Schon kurz nach acht bin ich im Frühstücksraum des Hotels und genieße das gut bestückte Buffet samt ausgezeichnetem Kaffee. Zwölf Euro sind zwar nicht gerade wenig für ein Frühstück und ich hätte einen Küche auf dem Zimmer. Aber ich habe keine Lust, mich selbst zu verpflegen. Es ist zu windig um draußen zu frühstücken, der Himmel ist bewölkt. Es haben sich doch noch weitere Gäste eingefunden, und werden täglich mehr werden.
Um fünf nach halb zehn soll ich vorne an der Durchgangsstraße am "Coffee Stories sein", wo mich der Bus zum Hafen von Kissamos mitnimmt. Ich bin schon früher unterwegs, als mein Telefon klingelt. Der Bus wäre schon da, ob ich früher da sein könnte? Kann ich, und drei Minuten entere ich den Bus, der gut, aber nicht voll belegt ist. Er kommt von Chania. Ich bezahle bei einer Frau mein Ticket und fotografiere den Tagesplan für heute ab. Zehn Minuten später sind wir vorne am Hafen, wo wir jetzt noch eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt des Ausflugsbootes haben. Das Boot ist ein ausgewachsenes Schiff namens "Porto Gramvousa", 41 Meter lang und damit fast so groß wie die Kleine-Kykladen-Fähre "Express Skopelitis" (45 Meter). Es hat eine Kapazität von fast 450 Passagieren und wird heute als einziges fahren. Sechs weitere Schiffe ähnlicher Größe liegen neben ihm Quai, und ein ganz großes, die "Gramvousa" mit Platz für über 1.100 Fahrgäste. Da möchte ich mir gar nicht ausmalen, was in der Saison in Gramvousa und Balos los sein mag wenn mehrere Schiff dort liegen.
Am Hafen gibt es außer dem Ticketbüro auch noch ein Café mit Laden, aber ich bin versorgt, gehe vor bis zum Ende der Hafenmauer und betrachte die Fischer nordafrikanischen Aussehen auf dem Fischerboot "Maria A". Sind ganz schön viele für so ein kleines Boot.
Als wir schließlich an Bord können, bildet sich eine kleine Schlange am Steg: eine Frau fotografiert die Zusteigenden in Gruppen oder einzeln. Ich winke ab: ich brauche weder Selfies noch sonst irgendeinen Fotokitsch. Und tatsächlich hat die Frau sich eine kleinen Werkstatt auf dem Schiff eingerichtet, in der sie während der Fahrt die Fotos auf Etiketten druckt und in Schlüsselanhänger und gruselige Fotorahmen platziert, die sie auf der Rückfahrt versucht, an die Abgelichteten zu verkaufen. Ab 20 Euro aufwärts für etwas Plastikschrott. Entbehrlich, aber sie wird Käufer finden.
Ich setze mich aufs Oberdeck und bin froh an meiner regenjacke, denn es ist schon frisch während wir noch im Hafen sind. Mir gegenüber setzt sich ein junges Paar osteuropäischer Herkunft, er in kurzen Hosen mit Jeansjacke, sie im dünnen Flatterkleidchen mit Strandschuhen. Offenbar in fester Überzeugung, dass es bei einem Bootstrip zum Strand auf Kreta auch das passende Wetter geben muss. Ende April. Eine krasse Fehleinschätzung, zu der ich in mich reingrinsen muss. Sie friert, er ist aber ganz Gentleman, hängt ihr seine Jacke um und friert nun selber. Sie könnten ja unter Deck gehen, wo es auch ein Bordrestaurant gibt, sind aber wild entschlossen draußen zu bleiben. Auch als das Schiff pünktlich ablegt und es windiger wird. Kaum haben wir den Hafen verlassen, fängt es außerdem an zu schaukeln. Prophylaktisch nehme ich einen Ingwerdrop, und beschließe, die Fahrt zu genießen.
Es geht entlang der Halbinsel Gramvousa, deren südlicher Gipfel über zu 700 Metern hoch ist. Die niedrigere Bergkamm weiter nördlich hängt in Wolken. Die Tersanas-Höhle ist in der Steilküste zu sehen, die Piste nach Balos zieht eine Linie darüber.
Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt wird das noch Meer wilder, die Schaukelei nimmt zu. Wir erreichen bald das Kap Vouxa, die Nordspitze der Gramvousa-Halbinsel. Das Wasser spritzt gischtend über den Bug des Schiffes und gewährt uns ordentliche Duschen. Ob unten im Schiff die Spucktüten ausgeteilt werden? Die junge Frau im Kleidchen mir gegenüber guckt nun ganz blass, ich empfehle ihr, in die Mitte des Bootes und in Fahrtrichtung zu sitzen, was sie auch tut. Irgendwie hatte sie sich die Ausflugsfahrt anders vorgestellt.
Während wir das Kap umrunden, schieben sich die beiden Gramvousa-Inseln allmählich ins Bild. Zuerst die nördliche, "wilde" Agria Gramvousa, wenig später die südliche, "zahme" Imeri Gramvousa, die unser erste Tagesziel sein wird. Flache, graue Felsenriffe beide, um hundert Meter hoch. Unser Schiff steuert die Südküste von Imeri Gramvousa an. Das Meer wechselt die Farbe in Türkisgrün, über uns sind auf dem westlichen Hügel die Mauern einer Burg zu erkennen. Im Seichten vor der Küste sind die Überreste eines Schiffswracks zu sehen. Der Frachter "Dimitrios P" liegt hier seit Januar 1968, das Meer nagt unerbittlich an ihm, nur noch wenige Aufbauten ragen über die Wasserlinie. Wieder ein Schiffswrack für meine Sammlung. Links davon ein Sandstrand mit einigen schattenspenden Bäumen im Hintergrund.
Gegen 12 Uhr legen wir auf Imeri Gramvousa an. Anderthalb Stunden haben wir hier nun Zeit zum Besichtigen und Baden. Die meisten der grob geschätzt 150 Passagiere nehmen den Treppenweg hinauf zur Festung, ich schließe mich an. Vorbei an der Kapelle und zwei, drei einstöckigen Natursteingebäuden, vor denen eine Piratenflagge im Wind flattert. Eine Taverne? Nein, Gebäude für Archäologen.
Ein Mann verkauft gesammeltes Meersalz in einem einfachen Büdchen. Kapernsträucher zeigen einige ihrer wunderschönen, aber kurzlebigen Blüten - es ist Erntezeit. Aber wohl nicht hier.
Nach einer Viertelstunde habe ich das Tor zur Oberstadt erreicht. Die venezianische Festung liegt am westlichen Ende der Insel auf einem Plateau 130 Meter über dem Meer, und wurde im 16. Jahrhundert erbaut, 1692 fiel sie kampflos an die Osmanen. Während des griechischen Freiheitkampfes um 1825 eroberten die Kreter sie zurück, mutierten in der Folge aber von Freiheitskämpfern zu Piraten (oder waren sie das sowieso schon?) und attackierten vorbeifahrende Schiffe. 3000 Menschen sollen damals hier gelebt haben, die Versorgung war aber schwierig. 1828 beendete der junge griechische Staat das Piratentum mit Hilfe britisch-französischer Schiffe. Die Schätze der Kleften wurden nie gefunden. Ob ich mich auf Schatzsuche begeben soll?
Vom höheren westlichen Plateau hat man einen Blick auf die niedrigere östliche Insel, deren felsige Ebene großflächig mit rostroten bis grüngelben Wolfsmichgewächsen bedeckt ist. Dahinter wie ein Felsenriegel Agria Gramvousa.
Aus dem Plateau ragt die Ruine der Kapelle Evangelismos tis Theotokou heraus. Ich gehe hinüber und hinein, denn Türen hat die Kapelle keine mehr und das Innere ist dem Verfall preisgegeben. Schade. Etwas weiter westlich, nahe am Rande der Burg, steht ein zweites kleines Gebäude. Es hat ein Kuppel und war vielleicht eine Moschee oder ein Badehaus.
Vor zur Festungsmauer nun, und da habe ich einen wundervollen Blick zum Strand hinab, aber vor allem Richtung der Lagune von Balos mit dem vorgelagerten Felsenklotz der Tigani-Halbinsel. Dahinter der eindrucksvoll-schroffe, 700 Meter hohe Gipfel auf der Gramvousa-Halbinsel, dessen Name ich nicht weiß. Wow!
Die Leute haben sich ganz gut über das Gelände verteilt, und ein paar sind unten am Strand. Da wäre ich ja auch gerne noch hin, aber dafür wird die Zeit zu knapp. Ich drehe noch ein Runde in der Festung, gucke und fotografiere, und steige dann den Stufenweg wieder hinab. Ein paar Besucher tun sich schwer mit ihren dünnen Schuhe oder Badelatschen, aber mit meinen Wanderstiefeln ist es kein Problem. Ich überhole die Frau, die im Bus mein Ticket kassiert hat. Sie arbeitet für Balos-Tours und ist heute zum ersten Mal bei dem Trip dabei, der normalerweise unbegleitet ist. Wenn ich mir überlege, wie viele Busse in der Saison täglich Touristen über die halbe Insel zu Startpunkten für Ausflüge fahren, etwa nach Omalos, Kissamos oder Elafonisi, dann dort den ganzen Tag bis zu Rückfahrt warten oder spät an die Abholpunkte fahren... Tourismus ist die Schwerindustrie Griechenlands, und es gibt schlechtere Jobs als Busfahrer. Aber täglich früh raus und spät zuhause, in der Saison ohne freien Tag ....
Egal, mir gefällt Gramvousa sehr gut, und das ist eben nur per Schiff zu erreichen. Mit dem Kajak wäre natürlich schöner, so wie bei Rods zwei Westkreta-Expeditionen vor einigen Wochen, die sogar dort campiert haben. Aber mein Zeitpunkt Ende April ist auch gut gewählt. Noch sind die Massen nicht unterwegs.
Um halb zwei bin ich wieder auf dem Schiff, das wenig später ablegt. Nach Balos ist es nur noch ein Katzensprung. Zeit für einen mitgebrachten Snack.
Vor zwei Wochen hat die griechische Regierung landesweit 198 Strände und Strandabschnitte in Natura-2000-Gebiet für besonders geschützt erklärt und die kommerzielle Nutzung durch Sonnenliegen, Schirme, Tische, mobile Strandtavernen, elektrisch produzierte Musik und motorisierten Verkehr untersagt. Balos ist einer dieser Strände, und ich finde das ausgezeichnet. Und bin gespannt, ob und wie die Verbote umgesetzt werden. Ob meine Mitfahrer das auch so sehen?
Das Schwimmen in der Lagune ist untersagt, wie eine Durchsage nun verlautbaren lässt. Außerdem wird erklärt, dass die "Porto Gramvousa" nicht am Strand anlegen darf, sondern muss mit Abstand ankern wird. Wir werden dann ausgebootet.
Ausgebootet? Oh, das ist spannend, wenn auch nicht gerade seniorenfreundlich beziehungsweise barrierefrei. Vier Männer unserer Besatzung sind in zwei Boote umgestiegen, woher auch immer sie die hatten. Es dauert und braucht sieben oder acht Bootsladungen bis alle Fährgäste über die Schiffsrampe in die Boote umgestiegen sind und die hundert Meter zum Rand der Lagune gebracht werden, wo ein Steg das Aussteigen erleichtert. Ich bin in einem der letzten Boote. Zweieinhalb Stunden haben wir hier Zeit für die Lagune von Balos, um halb fünf ist Abfahrt. Kein Problem für mich, aber viel Zeit für Leute, die Strandinfrastruktur mit Schirme, Liegen, Essen und gekühlten Erfrischungen erwarten. Oder gibt es die trotzdem?
Während die Mitpassagiere gleich der Lagune zustreben, gehe ich etwas entlang am Ufer der Tigani-Halbinsel, auf der auf halber Höhe bei einer Kapelle eine griechische Flagge weht. Der Weg dorthin geht aber offenbar weiter vorne ab, und ich werde nachher noch hochgehen. Beobachte nun, wie die letzten Passagiere ausgebootet werden. Die Farbe des Wassers ist einfach unglaublich.
Zwischen der Tigani-Halbinsel und der Halbinsel Gramvousa erstreckt sich nun also mit einem Durchmesser von vielleicht 500 Metern die Lagune von Balos, eines der meistabgelichteten Fotomotive auf Kreta und Instagram-Muss für Touristenmassen.
Im Nordwesten, wo ich jetzt bin, eine weite flache Sandfläche, teilweise knöcheltief mit Wasser bedeckt. Weiter östlich ist das Wasser tiefer und in diesem atemberaubenden Türkis- bis Eisgrün, der strenge Wind bläst Wellen auf die Oberflächen. Ein Zulauf, fast ein Priel, trennt die Sandfläche westlich von einer Sandbank, die aufs östlich kretische Festland zuläuft. Die Sandfläche ist schon mit bunten Punkten gesprenkelt: den Besuchern. Im Südwesten verbindet ein Riegel aus flachen Felsenfladen die Tigani-Halbinsel ebenfalls mit Kreta und sperrt die Lagune gen Süden ab. Dorthin strebe ich. Der Plan ist, auf dem Felsenband nach Kreta hinüber zu gehen, dann den Hang hoch bis zum Aussichtspunkt. Wenn möglich, möchte ich dann die Lagune irgendwo im Flachen queren. Mal sehen.
Die Ausläufer der Tigani-Halbinsel sind mit niedrige, teilweise schon leicht gelb blühenden Büschen bewachsen. Dazwischen verlaufen Sandwege. Ein dreißig Meter großes Oval aus mit Kunststoffträgern verbundenen, großen Gummischläuchen sperrt einen kleinen Bereich ab - was ist das denn? Keine Idee...
Wieder zurück ans Wasser, das hier den Sand nur zentimetertief bedeckt. Der Wind, der hier zwar von den Bergen der Gramvousa-Halbinsel etwas abgehalten wird, kräuselt die Oberfläche und zeichnet grafische Muster hinein.
Das Felsenband ist von Wind und Wasser rundgelutscht, in den Mulden sammelt sich Meersalz. Und Mikroplastik. Die weich aussehenden anthrazitfarbenen Überzüge sind wohl Teer. Einen festen Weg gibt es nicht, ich hüpfe von Fels zu Fels, froh an meinen Wanderstiefeln. Weiter südlich hat das Meer es geschafft, den Felsen zu durchdringen und bildet kleine Pools. An manchen Stellen liegen hier Paletten als Stege, Markierungen weisen den richtigen Weg. Ein grünes Netz liegt angespült am Ufersaum, passend zur Farbe des Meeres in der Lagune.
Trotzdem alles sehr eindrucksvoll, und mein Foto läuft heiß. Nun kommt ein flacher, rosaschimmernden Sandstrand, ohne Badegäste. Schwimmen ist in der Lagune ja nicht erlaubt. Aber wie so oft dürften auch dieses Verbot kaum kontrolliert werden. Erst recht nicht in der Saison, wenn hier tausende Gäste am Tag "stranden".
Das sandige kretische Ufer wird immer wieder vom Wind gepeitscht. Unangenehm, wenn man die Sandkörner in Schwaden in Mund und Augen bekommt. Und das Laufen fällt im tiefen Boden ebenfalls schwerer. Gegenüber zeigt der Klotz der Tigani-Halbinsel mit den senkrechten Wänden rechts und links und dem flachen Plateaudeckel sein markantes Profil. Da könnte man ja sicher auch rauf, wenn man weiß wo der Weg geht und man genug Zeit hat. Ich strebe aber dem anderen Weg zu, der vom südlichen Ende der Lagune hinauf zum Parkplatz gehen soll. Man kann Balos ja auch auf dem Landweg erreichen, ab Kaliviani auf einer neun oder zehn Kilometer langen, sehr schlechten Schotterpiste, und dann 160 Höhenmeter hinab zur Lagune. Und nachher wieder hinauf. Also nur für Leute geeignet, die körperlich fit sind. Mietwagenverleiher sehen das nicht gerne und gewähren in der Regel auch keinen Versicherungsschutz. Alternativ gibt es organisierte Touren mit allradgetriebenen Kleinbussen.
Auf dem Weg kommen mir vereinzelt Leute entgegen. Obwohl die Fahrpiste eigentlich an diesem Tag aus Brandschutzgründen gesperrt ist, was ich aber erst Wochen später zufällig erfahren werde. Die Leute wussten es sicher auch nicht. Mit den Verboten ist das speziell in Griechenland immer so eine Sache: er werden einerseits hohe Strafen angedroht (wie ich auf Milos noch erfahren werde), aber die Veranstalter informieren nur verhalten um keine Kunden zu verlieren. Und man will doch den Leuten nicht die Urlaubslaune verderben. Kontrolliert wird sowieso nicht. Und wenn, dann mit Vorlauf. Willkommen in Griechenland 2024 ....
Der Weg aufwärts ist sandig und tief, schnell komme ich ins Schwitzen. Dann wird er gepflastert und besser. Ich habe aber schon nach ein paar Metern einen tollen Blick über die Lagune. Und erblicke unter mir die gestapelten Sonnenliegen, umringt von Müll. Es sind bestimmt hundert Stück, alleine auf diesem Stapel. Ob diese Liegen dieses Jahr eingesetzt werden dürfen? Ich hoffe nicht. Schatten ist allerdings rar ohne Schirme, einige Touristen haben sich in den Sonnenschutz von niedrigen Felsen geflüchtet. Wie wird das im Sommer sein, ohne Schatten? Auch die Taverne unten am Strand ist geschlossen, wie ich später sehen werde. Was aber auch der Vorsaison geschuldet sein kann. Ich habe eh genug Wasser und Verpflegung dabei.
Bis ganz zum Aussichtspunkt hoch gehe ich allerdings nicht, denn ich sehe auch von hier aus genug von der Postkartenaussicht auf Balos. Wirklich ein Traum! Der im Sommer zum Albtraum mutieren könnte, wenn Menschenmassen den Sand bedecken, ihren Müll und anderes hinterlassen. Elend.
Von hier oben sehen ich aber auch, dass der Priel, den ich in der Lagune überqueren wollte, zu tief zum Durchwaten ist und ziemlich Strömung hat. Ich habe keine Drybag für meine Sachen dabei, und dann ist da ja auch noch das Schwimmverbot. Ich werde also auf dem gleichen Weg zurückgehen wie ich gekommen bin, mit Abstecher zu der geschlossenen Taverne, deren Solarpaneele ich von oben schon gesehen habe. Dort steht noch ein weitere Stapel Liegen, neben einem WC-Häuschen. Ob es offen ist?
Da hat die Regierung mit ihrer plötzlichen Verordnung den Verleihern einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Falls die Verleihung vorher überhaupt jemals legal war. Was für Blüten illegale und teilweise überteuerte Strandmöbelverleihung treiben, konnte man im Sommer 2023 beobachten, Stichwort "Handtuchbewegung". Keine gute PR für Griechenland, und sicher ein Grund, die Regelungen dieses Jahr zu verschärfen: weniger Belegung, mehr freier Platz, erst recht in Naturschutzgebieten. Zusätzlich wurde die App MyCoast eingeführt, mit der man Verstöße direkt an registrierten Stränden melden kann. Ob auch an illegalen Stränden? Es bleiben viele Fragen offen.
Der Wind weht unverändert heftig, wirbelt wieder Sand in meine Augen. Ich kämpfe mich entlang der Lagune zurück zu dem verbindenden Felsriegel. Hier sind inzwischen mehr Leute unterwegs.
Am westlichen Rand der Lagune will ich doch jetzt auch mal wenigstens meine Füße ins Wasser stecken, wenn Baden schon nicht möglich ist. Ich ziehe die Stiefel aus und plantsche in pfützentiefen Wasser. Macht Spaß.
Eine halbe Stunde Zeit habe ich noch, das reicht um nun der Kapelle Agii Pantes einen Besuch abzustatten. Das Kirchlein ist geöffnet. Auf der Bank davor unter dem schattigen Vordach sitzen drei Leute, unterhalten sich auf Deutsch. Zwei wollen noch hinauf aufs Tigani-Plateau, der andere muss auf Schiff. Ich warte bis sie weg sind um etwas zu fotografieren.
Im grünen Meer unter uns ist das Einschiffen der Ausflügler in vollem Gange. Das ist recht aufwändig, und der Bootstourenveranstalter "Cretan Daily Cruises" wird schon bald Konsequenzen ziehen, und die Leute nicht mehr ausbooten (der Steg wird außerdem aus Umweltschutzgründen Ende Mai abgebaut werden), sondern vom Schiff aus an Land schwimmen beziehungsweise waten lassen. Das Meer sei hier ein bis eineinhalb Meter tief, behauptet die Website von Balos Tours. Das dürfte schwierig werden mit Waten außer man hat Gardemaß... Dennoch können die Gäste die Dauer ihres Aufenthaltes so selbst bestimmen und müssten nicht zwei Stunden zur Mittagszeit in der schattenlosen Lagune verbringen. Für die Veranstalter hat das zusätzlich den Vorteil, dass die Leute an Bord und im Schatten Essen und Getränke konsumieren (zu zivilen Preisen im Übrigen). Wer körperlich benachteiligt ist, für den ist das aber keine gute Lösung. Hier wird alternativ die Anreise mit kleineren Booten von Falasarna aus empfohlen, die an der Südseite näher ans Ufer können. Ist aber auch teurer.
Aber als ich Balos verlasse, ist das noch Zukunftsmusik. Und es wird sich bis zur Hochsaison sicher noch mehrmals ändern, die Reiseveranstalter protestieren schon. Ebenso wie die Verbote ignoriert werden - wer will einschreiten, wenn mal ein paar hundert bis tausend sonnen- und badehungrige Ausflügler am Tag sich über die Lagune ergießen? Ihren Müll hinterlassen, und auch sonst einiges? Das Geschäft läuft zu gut, und die Natur kann nicht schreien.
Mit einem bärtigen jungen Steuermann geht es mit dem Boot zurück zur "Porto Gramvousa". Noch eine Bootsladung, dann kann es auf die Rückfahrt gehen. Nein, nicht so schnell. Erst muss das Boot verankert und die beiden Männer wieder eingesammelt werden. das dauert. Das zweite Boot ist sogar in Imeri Gramvousa vertäut, also wird die zweiköpfige Besatzung dort noch eingesammelt.
Um das Kap Vouxa schaukelt das Schiff dann wieder so stark wie am Vormittag. Der Wind im Golf von Kissamos hat nicht nachgelassen, wir schwanken durch die Gischt gen Süden. Ein Mann vorne am Bug rutscht auf dem nassen Deck aus und setzt sich hart auf den Hintern. Nichts getan, nur klatschnass geworden. Er lacht und freut sich, provoziert es gleich nochmal. Man sollte nie damit rechnen, dass Urlauber vernünftig sind. Oder Menschen?
Nach 18 Uhr legt die "Porto Gramvousa" in Kissamos an, zügig geht es zum Bus, der mich wieder am Ortseingang von Kissamos absetzt. Ich frage bei einem Autoverleiher dort nach, was ein Kleinwagen für einen Tag kostet. Nein, ich will nicht auf die Piste nach Balos. 35 Euro - mhh, das ist mehr als erwartet.
Leider fahren Ende April noch keine Busse nach Falasarna, das ich mir gerne mal angesehen hätte. Andererseits hatte Renate, kretaerprobte Wanderfreundin von Sifnos, eine Wanderung im Hinterland von Kissamos empfohlen. Das muss ich mir mal auf der Karte angucken, und gucken, wie ich zum Ausgangspunkt komme.
Im Hotel hat sich das Zimmermädchen kreativ ausgetobt und das frische Handtuch mit einer meiner Bluse, die auf der Kommode lag, auf dem Bett arrangiert. Mag ich gar nicht, und hatte prophylaktisch schon mal mein Nachthemd wegräumt. Aber sie wird jeden Tag ein neues Handtuch-Ensemble mit meinen Sachen gestalten, und das finde ich dann schon wieder witzig.
Zum Abendessen gehe ich heute ins "1960" an der Paralia, auch Papadakis genannt. Fischsuppe steht auf der Karte, und bestelle ich dann auch. Eine Skordalia vorab, pfeift ordentlich rein, der Knoblauch. Mit einem Viertel Wein bezahle ich 30 Euro. Fischsuppe hat ihren Preis. Natürlich gibt es auch hier Raki und Dessert aufs Haus. Müde sinke ich wenig später ins Bett. Keine Ruhestörung vom Sportplatz heute, zum Glück.