tavernen und Cafés sind gut belegt – wo sind die vielen Leute bloß tagsüber?

 

Wir werden in den nächsten Tagen mal ein wenig suchen.