Wandern

Der Himmel ist grau am Donnerstag, und es sieht so aus als würde es gleich regnen. Dazu bläst ein starker Wind aus Süden. Wenigstens ist es nicht kalt, aber für eine längere Wanderung ist uns das Wetter zu unsicher. So machen wir eine kürzere Tour zu den Kapellen nordwestlich von Chora. Beim Brunnenhaus geht es los, schlängelt sich auf einer Straße durch das üppig blühende Tal, dann auf einem sehr schmalen Pfad hinauf Richtung Kapelle Agia Kyriaki.

Der Wind hebt uns immer wieder fast aus den Angeln. Drahttore müssen geöffnet werden, oder vielleicht auch nicht – die Wegführung ist unklar. Wir irren etwas herum, erreichen die Kapelle auf Umwegen. Und haben schon die Nase voll – wir hatten auf klarerer Wegführung gehofft. Der Blick auf die Chora ist allerdings schön. Und auch die Blumen überall, das frische Grün. Aber der Wind ist störend, und fototechnisch geben weiße Häuser gegen blassgrauen Himmel auch nicht viel her.

So kehren wir um und wandern nicht weiter nach Agios Ioannis und Agios Efstratios.

Noch Zeit für einen Museumsbesuch? Von der Platia Brooke aus sehen wir das Meer bei Magazia toben, es hat eine tiefgraugrüne Farbe. Ein Strandspaziergang ist heute nicht möglich ohne nass zu werden. Ein Frachter kämpft am Horizont mit Wind und Wellen, er kommt nicht vorwärts.

 

Das Museum Faltaits hat bis 14 Uhr geöffnet, und am Abend wieder. Als wir es betreten schrickt man darin auf – man hat nicht wirklich mit Besuchern gerechnet. Das riesigen, sich unübersichtlich über mehrere Stockwerke einen Hang entlang ziehende Haus beherbergt eine Sammlung volkstümlicher Objekte mit Skyros-Bezug, und Bilder des Malers Manos Faltaits. Wir verirren uns erst nach unten, wo es Schriftstücke und Büsten hat – wenig interessant. Einen Stock tiefer ist eine Galerie mit zahllosen Werken Manos Faltaits. Die Arbeiten – überwiegend Portraits - ähneln sich alle sehr, und treffen nicht unbedingt unseren Geschmack. Also schnell hinauf in den oberen Museumteil mit den volkskundlichen Exponate. Alles sehr vollgestopft, aber interessant. Ein paar Fragen hätten wir da noch, aber die Aufseherin ist wieder nach unten verschwunden.

Am besten ist eigentlich der Blick aus den Fenstern auf Magazia und die tobende See davor. Der Frachter kämpft immer noch.

Ich schau mir dann auch noch das archäologische Museum auf der anderen Seite der Platia an. Das ist mit zwei Räumen überschaubar, auch hier bin ich einzige Besucherin. Interessant die Funde aus Palamari. Und nett das kleine Keramikpferdchen mit Rollen. Ein Skyros-Pferdchen?

 

Inzwischen ist es fast drei Uhr mittags, und wir haben Hunger. Das „Konatsi“ ist als einziges Lokal in der Chora geöffnet und offeriert gefüllte Kartoffeln (aus der Mikrowelle) und Kolokithokeftedakia. Lecker. Ich gehe anschließend noch in großer Runde westlich um die Chora herum, vorbei am Hotel „Nefeli“, das ganzjährig geöffnet haben soll und schon (oder noch?) Wasser im Pool hat. Ach, da sind wir bei Martina doch besser und zentraler aufgehoben!

Wie in der Wettervorhersage prognostiziert fängt es erst am Abend zu regnen an als wir im „I Skyros“ als fast einzige Gäste gemütlich bei Pasta und Wein (einen halben Liter gibt es aufs Haus) sitzen. Der Pizza-Bringservice ist aber ganz gut frequentiert.

 

Es schüttet und gewittert die ganze Nacht. Ob wir da an unserem letzten Tag werden wandern können?

Wir können.

Der Freitag begrüßt uns mit blaugewaschenen Himmel und heftigstem, kaltem Nordwind. Wir nehmen ein Taxi nach Katounes (10 Euro), dem verlassenen Ort. Ob wir zur Panagia Lymbiani wollten fragt der Fahrer? Und wünscht uns eine schöne Wanderung. Erstaunlich und erfreulich mal nicht auf völliges Unverständnis bei den Einheimischen zu stoßen wenn man wandern will.

 

Der Weg führt zunächst auf einer Piste süd- und aufwärts an Telekommunikationsanlagen, zwei Kapellen (Agii Theodori – da ist morgen Panigiri) und einem Hof mit aggressiven Gänsen vorbei. Der kalte Wind bläst mir fast die Ohren ab, ich bereue es keine Mütze dabei zu habe. Stopfe mir schließlich Taschentuchfetzen in die Ohren um keine Schmerzen zu bekommen.

Irgendwann zweigt ein Fußweg von der Piste ab, auf der man aber auch zur Höh(l)enkapelle kommt.

 

Der schmale Fußweg führt weiter bergauf und nun durch Kiefernwald. Gelegentlich hat man tolle Ausblicke auf Ostküste, die mit ihren Almen hier fast an die Alpen erinnert. Vom Wind sind wir nun geschützter, oder hat er nachgelassen?

Ein Wegweiser deutet zwei Wege nach Chora an, beide mit zwei Stunden vierzig Minuten, aber in entgegengesetzter Richtung. Das wäre hier der Rundweg aus dem MM-Führer von Dirk Schönrock, Seite 218 bis 221. Wobei dort im zweiten Teil ein „im Sommer ausgetrocknetes Flusstal“ überquert werden muss. Weil wir davon ausgehen müssen, dass das Flusstal im März (noch dazu nach den nächtlichen Gewittern) wasserführend ist haben wir uns gegen die Rundwanderung und für die Taxivariante ab Katounes entschieden, eine gute Wahl, die auch mehr bequem bergab führt.

Nach etwa einer Stunde erreichen wir unser erstes Tagesziel, die Kapelle Panagia (O)Lymbiani (nach dem Berg Olymbos, auf dem sie zwar nicht liegt, aber der der Gegend hier den Namen gegeben hat).

Die Kapelle sieht man erst sehr spät, die liegt über uns unterhalb eines Felsgrates, ist etwas in den Stein hineingebaut. Ein überdachter Sitzplatz davor, glockenverziert. Ein wunderschöner Ort!

 

Glücklicherweise ist die Kapelle auch offen. Nachdem sich die Augen an das dämmrige Licht gewöhnt haben sehen wir zahlreiche Lämpchen an der Decke hängen, und Votivgaben an einer untypischen, eher süßlichen und einfachen Ikone.

Brennende Kerzen dürften hier keinen Schaden anrichten (es ist recht feucht, und überall Stein), und so zünden wir welche an.

Auf dem unüberdachten, aber dafür sonnigen Plätzchen etwas weiter vorne machen wir Vesperpause und anschließende Siesta. Und diese Aussicht!

Ab der Kapelle (bzw. etwas unterhalb) geht der Weg noch ein kurzes Stück aufwärts über den Felsengrat, dann führt er als schattiger Waldweg sanft bergab über die Ausläufer des Olymbos-Massivs, mit 403 Meter, die höchste Erhebung auf Nordskyros. Orchideen am Wegrand.

Den zaunversperrten Abstecher zur Agios Georgios-Kapelle an der Flanke des Olymbos sparen wir uns wobei man dort sicher eine schöne Aussicht hat. Nun ist uns ordentlich warm geworden. Durch eine Lücke im Wald sehen wir Chora liegen – es ist noch ein Stück bis dorthin.

Der Weg ist inzwischen wieder in eine ausgefahrene breite Piste übergegangen.

Schneeweiß und bezaubernd liegt dann plötzlich die Kreuzkuppelkapelle Agios Nikolaos auf einer grünen Wiese am Weg. Auch diese Kapelle ist geöffnet. Die Ikonen sind nicht alt, aber die Naivität der Darstellung ist umwerfend und hochinteressant.

Auf einem hohen Felsen unweit der Kapelle klettern waghalsig Ziegen herum, turnen um den äußersten Grat – da schmecken die Kräuter ja am besten. Wir halten fast den Atem an – auch Ziegen können abstürzen wie wir in mancher kretischen Schlucht schon gesehen haben.

In Serpentinen führt der Weg nun steil abwärts, die in der Terrain-Karte verzeichnete Abkürzung können wir nicht ausmachen, wollen wir auch nicht nehmen.

Die nächste Kapelle Agios Myronas (auch Meronas) ist nicht alt, sondern ein neuer Bau mit Flachdach. Nur ein kurzer Stopp hier. Weiter steil bergab.

 

An der nächsten Abzweigung biegen wir links ab und erreichen ein Plateau, auf dem die Baustelle eines großen Wasserrückhaltebeckens die Landschaft empfindlich stört. Wozu ein solcher Wasserspeicher auf Skyros, das hier doch ausreichend Wasser hat (und dazu auch noch im Bereich der Quellen, die die Chora versorgen, wie uns Martina später erzählen wird)? Hoffentlich wird durch die Baumaßnahmen der natürliche Wasserhaushalt der Insel nicht gestört! Aber die Bauarbeiten ruhen, vielleicht ist noch rechtzeitig das Geld ausgegangen (so was kann ja auch ein Segen sein). Wieder eine kleine alte Kapelle, Agios Ioannis, mit Fresken darin.

Entlang eines Baches führt der Weg nun in einem Tal nach Osten. Ein richtiges Idyll, baumgesäumt. Zwei Mal müssen wir den Bach queren, ein paar Steine helfen dabei (Vorsicht, sie sind teilweise sehr rutschig!), und meine neuen Wanderschuhe sind wirklich wasserdicht wie ich nun feststellen kann.

 

Am Talausgang hat es zahlreiche Olivenhaine, saftige Wiesen, ein altes Brunnenhaus. Die Chora liegt nun in voller Breite vor und über uns, durch die verwinkelten Gassen suchen wir den Weg aufwärts zur Platia.

Eine wirklich schöne und wenig anstrengende Wanderung, etwa zehn Kilometer - sehr zu empfehlen!

Am späten Nachmittag bummle ich nochmals durch den unterhalb des Kastro gelegenen Ortsteil von Chora, und blicke hinüber zu dem Tal, das wir heute heruntergekommen sind. Man muss die Inseln wirklich zu Fuß erleben um sie richtig erfassen zu können.

Unseren letzten Abend verbringen wir in der Taverne „Athrachti“ direkt gegenüber unserer Wohnung. Ein großes Holzfeuer im offenen Kamin sorgt für Wärme und Gemütlichkeit, und immerhin sind wir auch nicht die einzigen Gäste. Neben der Taramosalata schmecken die Loukaniko und die Souvlakia vom Grill, auch hier gibt es den zweiten halben Liter Wein aufs Haus von der netten jungen Wirtin. Freitagsabend ist der Außer-Haus-Service (keine Ahnung was. Loukanika? Souvlakia?) gut beschäftigt.

 

Im Fernsehen läuft Fußball: Qualifikation für die WM, Bosnien-Herzegowina gegen Griechenland. Schnell liegen die Griechen hinten (Džeko und Ibisevic vom VfB Stuttgart treffen für die Bosnier), die Stimmung sinkt vor allem bei den jungen Griechen am Nachbartisch. Drei zu eins geht das Spiel aus, es ist noch ein weiter Weg nach Brasilien für Griechenland.

Wir haben am nächsten Tag den Heimweg vor uns: nach einem letzten Bummel durch den Ort bei strahlend blauem Himmel und frischem Wind mit dem Bus um 11.45 Uhr von Chora zum Flughafen (Martina kann uns wegen eines Panigiri nicht hinbringen), pünktlicher Aegean-Airlines-Flug nach Athen (heute nur knapp fünfzig Plätze belegt, alles sehr gemütlich auf dem Flughafen) mit Schleife über Skyros und schöner Aussicht auf die Insel und Evia. Supersanfte Landung.

Mehrere Stunden verbummeln auf dem Athener Flughafen, warten schließlich noch eine Stunde Verspätung zusätzlich weil der Germanwings-Flieger nicht pünktlich in Stuttgart weggekommen ist (wegen Wintereinbruch, *bibber*. Wir dürfen im Bus vor dem Flieger nochmals zehn Minuten warten). Die S-Bahn in Stuttgart geht uns gerade raus, die nächste muss wegen nachmitternächtlicher Baustelle in Böblingen zwanzig Minuten stehen. Nachts um ein Uhr sind wir endlich zuhause.

Willkommen im ach so perfekten Deutschland…..

 

Skyros zum Karneval und außerhalb der Saison? Ich kann es nur empfehlen!

Sogar für Fasnetsmuffel wie mich.

Aber warme Klamotten mitnehmen! Griechenland kann sehr kalt sein...