Wanderungen

Den Mittwochvormittag nehme ich mir frei vom Aktivprogramm. Ich gebe das Fahrrad zurück und frühstücke bei "Aggeliki". Acht Euro fünfzig für das Frühstück mit Orangensaft, Brot, Butter, Marmelade, Honig und Cappuccino - eher viel, zumal auf meine Frage, welche Getränk da dabei wäre, auch der Cappuccino genannt wurde, der später mit 50 Cent Aufschlag auf der Rechnung steht. Und warum man mir auf meine Bitte nach zwei weiteren Schreiben dunklem Brot dann drei Scheiben helles bringt, weiß nur der Kellner. Na, der Laden hat heute erst aufgemacht. Nächstes Mal gehe ich wieder ins "Milors".

 

Es ist wirklich noch windiger als gestern. Ich bummle etwas durch den Ort, spaziere von Langada noch die Küste entlang zum "französischen Friedhof", der im Grunde nur aus einem Grabdenkmal und einem Grabstein besteht.

Um vierzehn Uhr nehme ich den Bus nach Pollonia (€ 1,80), fahre aber nur bis Páchena. Von hier möchte ich über Agios Konstantinos und Mýtakas nach Sarakiniko wandern, was dem leicht verlängerten Miloterranean-Geowalk Nummer 6 entspricht - 4,5 Kilometer, zwei Stunden.

 

In Pachena gehe ich von der Straße hinab zum Strand, wo das Meer wild tobt. Dieses Toben wird mich die nächsten Stunden begleiten und teilweise dramatische Fotos liefern. Ich hole mir nasse Füße als ich vor einem Felsen entlang des Strandes muss.

Die Abkürzung des Kaps danach muss ich etwas suchen - da ist ein großes Getreidefeld, das ich nicht durchqueren möchte.

 

Agios Konstantinos (am Sonntag ist Namenstag) besteht aus zwei (geschlossenen) Kapellen und einem von Syrmata (Bootshäusern) gesäumten, tief in den Bimsstein geschnittenen "Fjord". Einwohner eher Fehlanzeige.

Während der ganzen Wanderungen sind Wegmarkierungen rar (das steht auch in der Wegbeschreibung), aber man muss sich einfach so nahe wie möglich an der felsigen Küste halten und gelegentlich Felsentäler umwandern.

Etwas weiter liegt quasi direkt unter dem Weg eine riesige Felsennische mit einem Sandstrand darin. Bei glatter See sicher ein schöner Badeplatz, aber heute würde man dort gegen die Felsen geschleudert.

 

Ein halbrunder Sandstrand von Alogomantra schließt sich an, der in ein weiteres Felsenkap ausläuft. Die vorgelagerte Felseninsel Kofto ist nur durch einen dünnen, aber tiefen Kanal von der Hauptinsel abgetrennt. Meeresschaum schwimmt auf dem dunkelgrünen Wasser.

Auf von Meer und Wind geglätteten, hellgrauen Felsen geht es weiter südwestwärts. Tiefe, wassergefüllte Risse sind dabei zu überqueren.

 

Nach etwas über einer Stunde ab Pachena erreiche ich Mýtakas. Auch hier gruppieren sich Bootshäuser malerisch um einen Felseneinschnitt mit kleinem, leicht vermülltem Strand. Auf einer baldachinbeschatteten Terrasse am Meer steht ein Tisch mit einem halben Dutzend Stühlen. Nur auf den ersten Blick einladend, denn die Stuhlkollektion ist recht verwittert, die Plastiktischdecke hat Risse. Ziemlich Vintage-Style hier, vom Meer gestaltet. So setze ich mich lieber auf die Treppe, die zur Terrasse hinab führt um mein Vesper zu verzehren. Aber der Ort hat was, obwohl ich auch hier keinen Bewohner sehe.

 

Der Himmel ist noch dunkler geworden. Schade, schon beim letzten Besuch von Sarakiniko musste ich auf die Sonne verzichten, die die hellen Felsen fotogen hätte beleuchte können. Aber solange es nicht regnet, will ich nicht meckern.

Das folgende Stück bis Sarakiniko ist nun weitgehend weglos, es geht über Felsenplatten und entlang wacholderumrandeter Steilküstenabschnitte und Erosionstäler. Manchmal muss ich recht weit ins Landesinnere zurückweichen. Grün, gelb, blau - Wacholder, Klee, Meer. Ein schönes Farbenspiel. Und die Felsen tun nun auch verstärkt mit: kreideweiße runde Fladen mit roten und gelben Adern, Steinblasen, filigrane Strukturen in Hell und Weiß, Bonsai-Höhlen, Miniaturterrassen und Schichttorten aus Kreide: Es kann nicht mehr weit bis Sarakiniko sein. Aber plötzlich wieder eine Bucht mit tobendem Meer zu meinen Füßen.

 

An einer Felsennase liegen die Überreste des Wracks des Tankers "Africa", 2003 hier gestrandet. Inzwischen ragt nur noch ein Mast und ein Teil des Hauses im Heck aus dem Wasser, bald wird es ganz weg sein. Da ist die "Olympia" auf Amorgos doch beständiger ...

Irgendwann sind die Felsen dann nur noch hell. Feinstrukturen sehen aus wie Luftbilder vom Mond. Ich bin sehr begeistert davon. Noch über eine glattgeschliffenen Klippe, und ich sehe die schmale Bucht, die bei Sarakiniko in einem Strändchen mündet. Das Meer darin ganz ruhig, da könnte ich jetzt doch baden während die See draußen noch das Ufer umwühlt.

 

Zuerst gucke ich aber in den Stollen, der dort in den Felsen führt. Ein Gangsystem zieht sich durch das weiche Bimsgestein und baut eine Licht- und Schattenspirale.

Und dann kommt netterweise doch die Sonne heraus und taucht die Tuffwände in helles Licht. An der Felsenbrücke spritzt das Meer hoch und man kann sich vorstellen, wie es in jahrhundertelanger Arbeit diese Landschaft geformt hat: die Felsen gerundet, die Kanäle ausgespült. Wie hart kann Wasser sein.

 

Ich lasse das in aller Ruhe auf mich wirken.

Ein paar Besucher hat es auch, obwohl kein Badewetter ist. Das deutsche Seglerpaar, dem ich heute früh im Reisebüro helfen konnte, ist auch da. Die bieten mir an, mich mit dem Auto zurück nach Adamas zu nehmen, aber ich möchte noch bis Mandrakia weiter, und lehne ab. Etwas zu früh, denn der Weg ist zwar in der Karte eingezeichnet, aber wo er genau verläuft, kann ich nicht feststellen. Und die Felsen sind hier hoch, schnell kann das halsbrecherisch werden, und ich bin ja solo unterwegs. Nach drei vergeblichen Versuchen breche ich ab - ich werde auf der Straße zurückgehen, und mir vielleicht ein Taxi rufen. Bus fährt ja noch keiner, und es ist auch schon 18 Uhr.

 

Aber erst noch ein paar Fotos.

Natürlich rufe ich mir kein Taxi (hatte extra das Schild mit der Telefonnummer fotografiert), und auf Milos erbarmt man sich auch nicht so schnell bei Fußgängern. Auf der Stichstraße hoch von Sarakiniko zur Hauptstraße kommt eh kein Auto, und oben preschen sie an mir vorbei.

 

Die Straße macht Umwege, ich kann aber über einen Feldweg etwas abkürzen, vorbei an einer Kapelle, Agios Xenofon (nie gehört von diesem Heiligen), und Blumenwiesen, und mit schönem Blick auf Adamas. Und Kapernsträucher gibt es hier, mit Blüten: es ist ja Kapernzeit.

Als ich gegen sieben Uhr - quasi durch die Hintertür - wieder in Adamas eintreffe, bin ich ordentlich müde. Aber war auch schön heute.

 

Zum Abendessen lockt mich das Tagesessen Spetsofai ins "Mileiko". Das Essen ist ganz ordentlich, aber nicht überdurchschnittlich. Die Volltreffertaverne habe ich hier noch nicht gefunden.

 

*

 

Nach der Sarakiniko-Wanderung bringe ich hier noch als Einschub eine Wanderung, die ich am ersten Tag gemacht habe: von Adamas hinauf nach Tripiti und weiter nach Plaka. Der Weg ist ein Teilstück des Geo-Walks 7, Nychia, und beginnt direkt bei meinem Hotel in Langada.

Auf der Straße geht es hinter den Hotels und entlang eines Ackers nach Nordosten und bei einem Gebäude mit einem zum Taubenhaus umfunktionierten Windmühlenturm beginnt die Piste hinauf nach Tripiti. Sie schlängelt sich, steigt zu Beginn etwas an und führt durch Felder und Erosionslandschaft. Zurück sieht man die auf einem Hügel gelegenen Altstadt von Adamas, vorne wird bald der Blick auf Tripiti mit seinen Windmühlen frei. Der Ort liegt hinter einem weiten Tal, an dessen westlichem Rand die Piste führt. Die Abzweigung nach Nychia habe ich ignoriert - dort gibt es große Obsidianvorkommen. Das Mitnehmen von Obsidian soll laut MM-Führer übrigens verboten sein.

Etwas später hat man ein wunderbaren Blick über ein Getreidefeld auf das Meer mit dem Kap Vani und Antimilos. Wieder zweigt links eine Straße ab, sie führt zur Fischersiedlung Schinopi hinab. Ich bleibe auf der Hauptpiste, lasse das Dorf Klimatovouni links liegen, und erreiche den Ortseingang von Tripiti (links führt eine Straße nach Klima hinab). Eine Dreiviertelstunde habe ich gebraucht.

 

Durch Tripiti führt eine gerade Straße konstant aufwärts. Ich gönne mir ein paar Abzweigungen in Nebengassen mit ruhenden Katzen, bemalten Blumenkübeln (upgecycelten Ölkanister) und einem schönen Blick auf die Bucht von Klima. Natürlich könnte man hier zum antiken Theater abbiegen, oder zu den Katakomben. Heute nicht.

Ich vermerke, dass es einige Tavernen gibt, und die Bushaltestelle bei der großen Hauptkirche Agios Nikolaos.

Das langgezogene Tripiti verlasse ich Richtung Plaka - wegen Straßenbauarbeiten nehme ich die rechte Straße, die mich am archäologischen Museum und der gegenüberliegenden bunten Crêperie namens "Fatses" vorbeiführt. Nun aber links ins Gassengewirr von Plaka.

 

Ich suche unser Quartier von vor zehn Jahren, "Betty's", mit der tollen Aussicht auf den kleinen und den großen Profitis Ilias. Damals tobte nach zwei ruhigen Tagen der Wind ums Haus, und heute tut er es das auch wieder. Der Südwind bläst Linien in das Binnenmeer von Milos und sorgt für eine eigentümliche Stimmung. Und die Landschaft ist geradezu unglaublich grün. Ein nasser und kühler Winter hat Spuren hinterlassen. 2007 war ich auch Mitte Mai auf Milos, aber die Natur war damals  schon viel vertrockneter.

 

Auf dem kieselsteingeschmückten Platz vor der Hauptkirche von Plaka genieße ich den Blick auf die Felderterrasse unterhalb. Der Wind kämmt die Felder, und auch hier oben pustet er weg was nicht gut festgehalten wird. Der Seajet ist heute ausgefallen - die Fahrt wäre bestimmt kein Vergnügen gewesen.

Ich mache mich trotzdem auf hinauf zum Kastro, vorbei an einem der Lieblingsmotive der Kykladen, der Kirche Panagia Thalassitra. Sie ist geschlossen, aber die Restaurierungsarbeiten scheinen beendet.

 

Der Blick auf Plaka, das irgendwie komprimiert scheint, ist schön. Kurz bedauere ich, dieses Mal nicht hier oben zu wohnen. Aber Adamas hat in der Vorsaison definitiv Vorteile. Und sei es nur, dass es einem dort heute nicht die Haare vom Kopf bläst.

Ganz oben, auf dem Plateau bei der Kapelle, verunmöglicht der Wind Panoramafotos. Die Sicht geht weit, nach Nordosten über Triovassalos und Sarakiniko hinaus entlang der Küste zum Kap Kalogeros und nach Kimolos und Poliegos. Weiter südlich der flache Inselteil von Milos und die Windmühlen von Tripiti.

Die zerfetzte griechische Flagge bei der Kapelle knattert im warmen Wind. Und direkt zu Füßen Plaka und der kleine Profitis Ilias. Ich freue mich darauf, einige der Ecken in den nächsten Tagen unsicher zu machen.

Panoramablick auf Binnenmeer
Panoramablick auf Binnenmeer

Wieder unten in Plaka. Das Café Utopia hat noch Winterpause  - schade, einen Kaffee hätte ich jetzt brauchen können weil sich die kurze Nacht bemerkbar macht. Im Gassengewirr finde ich dafür das "Kokkino Podilato", das rote Fahrrad, ein Café mit Eisverkauf. Nach Eis steht mir der Sinn nicht, aber den Elleniko bekomme ich stilgerecht im Briki serviert. Und darf danach noch das Basilikum-Eis probieren, das der Verkäufer stolz als das beste Eis Griechenlands anpreist. Ist auch wirklich gut.

Es ist sieben Uhr vorbei. Soll ich mir ein Taxi hinab nach Adamas nehmen? Nein, ich kann auch zu Fuß gehen, auf dem gleichen Weg zurück. In etwas über einer Stunde bin ich unten, gerade rechtzeitig ehe die Sonne untergeht.

 

Samstagabend, die Tavernen in Adamas sind ganz schön voll. Einheimische und Touristen. Von Krise nichts zu merken. In der Psistaria "O Giros tis Milou" toben Kinder, das ist mir jetzt zu laut. Ich lande schließlich im "Arodo" an der Uferstraße Richtung Zefiria. Die Souflakia sind gut, obwohl das hier ein Fischlokal zu sein scheint. Zwölf Euro inklusive Wein. Der erste Abend klingt gut aus.

 

*

 

Ende des samstäglichen Plaka-Exkurses.

Morgen, am Donnerstag, dem dritten Fährstreiktag, geht es wieder aufs Bike. Wenn es nicht regnet.