Der Meltemi

 

Meltemi, Maïstrali, Sirokos, Boreas – wenn man auf den griechischen Inseln Urlaub macht, speziell auf den Kykladen, dann spielt der Wind immer eine Rolle. Immer.

 

Schon in der Antike hatte Odysseus mit dem Wind seine Probleme. Aber er war selbst schuld, weil er seine Gefährten nicht im Griff hatte, die neu- und habgierig den Schlauch der Winde öffneten woraufhin alle samt Schiff wieder zu Aiolos, dem Windgott, zurückgetrieben wurden. Der ihnen dann nicht noch mal helfen wollte und sie davonjagte. Für Odysseus ist es am Ende trotzdem gut ausgegangen, für die gierigen Gefährten nicht. Antike Moral.

 

Auf der römischen Agora in Athen steht der Turm der Winde, ein ziemlich einmaliges Gebäude, oktogonal und den acht Windgöttern gewidmet. So dem kalten Nordwind „Boreas“, der 400 persische Schiffe sinken ließ und Athen rettete. Dem feuchtwarme Westwind „Zefiros“, und dem Südwind „Notos“, der dem heutigen Sirokos entspricht.

Die „Etesien“ sind da nicht drauf. So nannte man in der Antike die heute in Griechenland „Meltemia“ genannten Winde. Der Heftigkeit nach entsprechen sie aber durchaus dem „Boreas“.

Ich würde einen eigene Turm für den „Meltemi“ bauen, besser wäre noch ein Windrad oder eine Windmühle. Denn er hat uns schon so einiges verblasen... aber zum Glück noch nie die rechtzeitige Heimfahrt – toi toi toi!

 

Der Meltemi ist ein starker, trockener und eher kühler Wind aus Norden, der sich zwischen einem Hochdruckgebiet über dem Balkan und einem Hitzetief über dem anatolischen Bergland bildet und vor allem von Juni bis in den September hinein weht. Es kann tagelang anhalten, macht aber manchmal nachts Pause – wie nett! Ein guter Link dazu, der das besser erklärt, hier.

 

Dem „Meltemi“ ähnlich ist der „Maïstrali“. Da steckt das Wort „Mistral“ drin – der kalte Nordwind, der das Rhônetal hinunterfegt und die Provence durchschüttelt. Der „Maïstrali“ weht mehr aus Nordwest, im Gegensatz zum Meltemi, der aus Nordosten wehen soll... na ja, das sind Feinheiten.

 

Das innige Verhältnis der Einheimischen zu den Winden spiegelt sich in den Namen, die sie dem Wind je nach dessen Stärke geben: das gibt es den „Stuhlumwerfenden“ (Kareklados), den „Tischumwerfenden“ (Trapezados) und als letzte Steigerung den „Glockenläutenden“ (Kabanados). Die nächste Steigerung wäre wohl der „Baumumwerfende“ wenn es auf den Kykladen genug Bäume zum Umwerfen gäbe... Der „Schiffeversenkende“ wäre dann noch einmal stärker. Oder wäre das dann schon der Orkan (=Tyfonas).

O Kareklados
O Kareklados

Schon bei unserem ersten Kykladenaufenthalt, zwei Wochen im Juli 1991 auf Tinos machten wir die Bekanntschaft des Meltemi. Wir kamen aus dem kochendheißen Athen an und auf Tinos war es windig. Ordentlich windig, wie der Meltemi halt so bläst. Windstärke fünf bis sechs. Die Frisur war im Eimer sowie man vor die Türe trat (mit meinem Kurzhaarschnitt störte mich aber das nicht). Hielt man die Türe nicht fest, blies es sie aus der Hand. Fenster schlugen, wenn sie nicht richtig befestigt waren. Der Dreck auf dem Balkon lag in Mollen jeden Tag in einer anderen Ecke. Am Strand wurde man sandgestrahlt. Uns war’s aber egal, denn so konnte man trotz Hochsommer wandern. Auch die Ausflugsschiffe nach Mykonos und Delos fuhren noch, die Fähren sowieso.

 

Bereits in der Antike hatte Tinos den Beinamen „Insel des Aiolos“ – wir hätten es wissen müssen... Der Wind hielt 14 Tage an. Was wir an ihm hatten, merkten wir erst, als er am Abreisetag völlig abflaute: Es war so heiß, wir waren zu nichts fähig. Schleppten uns von Schatten zu Schatten, von Kaltgetränk zu Kaltgetränk, und waren froh am Fahrtwind auf der Fähre.

 

Der Wind spielte bei vielen Urlauben mit. Klappernde Fensterläden und schlagende Türen gehören einfach zum Kykladenurlaub. Oder zu Kreta, zumindest wenn man Plakias sagt. Ich wohnte dort in der Pension „Panorama“ – super Aussicht, am Hang über dem Ort gelegen. Ein Palast der Winde – der Wind kam zum Abzugsschacht im Bad herein, ging zur Balkontüre wieder hinaus. Dazwischen ich im Bett, frierend. Ein Versuch mit der neuen Schilfmatte am Strand dort: Beim Ausrollen schlug mir der Wind die Matte einige Male auf den Strand und das Teil hing in Fetzen. Ein Windopfer...

 

Später, wieder auf Tinos. Es war windig, aber eigentlich für Tinos nicht übermäßig. Ich wohnte in der Bazarstraße (auch Devotionaliengasse genannt). Segelcrews konnten dort auch duschen. Sie kamen mit weichen Knien und wollten nie wieder aufs Meer – waren wohl nur Flachlandsegler....

 

Da ist es grundsätzlich besser wenn man bei Meltemi festen Boden unter den Füßen hat. Auf dem Schiff stellt sich sonst gerne die Gesichtsfarbe ein, die mit „kotzgrün“ recht zutreffend beschrieben ist. Die ungemütlichsten Fahrten gingen mit der „Express Paros“ von Naxos nach Amorgos und mit der „Scopelitis“ von Katapola nach Donoussa. Da kann man sich nicht vorstellen, dass manche Leute für eine Kreuzfahrt richtig viel Geld ausgeben. Oder beherzigt den Rat eines ostfriesischen Seebären: „Schokolade essen – schmeckt rauf wie runter!“

 

Für Zweiradfahrer kann der Wind richtig gefährlich werden, wenn eine Böe dich schnell mal neben die Straße setzt. Fahrradfahrer haben den Wind sowieso immer von vorne. Die Kykladen sind als Terrain für Radfahrer m.E. sowieso völlig ungeeignet. Aber ich bin auch kein Masochist.

Beim Wandern ist man für ein frisches Lüftchen ja ganz dankbar. So lange es sich nicht so auswächst, dass es einem beim Rasten das Vesper wegweht und den Hut davonträgt. Oder man ständig Dreck in die Augen bekommt.

 

In manchen Urlauben waren wir besonders vom Wind gebeutelt. Auf Anafi verging uns sandgestrahlt der Badespaß und auf dem Balkon musste man immer nach einem windgeschützten Plätzchen in der Sonne suchen, sonst wurde es frisch.

Auf Milos büßten wir unseren Traumblick vom Balkon ein, weil man sich dort schlicht nicht mehr aufhalten konnte. Wir hatten auch Bedenken, dass eine Böe das Balkondach mitnehmen oder zumindest stückweise abbauen könnte. Und ob unsere Fähre gehen würde. Außer dem großen Pflanzenkübel beim Nachbarn waren aber keinen Schäden zu beklagen. Die Einheimischen sind das Stürmen ja längst gewohnt.

Auf Andros habe ich zum ersten Mal erlebt, wie es sich anfühlt, wenn der Wind ein Auto anhebt. Und dann wieder Tinos, natürlich. Wenn man kaum aus dem Auto aussteigen kann weil der Wind dagegen weht. Hat man die Türe offen, so wird sie einem sofort aus den Händen gerissen. Hoffentlich steht nichts daneben wogegen die Türe schlagen kann! Den Fotoapparat kann man nicht ruhig halten, die Bilder verwackeln. Wenn nicht meine Haare vor dem Objektiv sind.... Vom Exomburgo hat es uns beinahe hinunter geweht, in Agios Sostis wanderte der Sandstrand vom Wind getrieben landeinwärts. Und auch hier am letzten Tag: Windstille. Hitze. Da mögen wir den Wind mehr. Wenn er Windstärke 6 nicht überschreitet.

 

„Inseln des Lichts“ nennt man die Kykladen. Doch, das Licht ist toll dort!

Aber „Inseln des Windes“ hätte es noch besser getroffen. Die "Aiolischen/Äolischen“ Inseln liegen allerdings vor Sizilien.

Ob es dort noch windiger ist? Schwer vorzustellen...

 


 

Windmühle - Zeichen des Windes.

Heute meist nur noch Ruinen. In seltenen Fällen hochpolierte Denkmäler. Oder Luxusunterkünfte, nur im "Windmühlen-Stil". Es gibt noch viel mehr. Ich werde weiter sammeln.