Arkassa & Menetes

Alles hat geklappt wie am Schnürchen, und jetzt nehmen wir morgens um zehn Uhr am Flughafen von Karpathos unseren Mietwagen für die nächsten fünf Tage im Empfang.

Gestern sind wir mit TUIfly nach Rhodos geflogen, haben ein Taxi zu den „Alexia Apartments & Studios“ in Kremastí genommen, den kühlen und windigen Nachmittag in Kremastí verbummelt (bei „Zorbas“ in der Ortsmitte gut gegessen und den Kite-Surf-Schülern am Strand zugesehen. Sich kilometerlang durchs kalte Wasser ziehen lassen – das soll Spaß machen?). Obwohl die Unterkunft in der Einflugschneise des Flughafens liegt war die Lärmbelästigung gering, der Garten ist sehr schön und gepflegt, und der nette Besitzer hat uns am Freitag früh zum Flughafen gefahren.

 

Wir – das sind in diesem Urlaub gleich vier Personen: außer der Mutter und mir sind die Tante und die Cousine Barbara mit dabei. Da können wir Jungen nach Herzenslust wandern, und den „Jajades“ wird es solange hoffentlich auch nicht langweilig werden. Wir haben uns für die 16 Tage nur die Insel Karpathos (und Rhodos als Stop-Over) vorgenommen. Das mag manischen Inselsammlern wenig erscheinen, aber es gibt dort noch soo viel zu entdecken und zu erwandern – die Zeit wird trotzdem kaum reichen.

Die ersten Tage möchten wir im Inselsüden verbringen, am liebsten in Arkassa. Vor zwölf Jahren waren wir da schon mal (die Mutter und ich – die Tante kennt nur den Norden, und für die Cousine ist Karpathos Neuland) und sind gespannt wie der Ort sich entwickelt hat.

Wir haben bei „Lefkos rent a Car“ einen Hyundai Accent mit ausreichend Platz für vier Personen und Gepäck gebucht, 30 Euro kostet das Auto inkl. allen Versicherungen außer Unterboden am Tag. Das Gepäck passt nach etwas Geschachtel in den Kofferraum und Maria zeigt uns schnell die wichtigsten Dinge.

 

Los, Kurs Arkassa! Das Wetter ist durchwachsen, der Himmel wolkig, es ist sehr windig. Auf Rhodos hat es in der Nacht mächtig geregnet, aber hier sieht es trocken aus. Wir erreichen Arkassa schnell, biegen links ab zum Strand von Saint Nicholas (oder Agios Nikolaos, aber das sagt wohl keiner dort). Die gleichnamigen Studios interessieren uns, und die „Glaros Studios“ am Strand, wo ich per Buchungsformular angefragt, aber keine Antwort bekommen hatte.

Im „Glaros“ werden wir gleich fündig – man hat die Saison gerade erst am 1. Mai eröffnet und geht es noch sehr entspannt an (wie man an Gäste kommen möchte wenn man Anfragen vorher nicht beantwortet erschließt sich mir nicht so ganz). Für 45 Euro bekommen wir jeweils ein großes Studio im oberen Stock (unten wäre es fünf Euro billiger gewesen) für zwei Personen, mit traditionellem Soufas und riesigem Balkon.

 

Das Meer mit seinen mächtigen Brandungswellen ist so nahe, wir hören es im Wind toben, die Strandpalmen stehen halb waagrecht, an Baden ist nicht zu denken. Das Wetter soll ab morgen aber besser werden, versprechen uns so ziemlich alle, die wir treffen. Bisher war das Frühjahr eher kühl und mäßig. Na, schaun mer mal.

Der erste Bummel zwecks Einkauf und Erkundigung führt uns nach Arkassa hinein. Vorbei an ein paar neueren Studios, dem „Montemar“, den „San Nicholas Studios“ und dem noch geschlossenene Großhotel „Euroxenia Royal Mare“. Der Supermarkt an der Kreuzung beim Lokal „Kriti“ hat auch noch zu, aber zwei Flußtäler später an der Platia beim „Taka Taka Mam“ bekommen wir was wir brauchen. Und in dem Lokal kehren wir ein, auf einen leckeren Taka-Taka-Mam-Salat, Tirosalata und frittierte Zucchinischeiben, dazu Weißwein. Mit unserer Ortswahl Arkassa sind wir zufrieden: Arkassa ist immer noch der beschauliche Ort wie wir ihn in Erinnerung haben ohne wie reine Touristen-Strand-Orte vorsaisonal tot zu sein.

 

Zurück geht es entlang des „Marmara-Strandes“ – der Name ist Hohn und Spott, denn die Küste hat hier eigentlich keinen Strand (zumindest nichts was zum Baden einlädt), und der schmale Kiesel-Streifen, der rausguckt, ist ziemlich vermüllt. „Plastiko-Strand“ würde besser passen. Oder „Plastiko-Küste“.

Nachdem das Badevergnügen ausfällt erklimmen die Cousine und ich als ersten Karpathos-Gipfel den Paleokastro-Felsen. Dabei kommen wir an der hübschen Kapelle Agia Sofia und den Resten der frühchristlichen Basilia Agia Anastasia vorbei – alles sehr fotogen. Und die Kapelle ist natürlich offen – wie fast alle Gotteshäuser auf Karpathos. Der Weg auf den Felsen ist bezeichnet, aber gelegentlich etwas lose – man muss etwas aufpassen damit man den richtigen Einstieg findet und Wanderschuhe können auch nicht schaden. Oben auf dem Plateau mit den Säulenresten erschrecken wir ein paar Schafe, die stampedeähnlich davonpreschen – sie sind noch keine Leute hier oben gewohnt.

 

Die Aussicht ist nicht schlecht, hinüber nach Arkassa, Finiki und weiter der Küste entlang, aber der Kali Limni versteckt sich in grauen, schweren Wolken. Na, vor Sonntag war die Besteigung eh nicht geplant, wir müssen uns ja erst akklimatisieren. Draußen auf dem Meer erhebt sich die Insel Kassos, die Orte Fry und darüber Agia Marina werden sich bei schönem Wetter weiß vom dunklen Umriss abheben. Aber nicht heute. Thymian und Salbei blüht duftend.

 

Auch der Agios-Nikolaos-Strand ist nach Wind und Wellen leider feinplastikvermüllt. Flaschenverschlüsse und dünne Plastikröhrchen bilden ein Mosaik. Plastic Planet, und es wird nicht unsere letzte Begegnung dieser Art auf Karpathos sein.

Gegen sieben Uhr am Abend sitzen wir auf dem südlichen Balkon unseres Studios beim Ouzo als Manolis, unser Vermieter erscheint und meint, wenn wir in seiner Taverne etwas essen wollten, dann müssten wir jetzt kommen. Sonst würde er schließen. Upps, so früh? Also hinab, wo wir die Auswahl zwischen drei Tagesessen haben (Vorspeise fällt aus – das Mittagessen war zu reichlich). Drei Mal werden die BBQ-Ribs gewählt, und ich nehme den Bakaliaros – eigentlich Stockfisch – gebratener Kabeljau mit Skordalja – lecker! 6,50 Euro pro Essen – da kann man echt nicht meckern. Am nächsten Abend werden wir aber woanders Essen gehen, und danach hat Manolis die Taverne abends geschlossen. Wir sitzen alleine am Strand, mit seiner Telefonnummer für Notfälle.

 

Das Schlafen auf dem Soufás ist etwas gewöhnungsbedürftig, und der Einstieg nicht wirklich seniorengerecht. Wegen des Windes haben wir nicht mit Schnaken gerechnet, das rächt sich bitter als wir in der Nacht ein leises Surren hören (erstaunlich eigentlich beim nächtlich weitertobenden Meer, aber die Frequenz ist eine andere). Licht an – da hocken die Blutsauger an der noch weißen Wand. Träge und vollgefressen (vermutlich war vorher Fastenzeit) werden sie ein leichtes Opfer unserer Jagdwut – ein volles Dutzend ziert anschließend die Wände, Warnung für zukünftige Bewohner (nein, wir entfernen die Flecken natürlich :-) ).

*

 

Einen Bäcker gibt es in Arkassa leider nicht mehr, aber Brot haben wir im Supermarkt an der Platia bekommen, und so steht einem ausgedehnten Frühstück auf dem Balkon nichts im Weg. Am Strand sind Aufräum- und Malerarbeiten im Gange (Ja, weg mit dem Müll!), ich liebe diese Saisonvorbereitungen. Auch in die Imbissbude auf der anderen Strandseite kommt langsam Bewegung. Aber die Zahl der Touristen am Strand ist noch sehr überschaubar, die Wellen immer noch hoch. Immerhin hat der Wind etwas nachgelassen.

 

Erst gegen elf Uhr machen wir uns mit dem Auto auf den Weg nach Menetes. Wir stellen es an der Straße ab um zu Fuß einen Abstecher zur Kapelle Agios Mamas zu machen, das sind nur zehn Minuten: Die Tante ist nicht gut zu Fuß, da fallen kleinere und größere Wanderungen mit ihr aus. Schon nach der ersten Biegung auf der Schotterpiste sehen wir die weiße Spitze der Trulli-Kapelle liegen. Der überdachte Platz mit den gepflegten Sitzstufen vor dem Kapellchen, der niedrige Eingang (demutsvolle Haltung!), die Reste der Fresken an den Wänden – Agios Mamas ist immer noch dieser schöne Platz mitten in den Hügeln und Terrassenfeldern unweit der Bauernhöfe von Exíles gelegen.

Nach Menetes ist es nur noch ein Katzensprung. Wir parken auf dem kleinen Platz nach der Ortsdurchfahrt, wo es auch den Stand von Warwara gibt – sie verkauft selbst gemachte einheimische Produkte. Dauergebäck (Typ fad und trocken), Kritamo (eingelegter Meerfenchel), karpathiotisches Baklava und getrocknete Feigen wechseln den Besitzer ehe uns die zweite Frau am Stand anspricht: ob wir das Museum sehen wollten, und ihr landestypisch eingerichtetes Haus? Ja, warum nicht – sonst ist die Zahl der in Menetés gebotenen Attraktivitäten eher überschaubar. Sie führt uns um einige Ecken zu ihrem Wohnhaus, das noch klassisch mit erhöhtem hölzernem Soufás und noch höherem Panosoúfi ausgestattet ist – auf dem Panosoufi schläft sie, und hat sich dort ein gemütliches Nest eingerichtet. Die Regale an den Wänden sind voll mit schönen Tellern, ansonsten hängen auf jeder freien Fläche handbestickte Textilien, eine besonders schön besticktes Teil an prominenter Stelle des Soufas. Ihre Mutter hat es gestickt, erzählt sie. Und ein großer Spiegel, hoch aber schräg gehängt, dass man sich darin schon erblicken kann – auf Distanz.

Unsere Führerin bringt einen Teller mit verschlungenem Dauergebäck (würde mich interessieren wie es heißt. Καρπάθικα ψιλοκούλουρα = Psilokoúloura von Karpathos meint Markus L -Danke!) und bietet uns davon an. Schmeckt eher neutral, aber nicht schlecht, und wir werden es später in einer Taverne wieder bekommen.

 

Dann geht es weiter zum Museum, das der Vater unseres Guides, Giorgos Sakellakis, eingerichtet hat. Eigentlich soll er es uns zeigen, aber er hat sich vor seiner Frau ins Kafenio geflüchtet und keine Zeit (oder Lust). Dann macht es eben die Tochter (deren Namen ich peinlicherweise vergessen habe – ich hab leider ein lausiges Namengedächtnis), und sie macht es sehr gut, ausführlich und anschaulich. Dabei ist sie gerade vor dem Museum volle Pulle von einem Fußball ins Gesicht getroffen worden – Jugendliche kicken auf dem Platz. Die sind dann natürlich entsprechend bestürzt und trösten hilfsbereit.

 

Das Museum befindet sich auf zwei Stockwerken in einer ehemaligen Kirche, hat einen Kieselsteinboden und zeigt Gerätschaften aus auf Karpathos gar nicht so lange vergangenen Zeiten. Ich mag solche Museen und kann einen Besuch nur empfehlen. Der Eintritt ist frei, aber für Spenden steht ein Kässchen da.

Anschließend gehen wir noch hinauf auf den Hügel mit der Hauptkirche Kimisi tis Theotokou. Die ist geschlossen, aber in einem Nebenraum wird eine lange Tafel für den morgigen Muttertag eingedeckt – in fast jedem größeren Ort auf Karpathos findet eine kleine Feier für die Mütter statt. Nun, die Cousine und ich, wir haben gleich „Mutterwochen“. ;-) Von der Plattform vor der Kirche hat man einen guten Blick auf die bunten Häuser von Menetes und nach Süden bis Pigadia. Wie auch später in Olymbos kann ich mich nicht erinnere, dass die Häuser vor zwölf Jahren auch so farbenfroh angestrichen waren – das scheint neueren Datums zu sein. Aber egal, es ist hübsch anzusehen.

Die Schule neben der Kirche ist geschlossen – die Schüler müssen jetzt nach Pigadia zum Unterricht.

Unser nächste Halt ist nur eine Kurve weiter, in der Serpentine auf dem Weg nach Pigadia liegt der Friedhof und gegenüber das große Denkmal, das den Widerstandskämpfern von Karpathos im Zweiten Weltkrieg gewidmet ist. Eine Doppeltreppe führt hinauf zu der Plattform mit einem dynamischen und schnurrbärtigen Mann mit Gewehr aus Bronze, der entfernt an Stalin erinnert.

Auch dem Friedhof statten wir einen Besuch ab. Er ist marmorn-gepflegt und plastikblumenübersät, geranienumrandet und hat „Schließfächer“ (teils offen) für die Gebeine. Der bronzenen Kriegsheld bewacht ihn von nebenan.

Wir steuern nun Amo(o)pí an, den Ort kenne ich noch gar nicht. Ort? Na, das ist vielleicht nicht die richtige Bezeichnung für die entlang der Küste verstreute Touristensiedlung. Abzweigungen hat es zu  zahlreichen Stränden und Hotels, wir folgen eher intuitiv der Straße bis Mikri Amopi, wo sie endet. Alles sieht noch vorsaisonal unbelebt aus, aber die weitläufige Taverne „Amopi-Nymfes“ ist geöffnet, und es sitzen sogar ein paar andere Touristen hier. Wir bestellen Karpathos-Salat (mit Paximadi drin), Fava und Kalamaria, dazu Weißwein. Schmeckt sehr gut! 24,30 Euro werden dafür fällig – Karpathos finden wir bisher preiswert.

Einen Badeversuch am nahen Sandstrand (19°C meldet mein Badethermometer, die Sonnenliegen sind (noch?) kostenlos) breche ich aber doch ab – seit heute Morgen hab ich ein Kratzen im Hals, da ist wohl eine Erkältung im Anzug. (Die wird mich bis zum Ende des Urlaubes und darüber hinaus plagen – erst Halsschmerzen, dann Schnupfen und zum guten Schluss ein hartnäckiger Husten, der sich vor allem nachts reizend meldet.) Der bewölkte Himmel stärkt die Badelust auch nicht gerade.

Nach einer Pause am Strand und einem Fotostopp an der Kirche Agii Apostolis fahren wir entlang der Küste südwärts. Aber bei Afiartis – noch so eine touristische Streusiedlung – gibt es nichts, was uns zu einem Halt locken könnte (das Wrack des türkischen Frachters übersehen wir dieses Mal, aber da hab ich schon fotogenere Rostteile gesehen). Weshalb wir in unser Quartier nach Arkassa zurückkehren. Inzwischen haben auch wir – wie die Tante und Cousine im Nebenzimmer – bestickte Zierstoffe für unser Soufas bekommen. Und weil der Wind und damit die Wellen etwas nachgelassen haben, und sogar die Sonne leicht herausblitzt, wagen Barbara und ich ein schnelles Bad am Agios-Nikolaos-Strand. Das Meer ist sch…kalt (keine 19°), so schnell wie wir drinnen sind, sind wir auch wieder draußen. Schwimmen im Meer im Mai auf Karpathos – nix für Warmbader.

 

Später zieht fast planmäßig die „Prevelis“ draußen auf ihrem Weg von Kassos nach Pigadia vorbei. Wir wollen sie am Mittwoch nehmen und sind froh über die Pünktlichkeit. Die Fähre ist das einzige Schiff, das Karpathos derzeitig mit der ägäischen Inselwelt und Piräus verbindet, und vor eineinhalb Wochen ist sie vor Santorin auf einen Felsen gefahren. Glücklicherweise ist nichts Schlimmeres passiert und mit gut halbtägiger Verspätung konnte sie ihre Fahrt fortsetzen.

 

Zum Abendessen gehen wir wieder in den Ort hinein und essen eine Grillplatte für zwei Personen im Taka-Taka-Mam, dazu einen griechischen Salat vorab – das reicht locker für vier Personen, so üppig ist die Fleischplatte dimensioniert.

Und weil der Kali Limni immer noch in Wolken hängt und die Wetterprognosen  durchwachsen sind, wollen wir ihn morgen erst mal nur umrunden.