Am Montag sind es deutlich weniger Leute beim Frühstück, das Buffet fällt auch nicht mehr ganz so üppig aus wie gestern, aber dennoch mehr als ausreichend. Einen Käse-Schinken-Toast bekommen wir noch zusätzlich angeboten, ohne Abzüge an den anderen Fressalien wie anderswo.
Gegen zehn Uhr marschieren wir los nach Kamini, Badezeug und Proviant im Gepäck. Außer einem Eselszug ist so früh am Morgen am Küstenweg noch nichts los.
Theo sitzt beim Elleniko im „Kontylenia“, schön gelegen mit Blick auf Meer, Peloponnes und den Hafen von Kamini. Müsste man mal abends her… Aber Frühstück gab es nicht, muss er nun mit leerem Magen los.
Es ist sonnig und fast windstill. Das Meer präsentiert sich in unglaubliche Bläue. Ein paar Meter oberhalb der Küste verläuft der Weg, wir sind überrascht durch einige Getreidefelder. Ob die noch abgeerntet werden?
Nach zwanzig Minuten sehen wir das Strandörtchen Wlychos liegen. Die Sonnenschirme am Strand stehen schon, aber die Liegen sind noch nicht ausgebreitet. Ob eine Taverne offen hat?
Bevor wir den Ort erreichen passieren wir eine schmale hohe Steinbrücke. Theo hat Erfahrungen aus dem Ipirus und findet sie mangelhaft. Hmm, waren es nicht die Albanier, die im 17. und 18. Jahrhundert auf die Insel kamen, und deren Sprache, das Arvanitische, sich noch in vielen Ortsnamen erhalten hat und von einigen Einwohnern Hydras (von mir despektierlich "Hydranten" genannt) noch gesprochen wird. Die sollten doch Brücken bauen können?
Fußgänger, so vertrauen wir, wird sie schon aushalten, Autos (die Müllabfuhr…, sonst gibt es ja keine) nehmen den weiteren Weg am Tal entlang. Und dann gibt es da doch tatsächlich Wegweiser für Wanderer (in BVB-gelb-schwarz). Wir haben außerdem die Landkarte von Terrain dabei, auf die man sich verlassen kann. Hier ist aber alles noch eindeutig mit der Wegführung.
Entlang des Weges hat es nun sogar einen Weinberg! Auf dem trockenen Hydra! An Lebewesen begegnen uns nur ein Muli, das von einem neuen großen Anwesen herabguckt, und eine Schildkröte in einem Garten.
Es ist warm, aber trotzdem ist am Strand in Plakes Wlychou noch niemand beim Baden. Aber die Liegen stehen parat, und auch eine Umkleidekabine gibt es. Ist ja auch ein „Luxury Ressort“ hier! „Vier Jahreszeiten“ – ob die eine Heizung für den Winter haben? Es gibt eine „Winter Suite“, für schlappe 150 Euro am Tag, aber Ende Oktober ist finito, closed for the saison. Nix Winter also.
Schade, ich glaube, Hydra wäre ein nettes Winterziel. Besser ist es aber sicher direkt in der Stadt.
Weitere fünfundzwanzig Minuten entlang der Küste sind wir in Palamidas. Eine Handvoll Häuser und Höfe verlieren sich im Hinterland zwischen einem weitläufigen Olivenhain. Hydra ist doch grün!
Der Strand lädt auch nicht zum Baden ein, flach, nicht sehr sauber, grünlich im Uferbereich. Schattenlos. Steinig. Die Bucht dient vor allem als Werft, es wird an Land gearbeitet, wo sich Schiffsrumpf an Schiffsrumpf reiht.
Der Küstenweg endet hier. Wer weiter nach Molos will muss ins Inselinnere und einen hohen Felsen, der an der Küste liegt, umwandern. Wir wollen, denn ich will ja noch baden. Bis auf den Sattel ist es noch ein breiter Weg. Beim Blick zurück sehen wir den höchsten Inselgipfel, den Eros. Gute hundert Höhenmeter unterhalb liegt das Kloster Profitis Ilias, auf einem guten Weg ab Hydra zu erreichen und ein verlockendes Ziel. Morgen vielleicht. Jetzt erst mal hier.
An einem eingezäunten verlassenen Hof samt Kapelle verliert sich der breite Weg, oder biegt ab: Weiter ins Inselinnere kann man zum verlassenen Weiler Episkopi wandern. Aber man muss halt immer wieder per pedes zurück, es gibt keine Busse. Und die (Rück-)Wege können lang werden….
Wir suchen erst mal wie es nach Molos hinabgeht, das wir unten liegen sehen nachdem wir zwei Drahtore auf dem Sattel durchwandert haben und der Weg verschwindet. Zwirnstarke Spinnenfäden und -netze sind überall über die Wegmöglichkeiten gespannt, Spinnen beeindruckender Größe warten auf Beute. Wir sind aber doch ein wenig groß... Theo zerstört mit seinem Wanderstock die Netze ritterlich vor uns Damen. Man meint die Achtbeiner schimpfen zu hören. Trotzdem finde ich eine Viertelstunde später einen hängengebliebenen Spinnenfaden samt Bewohner als blinden Passagier in den Haaren.
Nichts für Arachnophobiker!
Irgendwann finden wir dann endlich eine rote Markierung und den Weg – wir waren zu weit westlich, wo es steil hinab geht. Der Weg ist schmal und steinig, nichts für Fußlädierte. Weil Theo wegen seines lädierten Fußes zurückbleibt bewaffne ich mich mit einem Stecken gegen die Spinnennetze und gehe voraus. Ich habe den Eindruck, es geht weiter hinab als wir vorhin hinauf sind. Komisch.
Schließlich endet der Weg in einem trockenen Bachbett, das am Strand von Molos mündet. In wikipedia stand, dass Molos ein Ort sein – ich hab das entfernt, denn von einem Ort kann keine Rede sein: Ein großes, breites Anwesen mit Garten, Pool und Tennisplatz nimmt die halbe Breite der Bucht ein. Ein Hotel? Ein ehemaliges Kloster? Oder einfach privat, wie an der Türe steht? Ich sehe zwei Männer im Garten – sonst sind hier nur Vierbeiner: eine Handvoll Pferde und Esel drängt sich im schmalen Schatten entlang der Hausmauer, ein im Dienst ergrauter Wachhund, der pflichtbewusst, aber müde bellt. Kein Schatten aber am Strand. Der ist kiesig und im westlichen Bereich liegt einiges an Müll und Treibgut herum. Was mich dann aber doch nahdrücklich vom Baden abhält ist nicht die frische Wassertemperatur (knapp 20°C), sondern sind die vielen Seeigel, die es im Uferbereich hat. Die Badeschuhe sind natürlich im Hotel geblieben. Blöd.
Auf dem Anleger machen wir eine ausgiebige Rast samt Sonnenbad. Ein neugieriges Pferd guckt mal vorbei ob da was zu holen ist. Landjäger gefällig? Garantiert pferdefrei.
Die Mutter fand den Weg hinab ziemlich grässlich und hat keine Lust da wieder hinaufzugehen. Theo und mir geht es ähnlich.Und nun?
Ein Taxiboot muss her!
Ich hatte am Morgen in Hydra einen Taxifahrer nach dem Preis für die Fahrt von Hydra zur Ledeza-Bucht gefragt um einen Anhaltspunkt bezüglich der Preise zu haben (kostet 35 Euro). Der Fahrer hatte mir auch gleich seine Karte in die Hand gedrückt. Handyempfang ist auch da, man könnte also ein Taxi rufen. Aber siga siga.
Wie ich noch so am Strand entlang schlendere bis zu dem Turm im Westen der Bucht kommt ein Boot von der Peloponnes angedüst. Ein Taxiboot. Das ist ja praktisch! Schnell zurück zum Anleger!
Die beiden Männer auf dem Taxi betanken ein Segelschiff, das in der Bucht vor Anker liegt. Und natürlich sind sie danach gerne bereit, uns nach Plakes Wlychou zu bringen. Für schlappe 25 Euro, was etwas über dem Tarif liegt, uns aber total egal ist.
Gerade fünf Minuten dauert die schnelle Fahrt in dem Taxiflitzer, dann sind wir in Plakes. Da ist jetzt die Taverne „Four Saisons“ der Luxury Suites geöffnet, und es herrscht sogar etwas Badebetrieb.
Nicht ganz preiswert die Taverne, wir sind aber nur durstig (die Portionsgröße am Nachbartisch ist überschaubar – ein knapper Luxus), und außerdem ist die Unterhaltung inklusive: drei Kinder spielen am Kiesstrand, eines der Mädchen („Olgaki“) ständig lautstark beobachtet von der Mutter, die am Nebentisch sitzt: „Nur mit den Füßchen ins Wasser!“, „Pass auf dass du nicht nass wirst!“ und „Ich sehe dich!“. Was eine Drohung! Olgaki ist trotzdem wenig beeindruckt und planscht am Ufersaum. Sollen wir Wetten abschließen ob sie doch noch im Wasser landet? Oder doch besser selbst rein? Mhh, bin zu müde. Und auch nicht mehr so erfrischungsbedürftig.
Später, auf dem von der Nachmittagssonne beschienenen Rückweg nach Hydra, wird es mir leid tun. Irgendwie war das etwas viel Sonne heute, ich fühle mich als hätte ich einen leichten Sonnenstich. Die Wetterstatistik von Hydra wird für den Tag eine Höchsttemperatur von 28,1 °C anzeigen – Ende April! Und die nächsten Tage wird es noch wärmer werde!
Gegen 18 Uhr treffen wir wieder in Hydra ein.
Dort im Hafen liegen zwei Dutzend Segelboote und Katamarane mit roten Banner „One Life“. Sieht gut aus. Der Hafen von Hydra hat nicht so viel Platz für Yachten wie man meinen könnte – einen guten Teil der runden Bucht nehmen die Kaikia ein, und das Transportschiff, das Wasserschiff und die Fähren müssen ja auch noch anlegen können.
Den Ouzo zum Sonnenuntergang gönnen wir uns vorne am Historischen Museum. Und die Sonne tut was sie kann. Schöner kann es auch in Ia auf Santorin kaum sein. Aber hier klatscht (zum Glück) niemand.
Zum Abendessen kehren wir wieder im „I Xeri Elia“ ein. Ich wäre ja gerne rüber nach Kamini, aber die Begleitung will nicht. Live-Musik gibt es heute nicht, und auch sonst ist wenig los. Theo gönnt sich die Fischsuppe, die gut aussieht und schmeckt, aber nicht ganz billig ist. Die Mutter ist mit ihrem Stifado zufrieden, und ich mache einen auf Fastenspeisen mit Artischockengemüse. Fava und Skordalia dazu – lecker!
Ich fange an es schade zu finden, dass wir nur fünf Nächte auf Hydra gebucht haben. So artet das Wandern fast in Stress aus. Die Mutter nimmt sich morgen eine Auszeit – ihr Fuß schmerzt und Steigungen über dreihundert Meter sind eh nichts für sie.
Theo und ich wollen zum Propheten Ilias und vielleicht weiter.
Halb elf soll es losgehen.