Nach Kalamitsi und Mavrospilia

Was bleibt mir übrig, als heute nach Westen zu wandern? Nach Kalamitsi zum Beispiel, da war ich noch nicht. Allerdings verläuft der Weg dorthin weitgehend auf der Straße und ist auch ganz schön weit. Nicht so schön zu Fuß. Ob man hier irgendwo ein Fahrrad leihen kann?

Ich eruiere eine Adresse im Internet und rufe dort an, es ist der Verleiher an der Straße von Psathi. Ja, man habe schon Fahrräder. Aber nein, man würde erst Ende Mai öffnen, wäre jetzt noch nicht auf Kimolos. Ich müsste ein Rad in Milos ausleihen. Ja, danke, gute Idee, aber nix für mich jetzt und hier. Schade.

 

Aber war da nicht ein offener Fahrzeugverleiher unten in Psathi? Soll ich es riskieren und meinen Weg um einen Abstecher nach Psathi verlängern? Ich fühle mich frisch und fit am Morgen, also runter nach Psathi. Der Verleiher hat offen, aber meine Frage nach einem Fahrrad verneint er. Mit einem etwas irritierten Blick: Fahrrad? So mit zwei Pedalen? Hat er nicht. Ich solle doch ein Moped nehmen. Nein, das werde ich jetzt auf Kimolos auch nicht anfangen. Und Auto geht schon gar nicht.

 

Also gehe ich eben zu Fuß von Psathi aus südwestwärts. Das Stück aufwärts über die Kuppe ist hart, die Sonne knallt ziemlich runter. Mal was neues in diesem Urlaub. Aber die Aussicht ist auch toll (ich fürchte, ich wiederhole mich). Die Küste von Milos liegt ganz nahe da.

Auch hier im Süden ist das Getreide schon geerntet.

Bei Alyki, das ich nach vierzig Minuten erreiche, biege ich von der Hauptstraße links ab zum Strand. Die Tavernen hier sind alle noch verwaist. Im Hinterland des Strandes breitet sich ein weiter See aus, aus dem ein Tor herausragt. Ein Fußballtor? Eher Wasserball. Oder welche andere Funktion könnte das Teil noch haben? Momentan wäre es ein guter Sitzplatz für einen kleinen weißen Reiher, der das Wasser auf Beute absucht. Da ist noch ein zweites Tor, also doch ein Fußballplatz. Im Sommer.

 

Der Strand selbst sieht nicht so verlockend aus. Viel Schotter, später auch Felsen.

Ich gehe an der Uferstraße entlang nach Westen, hier blüht wieder weitflächig der Strand-Flieder. Von Pollonia herüber kommt die Fähre "Panagia Faneromeni". Ich hatte bisher gar nicht gesehen, dass sie auch ein Sonnendeck hat, auf dem Salon.

Die große Kirche auf der vorgelagerten Ventouris-Insel Agios Georgios wird sichtbar. Das würde ich gerne mal an Land gehen, aber ohne eigenes Boot ist das schwierig, da privat.

 

Ein langer, schmaler Bootsanleger trennt die Strände von Alyki und Bonatsa. Eine Frau sammelt dort irgendetwas.

Inzwischen stehen Tamarisken entlang der Straße, und es hat ein paar Tavernen. Die sind alle geschlossen, leider. Ich hatte mir eine kleine, naive Hoffnung darauf gemacht, ein geöffnetes Lokal zu finden, aber auch am Kalamitsi-Strand, der durch ein flaches Felsenkap von Bonatsa abgetrennt wird, ist die Taverne noch geschlossen. So bald macht die auch nicht auf - alles ist noch verrammelt. Im Hinterland sind aber emsige Bauarbeiten zugange, immer wieder holpert eine Beton-LKW von Westen her über die Piste und wirbelt Staub auf.

Den halbrunden Kalamitsi-Strand habe ich so für mich alleine. Die Bucht ist flach, weiter am Kap hat es Felsenplatten im Wasser, aber am nördlichen Ende wird es sandiger. Ich suche mir einen schattigen Platz unter einer Tamariske und wage mich ins nach wie vor nur 18° kalte Wasser. Jetzt bin ich schon elf Tage hier, aber die Meerestemperaturen kommen nicht auf Touren. Seltsam.

 

Nach einer Weile kommen zwei junge Griechen und richten sich zwei Tamarisken weiter südlich ein, testen das Wasser vorsichtig. Geht. Nichts wie rein. Doch schon Badesaison.

 

Und ich überlege, wie ich den Rest des Tages verbringen soll. Es ist erst ein Uhr vorbei. Ich hab Lust, noch weiter nach Westen zu gehen, bis Mavrospilia vielleicht. Dürften so zwei Kilometer sein, die aber in der heutigen Mittagswärme anstrengender sind als gedacht. Ein Auto nebst Fahrer, das mich mitnehmen möchte, fährt in die falschen Richtung - nein, ich will nicht wieder nach Kalamitsi.

 

Die Piste wird erst breiter und führt an Weinfeldern und ein paar Höfen - das Dreirad stand schon 2011 da - vorbei, dann schlängelt sich die nun löchrige und schmalere Piste über einen Hügel hinauf und schließlich zur Küste hinab. Ich hab mich für Mavrospilia als Ziel entschieden, beim Paddeln haben wir vor zwei Jahren dort Pause gemacht und der Strand ist schöner als der von Deka oder Ellenika.

Ich brauche etwa eine Stunde ab Kalamitsi und freue mich schon auf ein zweites Bad im Meer. Unter einer Tamariske am Rand des Strandes stehen zwei volle graue Müllsäcke. Zusammen mit den Schleifspuren am Ufer kann das nur bedeuten, dass Rod mit seinen Paddlern heute hier war. Jetzt werden sie weiter nördlich am Donkey Beach (Athinias) sein. Schade, hab ihn verpasst. Aber morgen werden wir uns eh treffen, wenn ich in Triovasalos mein Quartier beziehe.

 

Es ist einsam hier, von dem Mann abgesehen, der im Hinterland mit seinem Traktor stoisch über ein Feld pflügt. Es wäre der perfekte Badeplatz, wenn nicht eine Kompass-Qualle ebenfalls hier schwimmen würde. Wunderschönes Tier, aber irgendwie versaut sie mir das Badevergnügen nachhaltig. Zumal ich vermute, sie hat ihre Familie mitgebracht, die hier auch noch herumtreibt. Ich beschränke mich also auf einen Strandspaziergang und auf einen Mittagsschlaf im Tamariskenschatten. Immer wieder Ausschau haltend, ob eine Horde Paddler von rechts ums Felsenkap kommt. Aber die lassen sich bestimmt Zeit, genießen den schönen Strand mit dem freundlichen Esel.

Gegen vier Uhr hab ich genug vom Faulenzen und mache mich auf den Rückweg. Natürlich nehme ich den Weg über die südlich von Mavrospilia gelegene Anhöhe, von der man einen guten Blick auf die wunderbar bizarren Felsenformationen hat, die vor der Küste liegen. Dahinter die kleine Insel Agios Andreas, die in früheren Zeiten mit dem Festland verbunden war und auf der zahlreiche vorchristliche Artefakte und antike Siedlungsreste gefunden wurden.

Ein schöner Ausblick bis zum Profitis Ilias auf Milos. Ich liebe diese Ecke der Ägäis.

Als ich auf dem Rückweg einen letzten Blick auf die Westküste werfe, sehe ich dann doch die Paddler um die nördliche Felsennase kommen. Lustig sieht das aus, und mit dem bloßen Auge kaum erkennbar. Ich winke, aber das dürfte von dort aus niemand sehen.

 

Nun geht es auf den fünf Kilometer langen Rückweg. Da er auf der Straße verläuft und mein fußgängerischer Ehrgeiz für heute befriedigt ist, hoffe ich auf eine Rückfahrgelegenheit. Bis ein Auto kommt, schalte ich in Automatik-Modus und trotte Schritt für Schritt, die Sonne im Rücken. Ich marschiere eine Dreiviertelstunde vor mich hin, aber es kommt kein Auto. Nicht mal ein Moped - Kimolos liegt in spätnachmittäglicher Siesta erstarrt. Lediglich Esel gucken mich verwundert an, wenn ich passiere. Bitte hinter dem Zaun bleiben!

 

Schade, dass bei Alyki kein Café geöffnet ist, Hunger und Durst machen sich bemerkbar, und mein Wasservorrat geht zur Neige. Immerhin kann ich eine Straßenschleife in der Nähe des Hubschrauberlandeplatzes mit einem Fußweg abkürzen. Der Weg hinein nach Chorio zieht sich trotzdem. Ich biege auf die westliche Umgehung ab, möchte noch einen Blick auf das Quartier "Prezanis" werfen, das ich auch erwogen hatte. Sieht noch sehr vorsaisonal geschlossen aus. Nein, mein Quartier war absolut die richtige Wahl.

In den Gassen von Chorio ist ein Mini-Markt geöffnet, ein kaltes Bier und eine Orangeade - in Ermangelung von Limonade - wechseln den Besitzer. Ich genieße die Kaltgetränke zusammen mit Erdnüssen auf meinem schattigen Balkon - mein Sonnenbedürfnis ist für heute voll gedeckt - und nach einer wunderbaren Dusche.

 

Erst spät und nicht richtig hungrig machen ich mich am Abend auf Restaurantsuche. Das "Kali Kardia" ist offen, aber heute ist es fast leer. Ich lande schließlich im "Panorama", etwas versteckt am Nordosttor des Kastro, in dem mehr Leute sitzen als gedacht. Gut, es ist auch Samstag, was die Tische mit Familien erklärt. Ich hätte Lust auf Makkaronia me Kima, aber die Wirtin hat das nicht, auh wenn es auf der Karte steht. Sie empfiehlt Fasolakia, grüne Bohnen, und das passt auch. Die Bohnen kommen schön geschmort mit Kartoffeln daher und schmecken köstlich. Mit dem obligatorischen Viertel Wein komme ich auf noch nicht mal zehn Euro Zeche, und bin sehr zufrieden mit meiner Lokalwahl.

Schade, dass es morgen schon Abschied nehmen heißt.

 

*

Um zehn Uhr kommt das Taxi, das Aspasia bestellt hat, und bringt mich hinab nach Psathi. Schon vor acht Uhr haben mich die nahen Kirchenglocken wachgeklingelt. Kein Problem, ich muss ja noch packen und frühstücken. Ab morgen ist Frühstück inklusive, da werden heute die Reste an Kaffee, Joghurt, Salami und Butter verputzt. Hat genau gereicht. Das Zimmer habe ich schon gestern bezahlt, aber Aspasia lässt es sich nicht nehmen, mich hinab zum Hafen zu begleiten, auf ihrem Motorroller natürlich. Ich warte vor der Fähre auf sie.

Die Überfahrt mit der "Panagia Faneromeni" hinüber ins nahe Pollonia sollte heute kein Problem sein: es weht nur ein leichtes Lüftchen. Die Zahl der Fahrgäste lässt sich an einer Hand abzählen, einer der Fährleute scherzt mit Aspasia, dass wir uns beeilen sollten, sonst bekämen wir keinen Platz mehr. Ich verabschiede mich von ihr und gehe an Bord. Zwei Euro zwanzig kostet die Überfahrt, zu bezahlen im Passagierraum, den ich aber gleich wieder verlasse um draußen die Überfahrt zu genießen.

Als das Schiff schon fast dabei ist, die Leinen zu lösen, kommt noch ein PKW angerast und fährt rückwärts aufs Schiff. Punktlandung - um halb elf legen wir ab.

 

Das waren schöne Tage auf Kimolos. Die Insel ist zu Unrecht so wenig bekannt, ich fand sie jetzt wieder überraschend schön und komme sicher gerne wieder. Ob ich zur Wiedergängerin werde?

Aber erst mal Milos.