Nach Amorgos via Naxos

 

Dank der Fähre „Nissos Mykonos“ kommt man doch tatsächlich auch bei einer späteren Ankunft in Athen noch von der ungeliebten Stadt weg – fast täglich außer sonntags, Abfahrt um 19.45 Uhr. 32 Euro pro Person kostet der Spaß nach Naxos, billigste Kategorie, das Reisen wird auch in Griechenland immer teurer.

Das Tageslicht reicht gerade noch, das total verdreckte Deck der Fähre zu begutachten, und die jeweils drei G&A-Fähren rechts und links bei der Hafenausfahrt zu sehen. Trauriges Bild! Wie stolz sah die „Romilda“ noch vor 2 Jahren im Hafen von Anafi aus...

 

Weil es außerdem auch noch recht frisch ist, verkrümeln wir uns nach dem Sonnenuntergang nach unten. Pullmansitze mit Fernsehbeschallung, rechts „Das Perfekte Dinner“ auf Griechisch, links ein grässlicher Hau-Druff-Film mit Jean-Claude van Damme. 5 Stunden nach Naxos können lang sein....

 

Per SMS melde ich im Hotel „Anixis“ unsere Ankunft für 1 Uhr an, bekomme aber keine Antwort. Etwa bangend verlassen wir das Schiff in Naxos. Andere Touristen: Fehlanzeige. Es ist lausig kalt, und ich hab Naxos noch nie so unbelebt erlebt. Dabei ist Freitag–, vielmehr schon Samstagnacht, Ende April.

Ist der Anleger lange wenn man nicht weiß ob man vorne erwartet wird oder nicht!

Vorne am Anleger stehen zwei Männer, beides „Abholer“, und der eine, Dimitris, holt uns ab, hat ein „Anixis“-Schild. Andere Rooms-Leute? Ochi, tipota, kanenas!

Rasch lädt Dimitris unser Gepäck in den Off-Road-PKW, dann geht es über Umwege und durch ganz schmale Gassen in die Altstadt von Naxos, ins Burgos-Viertel. Millimeterarbeit, da passt kein Blatt Papier dazwischen, einmal muss Dimitris das breite Auto zurücksetzen um den neu aussehenden, kratzerlosen  Wagen um die enge Ecke zu navigieren.

Ja, es wäre sehr kalt für die Jahreszeit, sagt Dimitris. Und nichts los. Nun, uns stört das nicht. Ein paar Treppenstufen tragen wir unsere Trolleys hinunter, sind dann im „Anixis“. 40 Euro bezahlen wir für das Dreierzimmer, das zwar recht eng ist, aber sehr nett eingerichtet, wir haben sogar ein Himmelbett! Den Plan, nach der Ankunft erst mal irgendwo etwas trinken zu gehen, haben wir verworfen – zu kalt, zu ruhig, und wir zu müde.

Blauer Himmel und Sonne empfangen uns am nächsten Tag. Wir wollen um 15 Uhr die schon legendäre „Scopelitis“ nach Amorgos nehmen, haben also reichlich Zeit, auf der Terrasse des „Anixis“ gemütlich zu frühstücken. Bekommen Gesellschaft von H., der Naxos-Auswandererin. Sehen draußen auf dem Meer Delphine!

Die Tante war noch nie auf Naxos, sie will unbedingt raus zum Tempeltor. Wir bummeln hinunter zur Paralia – in den Gassen der alten Marktes hat noch kein Geschäft geöffnet, die Saison hat noch nicht begonnen. Die „Scopelitis“ ist auch schon da, in den letzten Tagen und Wochen oft sehnsuchtsvoll in der Naxos-Webcam beobachtet. Mit den Tickets in der Tasche steigt die Vorfreude auf Amorgos. Wobei ja Naxos auch nicht schlecht ist. Das Tempeltor präsentiert sich inmitten blühender Sonnenflügel, dahinter das türkisgrüne Meer, die schroffen Berge, die weißen Häuser von Grotta (Gott, ist das Viertel gewachsen!) - eine Farbenpracht!

Wir vertrödeln noch etwas Zeit mit Fähren-Beobachten, trinken eine Kleinigkeit, müssen dann rauf ins Hotel, das Gepäck holen. Runter zum Hafen bringt uns Dimitris leider nicht, aber runter ist es ja auch nicht so wild, nur die vielen Treppenstufen, die schlauchen Trolleys und Tante, manchmal sind Rucksäcke definitiv besser, und wozu hat mein Trolley eigentlich ein Tragegestell? Raus damit, so ist’s gleich viel besser!

 

Auf der „Scopelitis“ treffen wir zum ersten Mal den Steward mit der hasenähnlichen Physiognomie, der uns nach der Frage nach unserem Ziel unser Gepäck direkt vor dem Salon ablegen lässt. Die Zahl der Passagiere ist überschaubar, kaum zwei Handvoll sind es, die es sich auf den Decks und im Salon bequem gemacht haben. Von H. haben wir uns verabschiedet, sie wartet unten an Land um uns nachzuwinken. In zwei Wochen werden wir wieder da sein.

 

Es ist 15 Uhr vorbei, die Abfahrt verzögert sich, warum? Nun, der Kapitän fehlt offensichtlich…. Eine abgerissene Gestalt kommt den Pier entlang, ist das der Kapitän? Die Begleiterinnen erbleichen. Nein, der Mann soll wohl den Kapitän suchen, fährt mit einem schrottreifen Moped herum. Ein Passagier nutzt die Verzögerung, geht von Bord und kauft noch schnell etwas im Zaccharoplastion. Dann kommt endlich der Kapitän (nicht Jannis Skopelitis, sondern der andere Jannis), im Seemannsgang, wie ist das denn mit Alkohol am Steuer?

Klappe hoch, Schiff weg, mit einer Viertelstunde Verspätung geht unsere Reise weiter.

Zuerst die verschärft zubetonierte Küste von Naxos entlang, gnadenlos werden selbst an steilste Hänge Ferienhäuser geklebt, Hauptsache Meerblick! Und auch die nahe Küste von Paros auf der rechten Seite bleibt von diesem Schicksal nicht verschont. Hoffentlich wenigstens unser Ziel, Amorgos…

 

Das Reisewetter ist prima, etwas Wind, reichlich Sonne, so lobe ich mir eine Seefahrt. Vorne nähern sich Ios und Iraklia, später Schinoussa, nach etwa 90 Minuten Fahrt biegt die „Scopelitis“ in die ventilatorgeschmückte Bucht von Agios Giorgos auf Iraklia ein. Zimmervermieter oder Touristen? Fehlanzeige! Hoffentlich tut sich da noch was in den nächsten 14 Tagen, sonst wird es sehr einsam dort bei unserer Visite auf dem Rückweg. Das fast gleiche Bild wenig später in Schinoussa, wobei hier, da schau an, der Bus vom „Agnadema“ steht, unserem Quartier vor neun Jahren.

In Pano Koufonissi ist etwas mehr los, ein paar Leute kommen an Bord. Vorgestern fand hier das große Fest zu Ehren des Inselheiligen Georg statt, wäre bestimmt mal interessant. Auf dem Rückweg wollen wir auch hier ein paar Tage vor Anker gehen.

Die bis auf ein paar Ziegen unbewohnte Schwesterinsel Kato Koufonissi und das hohe und felsige Keros lassen wir rechts liegen, vor uns liegt langestreckt der Riegel von Amorgos, das Herz schlägt mir höher! Im Näherkommen können wir die Ruinen von Alt-Arkessini ausmachen, mit dem weißen Punkt der Kapelle darin. Und dann sehen wir den Hügel von Minoa über Katapola, ungewohnt der jahreszeit- und vegetations-bedingte leicht grüne Überzug.

Als die „Scopelitis“ im Hafen anlegt, steigt die Spannung. Wie hat sich Amorgos in den letzten 5 Jahren seit unserem letzten Besuch verändert? Wie wird es sich nun im Frühjahr und damit der absoluten Vorsaison präsentieren? Diese Vorsaison ist der Grund für unsere frühe Urlaubsreise dieses Jahr, ich möchte Amorgos endlich mal nicht trocken und kahl erleben, sondern im Frühjahr blühend und grün (woran u.a. der Film „Die Seebären der Ägäis“ schuld ist, ein Dokumentation über die „Scopelitis“, gedreht im Dezember 2006 oder 2007 auf den unglaublich grünen Ostkykladen).

Welche Zimmervermieter haben die Saison schon eröffnet und werden am Anleger sein? Ich möchte so gerne ein Zimmer mit Meerblick...

 

Und es hat sich gar nicht so viel verändert. Wie in der Vergangenheit entwickelt sich sofort die obligatorische Geschäftigkeit des Ausladens, saisonal noch leicht gebremst. Jetzt erst sehe ich die Bienenstöcke unten im Ladedeck, die können aber warten, werden erst später abgeholt, die „Scopelitis“ bleibt morgen - es ist Sonntag - in Katapola.

 

Ordentlich aufgereiht stehen rechts vom Anlieger tatsächlich die ZimmervermieterInnen. Wir sehen „Villa Katapoliani“ (Schön, aber ohne Meerblick), „Titika“ (Xilokeratidi wollen wir eigentlich nicht, zu abseits, und auch noch in zweiter Reihe), „Villa Le Grand Bleu“ (in Rachidi, auch nicht unsere Wahl), „Voula Beach“ (kenne ich nicht, aber Beach macht mich misstrauisch, in Katapola gibt es eigentlich keinen „Beach“) und „Eleni“. Nun, „Eleni“ kennen wir, bei der geschäftstüchtigen Frau haben wir das letzte Mal logiert, und an den Zimmern ist nichts auszusetzen. Und vor allem: Sie liegen ruhig am Ortsrand (das erste Haus rechts in Katapola wenn man mit der Fähre ankommt), etwas oberhalb und haben einen tollen Blick! So steuern wir Eleni an, zeigen unser Interesse, treten in Verhandlungen: „Come and look“ – machen wir doch glatt. Außer uns schleppt die Gute noch einen Holländer ab, mit fetter Beute im Schlepptau geht es an der Uferpromenade entlang, andere sind leer ausgegangen.

Gut ausgeschildert sind ihre Zimmer auch, alle 20, 30 Meter wieder ein Hinweis, versehen mit der Entfernung. Dann kommt die Hürde: Die Zimmer liegen quasi im 5. Stock, ohne Aufzug selbstverständlich. Zum Glück müssen wir das Gepäck nur einmal die steilen Stufen (82 werden von den weniger treppenfreudigen Begleiterinnen später gezählt) hinauftragen. Wir bekommen Zimmer 5, ganz oben, mit drei Betten, Kochecke und einem großen, nach Westen zum Sonnenuntergang und Keros ausgerichteten Balkon (und mit einem Duschvorhang Modell „Zweite Haut“, aber das merken wir erst später). Meerblick selbstmurmelnd, und wie! 35 Euro pro Nacht sind in Ordnung, und die Augen von Eleni leuchten auf als wir ankündigen, sechs Nächte bleiben zu wollen – kurze Verweildauer ist auf den Kykladen üblich, sechs Nächte sind schon viel. Dieses Mal sind wir auch nicht zur Unzeit früh um 5 Uhr angekommen und müssen befürchten, deshalb noch eine halbe Nacht zusätzlich bezahlen zu müssen. Wiedererkennen tut sie uns nicht, muss sie auch nicht. Wie viele Gäste sie in den letzten fünf Jahren wohl hatte?

 

Wir richten uns häuslich ein, das Zimmer ist noch kühl vom Winter, bautechnisch sowieso auf den heißen Sommer ausgerichtet (d.h. kein Fenster nach Süden, von Heizung erst recht zu schweigen), wir werden zwei Wolldecken nachts brauchen und es dennoch kalt finden. Ja, ja, im Frühjahr auf den Kykladen sind die Vorstellungen von einem „heißen“ Urlaub völlig fehl am Platz, da kann man das Frieren lernen!

Der spätere Bummel durch den Ort zeigt: Es sind erst wenige Tavernen und Cafés geöffnet. Neben drei, vier Cafés (und natürlich dem Kafenion-Ticketbüro von Kirios Prekas) ist es das „Mouragio“, die Imbissbude von „Vikoras“ auf der Platia,  das „Corner“ sowie die „Psaropoula“ und „Vitsentsos“ in Xilokeratidi. An vielen wird gearbeitet, und das eine oder andere macht in den nächsten Tagen noch auf.

Ja, die riesige Bauruine im Hinterland der Bucht ist tatsächlich weg, und oh weh, „mein Haus“, eine oleanderüberwachsene Hausruine neben „Titika“ wurde gleich mitabgerissen oder aber bis zur Unkenntlichkeit saniert. Traurig!

Den Scheitel der Bucht zieren einige Betonklötze, die ein Transparent schmückt – Protest der Anwohner gegen das gescheiterte Vorhaben. Ich dachte ja immer, es wäre eine gescheiterte Kläranlage, aber die gibt es, südöstlich von Katapola. Hier wollte man (laut Info Theo, alles ohne Gewähr!) einen Hafen bauen, mit langem Steg für die Großfähren. Eine Schnapsidee einiger Profiteure, zum Glück von den Katapolanern noch abgewürgt, spät, und die Klötze, die liegen jetzt halt da bis zum Sanktnimmerleinstag. Griechenland wie man es kennt und liebt...

Der Strand daneben so vermüllt wie eh und je, und auch die Enten sind noch da.

 

Wir essen bei „Vitsentsos“, müssen aber drinnen sitzen, draussen ists zu kalt. Zwei Tische sind noch belegt, der Service ist äußerst langsam.

Uns macht das nichts, wir sind endlich wieder angekommen, auf Amorgos.

Die Zeit kann stehen bleiben.

Ansonsten geht es morgen weiter...