Aptera

Dass das Wetter am Vormittag schlecht ist, scheint sich allmählich einzupendeln. Es regnet wieder, und irgendwelche Wanderungen müssen wir folglich vom Programm streichen. Stattdessen steht Shopping auf dem Programm. Und am Nachmittag ein Ausflug nach Kalyves. Dorthin hat uns Ulli, die dort lebt, eingeladen. Wir kennen uns (bisher nur virtuell) vom Kretaforum, und sie hatte uns vor dem Urlaub großzügig mit Ausflugs- und Literaturtipps versorgt. Ich melde uns mal für drei Uhr mittags an.

 

Mein Einkaufsbummel führt mich erneut in die Markthalle, wo ich Graviera, Rakomelo, Orangen und getrocknete Feigen kaufe. Natürlich darf ich Rakomelo und Graviera vorher probieren, sie werden beim Heimflug mein Gepäck belasten.

 

Die Einkäufe muss ich erst mal zuhause abliefern. Inzwischen lacht die Sonne, und so ist Theo auch ausgeflogen. Wir treffen uns aber kurz darauf an der Paralia des venezianischen Hafens und beschließen, dass wir jetzt dringend einen Frappé brauchen. Und zwar draußen, an der Platia Eleftherios Venizelos. Der erste Frappé des Jahres, und auch noch open-air. Passt.

Ich verschiebe unsere Ankunft bei Ulli um eine Stunde, denn so können wir uns vorher noch stressfrei die Ausgrabungen von Aptera ansehen. Jetzt, wo die Sonne scheint (was hoffentlich anhält).

Die Fahrt dauert nicht lange, und so sind wir gegen 14 Uhr in Áptera, das fünfzehn Kilometer östlich von Chania oberhalb des Küstenortes Kalami liegt. Ein Marder turnt gerade über die fast leeren Parkplätze und verschwindet bei den Mülltonnen. Nett, aber trotzdem Schnauze weg von unserem Auto!

 

Das Ausgrabungsgelände ist bis 15 Uhr geöffnet. Zum Glück, denn wir hatten überhaupt nicht bedacht, dass es geschlossen sein könnte. Offiziell ist es täglich außer montags von 8.30 bis 15 Uhr geöffnet.

 

Wir sind mal wieder alleine auf weiter Flur, sehen nur noch das Personal der Ausgrabungsstätte in dem Verwaltungsgebäude des ehemaligen Klosters Agios Ioannis Theologos. Schön, dass trotzdem offen ist - zu dieser Jahreszeit und in den schwierigen griechischen Krisenzeiten keineswegs selbstverständlich.

 

In einem der Klostergebäude befindet sich auch eine ausführliche Dokumentation über die Geschichte von Aptera. Die exponiert wie ein Balkon über der Küste liegende Hochebene war schon seit der Bronzezeit besiedelt, die Lage über der Bucht von Souda war strategisch besonders günstig. In minoischer Zeit gab es hier eine große Handelsstadt, der dazugehörige Hafen lag in Kalyves. Die meisten Gebäuderuinen stammen aber aus der Römerzeit um Christi Geburt, und die gut erhaltene Klosteranlage samt hübscher Kapelle aus dem 12. Jahrhundert.

Wir vertiefen das jetzt nicht weiter, sondern schlendern über das weitläufige und mit frischem Grün überwachsene Gelände und lassen es auf uns wirken. Beeindruckend die großen Zisternen, und die typisch römischen Backsteinmauern von Badehäusern.

 

Aber am schönsten ist einfach die Lage zwischen der Küste und den Weißen Bergen (die sich leider immer noch weitgehend verhüllt zeigen), und zwischen dem markanten Tafelberg des Zourva (610 m) im Westen und dem ähnlich charakteristischen Drapanokefala im Osten (527 m).

Und da vorne Richtung Küste liegt die imposante türkische Burg, die wir uns nachher noch ansehen wollen.

Was haben wir wieder ein Glück mit dem Wetter! Der Himmel ist schön griechisch weiß-blau, nur die Weißen Berge, also wirklich, die zieren sich immer noch. Schaaade, die haben jetzt sicher ordentlich Neuschnee.

 

Nun wollen wir gerne noch das antike römische Theater angucken, und schlagen vom Parkplatz aus eine Piste nach Westen. Rechts weist ein Schild auf deutlich neuere und weniger hochkulturelle Siedlungsspuren hin: hier befanden sich Maschinengewehr- bzw. Flakstellungen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Links führt ein Weg auf ein Ausgrabungsgelände mit Resten einer alten römischen Villa. Schön durcheinander gewürfelt liegen hier Säulentrommeln und Kapitelle, und auch wenn gerade niemand da ist, wird hier derzeitig offenbar aktiv ausgegraben. Kurz nach unserem Urlaub lese ich dann eine Meldung, dass man in Aptera gerade zwei kleine antike Statuen der Artemis und des Apollon gefunden hat.

 

Weiter vorne dann wieder eines der schönen Winterfotomotive: gelb-grüne Wiesen mit Sauerklee und Olivenbäume darin. Schön!

Und wo ist nun das Theater? Hier sind wir falsch, denn der Weg führt weiter in das Dorf Megala Chorafia hinab (früher hieß es auch Aptera). Also gehen wir zurück, und stellen am Parkplatz fest, dass der Weg zum Theater mit einem Zaun versperrt ist. Ich gehe ihn entlang durch einen Olivenhain und kann so wenigstens seitlich einen Blick auf das Theater werfen. Ja, die antiken Theater befanden sich immer an schönen Orten und nutzten sehr effektiv die natürlichen Hintergründe als Kulisse. Nochmals schade, dass die Kulisse sich heute so ziert. Aber die Wolkenstimmung ist auch schön.

So, nun schnell noch zur türkischen Festung. Faul wie wir sind, und weil der direkte Weg vermutlich durch einen Zaun und wuchernde Botanik versperrt wird, nehmen wir das Auto. Wir parken das Auto ein Stück vorher, weil von hier aus der Blick auf die Burg, die Bucht von Kalyves und die Drapanos-Halbinsel, aber auch auf das olivengrüne Hinterland besonders schön ist. Am Straßenrand blitzen blassblauviolett die ersten Anemonen auf.

Die dickmaurige Festung kann man nicht betreten, aber wir sind auch mehr wegen der Aussicht da. Hinab auf die Bucht von Souda mit dem Inselchen Souda darin (auch darauf befindet sich eine Burg) und dem Hafen mit dem NATO-Stützpunkt direkt gegenüber, aus dem gerade ein kleines Kriegsschiff ausläuft. (Nein, es ist ein hydrografisches Forschungsschiff, die "HMS Enterprise"). Und direkt am Fuße des Aptera-Hügels bei Kalami liegt die Itzedin-Festung, die aber erst aus dem Jahre 1872 stammt. Während der Junta-Zeit diente sie als Gefängnis, und irgendwie sieht sie von oben immer noch so aus.

Also eigentlich alles ziemlich kriegerisch hier, glücklicherweise ist die Atmosphäre aber gerade total friedlich, wozu eine einsamer Joggerin beiträgt, die entlang der Straße läuft.

Ich finde Kreta im Winter einfach schön!

Dank Ullis guter Wegbeschreibung finden wir ihr Haus in Kalyves problemlos, wo uns Ulli mit leckeren frischen Waffeln empfängt. Sie lebt mit ihrem kretischen Mann, ihren drei Kindern und einem schüchternen Hund schon vielen Jahren bei und in Kalyves, und ein Blick auf ihr gutgefülltes Bücher- und DVD-Regal zeigt uns schnell, dass wir ähnliche Interessen pflegen. Theos Herz ist spätestens beim Blick auf "Die Sopranos" erobert. :-) Und später gab es da noch Diskussionen über "Hanni & Nanni", "Heidi" und andere Kinderhelden...

Dazu der warme Kamin während draußen abwechselnd Sonne und Regen miteinander kämpfen. Beim interessanten Gesprächen vergeht die Zeit wie im Fluge. Schön, dass wir den Besuch doch noch geschafft haben! Wenn es uns mal wieder in diese kretische Ecke verschlägt, wiederholen wir ihn gerne. Danke, Ulli!

Zurück in Chania fangen wir allmählich mal an, unsere Siebensachen auf den drei Etagen zusammenzusuchen. Unsere Zeit in Chania verging so schnell, morgen ist die Woche hier vorbei, und wir werden an die Südküste umziehen. Ich freue mich auf die Einsamkeit der kargen Landschaft, aber die Kultiviertheit, Leichtigkeit und Vielfalt von Chania wird uns fehlen.

 

Wir wollen heute bei "Chrissostomos" essen, das wir bei neulich im Vorbeilaufen schon gesehen haben. Dummerweise habe ich nicht nochmals im Reiseführer nachgeguckt wo es liegt, und Theo und ich sind unterschiedlicher Meinung darüber, wo es war. Ich will bis zum Ostende des venezianischen Hafens, dort irgendwo in zweiter Reihe. Theo vermutet es weiter westlich im Kastelli-Viertel. Wir gehen in zweiter Reihe nach Osten, finden das Lokal nicht, und kehren eine Kreuzung zu früh um - es wäre noch weiter bei der Sabbionara-Bastion gewesen. Logischerweise finden wir es im Kastelli-Viertel dann auch nicht.

 

Gut, dann eben wieder in die Hatzimichali Daliani, wo gestern das "Mesogiakó" doch ganz gut aussah. Gut belegt ist es auch, und wir müssen trotzdem keinen Fensterplatz nehmen, an dem es eventuell zieht. Die Speisekarte macht die Auswahl schwer, Theo probiert schließlich die Tagessuppe, eine Hühnersuppe, die ziemlich scharf ist, dazu noch Keftedakia, und ich nehme gegrilltes Hühnchen mit Yoghurtsauce und Tomaten. Schmeckt auch gut. 27 Euro bezahlen wir zusammen mit einem halben Liter Wein. Etwas gehoben, aber trotzdem gut.

 

Spät sind wie wieder in unserem Quartier, wo ich merke, dass ich irgendwo auf den heute zurückgelegten Metern die Abdeckung meines rechten Schuhabsatzes verloren habe. Bevor es in die Wildnis der Sfakia geht, werde ich morgen einen Schuhmacher brauchen. Müsste es in Chania doch geben, oder?

 


Theo hat auch einen Artikel über Aptera geschrieben, zu finden ist er hier:

https://theo48.wordpress.com/1-3-griechische-inseln-k-l/kreta-der-inselwesten-im-januar-2016/nur-wenig-sehenswertes-aptera/