Plathiena und die Bootshaussiedlungen

Es ist eine kleine Gruppe, die am Freitag zum Paddeln geht: nur die Dänen und Rod. Es wird nach Ost-Kimolos mit Besuch in Chorio gehen, da fällt es mir leicht, auszusetzen. Paul und Elizabeth nehmen wegen Elizabeths Allergie noch einen freien Tag. Ihr Bein sieht heftig gerötet aus, da sind heute lange Hosen angesagt. Aber sie hat vom Arzt in der Krankenstation etwas verschrieben bekommen, und so ist es schon besser. So wollen sie heute nach Klima hinab, wohin sie es gestern nicht mehr geschafft haben

 

Ich möchte nochmals wandern: an den Strand von Plathiena und nach Fourkovouni. Dann weiter nach Areti und über den kleinen Profitis Ilias nach Tripiti und vielleicht noch Klima. Mal sehen.

Von Triovasalos marschiere ich auf der Straße zunächst Richtung Plaka und biege dort an der Kreuzung nach Plakes ab. Wie im Vorjahr und daher erwartet ruht das Museum für den 2. Weltkrieg an der Straße von Plaka nach Plakes noch im Winterschlaf. Ganz im Gegensatz zu der Wiese dort, die vor Blumen und Farben geradezu explodiert. Jetzt bin ich schon über zwei Wochen auf den Kykladen, der Mohn legt auf Milos offenbar Extraschichten ein.

Plakes streife ich nur randlich, ich biege gleich links auf die Straße nach Plathiena ab, deren Schleifen und Kurven ich bergab folge. Gegenüber einer Kapelle steht ein schmuckes Haus, das aber verlassen wirkt. Schade, sonst hätte ich da mal geklopft und mich für eine tolle Milos-Website bedankt und zu einem (versprochenen) Kaltgetränk eingeladen.

Bei den Ziegen, die sich daneben in einem Pferch aufhalten, kann ich mein letztes Altbrot loswerden. An der nächsten Kreuzung biege ich links ab und wandere in einem weiten Bogen hinab nach Plathiena. Zu meiner Linken ragt der erstaunlich grüne Burgberg von Plaka mit der Kapelle obenauf in die Höhe. Die Häuser auf halber Höhe sehen festungsähnlich aus.

Nach einer Dreiviertelstunde ab Plakes erreiche ich den Strand von Plathiena. Der ist wesentlich gepflegter als ich ihn in Erinnerung hatte, ein paar Badegäste verteilen sich. In der Taverne an der Straße sind Männer am Arbeiten. Ich suche zunächst Schatten, ziehe aber in die Sonne um als die sich prompt hinter Wolken versteckt. Das Meer leuchtet grün, der Gipfel der graublauen Silhouette von Antimilos ist von Wolken gekrönt. Eine tolle Stimmung.

Das Meer ist immer noch kühl, hat es hier aber immerhin auf 19 Grad geschafft.

Flach geht es weit hinein, nach zwanzig Metern kommt nochmals ein Schwelle. Danach in der Sonne trocknen und entspannen.

Um halb eins hab ich genug vom Strandleben und wandere über den Hügel hinüber nach Fourkovouni. Nur ein Katzensprung, in zehn Minuten bin ich dort.

Die malerische Fischersiedlung, ein Klima en miniature, liegt verlassen in den Mittagssonne. Ein Auto, das am Ende der Straße steht, deutet darauf hin, dass doch jemand da ist, vermutlich im ersten Haus, wo ein Fenster offen steht und gearbeitet wird. Eine Ferienwohnung? Ich sehe niemand, den ich fragen könnte.

 

Die Häuser am Ufer sind alle noch verrammelt, aber sonst ist das eine blitzsaubere Kulisse für Milos-Werbeaufnahmen. Vielleicht noch ein paar Katzen organisieren....

 

Ob man sich hier auch schon einmieten kann?

Auf dem Balkon eines der Häuschen stehen eine Flasche Wasser und eine Rolle Toilettenpapier - spartanischer Willkommensgruß für kommende Gäste? Ich finde das Studio bei einem großen privaten Zimmeranbieter. Mhh, ein frischer Farbanstrich wäre vielleicht nötig, damit die Internet-Fotos mit der Realität übereinstimmen. Zu mieten nur wochenweise, kostet im Oktober 600 Euro die Woche, alles inklusive. Ob ich mir das mal leisten will? Ein Mietfahrzeug wäre ja auch noch notwendig....

Mit der Abgeschiedenheit ist es dann doch nicht so weit her: drei junge Griechen haben die Siedlung mit ihrem Mietauto entdeckt und produzieren Selfies. Zeit für mich, weiterzuziehen.

 

Die steile Straße hinauf, dann zweigt in der Kurve ein Fußweg ab, mit dem ich eine Kurve abschneiden kann. An einer Kreuzung geht es oben nach Plaka und rechts nach Aretí. Ich wähle Areti und passiere eine verlassene, hochpreisig aussehende Ferienanlage, sie sich über den ganzen Hang hinabzieht und diskret und natursteinfarben hinter Mauern und Toren versteckt. Alles noch leer und verlassen. Wegen zwei Monaten im Jahr, in denen diese Apartments bewohnt sind, wird hier reichlich Landschaft verbaut. Ein Jammer.

So richtig werde ich mich wenig später darüber ärgern, als eine große Baustelle und ein eingezäuntes Privathaus oberhalb von Areti rücksichtslos den in der Karte eingezeichneten Fußweg zum kleinen Profitis Ilias zerstört oder versperrt haben. Milos ist nicht wirklich wanderfreundlich, da können auch die Miloterranean Geo Walks nicht drüber hinwegtäuschen, die man ja teilweise auch mit dem Auto absolvieren kann.

Zuerst besuche ich aber die nächste Fischersiedlung, das kleine Areti. Am Strand flattert eine Flagge im Wind, es ist nicht die aktuelle griechische, sondern die alte Nationalflagge (1822 bis 1970 und 1975 bis 1978): sie hat nur ein weißes Kreuz auf blauem Grund. Daneben lädt eine rote Holzbank zum Verweilen ein. Eine Einladung, die ich nicht ausschlagen kann, zumal die Bank von Tamarisken beschattet wird. Noch so ein nettes Plätzchen, das Milos da in petto hat.

 

Areti selbst scheint ein noch unentdecktes Ecklein zu sein: es präsentiert sich nicht so geschleckt wie Fourkovouni. An den Häusern blättert der Putz, ein verschlissenes Fischernetz hängt dekorativ von einem Balkon mit improvisiertem Geländer - ein weiß gestrichener Agavenstamm - herab. Oder ist das hier ein besonders raffiniert gestaltetes Design? Nett ist es auf alle Fälle auch. Bei den ausgewaschenen ufernahen Stufen muss man aber aufpassen - sie sind rutschig.

Mein Plan, von hier aus zur Kapelle des kleinen Propheten zu wandern, scheitert am unauffindbaren Weg. Die Wiesen sind hoch, sie füllen Lücken zwischen felsigem Geländer. Wenn die Wege missachtet und verbaut oder nicht gepflegt werden, verschwinden sie am Ende. Das scheint hier der Fall zu sein.

 

Ich muss also in der heißen Mittagssonne auf der Straße zurück, finde auch einen zweiten in der Karte verzeichneten Weg nicht, der wenig später nach rechts abzweigen soll, und fluche leise vor mich hin.

 

Erst bei der Kreuzung, an der ich vorhin von Fourkovouni gekommen bin, kann ich Richtung Plaka abzweigen. Zunächst ist es eine breite Piste, die zu einem Haus führt. Dort geht dann ein Fußweg weiter, der ziemlich zugewachsen ist, aber erkennbar bergauf führt, wo das Kastro und Plaka emporragen. Schwitzend erreiche ich Plaka unterhalb der Panagia Thalassitra, die dieses Jahr keinen Besuch von mir erhält. Dafür kehre ich auf einen Einkehrschwung ins Café Palaios ein, ordere Frappé und Schokoladensoufflé. Zu beidem gehört eigentlich ein Glas Wasser, das ich gut brauchen könnte, aber nicht bekomme. Ich muss es schon extra bestellen, und auch bezahlen. Fünf Euro das Soufflé, drei Euro der Frappé, 50 Cent das Wasser - nicht gerade preiswert.

Als ich vom kühlen Wind anfange zu frösteln, wird es Zeit, wieder die Sonne zu suchen. Ich bummle durch Plaka und lasse mich auf einer Bank vor der Korfiatissa-Kirche von der Sonne durchglühen so lange ich es aushalte. Tut gut!

Nun wieder in den Schatten der Gassen von Plaka, wo das sogenannte "Sand-Museum" geöffnet ist. Der Besitzer, der nicht nur Sand von Milos, den Kykladen und aus aller Herren Länder ausstellt, sondern auch selbst kleine Kunstwerke daraus herstellt und verkauft, ist freundlich und fragt nach dem Woher. Zeigt mir dann Sand aus Deutschland. Seine Kunstwerke treffen meinen Geschmack weniger, aber ein Glasplättchen mit verschiedenfarbigen Sandstreifen wechselt schließlich den Besitzer.

 

Überraschenderweise - es ist vier Uhr nachmittags - hat auch das archäologische Museum an der großen Platz am Ortseingang von Plaka geöffnet. Da werde ich dort der Venus, oder richtig: der Aphrodite von Milos einen Besuch abstatten. Beziehungsweise ihrer Kopie - das Original steht ja bekanntlich im Louvre in Paris. Die Milier hätten sie gerne zurück und äußern diesen Wunsch auch - es gibt ein Banner am Hafen, aber selbst im äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass die Franzosen sie hergeben würden, würde sie sicher nicht nach Milos dürfen, sondern müsste in einem Museum in Athen ihr Dasein fristen. Da finde ich die Kopie nicht unsympathisch, der man sich auch fast auf Augenhöhe nähern kann. Hübsch ist sie, die hellenistische Dame mit ihrem klassischen Profil.

Und als Kontrast und im Original zeigt das Museum die "Lady von Philakopi", eine Keramikstatue aus dem 14. Jahrhundert vor Christus und damit locker tausend Jahr älter als die Venus. Sieht man ihr kaum an.

 

In der aktuellen Ausstellung werden die antiken Exponate moderner Kunst gegenübergestellt. Dennoch ist der Museumsbesuch schnell absolviert.

Müde kehre ich nach Triovasalos zurück. Wo wenig später die nachmittägliche Ruhe durch die Ankunft von drei Taxis unterbrochen wird: Paddel-Neuankömmlinge. Gleich neun Dänen entsteigen den Autos, da wird wohl für eine Nacht auch die letzte Besenkammer noch als Quartier dienen müssen, denn die "alte" dänische Gruppe ist ja auch noch da. Als diese wenig später erfüllt von ihre letzten Paddeltour zurückkommen und ihre angestammten Sonnenplätze vor dem Kafenio belegt sehen, kommt es zu einem interessanten Zusammentreffen Platzhirsche versus Frischlinge. Die Frischlinge ziehen sich aber diskret zurück, sie sind ja noch eine Woche da.

 

Das Abschiedsessen der "alten" Dänen findet am Abend im "Medousa" in Mandrakia statt. Petrinela bringt uns mit dem Auto hinunter, dazu bekommen wir ein das zweite Auto geliehen und Bjarne fährt.

 

Die Abendstimmung in dem Fischerdorf (das wäre dann schon mein drittes heute) ist schön. Und auch das Essen ist gut. Die Stimmung ist trotz des nahenden Urlaubsendes glänzend und wird mit steigendem Alkoholpegel noch besser. Und dänischer. Da sitze ich nur noch dazwischen und verstehe kein Wort. Macht aber nichts, das ist auch erholsam. Werde ich spätestens am nächsten Abend feststellen, als die Konversation mit den Amerikanern Elizabeth und Paul etwas mühsam ist - mein Englisch weist doch reichlich Lücken auf.

Weil nicht alle ins Auto passen, wandern wir zu viert die Straße nach Triovasalos hoch bis Bjarne die erste Fuhre abgesetzt hat. Über uns ein wunderschönen Sternenhimmel. Ein schöner Abend ist das heute.

Und morgen ist dann auch mein letzter Paddeltag.