Über Mykonos mit den unvermeidlichen Kreuzfahrtmonstern führt die ruhige Reise mit der "Ekaterini P" in gut zwei Stunden nach Tinos. Ich habe mich wieder außerhalb der Stadt einquartiert und nehme meinen Mietwagen am Hafen entgegen. Letztes Jahr im Mai hatte ich bei Dellatolas für sehr günstige 20 Euro am Tag einen Kleinwagen gemietet und war sehr zufrieden. Also hatte wieder dort angefragt. Nun möchte man aber 30 Euro pro Tag, und auf meine entsprechende Rückfrage kam gar keine Antwort mehr. Hmm, ist man an Kunden nicht interessiert? Ich frage daher bei Dimitris Rent a Car Tinos an, und bekomme eine Antwort auf Deutsch mit einem Angebot für 87 Euro und drei Tage. Passte dann schon. Und nun erwartet mich Heike am Hafen, zeigt mir den dort abgestellten weißen Skoda Citygo, und ich folge ihr mit dem Wagen zum Büro am östlichen Hafen, wo wir die Formalitäten erledigen.
Im Sklavenitis-Supermarkt gegenüber kaufe ich gleich noch ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage ein, ehe ich mich auf die Fahrt gen Osten nach Agia Varvara mache. Von dort führt eine Straße nach Triantaros und auf halber Strecke dorthin liegt rechts der Straße mein Ziel: die Apartments "Crystal View". Wegen der tollen Aussicht war ich auf die hübsche kleine Anlage aufmerksam geworden, und da ich eh vorhatte, ein Auto zu mieten, ist die Lage auch kein Problem. So wenig wie meine um einen Tag "verspätete" Ankunft - es ist ja Vorsaison. Mein Wirt Konstantinos empfängt mich in Begleitung seines schüchternen Söhnchens Manoli, zeigt mir mein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer mit gut ausgestatteter Küchenzeile. 50 Euro bezahle ich pro Nacht und bin mit meiner Wahl sehr zufrieden: der Blick reicht über das kleine Kap im Osten von Tinos-Stadt hinaus nach Syros, wo ich bei klarer Sicht die weiße Stadt Ermoupoli auf den beiden Hügeln sehen kann. Das zersiedelte Elend von Mykonos dagegen muss ich mir nicht antun, es verbirgt sich zu weit links. Glück gehabt.
Ich fahre später nochmals in die Stadt hinunter um mir eine neue Landkarte von Tinos (Anavasi 1:25.000) zu kaufen. Soll ich hier in der Stadt Essen gehen? Ich entscheide mich dagegen, und fahre hinaus Richtung Kionia, wo ich im "Meltemi" einkehre. Das große Lokal ist fast leer, hat aber offen. Ich bestelle Skordalia und gekochten Oktopus in Öl und Essig. Beides kommt schnell und schmeckt gut. Auf Wein muss ich verzichten, da ich fahre, und so beträgt die Rechnung zivile 17 Euro.
Zufrieden steuere ich wieder auf meinen Berg, wo später Schnaken meinen Nachtschlaf stören. Muss ich morgen den Mückenstecker zum Einsatz bringen. Jetzt bin ich zu müde zum Suchen.
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Ein bewölkter Himmel empfängt mich am Morgen. Hier hat es kaum Wind, untypisch für Tinos. Ich frühstücke auf meiner Aussichtsterrasse und überlege, wo ich heute hin soll. Nach Studium der Karte entscheide ich mich für den Inselosten, ziehe Wandersachen an und packe ein Handtuch ein. Zunächst fahre ich hinauf nach Triandaros, dann nach Westen. An der nächsten Kreuzung geht es rechts zum Kloster Kechrovouni und ich entschiede mich für einen Besuch dort wenn der maskenlos möglich ist. Allerdings habe ich keinen Rock und auch kein Tuch dabei, aber niemand moniert mein Wanderdress als ich die Klosteranlage durch das Tor betrete, vor dem auch heute wieder ein alter Mann seine Kräuter verkauft. Masken sind aber Geschichte.
Kloster Kechrovouni ist ein verwinkeltes kleines Kykladendorf voller Stufen, Bögen und Durchgängen und natürlich Kapellen und Kirchen. Schon im 10. Jahrhundert soll es gegründet worden sein, und fünfzig Nonnen sollen hier leben. Sie scheinen sich aber alle zu verstecken. Die berühmteste Nonne hier war Pelagia, die im Juli 1822 dreimal von der vergrabenen Ikone der Muttergottes träumte: Diese wurde dann schließlich an der Stelle der Chora gefunden, wo heute die Evangelistria-Wallfahrtskirche steht, die daraufhin schnell an der Fundstelle errichtet wurde. Auch den griechischen Unabhängigkeitskampf sah man durch den Ikonenfund befeuert, und so entwickelte sich in der Folgezeit Tinos zur wichtigsten Wallfahrtsstätte der griechisch-orthodoxen Kirche in Griechenland. Ein Klosterbesuch hier gehört zur Wallfahrt natürlich dazu, zumindest wenn man genug Zeit mitgebracht hat und nicht eine eilige Taufe oder Hochzeit absolvierten muss.
Heute sind nur wenige Besucher da.
Ich schlendere durch die sehr gepflegten, fast schon sterilen weißen Gassen, blicke hier in eine Kirche, dort in eine Zelle. Ob ich die Zelle der Nonne Pelagia, die dank des Fundes zur Heiligen, zur Agia erklärt wurde, gesehen habe, kann ich gar nicht sagen.
Am schönsten finde ich die Lage des Klosters hoch über der Küste und mit Blick zum fast gleich hoch gelegenen Felsenkegel des Exomburgo, der die Gegend hier dominiert. Die baumlosen Terrassenfelder darum zeigen sich trotz des Frühjahres schon in einem trockenen, bräunlichen Farbton, nur noch mit einen Hauch grün überzogen. Es war zu trocken im Winter und Frühjahr, und wird es auch bleiben.
Über Steni wechsel ich auf die Nordseite der Insel. Lasse Myrsini links liegen und parke das Auto an der Stelle, an der die befestigte Straße nach Livada in Schotter übergeht. Von hier habe ich mir einen Rundweg ausgesucht, der mich zunächst auf einer anderen Piste zum Leuchtturm am Kap Papágyros führen soll. Dann auf einem Fußweg oberhalb der Küste nach Livada, und schließlich das Flusstal hinauf, wo sich irgendwann die Runde schließen soll. Kurz nach elf Uhr wandere ich los. Es ist gutes Wanderwetter, auch wenn es leicht diesig ist.
Die breite Schotterpiste führt auf der Höhe nach Nordosten. Von oben blicke ich auf das Tal von Livada, wenig später auf den leeren Speichersee. Gefüllt wird er nur von Resten schwarzer Plastikfolien, die einstmals das Versickern des Wasser verhindern sollten, und einem Ring niedriger Bäume. Ein weißes Zicklein mustert mich neugierig, sonst scheint die Gegend völlig verlassen.
Der Strand von Livada ist jetzt zu sehen, da möchte ich später baden.
Die Piste wird ausgesetzter, die Landschaft kärger, der Wind nimmt zu. Nach einer halben Stunde sehe ich den Leuchtturm auf einem grauen Felsenkap liegen. Noch ein Stück auf der Straße, dann zweigt ein schmales Monopati links ab.
Der Wind hat zugelegt und lässt das Gefühl von Einsamkeit wachsen. Theo war hier mit Monika und Günter, mit dem Auto auf einer Schleife um den Tsiknias. Nichts was man einem Auto zumuten möchte, und schon gar keinem Mietwagen. Zum Turm sind sie damals nicht hinabgegangen, aber dennoch habe ich das Gefühl, Theo hier näher zu sein als anderswo. Heute Abend werde ich mich mit Monika und Günter treffen. Vielleicht wissen sie, warum er mir keine Gelegenheit zum Abschied gegeben hat. Seiner Schwester habe ich versprochen, eine Kerze für ihn anzuzünden, und dass soll auf Tinos, einer seiner Lieblingsinseln geschehen. Lieblingsinsel - komisches Wort im Zusammenhang mit Theo .... Sentimentalitäten hat er sich nur versteckt hingegeben, und nicht geschimpft war genug gelobt. Gilt auch irgendwie für mich als Schwäbin, aber ich arbeite (seit längerem) daran.
Jetzt bin ich aber noch unsicher ob ich wirklich auf das windumtoste Kap gehen soll, tue es aber natürlich trotzdem. Zehn Minuten brauche ich hinab, schreite durch das lustig-luftige und völlig funktionslose Tor vor dem Turm. Das Gebäude ist natürlich verschlossen und es liegt allerlei Plunder - Latten, rostige Eisen, Ziegelbruch - herum, aber ich habe schon deutlich desolatere Leuchthäuser gesehen und denke, dass er noch in Betrieb ist. Ich kuschel mich an die Wand um wenigstens etwas Windschatten während einer kurzen Pause zu bekommen. Der Blick über das Tor erreicht graue Berghänge, mit einen zarten Hauch Grün darin. Die Küste nach Westen ist grünlich-schroff und abweisend, und auch das azurblaue Meer lädt nicht zum Baden ein, kracht mit Wucht an die weit unter mir liegenden Gestade. Möwen umkreisen mich, ich bin dankbar, dass sie mich aus die dieser irgendwie unwirklichen Welt zurückholen. Land's End.
Im Osten kann ich die Silhouette von Mykonos sehen, der eher unbewohnte Norden. Aber das täuscht vielleicht, und ein Dunstschleier überdeckt das Elend. Ikaria weiter im Osten kann ich nicht ausmachen.
Der Weg nach Livada zweigt zu Beginn des Felsenspornes von dem ab, auf dem ich gekommen bin. Er führt durch einen öden Felseneinschnitt, erklimmt dann die Höhe, die wieder grüner wird. Die Kugelbüsche zeigen gelbe und rote Einsprengsel. Bald kann ich die verlassene LIvada-Bucht sehen, und die Piste, die hinunter zickzackt. Zurückgesetzt vom Strand steht ein einzelnes Haus, mit geparktem Pickup davor. Bin ich vielleicht doch nicht alleine dort?
Eckige grüne Felsen gehen in ockerfarbene und rundgelutschte über als ich nach 50 Minuten Wanderzeit den Strand erreiche. Tinos ist geologisch immer wieder überraschend. Der Strand ist weiter oben mit flachen, größeren Kieseln bedeckt, die am Ufersaum in Split-Sand übergehen. Vor dem Haus verendet ein schilfgrasbestandener Bachlauf, überdacht von grünen Bäumen. Große Tamarisken stehen in stabiler Reihe, aber mit harter Kiesel-Unterlage.
Der nordwestliche Strand wird von großen flachen und runden Felsen begrenzt - ein perfekter Sitz- und Liegeplatz. Die ausgefressenen Löcher in den Felsen sind faszinierend, als wäre eine riesige Steinlaus hier tätig gewesen.
Ich beschließe gerade, textilfrei zu Baden und beginne mich auszuziehen, als ich Stimmen höre: zwei Wanderer kommen die Piste herab und setzen sich ein gutes Stück weiter auf einen Felsen mit Blick aufs Meer. Mist. Da ich keine Badeklamotten dabei habe, geht nur nackt oder gar nicht. Ich entscheide mich für ersteres, entblättere mich und steige zügig ins immer noch frische Meer. Boah, wann wird das denn endlich wärmer? Trotzdem schön zu schwimmen.
Wieder an Land beobachte ich, wie das Wandererpaar es mir nachtut und ebenfalls FKK baden geht. Ich ziehe mich inzwischen gemütlich an, und keine Minute zu früh, denn nun kommen drei junge Männer das Tal herunter. Hey, was für ein Andrang plötzlich!
Einer der drei fragt mich, wie lange ich unterwegs gewesen wäre. Ich zeige in der App meinen Track und die Wanderzeit. Und erfahre dann, dass die drei einem größeren Irrtum unterlegen sind als sie irgendwo im Inselinneren losgewandert sind und dachten, es wäre nur drei Kilometer. Es waren aber wohl eher drei Stunden, ab Karya nämlich zwischen Exomburgo und Kechrovouni, wie ich später sehen werden. Und nun sind sie völlig erschöpft, und haben Angst vor dem langen Rückweg den Berg hinauf. Ich kann mit etwas Proviant aushelfen - viel habe ich leider nicht mehr. Eine Handvoll Katzen kommt beutewitternd angerannt, bekommt aber nur Streicheleinheiten.
Ich will ja unbedingt das Flusstal hochwandern durch das die drei heruntergekommen sind. Aber ich biete an, sie mit dem Auto gen Süden mitzunehmen wenn sie die Piste hochgehen und am Wagen auf mich warten. Dürfte auch für die drei Erschöpften noch zu machen sein, zumal sie sich Zeit lassen können - so schnell werde ich auf dem Umweg nicht dort sein.
Ich erkläre nochmal wo das Auto - weißer Skoda mit Aufschrift "Dimitris" - steht, und breche dann auf. Der Weg - Tinos Trail Nummer elf - beginnt an dem Tümpel hinter dem Strand und führt links des Bachlaufes aufwärts. Vereinzelt hat es große runde Felsen, die mich an Volax erinnern. Dann entfernt sich der Weg vom Bach, führt über felsige Landschaft aufwärts. Irgendwann liegt ein ovales Wasserbecken unter mir, und kurz darauf signalisieren Büschel von Schilfgras, dass ich mich wieder Feuchtgebieten nähere. Zuerst ist nur ein Rinnsal zwischen den Steinen sichtbar, aber bald weitet es sich zu einem veritablen Bach, von hellen Felsen gelegentlich aufgestaut zu kleinen Teichen. Ein Feigenbäumchen zieht das Grün seiner Blätter daraus, weiter vorne hat ein zweiter Baum schon mehr Größe geschafft.
Weiter sanft aufwärts, mir wird warm. Der Bergkamm des Tsiknias zackt vor grauschwerem Himmel, davor eine der unvermeidlichen weißen Kapellen. Oleander sorgt spärlich für rosa Farbtupfer wo ein Busch mitten im dunkelfarbenen Wasser steht. Geländestufen unterbrechen den Mäander des Baches, dann wieder ein Becken, an dessen Rand sich Sumpfschildkröten sonnen. Gestört springen sie ins Wasser. Und die Umgebung wird grüner. Als ein Betonsteg den Bachlauf quert, fühle ich mich wie in einem Monet-Gemälde aus Giverny. Nur die Seerosen fehlen, aber der Oleander tut was er kann ihn zu ersetzen. Ich bleibe links des Baches und erreiche kurz darauf ein paar versprengte Häuser, die wohl den Weiler Platy bilden. Das scheint mir der geeignete Zeit- und Streckenpunkt, die grünen Hölle auf einer Seitenstraße zu verlassen und gen Auto aufzusteigen. Natürlich könnte ich noch Kilometer weit den Bach folgen, bis Myrsini, aber dann müsste ich auf der Straße wieder herab zum Wagen. Und meine Mitfahrer warten. Reicht auch für heute.
Die Seitenstraße schlängelt sich hoch und quert eine grüne Ebene mit Weinbergen, schütteren Getreidefeldern und einem windgebeugten Bäumchen. Tinos ist eine der windigsten Inseln, die ich kenne (oder sogar die windigste?), aber heute weht nur ein Lüftchen. Eine Schar weiße Tauben kurvt darüber, und natürlich steht in dem grünen Band im Blickfeld - Platy - auch ein Taubenhaus. Oder zwei. Dahinter erhebt sich eine schiefe Steinebene - das Tinos, das ich kenne.
Gegen 14 Uhr erreiche ich meinen Wagen, wo die drei jungen Männer schon warten. Insgesamt war ich achteinhalb Kilometer unterwegs, mit 300 Höhenmetern und bei zwei Stunden und zwanzig Minuten reiner Gehzeit. Nicht wildes, aber eine wirklich schön Tour. Vielleicht wander ich mal den ganzen Bachlauf am Myrsini, wenn ich wiederkomme. Es gibt noch so viel zu erwandern hier.
Die Männer und ich sind hungrig, und wir setzen unsere - oder vielmehr meine - verhaltene Hoffnung auf das Kafeniopantopolio von Tereza in Myrsini. Da hatte ich aber schon letztes Mal Pech, und als ich den Wagen an dem riesigen Taubenhaus am Südeingang des Ortes abstelle und mich durch die Gassen zum Lokal suche, erwarte ich das Richtige: das Lokal ist zu. Wie schade!
Google sagt meinen Mitfahrern, dass nichts im Inselinnerne geöffnet hätte außer vielleicht in Kambos. Ich bin anderer Meinung und will über Falatados nach Volax steuern. Vor dem Exomburgo überlegen die drei es sich anders - ob ich sie Richtung Auto oder Quartier bringen könnte? Wo das wäre? Bei Karyá irgendwo. Da soll es auch ein Lokal geben. Vom letzten Jahr weiß ich, dass es nicht unbedingt einen Ort braucht um ein gutes gastronomisches Angebot zu finden: Die Einheimischen und auch die griechischen Gäste kommen eh mit dem Wagen. Hauptsache es hat Parkplätze.
Vom Exomburgo muss ich in einem weiten Umweg über Tzados und Berdemiaros fahren, obwohl Karya nur einen Steinwurf jenseits des Tales liegt. Aber es gibt halt keine direkte Straße. Oberhalb von Mountados wieder zurück. Ein steile Rampe nach der Kurve nach Karya hinauf, und als ich denke, jetzt geht es wirklich nicht weiter und hoffentlich habe ich mich hier nicht festgefahren, erblicken die drei ihren geparkten Wagen. Tatsächlich sind sie ein Stück auf den Weg Nummer 12 und dann den ganzen 11er hinabgewandert. Wie sie auf die Idee kommen konnten, dass das nur drei Kilometer sein könnten, ist mir schleierhaft - schon der Elfer ab Myrsini sind 5,2 Kilometer, und von Karya nach Mysini dürfen es nochmals vier sein. Oneway. Egal, die drei bedanken sich herzlich, und verschwinden. Gerne geschehen. Irgendwann und irgendwo wird sich jemand anderes dafür revanchieren und mich mitnehmen. So kennen ich das von den griechischen Inseln.
Und ich? Ich hab immer noch Hunger. Das Lokal in der Kurve bei Karya mit dem originellen Namen "Karya" ist geschlossen, und nach Volax ist es mir jetzt zu weit. Ob ich mal in Kambos gucke? Ich fahre westwärts und als ich oberhalb von Ktikados bin, fällt mir das "Drosia" dort ein. Das müsste eigentlich geöffnet sein. Der Parkplatz am oberen Ortseingang ist gut gefüllt, ich ergattere den letzten freien Platz und gehe in den Ort hinab. Ja, das "Drosia" hat nicht nur geöffnet, sondern die Terrasse mit Blick über das Tal von Kionia ist auch gut besucht für einen Donnerstagnachmittag. Immer wenn ich hier hinab gucke, denke ich an meinen ersten Kykladenurlaub hier im Juli 1991, als wir im "Tinos Beach Hotel" wohnten, einem großen Kasten und dem einzigen Quartier, das damals pauschal auf Tinos zu buchen war. Über Top Travel in München, mit Flug ab München. Die 14 Tage waren vom Meltemi geprägt, und einen Tag sind wir zu Entsetzen der Einheimischen - Schlangen! - nach Ktikados hinauf gewandert. Der Beginn einer langen Wanderkarriere auf den Kykladen. Auch damals war der Weg mehr zu ahnen als zu finden, aber wir haben es geschafft. Lange ist es her ..
Solchen Gedanken hänge ich nach während ich hungrig und durstig meine hausgemachte Limo und den Artischockensalat mit Brot dazu verzehre. Mit Balsamicosauce drauf. Theo würde sich mit Abscheu abwenden, aber mir schmeckt es. Seine "schleckigen" (sagt man im Schwäbischen wenn jemand extrem wählerisch beim Essen ist) Anwandlungen konnten mir nie den Appetit verderben. Zum Glück.
19 Euro sind dann schon obere Preisklasse, aber satt und zufrieden fahre ich ins mein zeitweiliges Domizil zurück.
Am Abend habe ich eine Verabredung mit Monika und Günter aus Mülheim/Ruhr, von Theo vielzitierte Tinos-Begleiter und die Überbringer der Nachricht von seinem Tod. Sie haben seit den 1980ern einen Zweitwohnsitz in einem alten, leicht verschachtelten Dorfhaus in Triandaros, von wo aus Monika ihrer bildhauerischen Passion nachgehen kann. Es wird ein interessantes Gespräch über Tinos, Theo und den Rest der Welt. Leider müssen die Beiden demnächst zu einer Ausstellungseröffnung nach Hause reisen, und auch ich habe nur noch einen ganzen Tag hier, morgen.