Diafani - Olymbos und retour

 

Heute ist es heiß und drückend. Schon beim Frühstück auf der Terrasse kommen wir ins Schwitzen, ziehen an den nächsten Tagen den Innenraum vor. Das polnische Zimmermädchen kümmert sich bei Nikos um die Frühstücksgäste – ich glaube, es gibt in ganz Griechenland keine griechischen Zimmermädchen mehr.

 

Danach Bummel durch Diafani: Einkaufen, Gucken, Busfahrzeiten erkunden. In Nikos Reisebüro den Ausweis abgeben. Ich frage ihn gleich, ob er in den nächsten Tagen nach Tristomo oder Vourgounda fährt. Nächste Woche vielleicht, kommt auf das Wetter an. Heute muss er nach Saria, mit der Gruppe, und morgen fährt er zum Strand von Foroklí, mit Barbecue. Da könnten wir mit. Die Fahrt 8 Euro, das BBQ 10 Euro pro Person. Das klingt gut und wir sagen gleich zu.

Die Tante hatte nicht glauben wollen, dass hier in Karpathos’ Norden viele Frauen tatsächlich noch in Tracht herumlaufen. Die diesbezügliche Wette hat sie verloren: Man muss nicht nach Olymbos hinauf, schon in Diafani sehen wir die schöne, weiß-schwarze Tracht überall. Genauer: das weiße Kleid mit dem schwarzen Überkleid, je nach Temperatur. Und natürlich die Kopftücher dazu, die um den Kopf geschlungen und vorne gebunden werden. Zur Ergänzung eine bunte Schürze und die handgefertigten Stiefel. Und ich traue mich wieder nicht so recht, zu fotografieren.

 

Dann kommt das Ausflugsschiff aus Pigadia, die „Chrisovalandou III“. Es legt vorne am Ort an, zwei Busse stehen schon bereit um die Leute nach Olymbos zu bringen. Die Passagiere kommen vom Boot, das hat schon etwas von einer Invasion. Aber es ist lebensnotwendig für die Dörfer im Norden. Dann kommt das zweite Boot, es legt draußen am Anleger an. Zu wenig Busse um alle auf einmal noch oben zu bringen, manche müssen warten. Wir kaufen ein im einzigen Lebensmittelladen, den wir sehen. Schnell hat die Besitzerin noch einige typisch olymbitische Souvenirs hinausgestellt (Am nächsten Tag kommt kein Schiff, da macht sie sich die Mühe nicht mehr), aber wir kaufen nur Orangen, Ouzo, Kleinkram.

Wir fliehen vor Hitze und Menschen in die Kirche "Zoodochou Pigi". Die ist nicht alt, aber im byzantinischen Stil komplett und liebevoll ausgemalt. Wir betrachten die Wandmalereien ausgiebig. Außer uns trauen sich nur wenig Touristen in die Kirche. Der berühmte Papa Minas ist leider nicht da und wir sehen ihn auch die nächsten Tage nicht, schade!

 

Den Busfahrplan weist 3 tägliche Busverbindungen zwischen Olymbos und Diafani aus – neben den Touristenbussen. Um 7 Uhr, um 14 Uhr und um 16.30 Uhr soll der Bus von Olymbos nach Diafani fahren, und jeweils eine halbe Stunde später wieder zurück. Ob man sich darauf verlassen kann? Wir werden es am Nachmittag gleich ausprobieren und um 14.30 Uhr nach Olymbos fahren, dort ein wenig Bummeln, die Quartierfrage für den Aufenthalt dort klären und wieder hinunterwandern. Antizyklisch sozusagen, denn die Tagesausflügler müssen dann ja schon wieder hinunter wenn wir oben ankommen.

 

Eine kleine Stärkung im „Gorgona“ vorher, und die spielenden Kinder beobachten: Es muss eine ganze Ladung Kinderfahrräder hier angekommen sein, gab es zu Ostern bei Lidl auf Rhodos ein Sonderangebot? Die Kleinen fahren mit Begeisterung darauf auf der Uferstraße entlang. Nur mit dem Bremsen, das klappt noch nicht so ganz. Da muss auch mal der Periptero dafür herhalten, oder eine Straßenlaterne.

 

Der Bus kommt tatsächlich um kurz vor halb drei Uhr, wir steigen ein. Scheint ja doch zu klappen mit der Busverbindung, prima! Außer uns möchte nur ein kleines Mädchen noch hinauf. Die Straße schlängelt sich in Serpentinen aufwärts, kurz nach dem Bergrücken kommt dann Olymbos in Sicht. Thronend wie das himmlische Jerusalem, sehr eindrucksvoll. 7 oder 8 Kilometer dürfte die Strecke lang sein. Den Fahrpreis von einem Euro zahlen wir dann oben und fragen den Busfahrer, ob er auch samstags fährt. Ja, das würde er. Gut, denn am Samstag wollen wir hinauf nach Olymbos umziehen. Aber das ist dann schon wieder eine neue Geschichte.

Wir gehen hinein in den Ort, hier hat sich in den 6 Jahren seit unserem letzten Besuch nicht viel verändert. Nein, stimmt nicht: ab der Biegung unterhalb der Nikolaos-Kapelle sind die ganzen Straßen aufgerissen! Na, das wird ein Spaß geben wenn wir uns Gepäck am Samstag die ganze Strecke tragen und dabei noch über die Baugruben hüpfen müssen! Man hat wohl – nicht zum ersten, aber hoffentlich zum letzten Mal – neue Leitungen verlegt. Bis hinein zur Platia gehen die Gräben, dort steht die Betonmischmaschine, wird heftig gearbeitet.  Lärm, Dreck und schwer begehbare Wege – nicht gut für den Tourismus!

 

Noch aber sind wir an der zweiten Kehre, wo die Kräuterhändlerin ihren Stand hat. Die Tagesausflügler sind weg, da stürzt man sich auf die verbliebenen möglichen Kunden. Wenigstens darf ich hier ungeniert ein Foto von ihr in Tracht machen, und bei dem Verkäufer (ihrem Sohn?) stößt wieder einmal mein In-Greece-Button auf Interesse. Und meine bunte Tasche, gekauft in Nürnberg und „Made in India“. Warum? Weil fast die gleichen Taschen hier auch verkauft werden, natürlich in Griechenland hergestellt, wenn schon nicht auf Karpathos.... man sollte auch hier nicht unbedingt alles glauben, was einem die geschäftstüchtigen Verkäuferinnen erzählen.

 

In den Ort hinein: überall noch die gleichen Tavernen und Souvenirläden. Kurz vor der Platia stoßen wir auf Rigopoula, unserer Zimmervermieterin vor 6 Jahren. Sie betreibt immer noch einen Souvenirladen und quatscht uns sofort an, will uns etwas verkaufen. Irgendwann merkt sie, dass sie uns kennt (und es scheint keine Verkaufsmasche zu sein, die begegnet uns aber sonst auch häufig), und ich frage sie nach Ihrem Haus, das sie vermietet. Da haben wir schön gewohnt vor Jahren, allerdings nur zu zweit, nun sind wir zu dritt. Ja, natürlich, das wäre kein Problem, sie würde ein zusätzliche Bett hineinstellen, alles bestens. Sie gibt uns den Schlüssel, wir können es uns ansehen. Wir finden das Haus schnell wieder, auf zwei Stockwerken, unten die Küche, oben ein Doppelbett und das Bad. Ein kleiner Balkon davor. Leider ist oben nicht wirklich Platz für das dritte Bett, und unten ist es ein wenig gruftig, dafür aber angenehm kühl. Doch wir werden das Haus nehmen, die 3 Nächte für 100 Euro. Rigopoula verspricht, alles bis Samstag zu richten, wir wollen am Nachmittag mit dem Bus kommen.

 

Weiter streifen wir durch die Gassen. Manch ein Haus ist dazugekommen, oder renoviert worden. Der neue Trend geht zu mehr Farbe, naiven Darstellungen aus der Mythologie an Häuserfassaden. Mmh, Geschmacksache. Unterhalb der Windmühlen wurde und wird gebaut. Wir werden noch ausgiebig Zeit haben, uns den Ort anzusehen. So gönnen uns einen griechischen Kaffee im „Zefiros“. Die Preise sind hier deutlich höher als auf Kasos – keine Wunder, hier gibt es ja auch Touristen, um nicht zu sagen: hier muss man von ihnen leben.

Dann geht es hinunter ins das Tal, an der Taverne „Mylos“ (schon wieder!) vorbei. Unten im Tal und den Hängen darüber sind die Gärten von Olymbos. Wir wenden uns aber auf die andere Seite, an blühenden Oleandern und einer hübsch neu gefassten Quelle vorbei, im Flussbett und parallel dazu, nun aufwärts. Schön, der Blick zurück nach Olymbos! Und die blühenden Artischocken am Wegrand!

 

Weiter oben muss man dann aus dem Tal hinaus und auf der Straße weiter, sonst kommt man zur Kapelle Agios Konstantinos, die weithin auf dem Bergrücken sichtbar ist, und Avlona. Über die weitere Route sind unsere beiden Reiseführer unterschiedlicher Meinung: Graf (Dieter: „Rhodos, Karpathos, Kos: Südlicher Dodekanes.“ 2004, Edition Graf) will in der ersten engen Linkskurve nach der Höhe steil über losen Schutt und Gestein hinunter – da sehen wir keinen Weg, Schnapsidee, das, Graf liebt es wohl etwas wilder! Schwabs (Antje und Gunther: Karpathos. 2007, Michael Müller Verlag) sind schon vorher von der Straße weg, nehmen einen kleinen Umweg und gehen dann fast in der Falllinie des Tals hinunter, den Weg kann man gut sehen. Das sieht definitiv besser aus, nur der Einstieg ist auch hier reichlich lose. Dann aber ein wunderbarer Weg durch das Tal, im Schatten sind wir am späten Nachmittag sowieso, aber etliche Kiefern säumen den Wege, es riecht angenehm nach heißem Wald, Harz und Nadeln.

 

Kurz vor Diafani die Reste einer Mühle. Sieht eher wie eine Fabrik aus, mit einem kaminartigen Aufbau, der aber der Zuleitung des Wassers diente. Was nun wieder Graf weiß. Am besten, man hat beide Führer dabei. Schließlich stoßen wir auf die Straße, nach einigen Metern frisch mit einem großen Haufen leerer Farbkanister verziert, Müllentsorgung auf Griechisch. Die Straße ist immer noch im Flussbett, im Oktober 1994 schwoll hier nach tagelangem Regen und einem besonders heftigen Wolkenbruch der Fluss derart an, dass er unten im Dorf mehrere Meter hoch die Häuser, die am oder im Flussbett gebaut waren, überschwemmte, das Inventar davon riss. Man hat aber wieder so nahe am Flussbett gebaut.

 

Dann erreichen wir Diafani. An einem Hang sind zwei Bagger halsbrecherisch an der Arbeit, das Grundstück zum Bebauen herzurichten. Ein Mann steht auf dem losen Geröll, stößt Felsbrocken und Schutt hinunter. Wir bekommen schon vom Zusehen Angst! Sicher nicht billig, hier zu bauen. Und so weit hinten auch nicht übermäßig attraktiv. Aber das Grundstück gehört der Familie, also muss es eben hier sein.

Heute wollen wir in der Nachbarschaft essen gehen, in der Taverne direkt neben Nikos’ Hotel, dem „Dolphins“. Ich gehe nochmals zu Nikos’ Reisebüro um wegen der Kaikifahrt morgen nachzufragen. Nikos erzählt uns dann, dass er für heute Abend für die (allmählich mysteriöse) Gruppe Live-Musik organisiert hat, in der Taverne „Corali“. Der Wirt würde Lyra spielen, wir sollen vorbeikommen. Das interessiert mich, und ich verspreche, nach dem Essen mal unten vorbeizuschauen.

 

Im „Dolphins“ ist das Essen auch sehr zu empfehlen, die Portionen reichlich, der Raki geht aufs Haus, und ebenso Loukoumades und Pflaumen, frisch vom Baum (an dem ich mir vorher schon eine geklaut hatte).

 

Als wir die Straße hinuntergehen zur Uferpromenade und dem „Corali“, kommen uns die ersten Leute aus der Gruppe entgegen – unüberhörbar Schweizer. Die Musik wird doch nicht schon zu Ende sein?

Nein, wenig später hören wir Lyratöne. Auf der Terrasse der „Corali“ sitzen zwei Musiker, mit Lyra und Laouto, und 15, 20 Leute drum herum. Getanzt wird auch, es ist der „Hassaposervikos“, den auch Anfänger schnell mittanzen können. Wir wollen noch Distanz halten, aber Nikos hat uns gesehen, winkt uns her, nötig uns zum Sitzen, wir geben nach. Haben kurze Zeit später eine Flasche Retsina vor uns stehen. Noch ein Hassaposerviko, ich tanze mit, die Gelegenheit dazu hat man in GR leider selten. Die Musik wird nun kretisch: „Astra Min Me Malonete“ – ausgerechnet eines meiner Lieblingslieder, ich schmelze dahin. Der Laotospieler ist weggegangen, der Lyraspieler spielt nun alleine, Nikos singt mit ihm im Duett, und ich bedauere, den Text nicht zu können, getanzt wird nicht mehr.

 

Michalis heißt der Lyraspieler, und irgendwann spielt er einen Malevisioti für mich, ich tanze ihn mit Nikos’ Frau, die von Kreta kommt. Einen Pentosali hinterher, da komme ich doch glatt noch ins Schwitzen. Und mit Nikos einen Chaniotikos, der mit einer mir unbekannten Variante getanzt wird. Ich frage Michalis, ob er von Kreta komme, was er verneint – er ist von Karpathos. Ob er mal Musik von Karpathos spielen könne? Das könne er schon, aber die wäre eher eintönig. Er tut es dann doch, mit einer anderen Lyra (die er selbst gebaut hat, ebenso die anderen), mit einem Bogen mit Glöckchen daran. Auch schön, aber nicht so fetzig.

 

Nun wird die Musik ruhiger, „Sto pa kai sto xanaleo“, da kann ich sogar mitsingen, das gehört (dank unserer Griechischlehrerin Katerina!) zu den fünf griechischen Liedern, deren Text ich kann. So ganz nüchtern ist nun keiner mehr, und als die Begleiterinnen bettwärts streben, muss ich mich losreißen. Michalis macht Komplimente (auf Deutsch!), die Tante kontert cool. Den pirasi.

Was ein schöner Tag.

Was ein schöner Abend!

Ich liebe Diafani!!

 

Morgen gehen wir mit Nikos auf Tour.

 

 

Einen sehr nützlichen Link zu Diafani gibt es hier