Alkyonische Tage - Eisvogeltage

Als ich vor zwei Jahren Ende April auf Hydra beim Wandern bei 30°C beinahe einen Hitzschlag erlitten habe, hatte ich schon gedacht: diese Insel müsste man mal im Winter besuchen. Die Infrastruktur schien mir geeignet – die Insel hat auch im Winter genug Einwohner, so dass man ein Quartier und geöffnete Tavernen finden müsste. Wandermäßig ist die auto- und mopedfreie Insel sowieso wunderbar. Nun war noch die Frage: Wann im Winter?

 

Schon zwei Mal hatte Theo die griechischen Inseln an den Eisvogeltagen, auch (h)alkyionische Tage oder Alkyonides genannt, erlebt. Das ist eine Schönwetterperiode von acht bis zwölf Tagen, die im Januar auftreten soll. Aber Garantie gibt es natürlich keine, schon gar nicht in Zeiten des Klimawandels.

 

Theo hatte schon im September seinen Flug nach Athen gebucht, und irgendwann im November zog ich dann nach. Wir würden ein paar Tage zusammen auf Hydra bleiben, ehe ich nach Spetses weiterwollte, und er nach Aegina. Oder so.

Die Auswahl der geöffneten Unterkünfte war überschaubar, aber bei booking sprang mir schnell das Guesthouse „Hydra Icons“ ins Auge, mit 40 Euro pro Nacht im EZ auch erschwinglich. Spetses war schwieriger und teurer. Aber dazu später mehr.

 

Und dann kam Anfang Januar 2015 dieser üble Wintereinbruch an der Ägäis samt Schnee auf den Nordkykladen, der mich daran zweifeln ließ ob das wirklich eine gute Idee war mit dem Januarurlaub. Die Mutter war froh, dass sie frühzeitig beschlossen hatte, mich in diesem Urlaub alleine frieren zu lassen.

Die Temperaturen stiegen die nächsten Tage leicht an, aber die Wetterprognosen kündigten Regen für die zweite Urlaubswoche an, und ich kaufte mir noch schnell einen Regenponcho.

Gut, dass die gebuchten Quartiere Heizung hatten – im Januar schlichte Notwendigkeit. Aber welche Klamotten mitnehmen? Zwiebelprinzip passt ja immer, und auf Skyros vor zwei Jahren im März hatte ich gelernt: Handschuhe, Mütze und wattierte Jacke können nicht schaden. Also eingepackt.

Griechenland kann kalt sein.

 

Am 14. Januar flog ich dann nach Athen - mit Aegean Airlines via Thes/niki – der Flug landete eine halbe Stunde früher als geplant schon um 0.10 Uhr in Athen, und der Bus X96 war auch so schnell, dass ich schon um halb zwei Uhr nachts im Hotel Anita-Argo in Piräus Theo traf, der zwei Stunden vorher angekommen war. In Piräus war noch überall die Weihnachtsbeleuchtung installiert. Schnell ein Begrüßungstrunk auf dem Zimmer, dann eine kurze Nacht -  zu Theos Missfallen, aber die nächste Fähre ging erst am Abend.

Um neun Uhr verließ unser nur mäßig belegter Flying Dolphin XVII Piräus pünktlich gen Hydra.

 

Und die Sonne strahlt vom Himmel als hätte es daran nie einen Zweifel gegeben.

 

Wir passieren Aegina südlich (die Schnellfähren nach Hydra halten dort nicht), legen in Poros an, passieren die Häuserfront entlang der Meerenge, nehmen wieder Fahrt auf, und sind um kurz vor elf Uhr in Hydra. Die Sonne lacht immer noch, und mein Herz lacht mit. Die Cafés am Anleger sind geöffnet, da sitzt man unter Heizpilzen, ein paar Esel stehen da zum Transport notwendiger Gegenstände. Wir brauchen keine, denn das „Hydra Icons“ liegt nicht weit vom Hafen, fünfzig Stufen eine schmale Gasse hinauf. Ich suche es solange Theo beim Gepäck bleibt.

Yannis, unser netter Gastgeber, erwartet mich schon – ich hatte ihn vorher per eMail gefragt ob wir schon am Vormittag die Zimmer beziehen könnten. Wir können, und als Yannis dann unser beider Trolleys gleichzeitig die unregelmäßigen und katzenverkoteten Stufen hinaufträgt, kommt er ordentlich ins Schwitzen. Durch ein Tor in einen Innenhof, noch eine Etage hinauf – here we are!

 

Die Zimmer im „Hydra Icons“ sind nach prominenten Hydra-Besuchern benannt – „Henry Miller“ und „Aristotelis Onassis“ dürfen wir unter uns verteilen – ich bekomme Onassis und habe ihn mit Jacky über dem Bett hängen. Theo hatte vorher auf "Leonhard Cohen" spekuliert, aber das ist die "Executive Suite", und die hat ihren Preis. Dafür auch einen eigenen (schmalen) Balkon.

Das für "Aristotelis Onassis" doch etwas kleine Zimmer ist cool-chic eingerichtet und modern ausgestattet. Das Bad ist ziemlich klein, schiefergrau und bis auf die fehlende Seifenablage in Ordnung. Auf die Toilette vor dem Duschen empfiehlt sich.

Gekrönt wird das Ganze von einer Dachterrasse, deren Panoramablick über Hydra-Stadt sich wunderbar ergänzt mit den blauem Himmel. Wow!!

 

Eine große Gruppe amerikanischer Studentinnen hat die anderen Zimmer belegt, und später auch die Dachterrasse. Yannis entschuldigt sich schon jetzt dafür, dass sie eventuell laut sein könnten, sie würden aber morgen schon wieder abreisen. Sparta ruft. Na, da ist Hydra besser.

Ich bin schon sowas von im Urlaubs-Modus, da stört mich doch das nicht.

Theo ist dagegen etwas enttäuscht als Yannis uns die (zwei) geöffneten Tavernen aufzählt und das „Kontylenia“ in Kaminia auch auf Nachfrage nicht dabei ist. Geschlossene Tavernen (oder das lange Warten aufs Essen, schlechtes desselben, aber auch übergroße Portionen können ihm ziemlich die Laune verderben, wie ich schon letztes Jahr in Diafani miterlebt habe). Aber wir werden nicht verhungern müssen.

 

Trotzdem haben wir am Nachmittag die Gelegenheit, uns vor Ort davon zu überzeugen, dass das „Kontylenia“ wirklich zu hat. Nach einer kleinen Mittagspause machen wir einen Spaziergang entlang der Küste nach Kaminia. Da ziehen noch Gruppen asiatischer Touristen durch den Ort - auch mitten im Januar kommen ein oder zwei Ausflugsschiffe täglich für maximal zwei Stunden nach Hydra ehe die 3-Islands-Tour mit ähnlich langen Aufenthalten auf Poros und Aegina fortgesetzt wird. Da kommen dann auch die Eseltreiber auf der Suche nach potenzieller Reitkundschaft aus den Gassen, während am Nachmittag, wenn der Ausflugsspuk vorbei ist, nur ein oder zwei Esel oder Pferde am Ufer warten ob ihre Dienste gebraucht werden. Was selten der Fall ist.

 

Von den Läden entlang der Uferpromenade sind dann auch nur ein paar geöffnet, und von den zahlreichen Cafés, in denen wir vor zwei Jahren den Einzug des BVB (und leider auch der Bayern) ins Finale der Championsleague miterlebten, stehen keine Stühle draußen. Die langhaarigen Katzen von Hydra sind aber immer noch überall und zahlreich vorhanden, ein ganz eigener Schlag.

 

Am westlichen Ende des Hafen, bei Spilia, tummelt sich eine ganze Horden junger Männer und Frauen am Ufer und sogar im Wasser. Einer köpft vom hohen Felsen – na, das kann auch schiefgehen, und das eisgrüne Wasser sieht saukalt aus. Dabei ist Baden dort ausdrücklich verboten, aber die amerikanischen Studenten (die Jungs wohnen in Yannis‘ anderem Hotel „Piteoussa“, und die vielen Mädels wohl wirklich alle bei uns – gestapelt?) ignorieren das fröhlich und lautstark. Wir lassen sie hinter uns, und haben dafür das ruhige Meer und die Insel Dokos vor uns. Und dahinter sind Schneeberge – das muss der Parnonas auf der Peloponnes sein, knapp 2000 Meter hoch.

So schön können Januartage sein.

 

Die Freude wird in Kaminia gebremst, als das „Kontylenia“ wirklich zu hat. Wäre ein netter Platz für den Sonnenuntergang, und eines der 10 schönsten Lokale am Meer (weltweit?) laut was-weiß-ich-für-einer-Zeitschrift. Aber halt nicht im Januar (ich vermute, auch nicht im Februar). Dafür liegt der kleine Hafen so friedlich unter uns, dass es eine wahre Freude ist.

Ein paar Schritte landeinwärts liegt das Kafenio von Cristina, da sitzen Männer auf der Terrasse. Die winken ab als wir nach Essen fragen – eine private Zusammenkunft ist es. Schade. Durch den Ort zurück Richtung Hydra-Stadt. Verkehrsstau an einem engen Durchgang – von oben kommt eine Zweierzug Esel, von unten mehrere drei bis viereselige Bauzüge. An der Begegnungsstelle stehen auch noch wir, drücken uns schnelle eine Treppe hinauf. Hydra original. Ich liebe es.

Wenn da nicht der Hunger wäre. Da trifft es sich gut, dass wir an der Platia Votsis vom Wirt der Taverne „Annita“ angesprochen werden. Das Ansprechen mögen wir zwar eigentlich nicht, und Yannis hatte uns das Lokal auch nicht als geöffnet genannt. Aber es gibt Fava, Revithosoupa und Fassolada, und genau danach steht uns der Sinn. Roséwein dazu, später noch einen Elleniko, und für die Unterhaltung sorgt der mehrbeinige Verkehr, der hier so vorbeikommt. Sehr entspannt.

28 Euro fallen für die Mahlzeit an, nicht ganz preiswert, aber Hydra ist ja eh etwas teurer.

Danach brauchen wir im Guesthouse eine längere Pause – wir haben noch ein Schlaf- und Ruhedefizit.

Die Amerikanerinnen haben die Dachterrasse okkupiert, so bleibt uns die eine Etage tiefer. Geht auch.

Der Sonnenuntergang nicht im Meer, sondern hinter den Hügel der Stadt, und eine halbe Stunde vor dem offiziellen Zeitpunkt. Die Stadt im Schatten, es wird schnell kühl. Ist halt doch Winter.

Am Abend suchen wir dann die eine der beiden Tavernenempfehlungen von Yannis auf: das „Ostria“ hinter dem Hauptkirche. Allerdings sind fast alle Plätze belegt (die Amerikanerinnen), so bekommen wir den Katzentisch vor der Bar, der schnell von allem möglichem abgelegten Zeug befreit wird. Vorsicht, nicht an den köderbestückten Paragadia hängen bleiben!

 

Nach den angepriesenen Kalamaria steht uns nicht so der Sinn, aber Theo nimmt kleine Barbounia, und ich Keftedes. Ein großer Teller Maroulisalata vorab. Die Amerikanerinnen am Nebentisch wollen Sauce zu ihrem Essen – Ketchup oder so. Die resolute Chefin weist sie in die Schranken – so was gibt es hier nicht, das Essen ist frisch und soll nach dem schmecken was es ist. Allenfalls die schokoähnliche Balsamicosauce ist sie bereit zu bringen. Auch wenn die eigentlich für den Salat (und nur für den) gedacht ist.

Die Keftedakia sind ok, die Barbounia von Theo wohl auch, die Rechnung fällt mit 32 Euro aber schon beachtlich aus (und verschwindet irgendwie mit dem Wechselgeld). Das wird ein teurer Urlaub wenn es so weitergeht. Aber außer für Essen und Übernachten kann man sein Geld hier eh kaum ausgeben - es sei denn man bucht ein Sea-Taxi. Wollen wir eigentlich nicht.

Auch auf Hydra leuchtet nächtlich noch die Weihnachtsdeko.

 

Weil das Wetter für die nächsten zwei Tage als sonnig prognostiziert ist, und es am Sonntag regnen soll, müssen wir die schönen Tage ausnutzen. Gleich morgen wollen wir wandern gehen. Und weil Eisvogeltage kurz sind, müssen wir zeitig aufstehen. Auch wenn das eher nicht so Theos Natur ist.

PS:

Theo schildert seine Sicht der hydrantischen Eisvogeltage hier:

https://theo48.wordpress.com/die-inseln/hydra-die-eisvogeltage-2015/

 

(Ja, ja, ich weiß - er konnte sich schon immer kürzer fassen als ich.)