Chora

Eigentlich ist das Wetter am Freitag gar nicht so schlecht - die Sonne scheint, auch wenn der Himmel sich bezieht. Und von Süden her kochen dicke Wolken über den Bergkamm des Krikelos. Es soll Gewitter geben. Nicht schön wenn die uns in auf dem Weg nach oder von Theologos erwischen würden. Nicht schön auch für das Panigiri. Aber der Mutter ist das eh zu mühsam dort hinauf. Und ich muss da jetzt auch nicht hin wenn es beim Panigiri keine Musik gibt.

 

Also werden wir um zehn vor elf den Bus nach Chora nehmen, mit der Option, hinab nach Katapola zu wandern. Mit dem Bus um halb fünf dann ab dort wieder zurück. Wir packen die Schirme ein.

Vorher hab ich noch etwas Zeit und fotografiere in der Nachbarschaft.

Einzelne Wanderergrüppchen ziehen am Haus vorbei thologoswärts. Ausländische Touristen dem Outfit nach. Da werden sie früh dort sein – wissen sie, wie lange ein Gottesdienst in Griechenland dauern kann?

Der Bus ist pünktlich. Ein Euro sechzig kostet die Fahrt bis Chora, und sie dauert etwa eine Dreiviertelstunde mit Zwischenstopp in Egiali. Von der erhöhten Position des Bussitzes ist der Blick während der Fahrt noch besser, aber natürlich fototechnisch ungünstig.


Um halb zwölf biegen wir auf den Buswendeplatz von Chora ein. Hier hat sich in den letzten Jahren wenig verändert, die Gassen von Chora, in denen wir uns nun verlieren, sind immer noch ein Augenschmaus. Die unzähligen Kapellen, die fotogenen Winkel, die blumengeschmückten Häuser, der weißumrandete-gepflasterte Boden – ohne einen Besuch der Chora wäre uns Amorgos-Besuch nicht komplett gewesen.

Weil wir noch keine Fährentickets für morgen haben, hatte ich die Hoffnung auf ein Ticketbüro hier. Aber Fehlanzeige. In Katapola, später, oder morgen vor der Abfahrt.

Dafür hat es Läden mit originellen Souvenirs, wie den mit den zahlreichen naiven kleinen Malereien mit Amorgos-Motiven. Viele Touristen sind aber nicht da, und längst nicht mehr alle Cafés haben noch geöffnet. Zum ersten Mal spüren wir die Kühle der Nachsaison. Oder liegt es am Wetter? Chora halt, war schon immer kälter.

Natürlich hat das archäologische Museum wieder geschlossen. Wir haben es noch nie geschafft es zu besuchen.

 

Die schneeweiße Kirche Panagia Zoodochos Pigis mit dem filigranen Glockentürmchen, die Gasse  bougainvileaverziert. Die flachen dreibuckligen Kapellen Agios Thomas, Agios Thalleleos und Stavros, so etwas wie das Wahrzeichen der Chora. Der Baum davor auf der Plateaki – ist das ein Zedrachbaum?

Das Café „Kath‘odón“ hat geöffnet, aber hier oben ist es ohne Sonne recht frisch. Nicht gemütlich zum Sitzen.

Wir kommen an der Pension „Emprostiada“ vorbei – sieht nicht schlecht aus, sollte man sich merken. In Chora müsste man ja auch mal wohnen, bloß jetzt gefällt es uns in Langada so gut. Im Kykladenherbst ist es dort auch wärmer.

Natürlich ist unser Ziel die Windmühlen auf dem Hügel. Immer wieder ein schönes Fotomotiv, auch bei bezogenem Himmel. Die Wolken kochen von Süden herauf und konturieren scharf die Südkante des Profitis Ilias. Wow! Das angekündigte Gewitter lässt aber noch auf sich warten. Gut. Und das nächste Mal ist der Gipfel des Propheten fällig! Versprochen!

Und auf das Kastro oben auf dem Monolithen käme ich ja auch mal gerne. Den Schlüssel zur Kapelle, durch die man dazu durch muss, gibt es eventuell an der Platia Loza, erfahre ich nach dem Urlaub von Thomas, der drin war. Ein Schlüssel in Pistolengröße, und dann muss man immer noch tüfteln damit man reinkommt.

Inzwischen haben wir Hunger, und wir landen in der Taverne „Thea“ unweit des „Kath’odon“. Da kann man nämlich etwas geschützt sitzen und hat trotzdem Blick, wenn auch durch Plastikplanen. Der gut aufgelegte Wirt ist ein Filou, und offeriert uns leckere Fassolada, und dann noch ein Tomaten-Gurken-Salat und Weißwein, und die Welt ist unser Freund.

Smalltalk mit dem Filou - woher, wohin, wie lange? Unser letzter Tag auf Amorgos? Das wäre aber schade. Morgen Abfahrt? Oh, da käme aber der Drei-Tage-Sturm! Es macht ihm sichtlich Freude, uns einen Schrecken einzujagen. Ich wiegle ab: wir nehmen die große Fähre, nicht die Skopelitis. Eine gute Entscheidung – wenn sie fahren würde, würde sie ordentlich schaukeln. Ja, das hab ich schon befürchtet.

So, wenn wir jetzt noch etwas wandern wollen, dann müssen wir allmählich aufbrechen - man sollte Wanderungen in Griechenland ja nie zu knapp kalkulieren um eventuelle Verirrungen ausgleichen zu können. Wir wollen hinab nach Katapola, aber nicht auf der nördlichen Route (die bin ich schon mehrfach gewandert), sondern auf der südlichen.

Dazu müssen wir durch den Ort und ein Stück (ca. 500 Meter) auf der Straße nach Katapola wandern. Bei einer Werkstatt zweigt dann das Monopati nach links ab, es ist zunächst ein breiter Weg, der später etwas schmäler wird, aber gut erhalten und teilweise sogar gepflastert und von einem Mäuerchen eingefasst ist. In einem weiten Linksbogen führt der Weg entlang einem Tal um einen Hügel herum. Hier ist man geschützt, und es wird uns schnell warm.

Dann liegt das Tal von Katapola in seiner ganzen Breite vor uns, vorne links der Gipfel von Minoa. An dem Hügel davor einsam zwei komische flache Gebäude mit breiter Zufahrt – Ställe? Militärisches? Oder Hochbehälter? Für sachdienliche Hinweise bin ich dankbar. (Ergänzung im Dezember: es sind Wasserbehälter wie mir Thomas gestern mitteilte.)

 

Der Weg mündet an einer Spitzkehre der Straße. Nun nicht auf die Straße gehen, sondern auf dem schmal Weg bleiben, der von der Kehre aus weiterführt. So kann man diese lange Kehre abschneiden, und trifft oberhalb der Tankstelle wieder tangential auf die Straße, bleibt aber unterhalb davon.

Im Zickzack auf einem losen Weg zur darunterliegenden Straße, überqueren, weiter auf dem Weg bei der Kapelle und schließlich gegenüber dem Gebäude (Ex-Pension?) mit den eng geparkten Mietwagen von Thomas endgültig auf die Straße. Aber schon wenige Meter später, nach dem Betonwerk, kann man bei einer Brücke, die über ein trockenes Bachbett führt, in dieses hinabsteigen und darin vor bis nach Rachidi gelangen, und ans Meeresufer. Eine Stunde zwanzig Minuten haben wir ab Chora gebraucht, und so noch reichlich Zeit für einen Frappé an der Paralia. Mit unseren Schiffstickets für morgen wird es aber nichts – die beiden Ticketagenturen öffnen erst um 18 Uhr wieder. Müssen wir die eben doch morgen vor der Abfahrt kaufen.

Im Hafen haben sich zahlreiche Segelyachten eingefunden – sie müssen sich darauf einrichten, länger bleiben zu müssen – das Wetter der nächsten Tage ist nur was für Hartgesottene oder Leichtsinnige.


Und wir fahren um 16.30 Uhr mit dem Bus via Chora zurück nach Langada. Laut Fahrplan hätte der Bus eigentlich noch einen Schlenker nach Chozoviotissa und Agia Anna machen müssen, der entfällt aber kommentarlos. Auch so dauert die Fahrt bis Egiali fast eine Stunde, dann geht es erst hinauf nach Tholaria (wo am Aegialis Hotel & Spa einige Briten aussteigen – es hat also noch Gäste dort), wieder hinab nach Egiali, und dann erst rauf nach Langada.

Bevor wir unseren Abendouzo bei bewölktem Himmel und im Norden zuckenden Blitzen einnehmen und die Sonne sich in Feuerrot verabschiedet, bezahlen wir bei Thanasis das Zimmer und bestätigen nochmals die morgige Abfahrt um fünf Uhr in der Frühe.

 

Den Blick über Lagada und die Bucht von Egiali nach Nikouria und nach Keros prägen wir uns für den Winter in der Heimat ein – von so etwas kann man zehren. Dann wird gepackt, und schließlich geht es zum Essen in die Taverne von Nikos. Fünf Regentropfen erreichen uns unterwegs, sonst bleibt es am Abend noch trocken.

Das Essen ist wieder gut – Schweinefleisch in Weinsauce, Spaghetti mit Pesto, und eine Skordalja vorab. Und die Taverne ist gut belegt. Genauso wie das „Machos“, an dem wir auf dem Rückweg vorbeikommen. Das ruft es plötzlich laut „Katerina!“ heraus. Es ist Giorgos, der natürlich fragt warum wir nicht beim Panigiri waren. Ich verweise auf die Mutter, für die der Anstieg zu anstrengend gewesen wäre – das wird akzeptiert. War wohl ganz nett, das Fest, ein Video habe ich hier gefunden (da bläst der Wind mächtig, und der Ansturm der Menschen scheint überschaubar): https://www.facebook.com/video.php?v=835218026518806

Er wünscht uns gute Reise, und wir ihm kalo chimona.*

Und wir stellen unseren Wecker auf vier Uhr am nächsten Morgen.

 

*

 

Es ist stockdunkel als wir zum letzten Mal auf der Straße gen Westen fahren. Pünktlich um fünf hat Thanasis an die Türe geklopft und uns eingeladen. Zum Glück fährt er langsam – er weiß natürlich, dass da überall auf der Straße Ziegen nächtigen können. Eine halbe Stunde brauchen wir bis Katapola, die Blue Star Naxos liegt schon seit ein paar Stunden im Hafen. Wir verabschieden uns von Thanasis, ich drücke ihm noch zehn Euro für die Fahrt in die Hand, was erst mit dem Hinweis auf das Benzin für das Auto akzeptiert und angenommen wird.

 

Eine Busladung Touristen kommt, so ist der Ansturm auf das Schiff gerade groß. Ich muss aber erst noch die Tickets besorgen. Bei Kyrio Preka bekomme ich nur welche für die Skopelitis, das Blue-Star-Büro ist zwei Häuser weiter. 17,50 Euro pro Person kostet die Überfahrt nach Naxos.

Dann zurück zum Anleger und auf das Schiff, das Gepäck ordentlich im entsprechenden Regal mit Ziel „Naxos“ deponiert. In ein paar Tagen auf der Fahrt nach Piräus wird das dann nicht mehr der Fall sein….

 

Pünktlich legt das Schiff ab, parallel zu „Express Skopelitis“ (oder von mir aus auch „Scopelitis“). Die Skopi muss warten bis das größere Schiff aus dem Weg ist, dann rauscht sie vorbei und biegt nach rechts ab. Das Wetter lässt die Fahrt heute offensichtlich noch zu.

 

Wir blicken den langsam verschwindenden Lichtern von Katapola nach. War (wieder)  schön auf Amorgos. Hätten wir noch bis Dienstag bleiben sollen?

Skeptisch erwarten wir Naxos.

 

* Nachdem der Text online war, bekam ich eine nette Nachricht von Barbara aus Düsseldorf (vielen Dank!). Diese war eine der Frühaufsteherinnen, die schon zeitig beim Panigiri waren (das aber wohl nur eine "mikri jorti" war) und den Gottesdienst dann in voller Länge mitbekamen. Nach der Mahlzeit, Revithosoupa, war das "Fest" auch schon zu Ende. Wir haben also nichts verpasst.

Vielleicht war es den Beteiligten auch einfach zu windig...