Ohne Frühstück sind wir in der Früh aus dem Haus gegangen, zum Kolona-Hafen, wo wir Rückfahrttickets für den "Dodekanisos Express" kaufen. Von Freitag bis Montag sind mit ihre Tagesausflüge nach Symi möglich. 46 Euro pro Person sind nicht gerade ein Schnäppchen, aber es gibt keine Alternative für einen Tagesausflug um diese Jahreszeit, und der kleinen Katamaran wird die Überfahrt in nicht einmal einer Stunde bewältigen. Nur wenige Passagiere sind an Bord, und so können wir die Platzzuweisung durch das Ticket ignorieren und uns einen Fensterplatz aussuchen. Wir haben die Wanderstiefel an, denn wir wollen auf Symi eine Runde zu Fuß drehen. Dazu haben wir reichlich Zeit, denn erst um 17.30 Uhr geht es zurück.
Durch die verspritzten Scheiben sehen wir die türkische Küste vorbeiziehen. Symi ist auf drei Seiten vom türkischen Festland umgeben, und natürlich gibt es dort einen oder mehrere Militärstützpunkte. Was mir nach den unliebsamen Erfahrungen vom Herbst 2021 schon vorab den Puls in die Höhe treibt. Ich hoffe nun einfach, dass man in dieser Ecke der Ostägäis dank jahrzehntelanger Erfahrung souveräner mit fotografierenden Touristen umgehen kann. Und schwöre mir, nichts militärisches abzulichten.
Dann kommt Symi ins Blickfeld. Anhand der mitgebrachten Anavasi-Landkarte versuchen wir, die Buchten zuzuordnen. Die Bucht von Panormitis mit dem gleichnamigen Kloster liegt auf der uns abgewandten Seite, und da die "Dodekanisos Express" kein Ausflugsschiff ist, hält sie dort natürlich nicht. Wäre sicher einen Besuch wert gewesen, aber zu Fuß ist es uns zu weit. Hinter Pedi gucken die Häuser der Oberstadt heraus, aber wir müssen noch um das Nordende am Kap Koutsoubas herum, ehe es in die tiefe Bucht von Gialos hineingeht.
Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel, als wir um neun Uhr die Fähre nahe dem prägnanten Uhrturm von Gialos, dem Hafen- und Hafenort von Symi, verlassen. Vom gegenüberliegenden Ufer grüßen die pittoresken neoklassizistischen Häuserfronten, leider noch im morgendlichen Schatten liegend. 1996 war ich das letzte Mal hier, mehrere Tage im April. Danach konnte ich den stetigen Wachstum der Insel zwei- oder dreimal während des Anlegens von der Fähre aus beobachten. Viele der damaligen Ruinen wurden renoviert und in Ferienwohnsitze umgewandelt. Eine schöne Option, wären da nicht die Horden der Tagesausflügler, die Symi in der Saison geradezu überschwemmen, sich allerdings glücklicherweise eher nicht zu weit von der Uferpromenade mit den Taverne, Cafés und Schwammläden entfernen.
Nichts davon jetzt. Entlang der nördlichen, sonnigen Buchtseite checken wir die Lage, auf der Suche nach einem netten Frühstückscafé. Zwei Kafenia sind geöffnet, dazwischen zwei Minimärkte. Und das war es dann auch schon. Es ist trotz der Sonne noch kühl, und so setzen wir uns hinter die heruntergelassenen, durchsichtigen Planen des Kafenio "Elpida" und suchen uns ein schönes Frühstück aus. Das der junge Mann, der den Laden schmeißt, aber nicht zubereiten kann: erst ab 10 Uhr wäre jemand in der Küche und könne sich um Omelettes oder ähnliches kümmern. So lange wollen wir nicht warten, und ergreifen den zugeworfenen Rettungsring in Form von Toast Jambon Tiri plus Kaffee.
Die "Stavros" der SAOS Ferries kommt. Sie ist ebenfalls heute Morgen um acht Uhr in Rhodos weggefahren, allerdings am weiter entfernt gelegenen Anleger für die großen Fähren (obwohl sie mit einer Länge von 84 Metern bestenfalls mittelgroß ist). Und sie braucht eine Stunde länger für die Fahrt nach Symi. Zurück kommt sie erst morgen Mittag. Keine Option für uns, trotz des deutlich niedrigeren Ticketpreises.
Nun planen wir den Tag. Eigentlich hatte ich entlang des Ufer der Nordküste nach Nimborio wandern wollen, und von dort hoch ins Inselinnere zum Kloster Roukouniotis. Dann in einem Bogen in die Oberstadt Chorio, und wieder zurück zum Hafen. Diese Tour werden wir aber nun umdrehen, also zunächst den Treppenweg hinauf nach Chorio gehen. Dadurch erfolgt der Aufstieg im Schatten, während die Schauseite von Symi in der Sonne liegt. Es ist halb elf, als wir aufbrechen und ich das Tracking der Route beginne.
Entlang der Bucht mit dem Denkmal für einen Skandalopetra- Schwammtaucher namens Stathis G. Hatzis (er tauchte 1913 ohne Ausrüstung 88 Meter tief um einen Anker zu bergen) erreichen wir die andere Buchtseite. Beim Fischmarkt ist alles verwaist, ebenso die Läden im benachbarten Viertel.
Weiter vorne entdecken wir die Bushaltestelle. Der ausgehängte Fahrtplan offeriert allerdings nur eine Verbindung ins in der östlichen Nachbarbucht gelegenen Pedi. Ob der Bus auch jetzt tatsächlich wie bezeichnet acht bis zehnmal fährt, werden wir nicht erfahren, denn wir beginnen dort zu Fuß den Aufstieg auf dem Treppenweg "Kalistrata" nach Chorio.
Er führt durch ein verlassen wirkendes Viertel mit einzelnen, herausgeputzten Häusern. Schnell wird der Blick auf die Bucht zu unseren Füßen frei. Trotz des Schattens und der noch kühlen Temperaturen wird uns warm. In zwanzig Minuten erreichen wir die Oberstadt Chorio, die sich deutlich belebter zeigt als der Hafenort. Schüler sind unterwegs, Männer sitzen im Kafenio, und Frauen sind beim Einkauf. Voll das Klischee also. Barbaras Reiseführer (Reise-Know-How) wird entsprechend bei irgendeinem Ort auf Rhodos von den "täglichen Verrichtungen" schreiben, bei denen man den Einheimische zusehen kann. Mhh, wollen wir das wirklich?
Auch ein Bäcker hat geöffnet (unten haben wir keinen gesehen), so dass wir uns mit etwas Proviant versorgen können, ehe wir der Beschilderung zum Kastro folgen. Von der Johanniterfestung auf dem Hügel ist nicht mehr viel übrig (die deutschen Besatzer hatten 1944 die Festung samt byzantinischer Kirche gesprengt, damit die dort gelagerte Munition nicht in die Hände der Feinde fallen würde), aber die Aussicht von der Plattform vor der neuen großen Kirche Panagia tou Ouranou ist sehr genial und reicht über die Bucht der Unterstadt zum nördlichen Zipfel von Symi und die vorgelagerte Insel Nimos bis zum Windmühlenhügel in Chorio und dahinter der Bucht von Pedi. In der Oberstadt sind zahlreiche Kirchen zu erkennen, einen davon mit Wimpelketten geschmückt. Für den morgigen Tag des heiligen Antonis?
Schon in der Antike gab es auf diesem exponierte Punkt eine Akropolis mit einem Athene-Tempel.
Über einen Treppenaufgang kommt man von der anderen Hügelseite aus noch höher hinauf zu einer Kapelle aus Natursteinen, Panagia i Kyra. Kirche und Kapelle sind leider beide verschlossen.
Weiter südlich begrenzt der grau-karge Hang des Vigla (oder der Vigla, Jörg?) die Sicht. In diese Richtung werden wir weitergehen, steigen also vom Kastro aus nach Süden hinab an die letzten Ausläufer von Chorio, das wir durch schmale Gassen zwischen verfallenen Häusern verlassen. Ein roter Punkt weist uns zunächst den Weg, verliert sich dann aber als wir eine neu aussehen Piste erreichen. Vielleicht hätten wir hinab ins flache Hochtal zu unserer Rechten hinab steigen müssen? Schwer zu sehen, wo es hinab geht, und so entscheiden wir uns, der Piste steil hinauf zur Hauptstraße zu folgen, was leidlich funktioniert. Wir haben uns inzwischen mehrerer Kleidungsschichten entledigt, aber trotz der Sonne ist es frisch, wenn man verschwitzt ist.
Nach ein fünfhundert Metern biegen wir von der Hauptstraße, die ohne nennenswerten Verkehr ist, rechts auf eine Nebenstraße ab und erreichen den Weiler Xisos. Es scheint hier eine gewisse Militärpräsenz zu geben, die sich aber weder durch Verbotsschilder noch durch hyperaktive Soldaten manifestiert.
Einen gute Kilometer später - die große Kaserne zu unserer Linken haben wir pflichtgemäß ignoriert - endet die befestigte Straße an einem Mauerrondell mit einem imposanten Baum darin. Wir haben das Kloster Michalis Roukouniotis erreicht. Leider, und wie nicht anders zu erwarten, ist der festungsähnliche Bau, der aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammt, verschlossen. Niemand ist zu sehen, es scheint auch nicht bewohnt zu sein.
So packen wir unser Vesper auf der Bank vor dem Portal aus und stärken uns. Es ist ein Uhr, wir sind schon zweieinhalb Stunden und sechs Kilometer unterwegs. Es kam mir weder so lange noch so weit vor, aber wir haben erst etwas über die Hälfte. Da habe ich die "kleine Runde" wohl etwas unterschätzt. Aber es ist noch genug Zeit bis es dunkel wird.
So bleiben wir auf der Piste, die das Kloster gen Westen verlässt, wandern leicht abwärts, nun mit veränderter Perspektive. Nach einer Kapelle nehmen wir rechts die Zufahrt zu einem Hof und müssen wenig später auf den Fußweg stoßen, der im spitzen Winkel zu uns abbiegen soll, was mich zunächst verwundert. Als wir fündig werden, verstehe ich warum: der Fußweg verläuft in einem (trockenen) Bachbett, das sich zunehmend tief in die Landschaft schneidet. Der Weg wird durch manneshohe Steinbrocken und -stufen stellenweise zur Kletter- und Rutschpartie, und erinnert mich an die Aradena-Schlucht. Mhh, das hatte ich mir einfacher vorgestellt. Im Dumont-Reisetaschenbuch "Rhodos" von Hans E. Latzke wird nur der Pfad erwähnt, der nach Nimborio hinabführt. Ob er jemals hier gewandert ist? Vermutlich nicht.
Die Cousine ist leichtfüßig voraus, ich klettere mühsam und unter Zuhilfenahme meines Stockes hinterher. Frau wird nicht jünger, und auch wenn ich heute nicht alleine unterwegs bin, wäre es nicht gut, sich hier den Fuß zu verknacksen. Zumal man hier in der Schlucht keinen Empfang hat.
Auf halber Strecke ist in meiner Landkarte links der Weges eine archäologische Stätte markiert. Keine Ahnung um was es sich handelt, aber das Gelände ist gut eingezäunt. Da die untere Kante ein paar Meter über uns ist, haben wir auch keinen Einblick. Bei Google Earth sind hier eingefriedete Terrassen zu erkennen. Wenn jemand mehr weiß, würde ich mich über Info freuen.
Weiter unten wird es steiler, und mir wird klar, dass wir diesen Weg in der entgegengesetzten Richtung nie begangen hätte, sondern schon am Anfang umgekehrt wären. Alles richtig gemacht, auch wenn das letzte Stück nochmals richtig mühsam wird.
Der Taleinschnitt öffnet sich etwa hundert Meter hinter der Bucht von Nimborio bei einigen verfallenden Gehöften. Anscheinend gibt es hier irgendwo antike Mosaiken und Katakomben. Im Gestrüpp von Ästen und Mäuerchen streben wir aber einfach nur dem Strand zu, froh, wieder in der Zivilisation zu sein. Auch wenn sich diese sehr verlassen präsentiert - natürlich ist in dieser Sommersiedlung nichts geöffnet. Ich tauche meinen Badethermometer vom gemauerten Bootsanleger aus ins flache Gewässer und messe verblüffende 18,5 °C. So warm - das hätte ich nicht gedacht! Aber die Bucht liegt geschützt innerhalb der Insel, die wiederum von der umgebenden Türkei geschützt wird. Schade, dass ich nicht mal ein Handtuch dabei habe. Aber mich zum Baden aus den Klamotten zu schälen, habe ich sowieso keine Lust. Ich nehme mir aber fest vor, mal auf Rhodos ins Meer zu steigen.
Am östlichen Ende der idyllischen Bucht von Nimborio beginnt wieder eine befestigte Straße, sie führt direkt am Ufer entlang. Ein Trupp Männer ist dort mit den Stromleitungen beschäftigt, ein Mann hängt oben am Leitungsmast. Sie grüßen freundlich als wir vorbeigehen.
Entlang der Bucht sind es nun nochmals zwei Kilometer bis Gialos, vorbei an der Werft in der nördlich der Hafenbucht gelegenen Charani-Bucht, die von der Evangelismos-Kirche überragt wird. Um Viertel nach drei schließt sich am Uhrturm der Kreis unserer Wanderung. Zwölf Kilometer in einer Gesamtzeit von vierdreiviertel Stunden sowie 300 Höhenmeter verzeichnet meine Outdooractive-App. Also das war eine gepflegte Wanderung, keine kleinen Runde zum Einstieg. Und tatsächlich wird es die einzige längere Wanderung unseres Januaraufenthaltes sein. Aber das wissen wir da noch nicht.
Die Gyropittes plus Radler in der Psistaria "Kantirimi" an der Platia am Ende der Hafenbucht haben wir uns redlich verdient. Die Bucht liegt schon wieder weitgehend im Schatten, und wir sind froh, dass wir nicht mehrere Tage hier verbringen - es ist schon sehr ruhig hier. Aber vielleicht steppt am Abend der Bär?
Die bis zu Abfahrt verbleibende Zeit vertrödeln wir in Betrachtung der geschlossenen Läden und Taverne von Gialos. Ein Frontex-Patrouillenboot namens "Stella Polaris" liegt längsseits der nördlichen Paralia, ein zweites mit dem Namen "Vikar" kommt noch dazu und wird von der Besatzung daneben vertäut. Auf beiden Schiffen prangt die dänische Flagge. Frontex-Schiffe erzeugen ein zwiespältiges Gefühl in mir - zu oft habe ich in den letzten Jahren von Pushbacks gelesen, die die griechische Regierung vehement bestreitet und helfende Menschenrechtsorganisation bekämpft. Ob auch diese fröhliche dänische Besatzung in solche Einsätze verwickelt ist? Sie machen den Eindruck, als würden sie ihren Symi-Aufenthalt genießen. Hey ihr Dänen, habt ihr Kajaks dabei? Bestimmt lässt es sich gut paddeln hier.
Unsere "Dodekanisos Express" wird sich verspäten, wie ich bei marinetraffic beobachten kann. Im letzten Tageslicht kommt dafür die "Blue Star Patmos", das Flagschiff der Blue-Star-Flotte. Sie legt am Anleger auf der anderen Seite der Bucht an, in die plötzlich Bewegung gekommen ist. Das Anlegemanöver dort ist einfacher und damit schneller als an unseren Anleger, der kleineren Schiffen vorbehalten ist. Nach einer Viertelstunde entschwindet die "Patmos" wieder, und zehn Minuten später biegt dann doch die "Dodekanisos Express" in unsere Bucht ein. Schnell sind wir an Bord, und schnell ist der Katamaran wieder auf See. Müde hängen wir in den Sitzen, betrachten die Styling-Show, die über den Fernseher flimmert, und werden kurz vor Rhodos von plötzlichem Schaukeln aufgeschreckt. Plötzlich im Wind? Zum Glück ist es schnell wieder ruhiger, bevor ich seekrank werden kann.
Um sieben Uhr sind wir dann wieder zurück im Kolona-Hafen von Rhodos und beschließen zufrieden unseren schönen Tagesausflug. Das Abendessen außer Haus fällt heute aus, da wir vom Mittagessen noch zu satt sind, und uns Knabberzeug und Tsipouro reichen.