Nochmals von Ioulida nach Korissia

Beinahe hätte ich am Freitag vergessen, dass ich ja noch das Auto zurückgeben muss. Zum Glück fällt es mir wieder ein bevor wir uns mit dem Taxi hinauf nach Ioulis bringen lassen wollen. Wir müssen etwas warten bis ein Taxi kommt und können so lange den Maler zusehen, der ein Ikonostasi auffrischt.

Die "Marmari Express" ist auch schon wieder gekommen, ihre blauen Lackierung korrespondiert Ton in Ton mit dem Blau des Himmels und des Meeres. Perfekte Inszenierung.

 

Die Taxifahrerin, die uns schließlich nach Ioulis fährt, erledigt unterwegs gleich telefonisch die nächsten Bestellungen und Lieferungen. Wer braucht da einen Bus?

Bevor Theo und ich getrennte Wege gehen - er möchte ins archäologische Museum, während ich zunächst durch Ioulis streifen und dann nach Korissia wandern möchte - trinken wir einen Kaffee im "En Lefko" um unseren Kreislauf auf Touren zu bringen. So gestärkt klettere ich stufenaufwärts in die Oberstadt. Es gibt zahlreiche pittoreske Durchgänge, verwinkelte Ecken und überspringende Balkonerker, aber nichts davon ist herausgeputzt. Alles gehört in größter Selbstverständlichkeit den Einwohnern, und als Touristin werde ich schon etwas schräg angeguckt wenn mir mal jemand begegnet: die bleiben doch, wenn überhaupt in Ioulis, in den Niederungen der Hauptgasse, wo es Läden und Tavernen gibt. Hier oben nichts desgleichen, zum Einkaufen muss man treppauf oder -ab. Das hält fit, aber die alten Leute, die hier wohnen, tun mir leid. Hoffentlich funktioniert die Nachbarschaftshilfe!

Als ich die hundert Meter höher gelegene Umgehungsstraße erreiche, bin ich nassgeschwitzt und fertig. Dafür werde ich mit einem schönen Panoramablick über die Stadt und zum Meer belohnt. Das saftige Grün einiger Wiesenterrassen knallt ordentlich zum Azur des Meeres.

 

Ich bin auch hier, weil ich mir das Kea Village angucken möchte, das hier oben liegt. Ich hatte das Quartier trotz des deftigen Preises von 80 Euro pro Nacht für die Junior Suite (mit Frühstück immerhin) in Erwägung bezogen ehe klar war, dass Theo mitkommen wollte. Denn eigentlich ist Ioulida der günstigere, da zentraler gelegene Ort für Wanderungen als die Küste. Dazu die geniale Aussicht, und der Infinity Pool hätte für den fehlenden Strand entschädigt. Und das dazugehörende Restaurant "Sto Spiti tin Chor".

 

Eine Treppe führt seitlich entlang der Anlage von der Straße hinab zum Pool. Es scheint, dass Anlage und Restaurant noch geöffnet sind, auch wenn ich niemanden dort sehe. Der Pool liegt auf der untersten Terrasse und offenbart was ich schon geahnt habe: mit Weitwinkel wurde er für die Fotos optisch ziemlich aufgeblasen. Och, eigentlich bin ich mit unserem Haus am Hafen doch sehr zufrieden. Und unser Frühstück ist eh schwer zu schlagen.

Unterhalb der Straße gibt es ein Brunnenhaus. Kea ist eine wasserreiche Insel, und hier oben sprießt das helle Grün aus allen Ritzen. Aber das schrieb ich wohl schon.

Abwärts zickzacke ich mehr durch die Gassen, passiere die blassgelbe, verschlossene Kirche des heiligen Dimitrios, die die Oberstadt dominiert. Daneben gibt es kleine und große hellblaue Kapellen mit busenförmige Kuppeln, Durchgänge unter gassenbreiten Balkonen und abgestürzte Balkongitter. Da hier Ziegeldächer dominieren, ist das Stadtbild nicht so würfelweiß luftig, sondern irgendwie erdiger und bodenständiger. Aber an Fotomotiven mangelt es nicht, auch die Blicke über die Stadt bis zum Kastro-Hügel. Den muss ich mir unbedingt auch noch angucken. Hinauf zum neuen Rathaus werde ich aber nicht hinaufgehen, denn sonst komme ich nicht mehr zum Wandern heute. Das zweite Gebäude nach Entwürfen von Ernst Ziller in Ioulis thront am Hang westlich des Ortes und ist auch im neoklassizistischem Stil mit Säulenvorhalle erbaut, ursprünglich als Schule.

 

Um halb eins bin ich wieder an der Piatsa hinter dem westlichen Stadttor , wo meine Wanderung hinab nach Korissia beginnt. Ich habe die Route 2 ausgewählt, über Roukounas und Milopotamos, ohne den Abstecher nach Flea allerdings. Die Entfernung ist mit 3.100 Metern angegeben und es sieht nicht weit aus. Veranschlagte Wanderzeit haben ich allerdings keine, aber viel länger als eine Stunde dürfte es nicht dauern. Da werde ich mich allerdings täuschen.

Zunächst suche ich hinter den Ruinen des Kastro den Einstieg. Von der venezianischen Burg, die wieder mal auf (und aus) den Fundamenten eines antiken Tempels erbaut wurde, sind nur noch ein Torgebäude und ein paar Mauern erhalten, ein Kindergarten wurde hineingebaut. Nördlich des schönen Tores gibt es eine grünsprießende Terrasse, von der aus man auf das tiefe Tal hinab gucken kann. Dort führt irgendwo mein Wanderwege, aber hinab kommt man nicht, wie die Sondierung auf olivenübersäten Stufen ergibt.

Ob der herumstehende Sessel zur Rast einladen soll?

Ich gehe wieder auf die südliche Seite, entdeckt auch einen Wegweiser, aber bin schon an der nächsten Kreuzung unsicher. Eine Frau ist auf der Terrasse eines chicen Studios mit Bewässern der Pflanzen zugange, ich frage sie, ob das der Weg nach Roukounas sei. Entgeistert guckt sie mich an: nein, da wäre kein Weg. Ich hätte wissen müssen, dass sie die falschen Adressatin meiner Frage ist, denn zwei Fehlwege und einige Höhenmeter später merke ich: der richtige Weg führt genau dort vorbei wo ich sie gefragt habe. Auf steilen und von den letzten Regenfällen teils weggespülten Naturstufen geht es im Zickzack hinab ins enge und schattige Tal. Ich werfe einen letzten Blick auf die Häuser von Ioulis hoch über mir ehe ich in das verwunschene Schattental eindringe. Olivenbäume, Walloneneichen und spärliche Felder auf den sich auflösenden Terrassen, solide Steinmauern entlang des Weges, der nun vage oberhalb des Bachbettes nach Nord verläuft.

Wenig später überquere ich das in einem Baumdickicht eingeschnittene trockene Bachbett, das von blauen Plastiktüten und anderem Müll verziert ist. Jenseits führen die Stufen eines Kalderimi bergauf und dann entlang des Nordhanges des Tales, es wird offener und sonniger. Schließlich bin ich genau gegenüber der Felsennase des Kastrofelsen, nur etwas tiefer. Rechts daneben die Straße von Korissia nach Ioulis. Ich hab schon vierzig Minuten gebraucht und bin enttäuscht über die nur kurze Entfernung, die ich zurückgelegt habe. Aber gut, ich habe ja Zeit und der Weg ist das Ziel.

 

Der weitere Weg führt nun am oberen Rand des Tales entlang. Die für den Herbst obligatorischen Meerzwiebeln schwanken im leichten, vom Duft von Feigenbäumen erfüllten Lufthauch. An einer moosigen Tränke scheuche ich eine Ziege mit zwei Kitzen auf, misstrauisch beäugen sie mich nach erster Flucht aus sicherer Distanz. Eine dunkle Geiß guckt aus dem Fenster eines Gebäudes aus Natursteinmauern mit bewachsenem Dach. Für einen Stall ist das Haus zu hoch. Ob hier mal ein Feriendomizil entstehen sollte? Der Blick über den Kanal von Kea auf der einen und Ioulis auf der anderen Seite wäre nicht schlecht, den genießen nun die Geißen.

 

Kurz darauf erreiche ich eine befestigte Piste und bin nun in der Siedlung Roukounas. Der Wanderplan sieht vor, dass ich nun steil wieder hinab ins Tal nach Komi steige, nach Süden und die Straße überquere, auf der anderen Seite wieder hinauf und dann oberhalb der Straße entlang. 55 Minuten bis Mylopotamos weist ein Schild aus. Ein blöder Plan, auf den ich überhaupt keine Lust habe. Richtung Westen scheint die Piste zu enden Ich könnte aber auf ihr in einem weiten Bogen nach Nordosten gehen, über Fotimari. Nach den ersten Schritten sehe ich den weiteren Wegverlauf. Der brutzelt ganz schön in der Mittagssonne. Und sieht weit aus. Also gut, dann doch hinab zur Straße, aber den Aufstieg jenseits werde ich mir sparen und auf der Straße weitergehen. Und erst mal eine kleine Rast auf einer Mauer, das Wandern macht durstig.

Wieder steil hinab, die paar Häuser an der Straße müssen wohl Komi sein. Nach etwa einer Stunde zwanzig Minuten ab dem Kastro erreiche ich die Hauptstraße, die hier tief im Tal verläuft. Ein nach Abkürzung aussehen der Abzweig erweist sich als Sackgasse, die an einem LKW-Schrottplatz endet.

 

Das Wandern auf der warmen Straße ist jetzt auch nicht so schön, aber leider sind die Autofahrer auf Kea nicht mitnahmefreudig. Oder nehmen lieber Abstand davon, eine offenbar gestörte, da zu Fuß unterwegs und daher verschwitzte Gestalt mitzunehmen.

 

Um Viertel vor drei stelle ich beglückt fest, dass das Café in Milopotamos geöffnet hat (im Gegensatz zum kleinen Folklore-Museum). Ein eisgekühltes Cola und ein Toast können meine Lebensgeister wieder soweit herstellen, dass ich das letzte Stück meines heutigen Wanderweges in Angriff nehme, zwei Kilometer auf der Straße bis zu unserem Quartier in Korissia.

 

Verwundert betrachte ich die Ansammlung von gleichen zweistöckigen Häusern, die vor dem Ortseingang von Korissia auf ihre Fertigstellung harren und schon wieder im Auflösungszustand scheinen. Ferienhäuser in dieser Lage? Oder sozialer Wohnungsbau? Ich werde es nicht erfahren. Daneben ein Gelände mit großem Pool, Parkplätzen und Veranstaltungssaal. Eine Event-Location für heiratswütige Festlandsgriechen vermutlich. Ob das nur coronabedingt so verlassen aussieht, oder ob hier die Pläne (mal wieder) nicht die Wirklichkeit getroffen haben? Auch diese Frage bleibt offen.

Vor mir ragt nun der 45 Meter hohe Schlot der alten Emaille-Fabrik empor. Sie war von 1927 bis 1957 in Betrieb und die einzige Griechenlands, hier wurde Geschirr und später, ab 1936 auch Geschütze für die Kriegsindustrie hergestellt. Mit bis zu 300 Beschäftigten - viele davon 1927 Flüchtlinge aus Kleinasien - war sie von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Insel, die im Vortourismuszeitalter rein landwirtschaftlich geprägt war. Der wirtschaftliche Niedergang nach dem Tod des späteren Eigners Athanasios Konstas ging denn auch mit einer Auswanderungswelle einher.

 

1991 wurden die Gebäude unter Schutz gestellt, ein 2002 gegründeter Verein früherer Arbeiter versucht nun, die Fabrikgebäude, die eine beträchtliche Fläche einnehmen, in ein Industriemuseum umzuwandeln. Sie haben ausgediente Geräte gesammelt und teilweise in Attika zurückgekauft. Eine Herkulesaufgabe, und die Bemühungen scheinen zu stocken. Schade, ich könnte mir das sehr interessant vorstellen, ähnlich wieder das Ziegelmuseum in Volos.

Das Gelände ist gut abgesperrt, so dass mein Versuch, mich irgendwie zu nähern, scheitert.

 

Etwas weiter drinnen in Korissia stehen allerdings, abseits der Fabrik, einige Gerätschaften und Loren unter freiem Himmel, sie umringen die Büste des Tabakhändlers und Firmengründers Ioannis Gleoudis.

Es ist kurz vor 16 Uhr, als ich unser Haus am Hafen erreiche. Die kurze Wanderung hat sich doch etwas ausgewachsen und ich bin ziemlich k.o.. Schließlich stecken mir auch die Treppen von Ioulis in den Knochen.

Nach einem Bad im Meer und einer Pause bin ich aber so weit regeneriert, dass ich mich zum Ticketkauf - morgen um 19 Uhr nach Lavrio - und einem Bummel zur Kirche über dem Hafen in der Lage sehe. Das Ticket mit der "Marmari Express" kostet preiswerte elf Euro fünfzig, und dazu gibt es wieder das unvermeidliche Covid-Selbstauskunftsformular.

Dann steige ich an der Treppe hinter dem Hafen zum Friedhof hinauf. Von der Friedhofsterrasse hat man einen hervorragenden Blick über die Bucht von Agios Nikolaos und hinüber zum Leuchtturm. Und hinunter zu einem Grab der besonderen Art: dem Wrack der eingangs meiner Kea-Texte erwähnten "Dorduncu", das immer tiefer ins Wasser rutscht. Im Frühjahr 2021 ist wohl nichts mehr davon zu sehen. Daneben liegt ein ELIN-Tanker am Anleger, der Kea mit Benzin und Öl versorgt. Aber hier ist schon feierabendliche Ruhe eingekehrt.

Der Friedhof ist gepflegter als ich ihn von vor 15 Jahren in Erinnerung habe. Auch hier hat es die mehrstöckigen Gräber, vermutlich für die exhumierten Gebeine. Normalerweise befinden diese sich im Inneren eines Beinhauses, interessant, dass die marmorne Varianten hier extern stehen. Interessant auch, wie sehr sich Friedhöfe von Insel zu Insel unterscheiden, was nicht zuletzt dem Platzangebot geschuldet sein dürfte.

Die flankierende Kapelle, die die Ortsansicht von Korissia prägt, ist verschlossen. Direkt daneben schließt die Taverne "To Steki tou Stroggyli" mit Tischen auf einer Terrasse über der Paralia an. Eine Option für das Abendessen wenn Theo die flachen und langenStufen bewältigt, die ich vorsichtshalber zähle. Gut zwanzig Stück - sollte zu bewältigen sein.

Um 19 Uhr kommt wieder die "Marmari Express" und entlädt eine große Mengen Menschen und Autos auf Kea. Es ist Freitag und viele Festlandgriechen entfliehen Attika übers Wochenende. In den virengeschwängerten Zeiten und angesichts der deutlich höheren Infektionszahlen in Attika sowie der doch eher nachlässigen Haltung zu Maskenpflicht hier betrachte ich das mit Bauchgrummeln.

 

Theo sieht sich den Treppenstufen gewachsen und nehmen wir das Abendessen im "To Steki tou Stroggyli" ein. Die griechische Küche sind wir inzwischen ziemlich leid, aber Pasta ist international. Ich nehme sie mit Huhn in Weinsauce während Theo sich an Muscheln in Cognacsauce probiert. Ihm schmeckt vor allem die Sauce (Muschen haben eh kaum Geschmack. Oder nur wenn sie schlecht sind), meine Pastaportion ist umfangreich und nicht vollständig zu bewältigen. Geschmacklich solide ohne besonderen Höhenflug. Preis mit 30 Euro im Rahmen. Einen Metaxa zur Abrundung des Menus kann das Lokal zu Theos Erstaunen nicht liefern. Cognacsauce aus echtem Cognac - wie altmodisch ....

Eine Gottesanbeterin leistet uns von der Mauer aus Gesellschaft beim Dinner.

 

Mein letzter Inselabend. Ich gerate in leicht melancholische Stimmung. Aber was bin ich froh, dass ich den Herbst-Urlaub gewagt habe!

 

*

 

Theos Rückflug geht erst am Dienstag, und so hat er beschlossen, seinen Kea-Urlaub bis Montag zu verlängern. Das kommt mir zugute, denn ich kann so noch fast den ganzen Samstag auf das Quartier zurückgreifen.

Zum letzten Mal das üppige Frühstück auf der Terrasse. Den umfangreichen Obstkorb haben wir fast vollständig vernichtet. Es ist schwül warm heute und schon nach einem kurzen Einkaufsbummel - eigentlich wollte ich mal bei der Red Tractor Farm vorbeigucken - bin ich reif für die Dusche. Die Wärme steht auf den Straßen und ich vergieße unnütze Schweißtropfen bei der Suche nach der Farm. Bis ich den Abzweig schließlich hinter den Porto Kea Suites finde, aber keine Lust mehr habe. Noch weniger darauf, rund um die Bucht bis zum Leuchtturm zu wandern. Lieber ein (teures) Eis aus dem nahem Eis-Café während ich versuche, mich im Schatten unserer Loggia wieder abzukühlen.

 

Später bade ich am Strand, ganz im Osten bei der Kapelle. Heute am Samstag findet hier richtiges Badeleben statt. Ich beobachte die beiden Mädchen, die im flachen Wasser plantschen, das kleine mit Schwimmflügeln. Nett-.

Zurück im Quartier, meinen Krempel zusammenpacken. Wie man sich ausbreitet wenn man ein ganzes Haus zur Verfügung hat.

Ein hupender Hochzeitszug fährt vorbei. Ein zweiter wird folgen während wir zum späten Mittagessen im "Faros" sitzen. Ich gönne mir eine Choriatiki Salata, Theo fünf gebratene Barbounia, die seinen vollen Gefallen finden. Da bekommt die schnorrend-schnurrende Katze unterm Tisch nur Gräten ab.

Zum ersten Mal in diesem Urlaub gönne ich mir eine faule Siesta. Noch ein Hochzeitszug fährt vorbei. Theo wird berichten, dass am Sonntagabend die Fähre knallvoll belegt gen Attika abfahren wird.

 

Auch die Yachtdichte nimmt am Abend nicht unbeträchtlich zu. Alle wollen zum Wochenende nach Kea. Auch meine Fähre kommt gut gefüllt an, legt aber um 19 Uhr mäßig belegt ab, das Abstandhalten kein Problem. Ich bleibe auf Deck während Kea und Makronisos im Dunkel der einbrechenden Nacht verschwinden und nur noch funkelnden Lichter die Lage markieren. Im letzten Tageslicht sehe ich verzaubert einen Delphin im Bugwasser der Fähre springen. Einmal, zweimal, dreimal. Wie schön!

 

Um Viertel nach acht läuft die "Marmari Express" in Lavrio ein.

Wie klein sich die "Makedon" zwischen den dort liegenden Blue-Star-Fähren ausmacht.

Ich hatte lange überlegt, ob ich mir wegen des frühen Rückfluges um 8.20 Uhr eine überteuerte Nacht (ab 150 Euro) im Sofitel am Flughafen gönnen sollte, habe aber dann auf Theos Empfehlung gehört und steuere nun das Hotel "Nikolokakis" an. In seiner aufdringlichen neonblauen Beleuchtung kann ich es schon vor der Fähre aus ausmachen. Praktisch, so ein Leuchtturm. Über den riesigen und leeren Parkplatz am Fährhafen ziehe ich Richtung Innenstadt. Ich habe nicht reserviert, bekomme aber problemlos ein Zimmer für 50 Euro die Nacht. Der Portier ist sehr freundlich und bestellt mir gleich ein Taxi für den nächsten Morgen um Viertel vor sechs zum Flughafen. Nachdem er meine Temperatur gemessen und mich eingecheckt hat. Alles gut. Die Hotelrezeption liegt sinnigerweise am Ende einer Treppe ohne Aufzug, aber weiter in die Höhe ist ein Lift vorhanden.

Mein Zimmer geht zum Innenhof, ist groß und hat sogar eine Küchenzeile. Das Bad ist nicht so klein wie befürchtet, nur das Waschbecken ist eine veritable Fehlkonstruktion - nur ein schmales Gästewaschbecken, über das man sich aber wegen des darüber angebrachten Hängeschränkchens nicht beugen kann. Der Hotelbesitzer hatte vorher ein Geschäft mit Sanitärkeramik , vermutlich ein Restposten. Egal, für eine Nacht tut es da.

 

Ein bißchen Hunger habe ich noch, und vor allem Durst. Nur fünfzig Meter von meinem Hotel beginnt das Nachtleben von Lavrio. Und das ist derart viel los wie ich es jetzt zwei Wochen nicht erlebt habe. Eigentlich unterliegt Lavrio, da es zu Attika gehört, bereits der Maskenpflicht auch im Außenbereich, zumindest wenn kein Abstand eingehalten werden kann. Aber hier werden die Abstandsregeln in großem Maße missachtet, und Maske trägt auch niemand. Nicht auf der Platia Iroon und nicht an der Paralia der Marina. Die Lokale sind gesteckt voll mit Menschen allen Alters. Und ich hatte Lavrio bisher für einen öden Ort mit noch öderem Fährhafen gehalten. Letztes mag stimmen, ersteres definitiv nicht.

 

Die Menschenmassen überfordern mich total, ich kann mich für kein Lokal entscheiden, zumal in den meisten - so freie Plätze vorhanden - vehement Fisch angeboten wird, und danach steht mir den Sinn nun gar nicht. Ich lande schließlich im Schnellimbiss von Evererst bei köstlich knuspriger Pizza und Bier (Wein gibt es dort nicht). Und bin um halb elf in den Federn - der Wecker wird morgen schon um Viertel nach fünf klingeln.

 

Nach mäßig durchschlafener Nacht bin ich auch ohne Wecker schon um fünf wach, werde weniger später aber offiziell von der Portierin mit der Klingel geweckt. Sie gibt mir auch noch ein Päckchen mit Rührkuchen als Frühstück mit. Und pünktlich holt mich das Taxi ab.

In einer halben Stunde fahren wir durch die nächtlich-leeren Straßen zum Flughafen Eleftherios Venizelos. Wie vorher vereinbart bezahle ich 35 Euro Festpreis für die Taxifahrt und bin mit Theos Tipp sehr zufrieden.

 

Am Flughafen Athen merkt man wenig von Corona - es ist fast so viel so wie immer. Einchecken und Co. verlaufen reibungslos, pünktlich hebt der Flieger um 8.20 Uhr ab. Ich sitze in der letzten Reihe, ohne Sitznachbar. Auch gut. So wie der schöne Flug mit Adriablick.

 

Wann werde ich wieder nach Griechenland reisen können? Anfang Oktober ahne ich noch nichts von der zweiten und dritten Welle, die über Europa zusammenschlagen werden. Der Januarurlaub in Griechenland wird ausfallen, und wie es im Frühjahr oder Frühsommer 2021 aussieht, ist auch noch offen.

 

Umso glücklicher bin ich im Rückblick über die schönen kykladischen Herbsttage.

Alles richtig gemacht.