Also nach Sikinos sollte es gehen – und das über die griechischen Ostern. Ob das nicht zu gewagt war? Schließlich ist auf der Insel laut Reiseführer absolut nichts los – aber das hatte uns auch bei anderen Kleinstinseln bisher nicht nur nicht abgeschreckt, sondern unsere Griechenlandsehnsucht nur noch gesteigert. Vorher waren wir auf Ios – der April, sprich: die Vorsaison, scheint die optimale Reisezeit für Ios zu sein, wenn man keinen gesteigerten Wert auf betrunkene Engländer, Skandinavier und Diskorummel legt. Wir haben Ios sehr genossen und anscheinend die Jahreserstbesteigung des dortigen Profitis Elias unternommen – immerhin gut 500 Meter hoch.
Aber zurück zu Sikinos: beim Kaufen der Fährtickets nach Sikinos im Acteon Travel Ios äußerte ich unser Bedenken, ob wir so früh im Jahr (1. Mai) und auch noch über die griechischen Ostern auf Sikinos ein Quartier finden würden. Die sehr nette Dame im Reisebüro meinte, das könne schon schwierig werden und schrieb uns mehrere Telefonnummern von sikiniotischen Zimmervermieterinnen auf, wir sollten erst telefonisch anfragen. Ein guter Ratschlag, denn wir bekamen überall negative Auskunft. Aber uns wurde eine weiter Telefonnummer genannt, bei Flora, und siehe da: sie hatte ein Zimmer für uns. Ich erklärte noch, um welche Zeit wir mit dem Schiff ankommen würden – völlig überflüssig, es war eh das einzige Schiff an dem Tag. Auch eine Beschreibung unsere Personen sollte sich als unnötig erweisen, denn wie sich herausstellen sollte, waren wir sichtbar die einzigen Nichtgriechen, die in Sikinos vom Schiff gingen.
Nach 25 Minuten Überfahrt von Ios mit der „Panagia Ekatontapiliani“ verließen gemeinsam mit uns etwas 70 Griechinnen und Griechen das Schiff, begleitet von Hunden, Vögeln, Gummibäumen und Bergen von Gepäck, anscheinend alles Osterheimkehrer und –urlauber. Flora, die auch für den Minimarket am Hafen zuständig ist, brachte uns dann gleich mit dem Auto zu den sehr schön gelegenen Rooms oberhalb von Alopronia, dem Hafenort. Wir bekamen das schönste Zimmer – kein Wunder, wir waren die einzigen Gäste und wahrscheinlich hatte Flora extra für uns die Saison schon etwas früher eröffnet - mit einem Blick auf die ganze Hafenbucht.
Der abendliche Bummel durch Alopronia ergab: außer dem Strand und dem Mini-Market gab es noch eine Taverne, die Pizzeria „Rock-Cafe“ und eine Bushaltestelle – das wars. Also ließen wir uns in der Taverne nieder und bestellten die beiden Essen, die es neben einem Bauernsalat an diesem Tag gab (eine größere Auswahl sollten wir auch an den darauffolgenden Tagen nicht haben). Typisch griechisch wurden sie lauwarm serviert, waren aber sehr lecker, vor allem der Bauernsalat vorab. Wir erfragten die Abfahrtszeiten des Busses nach Chora für den nächsten Tag beim Wirt, denn die gut 3 Kilometer auf der Strasse zu Fuß hinauf wollten wir uns nicht antun und erfuhren, dass in der Osterwoche jeweils abends zum und nach dem Abendgottesdienst zusätzlich noch ein Bus verkehrte, um die KirchgängerInnen wieder herunterzutransportieren.
Am nächsten Tag ein Frühstück zu bekommen erwies sich zunächst als schwierig, da es in der Taverne kein Brot z.B. mit Honig oder Omelette gab (der Mini-Market hätte keine Eier mehr – wohl alle schon ausverkauft für Ostereier). Wir bekamen stattdessen eine prächtigen Käseteller mit Tomaten zum Nescafé, auch nicht schlecht. Die nächsten Tage frühstückten wir im teureren Rock-Cafe, schön über der Hafenbucht gelegen und nur etwas akrobatisch zu erreichen. An der 10 Minuten östlich des Ortes gelegenen Felsenbucht genossen wir sie Sonne und checkten die Wassertemperatur – knapp 20°C, da streckten wir nur die Füße rein!
Am Nachmittag nahmen wir dann den Bus nach Chora/Chorio und wanderten von dort in ungefähr 70 Minuten zu der Sehenswürdigkeit auf Sikinos, dem „Heroon“, auch Episkopi genannt. Leider ist der Weg vor einigen Jahren in eine Schotterstrasse umgebaut worden (auf Sikinos gibt es schätzungsweise 40 Autos und zwei Busse), auf der es sich nicht so schön lief. Nach schlechten Erfahrungen auf Ios blieben wir aber lieber auf der Strasse und suchten nicht nach einem Fußweg, von dem wir später erfahren sollten, dass es ihn doch gab. Eine schöne Wanderung war es trotzdem, mit herrlicher Aussicht auf die terrassierte, mohnblühende Nordküste und hinüber nach Folegandros, Antiparos, Paros und Naxos. Das Heroon, ein römisches Grabmal, das später zur Kirche (Episkopi) umgebaut wurde, liegt recht einsam (wenn man von der Schotterstrasse absieht) auf eine Bergsattel inmitten von wild blühenden Wiesen – ein herrliches, sogar etwas schattiges Plätzchen zum Verweilen und Genießen, was wir denn auch taten. Die Kirche selbst ist abgeschlossen und sah eher baufällig aus. Später kam eine griechische Familie mit dem Auto zum Blumenpflücken – es war Gründonnerstag, und mit den Blumen wurden die Gräber geschmückt. Wir bekamen auf dem Rückweg 2 Lilien geschenkt – ob die dort wild wachsen?
Zum Abendessen kehrten wir im „Iliovasilema“ ein, einer Taverne in Chora mit sehr gutem Essen und leckeren Süssigkeiten. Dort trafen wir den würdigen Herren wieder, der uns vorher den Weg zum Heroon gewiesen hatte. Er sprach gut deutsch, denn er hatte jahrelang nur einige Kilometer von meinem Heimatort entfernt gelebt und wohl beim „Daimler“ in Sindelfingen gearbeitet. An dem Abend auch später einmal saß er in der Taverne und las, während die anderen Männer Tavli und Karten spielten.
Die nächsten Tage bummelten wir an der Küste herum und suchten den Weg zum Strand Agios Giorgios, der mir als sehr schön empfohlen worden war. Aber niemand konnte uns sagen, wie wir zu Fuß dorthin kommen konnten, nur mit dem Kaiki und in der Hochsaison. Wanderführer von Sikinos – Fehlanzeige! Stattdessen landete ich in den Dornen. Erst am letzten Tag nachmittags fanden wir dann den richtigen Einstieg zum Strand – zu spät um noch dorthin zu gelangen.
Am Karfreitag Nachmittag sahen wir eine Himmelserscheinung, einen sogenannten „Halo“: eine Art Regenbogen in einem großen Kreis um die Sonne herum, sehr eindrucksvoll!
Am Karsamstagabend nahmen wir den Bus nach Chora um den Auferstehungs- gottesdienst mitzuerleben. Wir aßen wundervolles Lamm im „Iliovasilema“ – jaja, wir hätten eigentlich bis nach dem Gottesdienst warten müssen, aber wir waren hungrig und mit den österlichen Gepflogenheiten nicht vertraut. Nach 22 Uhr begaben wir uns zur Kirche, wo es aber noch recht ruhig war. Wir schlenderten durch die Gassen der Chora, betrachteten die ornamentgeschmückten alten Portale, genossen die Stimmung. Später fanden sich alle Einwohner und Gäste der Insel bei der kleinen Kirche ein, die diesem Ansturm nicht gewachsen war – die meisten mussten draußen bleiben. Zuerst aber Kerzen erstehen und in der Kirche weihen lassen, die Ikonen küssen, und der Dinge harren. Der Platz wurde immer voller, ein Kommen und Gehen rein und raus aus der Kirche, der Gottesdienst wurde mit Lautsprechern nach außen übertragen. Die Stimmung war eher wie auf dem Jahrmarkt als weihevoll. Wir standen dicht an dicht als schließlich alle Lichter gelöscht wurden: „Christos anesti“ erschallte, und die Feuer wurden mit Kerzen nach außen weitergegeben. Von allen Seite und ganz nah heftiges Geböller und Feuerwerk, nicht mein Fall, und es passieren auch immer wieder Unglücke. Ja die Kerze nicht ausgehen lassen, nicht so einfach bei dem starken Wind, der aufgekommen war. Dabei würde man sich lieber die Ohren zuhalten wegen des Lärmes, aber ich hatte keine Hand frei, musste meine Kerzenflamme schützen. Überall erschallte es „Christos anesti“, „Chronia polla“ und andere Glückwünsche – und dann war meine Kerze doch aus. Die Einheimischen und ihre Gäste feierten daheim das Fastenbrechen, wir fuhren mit dem Bus wieder hinunter zum Hafen, wo alles ruhig war.
Am Ostersonntag stiegen vor den meisten Nachbarhäusern Rauch auf: überall sah man die Osterlämmer grillen und die Familien miteinander feiern. Wir fühlten uns etwas einsam und wehmütig und als Eindringlinge – vielleicht ist am an Ostern besser irgendwo, wo es mehr Fremde gibt? Je älter der Tag wurde, umso ruhiger wurde es rundherum, alle machten ein Nickerchen um ihren Rausch auszuschlafen oder den versäumten Nachtschlaf nachzuholen. Nur die Kinder spielten noch unermüdlich.
Am Ostermontag war dann Abreisetag für uns. Morgens wurden auch wir freundlich mit „Chronia polla“ gegrüßt, aber ich hatte den Eindruck, dass die Einheimischen sich wunderten, dass wir immer noch da waren und was wir eigentlich auf Sikinos wollten. Sikinos – eine ganz andere Kykladeninsel.