Eine Fahrt nach Agios Simeon

Vor Beginn unseres Sprachkurses auf Sifnos hatte der Bürgermeister der Insel uns zu einem Empfang geladen, bei dem auch die TeilnehmerInnen des vorherigen Kurses verabschiedet wurden und ihre Diplome bekamen. Der stellvertretenden Vizebügermeister (ja, so was gibt es) war von uns wohl so angetan (und natürlich von der fleissigen Beziehungsarbeit unseres lieben Meisters), dass er uns am nächstens Tag für das Panigiri in Troulaki den gemeindeeigenen Bus zu Verfügung stellte. Und uns einlud in die Kirche von Agios Simeon, hoch über Kamares gelegen – dort wollte er uns bekochen. So eine Einladung kann man natürlich nicht ausschlagen, liegt doch Agios Simeon gut sichtbar über Kamares, die rechte der beiden Kapellen im Norden, eigentlich Luftlinie nur etwa 1,5 Kilometer entfernt, und hatte schon zu Anfang meine Sehnsucht geweckt. Aber auf der Strasse – nein: Piste, ist die Entfernung in Agia Marina mit 8 Kilometer bezeichnet, puhh, Direttissima gibt es keine. Und nach einem Drittel der Strecke wollten wir noch eine Käserei besuchen. Nun, Nikos, der nette Vermieter vom „Boufounis“ lud uns (13 Personen) einfach am Nachmittag auf die offene Ladefläche seines kleinen LKWs (den er fürsorglich mit sauberen Kartonagen ausgelegt hatte), und los ging die Fahrt, die ersten 2 Kilometer noch auf geteerter/betonierter Strecke. Schnell lag die Bucht von Kamares unter uns.

 

Nach 3 Kilometer Halt an der Käserei: 500 Ziegen gibt es hier, auch Schweine und Hühner sahen wir. Gerade füllte der Sohn mit seiner Frau (sie schien über unsere Invasion nicht so glücklich, auch wenn wir uns natürlich angemeldet hatten) die Käsemasse in die Körbchen, im gleichen Raum lagen ausgebreitet ein paar hundert Käselaiber (12 bis 15 cm im Durchmesser) zum Reifen. Ein hartes Leben, wie überall auf dem Lande, und es war nicht leicht für den Sohn, eine Frau zu finden. Wir mussten Konversation machen mit seiner Mutter, die uns mit griechischem Kaffee, Ziegenmilch, Gebäck und natürlich Käse bewirtete – oh oh, da fielen uns auf einmal die einfachsten gelernten Vokabeln und Satzkonstruktionen nicht mehr ein, kein Meisterstück für unseren Kurs. Wir lernten, dass es zwei Käsesorten gibt, die hier hergestellt wurden, die zweite, mildere und weichere, heißt „Mizíthra“. Fast jeder bestellte einen der harten, rezenten Käse, die sich auch ohne Kühlung unheimlich lange hielten und dessen Reste bei uns die Reise nach D unbeschadet überstanden.

 

Dann ging die Fahrt weiter, die Piste wurde immer schlechter und kurvenreicher, ich genoss den freien Blick talwärts, bergwärts, nicht für nicht Schwindelfreie, wurde durchgeschüttelt und gerüttelt (meine Bandscheiben!). Auf dem Kamm der Blick Richtung Troulaki im Nordosten und auf den Müllplatz von Sifnos zu unseren Rechten, er rauchte vor sich hin, und bald rochen wir ihn auch. Weiter aufwärts, es wurde kühler, war eh schon den ganzen Tag bedeckt gewesen, der gegenüberliegende Profitis Elias war in den Wolken. Dann waren wir oben. Eine erstaunlich große Anlage, mit zahlreichen Anbauten, sogar mich vielen Betten, und mit einem großen Essraum und Küche – alles bestens ausgestattet für die Panigiria, die hier gefeiert wurden (da wäre ich gerne einmal dabei).

Wir genossen den Panoramablick, der wegen des Wetters zwar nur die naheliegende Insel Serifos und Paros im Dunst preisgab, aber trotzdem unvergleichlich war. Eine Berggipfel weiter die Kapelle des „kleineren“ Profitis Elias von Troulaki, zu unseren Füssen die Bucht und Felder von Kamares, gegenüber der große Elias, und links die Hauptorte Apollonia und Artemonas. Eine überwältigende Aussicht, die wir zunächst einfach genossen.

Natürlich sahen wir uns die Kirche auch von innen an, mit einem neuen Fresko mit Szenen aus dem Leben des Heiligen Simeon (der Säulenheilige) – unheimlich gepflegt, die ganze Anlage wie überhaupt alle Kirchen und Kapellen auf Sifnos. Ich zündete eine Kerze an.

Inzwischen war der Bürgermeister, verstärkt von Nikos, dessen Mutter und einigen von uns, in der Küche tätig: Wasser wurde aufgesetzt, Nudeln gekocht, dazu Sauce, leckere Vorspeisen. Zur Einstimmung gab es Ouzo aus einem  Riesenkolben oder – für Schnapsnasen wie mich – ein gepflegtes Glas voll Tsipourro.

Bald wurde zum Essen gerufen, wir dankten den Gastgeber mehrmals durch lautes Geklapper mit dem Besteck an die Teller, auch Nikos, dem wackeren Fahrer, und seiner Mutter. Die Teller wurden uns unermüdlich nachgefüllt bis wir nach griechischer Sitte einfach einen Rest auf dem Teller liessen, zum Zeichen unserer restlosen Sättigung. Zur Verdauung war nun Tanzen angesagt, ein wenig Sembekiko, ein Chassaposervikos, ein Kalamatianos. Da hätten wir doch beinahe den Sonnenuntergang verpasst. Sicher einer der schönsten Sonnenuntergänge, die ich je gesehen habe, in dieser zauberhaften Umgebung und märchenhaften Stimmung!

Während der Fahrt talwärts wenig später waren die Abgründe nicht mehr so tief (wir sahen sie nicht mehr), dafür leuchteten die Sterne über uns. Ganz behaglich war uns nicht während der Fahrt durch die Dunkelheit, aber Nikos fuhr unheimlich vorsichtig. Und den Rest unserer Furcht überwanden wir mit dem Singen der Lieder, die wir im Kurs gelernt hatten (zumindest den Refrains, bei denen wir etwas textsicherer waren).

Danke an alle, die es möglich gemacht haben, dass wir so etwas Schönes und Einzigartiges erleben konnten!