Der Weg nach Kasos
Es müssen noch die Folgen des Tankwagenfahrerstreiks sein. Zuviel Fracht ist liegengeblieben. Als wir um kurz nach 8 Uhr in Iraklion am Hafen eintreffen, sehen wir die „Ierapetra“ kommen, mit Kurs auf den Hafen, aber außerhalb. Der Anleger ist voll mit LKW-Auflegern, dazwischen PKWs, Pakete, Menschen. Eine Gruppe in weiße Galabijas gekleidete Menschen mit Käppi fällt auf – Mekkapilger auf Kreta? Aber offensichtlich Moslems. Und dann legt die Fähre nicht dort an wo wir alle warten, sondern weiter rechts – Kommando kehrt, die abgeladenen Pakete wieder auf die Pickups und rüber. Auch wir betreten das Schiff, müssen erst unser Gepäck abgeben, der Zuständige lässt sich Zeit, muss erst noch Gepäck ausgeben. Das Schiff ist voll mit Fahrzeugen bis vorne.
Mit der Rolltreppe aufwärts – nobel, die „Ierapetra“ der LANE! Auf den Zwischendecks stehen neue PKWs Stossstange an Stossstange – Mietautos und Neuwagen für die Inseln. Von oben beobachten wir die Verlademanöver der Zugmaschinen. Es dauert. Und dauert. Immer wieder hinein in den Bauch der Fähre und hinaus mit der Fracht. Danach vice versa. Drei oder vier Zugmaschinen im Einsatz, unermüdlich. Ein Besatzungsmitglied kann sich so ausgiebig von seiner Familie verabschieden und muss sich dann, als die Fähre mit einer Stunde Verspätung endlich ablegt, mit einem Sprung auf die Klappe retten – beinahe hätte er seinen Arbeitsplatz verpasst.
Es geht die kretische Küste entlang, endlich haben wir Zeit zum Frühstück. Lauwarmer Kaffee aus der Bar, Blick auf die touristischen Hochburgen von Chersonisos bis Malia, später wird es einsamer, felsiger. Die Zahl der Passagiere hält sich – im Gegensatz zur Fracht – in Grenzen. Nach 3 Stunden der Hafen von Sitia. Wieder endloses Ein- und Ausladen, die fährplanmässige halbe Stunde Aufenthalt reicht nicht. Unten spielen sich Dramen ab: der Besitzer einer Fracht mit Kühlwaren bekommt offensichtlich keinen Platz mehr für sein Fahrzeug. Theatralisch und äußerst effektvoll reißt er alle Türen des Kühlautos auf, gestikulierend, anprangend. Und seine Taktik hat Erfolg: er bekommt noch einen Platz auf der Fähre, den letzten. Sonst geht die Klappe der Fähre nicht mehr zu.
Nun Kurs auf Kasos, unser erstes Ziel.
20,90 Euro haben wir pro Person für die Überfahrt von Kreta bezahlt. Am Vortag sind wir nach Iraklion geflogen, haben lecker im „H Aυλη του Δευκαλιωνα“ gegessen und die Nacht im Hotel „Lena“ verbracht. 6 Stunden dauert die Überfahrt, zuzüglich der Verspätung. Aber das ist uns egal, wir haben ja Urlaub. Irgendwann kommt Kasos in Sicht, wir kommen näher, fahren die Küste entlang: eine Kapelle, darüber ein Ort. Um ein Felsenkap herum, der Hafenort Fry kommt in Sicht.
Kasos - Kassos
Halb vier um am Nachmittag ist vorbei als die Klappe der Fähre sich öffnet und uns ausspuckt. Wir sind die einzigen Touristen wie uns scheint, um uns die obligatorische Be- und Entladehektik. Kein Zimmervermieter, haben wir auch nicht wirklich erwartet. An der Hafenfront werden wir dann von einem dicken, älteren Herren angesprochen: ob wir ein Zimmer suchen? Ja, und so gehen wir zu zweit mit, die Dritte bleibt beim Gepäck. Weit ist er nicht, hinein in die erste Gasse, einmal links, einmal rechts, dann im Hof eine lange Treppe hinauf. Ein Appartement mit 2 mal 2 Betten, Küche, Bad, schmalen Balkon. Mitten im Ort. Jedes Zimmer kostet 25 Euro, macht für beide 50 Euro - im Grunde zu viel für das Gebotene. Ich hätte mir gerne noch die Zimmer im Hotel Anagennissis angesehen, vorne an der Hafenfront. Aber die Begleitung ist einverstanden (sie hat noch nicht genug Inselerfahrung, ich hätte bremsen sollen). Und so sagen wir zu. Hätte ich feilschen sollen? Mir ist nicht danach. Die angepeilte Unterkunft „Fantasis“ liegt außerhalb, was nicht die Zustimmung der Mitreisenden findet. Also zurück zum Hafen, wo ich schnell noch zum Anagennissis abbiege. Das hat aber wegen Renovierung sowieso geschlossen. Der Besitzer – ist das Emmanuel Manousos? – sagt, er hätte noch ein Studio, aber nur für zwei, das reicht uns nicht.
So beziehen wir die namenlosen Zimmer, eine Visitenkarte weist unseren Vermieter als Dimitrios aus, und eigentlich müsste es danach noch eine Fotini geben, die sehen wir aber nicht, und die reinigende oder ordnende Hand eine Frau ist dann auch etwas, was wir schnell vermissen (wobei wir diese auf der nächsten Insel auch bei einer Vermieterin vermissen werden) – Putzen ist angesagt bevor wir uns halbwegs wohnlich fühlen. Vor allem der Acryldecke auf dem Bett meiner Mutter entsteigt – wie wir leider nicht sofort bemerken – zunehmend ein intensiver Geruch nach Ziegenkäse, während es im Zimmer der Tante eher nach Feuchtigkeit und Weihrauch riecht. Seitlichen Meerblick haben wir immerhin, und zur Kirche können wir auch gucken, sind mittendrin im Dorfgeschehen.
Wenig später ziehen wir los, zur Ortsbesichtigung. Und werden gleich im Nachbarhaus für den Abend zu einer Feier anlässlich des Muttertages (der hier wohl erst später als bei uns gefeiert wird) eingeladen. Schon um 18.30 Uhr ginge es los, und mit einem Musiker. Mmmh, ob wir da als Fremde gleich teilnehmen sollen? Mit unseren geringen Griechischkenntnissen?
Erst aber gelangen wir zum Bouka-Hafen. Der ist mit seinen bunten Kaikis so farbenfroh, dazu fast kreisrund, geschützt das glatte Meer, der kleine Leuchtturm – selten so einen hübschen Fischerhafen gesehen! Dagegen der große Anleger weiter rechts für die Fähren, auf dem sich etwa 10 große, blaue Gussformen aus Eisen befinden – für Betonpoller, die Hafenmauer soll noch länger werden!
Es ist noch Siesta und alles ist ausgesprochen ruhig. So bummeln wir die Küste entlang nach Emborio. Wolken am Himmel, Untergangsstimmung. Dazu passen die Ruinen neoklassizistischer Villen, die Reste der Wandbemalung sind noch zu sehen. Heute wohnen hier nur noch Tauben. Und vorbei an der öffentlichen Bücherei im Tempelstil, der Schule, ein paar Windmühlenstümpfen unterschiedlicher Verfallszustände, einem kleinen, grauen Kiesstrand, einer Nobelyacht in einer Miniwerft.
Kein Kilometer bis zum Strand in Emborio. Vorsaison hier, der Strand noch nicht gereinigt, alles noch geschlossen. Auf einer Postkarte sehe ich später, wie voll im Sommer dieser nette Sandstrand ist, mit Sonnenschirmen und –liegen dicht an dicht. Wir sind alleine da, und ich bade bei einer Wassertemperatur von 21°C. Wunderschön! Da haben wir uns doch glatt verbummelt und der Muttertagsempfang ist schon vorbei als wir wieder im Ort ankommen. Schade, gerade sehe ich noch den Musiker mit einer Lyra unterm Arm davongehen.
Zu Abend speisen wir in der Taverne „Mylos“ und sind angetan. Am Nachbartisch vier Touristen, auch Deutsche, wir sehen uns in den nächsten Tagen gelegentlich wieder, und bei der Weiterfahrt nach Karpathos. Vom Fernseher drinnen erschallt der „Eurovision Song Contest“ – die halbe Insel vor dem Fernseher. So zumindest der Eindruck bei einem Bummel durch die abendlichen Gassen. Und später erschüttert ein Schrei aus zig Kehlen den Ort bei jeder 10-oder-12-Punkte-Wertung für Griechenland – und das sind einige! Ich hab einen Fernseher auf dem Zimmer und sehe mir die Sache dann doch auch an. Die Griechen liegen mit der Sängerin Kalomira und ihrem belanglosen Song lange an der Spitze, werden aber schließlich von Russland abgehängt. Mit Musik haben die Bewertungen sowieso nichts zu tun, nur mit Nachbarschaftshilfe. Der Nicht-Sieg für Griechenland ist gut für unseren Nachtschlaf, wobei: ein Autokorso, hier, aufs Kasos? Aber laut wäre es sicher geworden.
Unser Versuch, am nächsten Tag Brot für das Frühstück zu bekommen, scheitert. Es ist Sonntag, beide Bäckereien haben zu. Obwohl eine nette Frau für uns noch telefoniert – kein Brot. Zum Glück ist noch etwas Reiseproviant übrig, aber wir hätten auch Frühstücken gehen können. Die Begleiterinnen sind da aber eher restriktiv.
Wir wollen dann anhand des Dieter-Graf-Wanderführers „Südlicher Dodekanes“ hinauf zum Dorf Agia Marina und weiter zur Höhle Ellinokamara, verpassen aber gleich die erste Abzweigung weil wir zu früh abgebogen sind (Über den Führer habe ich in diesem Urlaub noch öfters Gelegenheit, mich zu ärgern! Sowohl sprachlich aus auch inhaltlich. Vor allem aber, was die - reichlich utopische - reine Gehzeit betrifft.) So nehmen wir eben die Straße und haben so einen Blick auf die Fähre „Vitsentzos Kornaros“, die gerade im Hafen von Fry einläuft. Unheimlich schmal sieht sie aus, und hoch, viel kleiner als die „Ierapetra“. Aber das täuscht wohl. Die Routen der beiden LANE-Fähren wurden anscheinend getauscht, der zuhause ausgedruckte LANE-Fahrplan weist jeweils die anderen Fähre aus, stimmt aber sonst genau.
Leider kommen wir auf der Straße nicht am Friedhof vorbei, der ein gutes Stück außer- und oberhalb von Fry liegt. Dafür an duftend blühendem Thymian.
Das Dorf Agia Marina, im MM-Führer als das schönste der Insel bezeichnet (wohingegen Dumont Arvanitochori am schönsten findet), ist eher unspektakulär. Wie eigentlich die ganze Insel. Aber nett. Blaue Kirchen, Windmühlenstümpfe, dazwischen neue Häuser, fast Villen. Aus einer werden wir angesprochen, der Mann und Besitzer ist ein Heimkehrer aus den USA, war als Soldat auch in Deutschland. Migrationshintergründe wohin man sieht.... Wir migaren auch weiter, aber nur aus dem Dorf hinaus.
Kasos wird in den Reiseführern gerne als ein kahler, schattenloser Felsklotz beschrieben. Ich finde die Insel überraschend grün. Aber ich bin auch die noch kahleren, schattenloseren Kykladen gewohnt (und die sind auch nicht alle karg und trocken!)
Der Heimkehrer hat uns den Weg zur Höhle beschrieben, es klang, als wäre es noch meilenweit. Ist es aber nicht. An der renovierten Windmühle rechts abbiegen, das Tal hinunter, und wir sehen die Höhle schon oberhalb liegen. Das unvermeidliche Hier-baut-der-griechische-Staat-zusammen-mit-der-EU-Schild weist eine Summe von 325.000 Euro aus, und das Ende der Bauarbeiten für 2006. Oben empfängt uns ein Betonmischer, jede Menge Handwerkszeug und frischer Erdaushub. Liebevolle Anpflanzungen. Heute ist Sonntag, sonst wären wir hier in einen Bau- und Renovierungstrupp geraten. Wir treffen den sehr netten Grabungsleiter 2 Tage später am Hafen, er stammt von Kasos, wohnt aber in Athen und muss bis Ende August mit den Arbeiten fertig sein. 7 Leute arbeiten dort, und wenn wir wieder kommen würden, würde er uns eine Führung geben.
Nun sind wir aber alleine dort: an der Höhle, die von den Dorern mit riesigen Kyklopensteinen zugemauert und als Tempel benutzt wurde. Auf einer Marmorplatte soll sich der folgende Spruch befunden haben: „Wenn du mich öffnest, wirst du es bereuen, aber auch wenn du mich nicht öffnest, wirst du es bereuen.“
Wir brauchen nichts zu öffnen, die Höhle ist offen, nur eine knapp 2 Meter tiefe Grube im Tor verhindert den direkten Durchgang (Die Grube war für den Tempelabfall – eine Fundgrube für Archäologen!). Man kann aber zum Seiteneingang rein, oder mit großem Schritt seitlich an der Grube vorbei. Tief ist die Höhle nicht, oder wurden Gänge zugemauert? Vor der Höhle sind einige Terrassen angelegt, mit antiken Mosaikfussböden, war einmal eine Zisterne. Ein schöner Platz: wunderbar nach links die Aussicht zum Meer und nach rechts das Tal hinauf zum Dorf Agia Marina.
Wir verweilen etwas ehe wir wieder hinunter auf den Talweg gehen und diesen nach links fortsetzen. An eine Höhlenkirche vorbei.. Noch weiter hinüber, blühende Oleandertäler querend, Ziegen schreckend. Schließlich, wir glauben es schon fast nicht mehr, führt eine Schotterpiste zum Meer hinunter. Hier befindet sich ein Gedenkstein, der an die Landung der Türken 1824 erinnert – die Kasioten wurden damals in die Sklaverei nach Ägypten verschleppt.
Die Wanderung hat sich länger hingezogen als gedacht, und die Tante ist etwas angeschlagen, gehtechnisch. So versucht sie, einen vorbeifahrenden PKW zu stoppen – aber der fährt hinauf nach Agia Marina, und außerdem riecht es in ihm intensiv nach Ziege. Der Mann hat nach seinen Ziegen gesehen, selbst der Hund darf nicht mitfahren, läuft hinterher. So wandern wir eben alle die 3 Kilometer Straße die Küste entlang. Die Sonne brennt ganz schön von oben, obwohl eine frische Brise das übermäßige Schwitzen verhindert. Wir sind sie noch nicht gewohnt und heute Abend werde ich den ersten ordentlichen Sonnenbrand haben.
Vorbei an der malerischen Kapelle Agios Konstantinos. Der Namenstag von Konstantin und Eleni muss eben gewesen sein, zahlreiche Stühle und Kirchenschmuck zeugen noch von einem Panigiri. Schade, verpasst. Ein paar Meter weiter der kleine Badestrand von Ammouda. Eine Abkühlung wäre willkommen, aber es ist Sonntag Nachmittag und der Strand gut belegt. Wir haben auch keine rechte Lust, uns aus unseren Wanderklamotten zu schälen, ziehen die Straße entlang weiter. Am Flughafen vorbei. Ja, Flughafen! Die nur etwa tausend Einwohner zählende Insel hat einen eigenen Flughafen! Mit kleinen Propellermaschinen der Olympic Airlines kann man nach Karpathos und Rhodos fliegen, wobei Fliegen schon fast einen Übertreibung ist: Hüpfen trifft es bei den paar Kilometern nach Karpathos und vielleicht 5 Minuten Flugzeit besser! Einige Gepäckwagen rosten vor sich hin, Baugerät kündigt eine mögliche Vergrößerung des Flughafengebäudes (immerhin!) an. Und dann sind wir wieder in Fry, aus der geplanten kleineren Runde ist eine größere geworden. Erst mal gönnen wir uns nun ein Radler in dem Kafenion Matheos ehe wir uns zur Erholung auf unser Quartier zurückziehen.
In der benachbarten Taverne „To Koutouki tis Boukas“ essen wir am Abend, auch hier gut und reichlich. Zum Beispiel die für Kasos typischen, besonders kleinen, aber zahlreichen Dolmadakia, gefüllte Weinblätter. Die vier Deutschen sitzen schon wieder am Nachbartisch. Jede Wette wohnen sie im „Fantasis“ außerhalb – es scheint sonst zum jetzigen Zeitpunkt nichts anderes zu geben, das geöffnet ist.
Während des Essens auf einmal Aufregung: alle rennen zum Bouka-Hafen hinüber. Uns ist der Blick versperrt, aber anscheinend ist ein kleines Mädchen ins Wasser gefallen. Getan hat es sich zum Glück nichts, es weint nicht einmal, der Schreck war für die Anderen größer.
Ungestört heute unsere Nachtruhe, von ein paar Stechmücken abgesehen.
Am Montag Morgen hat der Bäcker geöffnet, das frische Brot – lecker! Und eine Chortópitta dazu, eine Teigtasche, mit Grünzeug à la Mangold gefüllt. Der Tag kann nur gut werden!
Leider geben die LANE-Fähren den Rhythmus für unser Inselspringen vor (es fahren hier keine anderen) und wir haben nur 3 Tage auf Kasos, wollen wir nicht bis Samstag bleiben. Das Kloster Agios Giorgos wird deshalb ausfallen müssen, zu abseits. Aber nach Panagia zu den „Exieklisies“ wollen wir unbedingt, und zum nächsten Dorf Poli. Und ich noch weiter, nach Agios Mamás oder wenigstens auf den Aussichtsberg der Kapelle Agia Kiriaki. Nach Panagia ist es nur ein Katzensprung, die breite, oleandergesäumte Hauptstraße hinauf. Rechts geht es zum „Fantasis“ – ach, eigentlich ist es schon schöner, mitten im Ort zu wohnen als so weit außerhalb. Dann rechts an der Straße ein „Hochsicherheitsgebäude“ – Fotografien verboten! Es wird wohl eine Kaserne sein. Links zweigt die Straße nach Panagia ab, im hinteren Ortsende noch etwas hinauf, liegen die Exieklisies, die sechs Kirchen, die eigentlich nur Kapellen sind, vor uns: Strahlend weiß, Schulter an Schulter, Apsis an Apsis. „Neráides“ werden sie auch genannt, nach 6 Feen, zu deren Vertreibung sie gebaut worden seien. Daneben wieder so malerisch verfallene Häuser, deren zerschlissenes Innendekor von besseren Zeiten zeugt.
Hinter den Kirchen folgen wir einer Straße nach oben, suchen dann die im Wanderführer genannte Abzweigung – eine neue Piste hat den alten Einstieg verbaut, wir findet etwas weiter vorne dann den Zugang, schlagen uns durch Gestrüpp und Dornen, umgehen den zugewachsenen Weg. Dann endlich die beschriebenen Felsenstufen hinauf nach Poli, der ehemaligen Inselhauptstadt. Die vage Hoffnung auf ein Kafenion hier zerschlägt sich, hier wird nur noch gewohnt, und selbst das nur noch von wenigen. Die sind mit dem Auto oder Motorrad schnell unten in Fry wenn sie etwas brauchen. Im Ort eine brutal steile Gasse. Dann, am Ortsausgang, die Kirche Agia Trianda, frisch-bunt gestrichen, etwas unwirklich, wie Disneyland oder so. Es wird gearbeitet dort, neue Farbe auch für den Glockenturm, Ausbesserungen an Boden und Gemäuer. Schön der Kieselstein-Mosaik-Boden (Chochlaki)!
Hinter dem Ort steigt ein Felsenkessel an, dort geht es zum Kloster Agios Mamas, und dort will ich hin. Die Begleiterinnen nicht, sie werden noch ein wenig rasten und dann wieder hinunter wandern. Ungebremst kann ich nun losziehen, die Straße hinauf und in der ersten Kurve einen Monopadi entlang. Wie so oft auf den griechischen Insel sieht alles höher und weiter aus, als es tatsächlich ist. Die Serpentinen abkürzend geht es über Stock und Dornen, apricotfarbene Schafe preschend davon. Agia Kiriaki werde ich dann auf dem Rückweg mitnehmen. Auf dem Bergsattel angekommen tragen starke Windböen mir fast den Hut davon. Aber die Abkühlung kann ich brauchen!
Wenig später biege ich auf eine Piste ab, an deren Ende ich das inzwischen unbewohnte Kloster Agios Mamás unter mir liegen sehe. Ganz schön steil hinunter!
Wie so oft spart Dieter Graf genau diese schwierige Stelle in seinem Wanderbuch aus, macht direkt einen Sprung hinunter zum Kloster (für den Rückweg empfiehlt er dann die Straße – eine Empfehlung, der ich nachkommen werde!). Super! Irgendwie komme ich hinunter. Fürchte schon, ich müsste noch über irgendeinen Mauer steigen, oder, schlimmer: wieder hinauf! Aber es geht, und ich stehe vor der Pforte, wo mich ein Betonmischer empfängt – hier wird gearbeitet. Aber nur von einem Mann, der Steine vom Innenhof des Klosters vor das Tor bringt und dort den Abhang hinunterkippt. Ich grüße, aber er lässt sich nicht beirren. So am Ende von Kasos, am Ende der Dodekanes, schweigen wir aneinander vorbei, wahren Distanz.
Dann suche ich den Schatten, gehe in die Kirche hinein. Auch innen wird die Kirche renoviert. Die unverputzte Wände strahlen Kühle aus. Wunderschön auch hier der Chochlaki-Boden. Agios Mamás (oder Mammás), der heilige Mamás, ist uns wenig geläufig. Er ist der Schutzheilige der Hirten und Herden, und hier draußen kann ich gut verstehen, dass man ihm eine Kirche, ein Kloster gar, weiht. (Und denke an die Agios-Mamas-Kapelle auf Karpathos zwischen Menetes und Arkassa, eine kleine, weiße Rundkapelle, idyllisch gelegen). Sein Panigiri findet Anfang September statt, gerne würde ich sie einmal erleben, aber das ist nicht meine Reisezeit. Ich inspiziere die Klosteranlage: jede Menge kleiner Häuschen, ein Backofen, eine Zisterne (offen) und eine propere, bestens ausgestattete Küche, in der der Arbeiter gerade eine kleine Pause gemacht hat.
Weit unten leuchtet blau das Meer, befinden sich die drei Felsen in der Thira-Bucht, die versteinerte Piratenschiffe sein sollen. Sind wesentlich kleiner als ich gedacht hatte.
Dann geht es wieder auf den Rückweg, auf der Straße. An der Abzweigung nun zu Agia Kiriaki. Der Gipfel müsste eigentlich Profitis Ilias heißen, so markant wie er über den Orten Panagia, Poli und Fry thront. Vorhin ist ein Beton-LKW dort hin gefahren, wo der hinwollte? 20 Minuten brauche ich von der Kreuzung, die letzten Meter der Straße sind höllisch steil, geben mir beinahe den Rest.
Und auch den Autos, wie man an der aufgerissenen Straßendecke erkennen kann. Die LKWs fahren noch ein paar Meter weiter nach rechts zum nächsten Hügel, dort wird etwas Telekommunikationstechnisches gebaut. Die Aussicht von der Kapelle Agia Kiriaki ist super, entschädigt für die Mühe!
Von nun an geht es bergab. Schnell bin ich wieder in Poli, nehme aber nun nicht den Feld-Wald-und-Wiesenweg, sondern die Straße. Ein Mann auf einem Esel kommt mir entgegen und mir fällt auf: Esel hab ich hier noch nicht gesehen, werden überflüssig, weil alles mit Straßen gut erschlossen ist. Schade irgendwie.... Unten in Fry falle ich zuerst in einem der beiden Supermärkte ein, brauche dringend ein süßes Kaltgetränk. Portokalada, aaahh, lecker!! Und dann eine Dusche, welch’ Vergnügen!
Später erkundigen wir uns im Reisebüro von Emmanuel Manousos nach den Fährverbindungen der nächsten Tage. Wie geplant fährt die „Vitsentzos Kornaros“ am nächsten Nachmittag nach Diafani, das passt. Einem Kunden gefällt mein In-Greece-Button mit der griechischen Fahne drauf, den ich an meine Tasche gepinnt habe. Woher ich den hätte? Apo ti Germanía? Er will es gar nicht glauben, wäre mal ne Marktlücke für Griechenland….
Ich hätte ja gerne noch die Taverne „Agapio“ mit den ägyptischen Speisen ausprobiert, aber die Mehrheit möchte wieder ins „Mylos“. Und das „Agapio“ hat sowieso zu. Es ist einfach noch nicht Saison. Noch nichts mal Vor-. Die beginnt auf den südlichen Dodekanes, wie mir scheint, später als anderswo.
Wobei: Der Blick vom „Mylos“ auf den nächtlichen neuen Hafen ist auch sehr schön. Die Lichter der Fischerboote, und am Horizont die Umrisse von Karpathos, der Kali Limni, 1215 Meter hoch. Und auch ein paar Lichter an der Küste, Finiki oder Arkassa. Es ist so klar nun.
Die LANE bestimmt den Takt des Weiterfahrens. Aber sie kommt erst am Nachmittag, 15.30 Uhr laut Fährplan. Wir haben genug Zeit, die ich zunächst zu einem ausgiebigen Fotobummel durch den Ort nutze. Malerarbeiten wohin man sieht: an der Kanone und dem Anker des Ehrenmals, an der Hafenmauer des Bouka-Hafens. Mache dann die Bekanntschaft eines netten Fischers namens Manolis (Ich glaube, die heißen hier alle so. Wobei: er kommt von Leros.), der mich doch glatt einlädt, heute Abend mit ihm rauszufahren zum Fischen. Ich muss ablehnen, weil wir weiterfahren. Schade! Wobei: vielleicht wäre ihm das Fischefangen vergangen wenn ich meine beiden Begleiterinnen (die „Jajades“) mitgebracht hätte... ;-)
Noch etwas weiter hinauf ins Dorf. Zum Rathaus, wo gestern eine nette Damenrunde beim Handarbeiten saß. Zum Friedhof ist es mir zu weit, aber noch schnell beim Museum vorbei, das - natürlich, da Vorsaison – geschlossen hat.
Und dann muss ich unbedingt nochmals baden gehen, in Emborio. Das Wasser ist noch wärmer geworden, und die Saisonvorbereitungsarbeiten in zwei Tavernen laufen auf Hochtouren. Es kommt sogar noch ein Badegast, ein Einheimischer. Schweißtreibend der Rückweg, heute geht kaum ein Lüftchen.
Am Nachmittag gegen 15 Uhr sind wir dann am Hafen, mit Gepäck. Trinken in der Café-Bar direkt am Hafen einen Frappé, den man hier noch für 1,50 Euro bekommt, mit einem Glas Wasser wie es sich gehört. In dem Café treffen wir den Kunden vom Reisebüro gestern, der sich als der bereits erwähnte Grabungsleiter der Höhle Ellinokamara herausstellt. Es ergibt sich ein nettes Gespräch, wir haben Zeit, denn die Fähre lässt auf sich warten. Wir sind auf Kasos mit einer Stunde Verspätung angekommen, und die bekommen wir nun wieder.
Dann biegt die „Vitsentzos Kornaros“ um das Felsenkap und ist erstaunlich schnell da. Der nette Archäologe bringt unser Gepäck mit dem Auto vor zum Anleger, der zwar ganz schön lang ist, aber eben – wäre nicht nötig gewesen. Freut uns trotzdem.
Die obligatorische Hektik des Ent- und Beladens beginnt. Der Fischer Manolis ruft mir noch ein „Jassu, Katerina!“ nach. Das Gepäck wieder abgeben und rauf aufs Deck. Es dauert bis zur Abfahrt. Endlich Leinen los. Im schrägen Nachmittagslicht gleiten wir die Küste von Kasos entlang. Blick hinauf nach Agia Kiriaki.
Wehmut und Vorfreunde, diese Mischung der Fährabfahrten.
Im Mai 2008