Hydra - Ydra

Es ist der 27. April 2013, und schon in Piräus erschlägt uns die Wärme. Klar, wir sind nichts gewohnt: der süddeutsche Frühling hat sich bisher rar gemacht, auf einen oder zwei Tage beschränkt. Wir haben warme Kleidung eingepackt, auch weil wir im März auf Skyros noch gefroren haben. Wir werden sie die nächsten zwei Wochen nicht brauchen.

 

Germanwings ist mit einer halben Stunde Verspätung in Athen gelandet, aber das Gepäck ist schon da als wir ans Band kommen, und der Bus X96 steht auch gleich abfahrtbereit, es hat kaum Verkehr, und so düsen wir nach Piräus, sind um 17 Uhr dort (Gate E8/9), kaufen Tickets für den Flying Dolphin 17 von Hellenic Seaways, 25,50 Euro pro Person nach Hydra, mit festem Sitzplatz, links am Fenster.

Die Luft ist schlecht und warm im Dolphin. Spaß macht die Seefahrt so nicht. Aber sie geht schnell, pünktlich um 18 Uhr raus aus Piräus, westlich an Ägina vorbei (ist das zersiedelt!), dann durch den schmalen Meeresarm nach Poros, das sieht gut aus.

Zwischen der Peloponnes und den vorgelagerten Felsen am Ostkap durch, und dann kommt Hydra in Sicht. Steiler als gedacht, kahl wie erwartet, an mehreren Stellen von Klöstern bekleckst, und dann die grau-weiße Stadt, die sich die Hänge hinaufzieht. Kurz: beeindruckend! Um halb acht spukt der Dolphin uns dort aus.

Unser Quartier im „Erofili“ habe ich schon im November über booking.com gebucht. Gute Bewertungen, noch bezahlbare Preise (61 Euro für das DZ mit Frühstück), und anscheinend ein tolles Frühstück. Leider kein Balkon. Dafür noch nahe genug am Hafen um für den Gepäcktransport keinen Esel zu brauchen. Hydra ist nämlich autofrei. Und mopedfrei. Wirklich! Komplett! Also schleppt man selbst, oder man lässt schleppen – die Lastesel. Wir schleppen selbst und sind in fünf Minuten im Erofili, wo wir ein Zimmer im Hochparterre mit Gassenblick bekommen (es gibt auch welche im Souterrain – das muss man nicht sehr urlaubsfreundlich finden, aber es schont den Geldbeutel). Nett ausgestattet, und dass an der Wand über dem Bett gleich drei Mal nebeneinander das gleiche kleine Bild mit einem Steinmännchen drauf hängt stört uns auch nicht wirklich.

Aber warm ist es!

Samstagabend ist in der Stadt ganz schön was los! Wir gönnen uns einen (ungriechischen) Drink im „Papagallos“ am nordwestlichen Hafenende und genießen die gediegene Atmosphäre und die laue Luft. Hunger haben wir nur wenig, und so genügen uns danach zwei Vorspeisen in der gut belegten Taverne „Douskos“, die inzwischen „I Xeri Elia“ (die trockene Olive?) heißt und direkt hinter unserer Pension an einem schönen Platz unter großen Bäumen liegt. Es ist Samstagabend, und da gibt es Live-Musik von einem blinden Akkordeonspieler und einem Bouzouki-Spieler. Griechische Klassiker – nicht gerade Nissiotika, aber die darf man so nahe an Athen wohl nicht mehr erwarten.

 

Kurz vor Mitternacht sinken wir ins Bett. Wir wachen ein paar Mal auf wenn Leute auf der Gasse sich im Vorbeilaufen unterhalten. Ja, Hydra ist sonst wirklich ruhig, so ohne Autos und Mopeds.

Unser Zimmer finden wir wirklich schön und geräumig, aber der Duschvorhang sorgt für Abzüge in der B-Note. Er ist vom Typ „zweite Haut“, oben mit viel zu engem Radius ausklappbar und höchst anhänglich. Einseifen geht nur wenn man ihn wegklappt.

Absolut genial ist aber das Frühstück, das am Sonntagvormittag besonders üppig ist (die Pension scheint ausgebucht): im schönen blumengeschmückten und schattigen Innenhof stehen auf einem großen Tisch zahlreiche verschiedene süße Kuchen und salzige Quiches, es gibt frische Loukoumades mit Honig, verschiedenes Kleingebäck sowie Käse, Wurst, Cornflakes, fünf Sorten Marmelade und Brot für Liebhaber eines klassischen Frühstücks. Auch der Kaffee schmeckt gut, ist ja nicht immer selbstverständlich in griechischen Hotels. Ein frecher Spatz weiß die Vorteile dieses Buffets auch zu schätzen, wenn man nicht aufpasst landet er auf dem Teller. Mit größeren Brocken lässt er sich aber auf den Boden ablenken.

Frühstück im Erofili am Montag
Frühstück im Erofili am Montag

Wir essen zu viel und lassen es heute ganz ruhig angehen. Zunächst bummeln wir ein wenig herum, bewundern die Auslage an Maikränzen, die ein Mann an einem Straßenstand anbietet, die frischen Fische, die auf einem Kaiki angepriesen werden. Beobachten die Eseltreiber an der Paralia, die noch weitgehend vergebens ihre Dienste anbieten. Und die struppigen Katzen, die hier auf Hydra von einem besonderen Typus sind. Eher nicht Jet-Set-mäßig. Zwei, drei große Motoryachten prahlen am Anleger. Gesehen werden ist wichtig. Was es wohl kostet mit sowas hier zu liegen? Kann eigentlich nicht teuer genug sein

Ein hünenhafter Pappas, der ein Doppelgänger von Don Camillo sein könnte, ist mit seiner Familie beim Morgenspaziergang, reicht einem Fischer einen Olivenzweig. Heute ist Palmsonntag (Kiriaki ton Waïon). Alles noch sehr ruhig und gemächlich hier.

Vom nordöstlichen Hafenende mit der Festung und den korrodierten Kanonen beobachten wir einen Fischer, der in Küstennähe seine Netze ausbringt. Da muss er aufpassen dass er nicht eines der herumflitzenden Taxi-Boote fängt. Und am steilen Ufer blühen Mohn und Margeriten in rot-gelbem Wettbewerb.

Wir halten Ausschau nach der Fähre. Da kommt aber zunächst das erste Ausflugsschiff aus Athen bzw. Agios Kosmas, die „Mantalena“ (500 Passagiere) auf ihrer täglichen Drei-Insel-Tour. (Zwei Stunden Hydra, eine Stunde Poros, zwei Stunden Ägina mit fakultativem Busausflug zum Kloster Agios Nektarios oder zum Afaia-Tempel. Kostet schlappe achtzig bis hundert Euro pro Person). Ein weiteres Boot folgt, die größere „Platitera ton Ouranon“ (800 Plätze). Plötzlich ist Leben im Ort!

 

Mit etwas Verspätung kommt dann ein giftgrüner Katamaran von Nordosten angebraust, die „Flyingcat 6“ von Hellenic Seaways in nagelneuer Cosmote-Lackierung. Und mit ihr kommt Theo, der mit uns die nächsten Tage Hydra unsicher machen will. Und sogar über Ostern bleiben möchte. Wir werden am Gründonnerstag nach Poros weiterhoppen.

Theos Unterkunft ist so weit vom Hafen weg, dass ein Gepäcktransport mit dem Esel naheliegt. Aber er will sparen und hofft auf einen hoteleigenen Transportesel. So wird sein Trolley bei uns im „Erofili“ untergestellt, und wir machen uns auf die Suche nach dem Hotel, dessen Name Theo lieber verschweigt.

Die Gassen von Hydra haben Kykladencharme (sind aber viel gepflegter), und so kann man sich dort auch gut verlaufen. Nach einigen Umwegen finden wir das Quartier auf dem Sattel Richtung Kamini, wo Theo aus zwei Zimmern auswählen kann, aber keine Hilfe beim Gepäcktransport erhält. Er muss den Esel selbst machen – bei sommerlichen Temperaturen um 28°C und zahlreichen Stufen kein Vergnügen. Er muss erst mal Kraft schöpfen und sich moralisch darauf vorbereiten. Was am besten unter den schattenspenden Bäumen des „Xeri Elia“ geht, bei Weißwein, griechischem Salat und Galeos (Hundshai). Andererseits aber diese Trägheit auslöst, die den Gepäcktransport auch nicht leichter macht.

 

Wir lassen Theo jetzt einfach mit seinem Problem alleine (wenn er sich zum Esel machen will – gerne, aber wir müssen das nicht haben. ;-) Und er will es auch nicht, dass ich tragen helfe - sein Trolley läßt sich so schlecht verteilen. Hmm, es ist nie zu spät für einen „echten“ Esel!) und verabreden uns für den Abend.

Nach einem kurzen Mittagsschläfchen gehen wir dann entlang der Paralia und unter Aufsuchens diverser Klamottengeschäfte (ganz normale Läden, nix von teuren Edelklamotten oder so…) um den westlich des Hafens gelegenen Hügel herum Richtung Kamini. Es ist ein schöner gepflasterter Weg, gesäumt von ein paar Cafés, Tavernen und Windmühlen. Rechts ist die Küste felsig, es gibt ein, zwei kleine Badeplätze (z.B. Avlaki), an denen sich sogar Schwimmer tummeln. Blau hebt sich die Peloponnes hinter dem nicht weniger blauen Meer ab, und ein paar Felseninselchen davor. Zwei sind weiß mit Kapellen getupft – Agios Nikolaos und Agios Ioannis.

 

Die blühende Natur verwöhnt unser frühlingsentwöhntes Auge (jetzt wo ich das schreibe, fünf Wochen später, bei 11°C und Nieselregen Ende Mai (!), könnte ich heulen!) und wir finden Hydra einfach schön! Gute Entscheidung hierher zu kommen!

Nach zwanzig Minuten erreichen wir den kleinen Hafen des Örtchen Kamini. Hier spürt man nichts vom rummeligen und internationalen Hydra: Fischer werkeln an ihren Kaikia, der Lärm eines Schleifgerätes zerreißt die Mittagsruhe, es riecht nach Klebstoff und Epoxidharz. Im Schatten eines großen vergammelnden, einst ochsenblutfarbenen Hauses (in dem der Admiral Miaoulis geboren sein soll was aber keineswegs sicher ist) sitzen ein paar Rentner beim Plausch. Griechische Idylle für Farbprospekte (und vorurteilsbestätigend für Merkels und Co.).

 

Es gibt keinen einzigen Laden in Kamini, nur zwei, drei Cafés und Tavernen. Dafür zahlreiche schöne Häuser – ob Ferienwohnsitze oder Aussteigerquartiere ist schwer zu sagen. Am Nachmittag Ende April wirken sie unbewohnt.

Der gepflasterte Weg endet an einem burgähnlichen Haus, das im Sommer wohl als Strandbar eines überschaubaren Kiesstrandes oder als Disco dient. Auf einer Schotterpiste kann man hier die Küste entlangwandern bis Molos – was wir die nächsten Tage auch noch tun wollen. Aber nicht heute.

Entlang eines trockenen Flussbettes verlassen wir die Küste und gehen durch das stille Kamini hinauf auf den Sattel, auf dem die beiden Orte Kamini und Hydra zusammenwachsen. Die Einwohner lieben Blumen, und möge das Wasser auf dem einst wasserreichen Eiland (daher kommt der Name Ydra: Ydrea = die Wohlbewässerte) heute auch knapp sein: für die Pflanzen bleibt immer etwas übrig.

 

Im Vorbeigehen reißen wir Theo aus seinem Mittagsschläfchen bevor es zum Abendschläfchen wird. Die Schlepperei hat ihn ganz schön geschafft - für den Rückweg will er doch einen Esel nehmen. Apropos Esel: an den steilen Treppen muss man schon mal schnell Platz machen wenn einem ein Zug der vierbeinigen Transport- und Reittiere entgegenkommt.

Am Abend landen wir bei „Loulou“ in deren Taverne. Es ist heute schon wieder deutlich ruhiger als gestern, waren wohl wirklich vor allem Wochenendausflügler, die die Insel besucht haben, und noch keine Osterurlauber. Das Essen bei Loulous ist ziemlich griechisch (lauwarm und ölhaltig) und eher durchschnittlich: essbar ohne ein Höhepunkt zu sein.

 

Den Absacker-Ouzo gibt es danach bei „Isalos“ am Anleger. Mit zwei Euro sechzig auch noch recht preiswert für Hydra-Verhältnisse (woanders werden drei Euro und mehr dafür fällig). Die Eseltreiber sind längst abgezogen, es gibt nicht mehr so viel zu gucken.

 

Wir beschließen, morgen entlang der Küste bis Palamidas oder Molos zu wandern, so als flache Einstimmung auf die hydriotischen Wanderwege. Um halb elf werden wir uns in Kamini treffen.