Wanderung zur Kapelle Agios Konstantinos

 

Nach dem Frühstück (Brot gibt es im Mini-Markt) sind wir um halb elf unterwegs zur Tour 37 (36 der Neuauflage) aus Dieter Grafs Wanderführer "Samos, Patmos, nördlicher Dodekanes". Dazu geht es auf Telendos die Küste entlang nach Norden und Westen, und dann steil hinauf zur Kapelle Agios Konstantinos. 6,5 Kilometer, 170 Höhenmeter, mittelschwer.

 

Die Liegen am Paradise Beach sind schon belegt, dahinter wird der Weg, der über einen hohen Felsenkamm führt, schmal und lose, an einigen Stellen muss man sogar etwas klettern. Das mag den Freikletteren gefallen (so sie nicht direkt ein Boot zu den Kletterfelsen nehmen), der Mutter gefällt es gar nicht, sie fühlt sich nicht trittsicher und beschließt nach zehn Minuten, umzukehren. Ich bringe sie bis zur Stelle oberhalb des Paradise Beach zurück, und gehe dann alleine weiter. Natürlich wäre der Weg nur kurz darauf viel besser geworden, mit dem Knick nach Westen nach Überwindung der Felsen führt er auf einer Höhe und als ordentliches Monopati oberhalb der Küste entlang. Der Blick hinüber auf Nordkalymnos jenseits der Bucht von Arginontas ist nicht schlecht, und später sieht man auch Emborios hinter seiner Bucht liegen. Da wollen wir morgen hin.

 

Den Verlauf des weiteren Weges kann man gut verfolgen, bis zu einem weiteren mächtigen Felsenkamm. Auf einer seiner Kuppen leuchtet weiß die Kapelle Agios Konstantinos, mein heutiges Ziel. Hmm, das sollte machbar sein.

Fünf Viertelstunden nachdem wir im Ort weg sind, stehe ich dann an der Kreuzung unterhalb des "Miltiadis" genannten Kletterfelsen. Geradeaus geht es zu weiteren Kletterfelsen, und aufwärts zur Kapelle. Ziemlich aufwärts, aber der Weg ist zu Beginn gut zu erkennen. Frohgemut nehme ich ihn unter die Füße. Und merke dann schnell: mit "mühsam und aufwärts" (wie es Dieter Graf schreibt) ist dieser Weg völlig unzureichend beschrieben: "lose und gefährlich" trifft es besser, außerdem "steil". Ich bin froh, dass ich mir einen Wanderstock zugelegt habe, der hilft hier sehr, und mir graut vor dem Abstieg. Trotzdem will ich natürlich hinauf. Der Weg ist immerhin halbwegs markiert, gelegentlich helfen Steinmännchen. Trotzdem garstig, und spätesten bei der Hälfte bereue ich auch, dass ich hinauf bin (ich hab leider einen ziemlich blühenden Phantasie, die sich jetzt ausmalt wie ich hier abstürze und die Mutter im Quartier vergeblich auf mich wartet). Es ist auch weit und breit kein anderer Mensch da, obwohl ich vorhin zwei unten auf dem Weg hab kommen sehen. Und ich schwöre mir, dass ich den Wanderführer zuhause verbrennen werde.

 

Wie lange ich hinauf brauchen, kann ich schlecht abschätzen: es wird so eine Viertelstunde sein als ich die Kapelle wieder nah über mir sehe, die vorher aus dem Gesichtsfeld verschwunden war. Da sehe ich schon einige Mauern und Ruinen eines verlassenen Dorfes. Die Kapelle, die nur aus der stehengebliebenen Apsis einer einst großen Kirche besteht, ist das einzige "ganze" Gebäude hier oben. Weißgetüncht, mit einem im Wind flatterenden Fragment einer Griechenland-Flagge, und einem blauen Glöckchen daneben.

Aber das Beste ist die Aussicht: hinüber nach dem felsengrauen Kalymnos jenseits des blauen Meerarmes, hinauf zu den Steilwänden des Rachi, die oben in einem Plateau münden (es soll da einen Weg hinauf geben, aber ich verzichte dankend. Dito auf einen, der in meiner Terrain-Karte eingezeichnet ist und auf der Höhe Richtung Telendos-Ort führt (das man von hier aus nicht sieht, da es hinter dem Berg liegt). Der Weg ist Teil des nagelneuen Kalymnos-Trails, einer hundert Kilometer langen Rundtour über Kalymnos und Telendos. Nein, nicht für Kletterer, sondern explizit für Wanderer. Aber für ziemlich ambitionierte. Der Routenverlauf ist in meiner Terrain-Karte eingezeichnet, und ein Buch gibt es auch dazu. Nach meinen Wandertagen hier muss ich sagen; wer nach Kalymnos kommt, muss Steine lieben. Ich mag ja karge Inseln, aber Kalymnos ist sogar mir zu heftig.

Die Rast habe ich mir redlich verdient, und wenn ich nicht so Schiss vor dem Abstieg hätte, könnte ich sie ganz entspannt genießen. Der Wind bläst mächtig, die Stimmung ist wegen der Verlassenheit irgendwie unheimlich. Schnell ein Telefonat und eine Gipfel-SMS (ok, ist nur ein halber Gipfel, fühlt sich aber wie ein ganzer an).

Die Türe zur halbrunden Konstantinos-Kapelle ist offen, ich kann eine Kerze anzünden, auch für einen gesunden Rückweg. Es gibt einige Freskenreste an der Decke. Das muss hier ja mal ein ganzes Dorf gewesen sein, mit einer richtig großen Kirche, damals in byzantinischer Zeit, als man es noch nicht wagen konnte, direkt am Wasser zu wohnen. Ja, hier kamen Piraten nur schwer herauf, das kann ich bestätigen.

Nach einer halben Stunde mache ich mich, sehr vorsichtig, an den Abstieg. Es ist dann, dank des Stockes, nicht so schlimm wie befürchtet, aber ich bin froh, als ich nach zwanzig Minuten heil unten bin. Auf dem ebenen Weg geht es gemütlich zurück (den Abstecher zu "Eros" spare ich mir, weil Dieter Graf schreibt, er wäre schwierig zu gehen. Wenn der das schon sagt....), ich scheu immerhin ein paar Ziegen auf, die Gegend ist also nicht völlig verlassen. Und ein Boot fährt vorbei, es bringt Kletterer zum Anleger weiter westlich.


Ich hab ja keine Badeklamotten vorbei, aber am Paradise Beach ist das kein Hinderungsgrund - im Gegenteil. Und so hüpfe ich noch für eine schnelle Abkühlung ins Meer. Herrlich. Am Wasser hat es Kies mit etwas Sand, dazwischen große Felsenbrocken. Wenig Platz zu liegen - kein üppiger Strand. Das "Paradies" bezieht sich mehr auf die Bekleidung. :-)

Um zwei Uhr bin ich dann wieder in unserem Quartier. Ein Spaziergang war das nicht.

Zum Mittagessen gehen wir nochmals nach Norden, aber nur bis zum Potha-Strand, wo es gleich zwei Tavernen gibt: "On the Rocks" und "Plaka". Wir essen im zweiten Makaronia me kima und griechischen Salat, dazu ein schöner Weißwein (17 Euro). Auf der weitläufigen Terrasse sitzt es sich sehr nett, der Wind sorgt im Schatten aber schon für leichtes Frösteln.

Telendos finden wir so relaxt wie kaum eine andere griechische Insel.

Vor dem Sonnenuntergang breche ich noch zu einer Fotorunde auf. Ich rede mit Panormitis, der vor seinem Laden sitzt, und schwärme vom Sonnenuntergang gestern am Chochlaka-Strand. Er meint, es gäbe noch einen besseren Platz: die kleine Kapelle Agios Georgios etwas weiter westlich des Strandes, die sein Sohn erst renoviert habe (ich vermute, sein Sohn ist Giorgos vom "On the Rocks"). Gut, da gehe ich jetzt hin. Aus dem Ort heraus Richtung Süden, wo ein freundlicher Esel steht, dann beim Friedhof durch ein Stück Wald hinauf auf eine kleine Erhöhung. Ein Schild weist auf eine frühchristliche Nekropole hin, drei tonnengewölbte kleine Gebäude und ein Steinbogen stehen auch da. Südlich sehe ich eine Strandbucht mit einem einzelnen Baum liegen, sieht gar nicht schlecht aus.

Ich folge aber dem Weg nach Westen, und bin genau richtig: ein Metallkreuz mit Glocke zeigt die Kapelle an, die unterhalb des Felsens an der Steinküste liegt, über eine lange, steinerne Treppe zu erreichen. Sehr gepflegt und wunderschön die kleine Anlage, die Stufen in Weiß abgesetzt. Eine griechische und eine Kirchenflagge wehen im Wind, alles in das warme Abendlicht getaucht. Sogar ein paar Pälmchen hat man gepflanzt und zum Schutz eingezäunt.

Die kleine Kapelle ist geöffnet, an einer Stange hängen Votivtäfelchen, und ein kleiner Schwamm. Möge der schwammtauchende Gatte heil zurückkommen!

Ein genialer Platz um den Sonnenuntergang auf der Wärme der Steine zu genießen (und erneut in einem Fotorausch zu versinken). Ich bedanke mich bei Panormitis auf dem Rückweg, der mir doch empfiehlt, bei unserem morgigen Kalymnos-Rundfahrt in dem Meeresmuseum in Vlichadia vorbeizuschauen. Gut, hatte ich nicht auf dem Plan, aber der Abstecher klingt interessant.

Zum Abend essen sind wir bei "Zorbas" - Chtapodia-Keftedes und Souflaki. Auch gut, und ein paar Katzenkinder spielen sehr niedlich miteinander unter und um die Windschutz-Jalousie. Sagte ich schon, dass Telendos die absolute Insel-Idylle ist?

 

Morgen werden wir dann auf die große Insel übersetzen und uns ein Auto mieten.