Paliki

Beim Frühstück auf dem Balkon kann ich zwei Feuerflugzeuge beobachten. Ich recherchiere im Internet und erfahre, dass gleich zwei Brände auf Kefalonia schwelen: einer bei Spartia, also direkt in meiner Sichtrichtung (ich sehe allerdings nichts) und einer bei Livadi auf der Paliki-Halbinsel. Hoffentlich hat man sie schnell im Griff!

 

Ich bin zeitig wieder auf der Straße , denn ich habe heute viel vor. Auf Irrwege lasse ich mich nicht ein, sondern folge der Straße , die westlich aus Trapezaki gen Livathos herausführt, bis zur Hauptkreuzung zwischen Metaxata und Peratata, biege rechts nach Peratata ab und sehe kurz darauf den Wegweiser zum Kloster Agios Andreas. Hier möchte ich den am Samstag versäumten Besuch des kirchlichen Museums und der alten Klosterkirche nachholen.

 

Die Klosteranlage liegt in einem gepflegten kleinen Park. Links das Museumsgebäude, dahinter die alte Kirche. Das Museum ist tatsächlich geöffnet (Montag bis Samstag 8 bis 14 Uhr), ein Mann verkauft mir für drei Euro ein Ticket und knipst dann überall das Licht an. Auf zwei Stockwerken befinden sich alte Ikonen, aber auch Holzschnitzereien aus verschiedenen, zerstörten Kirchen der Umgebung (etwa Sision), kirchliches Gerät, Messgewänder und vieles mehr. Die Präsentation unterscheidet sich positiv von den vielen verstaubten Sammlungen ähnlicher Art, die ich in Griechenland schon gesehen habe. Und unter den Ikonen sind einige besondere Stücke mit überraschender Dynamik. Auch das Gebäude ist interessant, mit einem bogenverzierten kleinen Innenhof. Ich sehe mir alles in Ruhe an, bin die einzige Besucherin. Inzwischen ist eine Nonne zum Mann an der Pforte gestoßen, der mich fragt, ob ich auch die Kirche sehen möchte. Natürlich!

Die Nonne hält die Stellung, während wir zur Kirche des heiligen Andreas gehen. Die Kirche stammt aus byzantinischer Zeit und ist über tausend Jahre alt, wurde aber mehrfach zerstört. Der aktuelle Bau stammt zu großen Teilen aus dem 16. Jahrhundert, mit Reparaturen nach dem Erdbeben von 1953, als die Kirche glücklicherweise wenig zerstört wurde, aber der Überputz von den zwischenzeitlich profan genutzten Räumen fiel und die alten Wandmalereien (teilweise aus dem 13. Jahrhundert) freigegeben wurden. Als Reliquie wird hier ein Fuß des heiligen Andreas aufbewahrt, sie wurde von einer griechisch-rumänischen Prinzessin gestiftet als sie 1639 dem Kloster beitrat.
Die ältesten Fresken befinden sich hinter der Ikonostase, durch die geöffneten Türen kann ich einen Blick ins Allerheiligste erhaschen. Weitere gibt es an den Seitenwänden der Kirche. Das Museum wurde 1988 zunächst in der Kirche eingerichtet, 2002 zog die Sammlung ins Nachbargebäude. Wirklich sehr lohnenswert, der Besuch von Agios Andreas.

 

Ich betrachte mir noch die Außenanlage mit dem Blick zum nahen Kastrohügel Agios Georgios, als die Nonne kommt und mich fragt, ob ich auch die neue Klosterkirche sehen wolle. Klar, wenn sich schon mal Klosterbewohner Besuchern so aufgeschlossen zeigen. Sie führt mich hinüber zum etwas erhöht liegenden Kirchenneubau, der aber weniger interessant ist, zumindest für Nichtorthodoxe wie mich. Ich bedanke mich herzlich.

Mein nächstes Ziel ist nun Argostoli, von wo aus ich mit der Fähre nach Lixouri auf der Paliki-Halbinsel übersetzen möchte. In der Zufahrtstraße entlang der Paralia herrscht vormittags viel Parkverkehr, vor allem an den Marktläden ist kaum ein Durchkommen. Aber auch am Anleger, wo gerade die Fähre "Ainos", ablegt, ist viel los. Macht nichts: die Fähren - Typ Landungsboot - verkehren im Halbstundentakt, und so muss ich nicht lange warten bis die Gegenfähre "Vikentios D" auftaucht. Schnell hole ich das Auto vom Parkplatz und reihe mich in die Warteschlange ein. Die Tickets werden an Bord verkauft. Kaum ist die Fähren entladen, was kurzfristig für ein kleines Verkehrschaos sorgt, dürfen wir rauf.

Ich werde vorne am rechten Seitenrand eingewiesen, und ehe ich mich versehe, bin ich von einem großen Reisebus so eingeparkt, dass ich die Fahrertüre nicht mehr öffnen kann. Erinnerungen an eine Überfahrt von Konstanz nach Meersburg kommen auf, als mich eine sich öffnende Bustüre unversehens gegen unser Auto quetschte .... Ein Ausstieg während der halbstündigen Überfahrt ist auch hier offenbar nicht vorgesehen, aber ich krabble über den Beifahrersitz aus dem Wagen und blicke über die Reling. Schon geht die Fahrt los, entlang der Halbinsel von Argostoli.

Der Ticketverkäufer kassiert wenig später sechs Euro für das Auto und eine Person - preiswert. Ich werfe den Geldbeutel samt Ticket ins Auto und muss ihn wenig später wieder herausfischen, als ein Kontrolleur ihn sehen will. Misstrauisch sind die hier.

Wir biegen um das Kap Agion Theodoron herum und haben nun Lixouri vor uns, das wir nach halbstündiger Fahrt erreichen. Lixouri ist mit 7.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Insel, aber nur von begrenztem touristischem Interesse. Ich lasse sie direkt hinter mir liegen, und steuere gen Süden. In einem Kritikos-Supermarkt bei Soullari fülle ich die Lücken meiner Vorratsbestände und fahre dann weiter nach Xi.

Der Strand mit dem chinesischen Namen soll einer der schönsten Inselstrände sein. Außerdem hat er ein Alleinstellungsmerkmal auf Kefalonia: roter Sand. Das muss ich mir natürlich ansehen.

 

Im Südosten bildet die Küstenlinie der Paliki-Halbinsel aus der Vogelperspektive einen rechten Winkel. Entlang der Südküste verlaufen mehrere Kilometer Sandstrand, Megas Lakkos im Osten und Xi im Westen. Eine Küstenstraße gibt es nicht, dafür mehrere Stichstraßen aus dem Inselinneren. Ich wähle die westliche von Mantzavinata, die durch eine heideähnliche Erosionslandschaft verläuft, die nahe der Küste mit Hotelanlagen durchsetzt ist. Am offiziellen Strand von Xi parke ich, ziehe die Badeschuhe an und packe meine Badesachen ein. Der östliche Strandabschnitt zu meiner Linken ist schmal und Sonnenliegen stehen dicht an dicht. Nichts für mich. Ich wende mich nach rechts, wo der der rötlich-ockerfarbene Sandstand samtähnlich und fast unbedeckt von Strandliegern in einem mal mehr, mal weniger breiten Streifen vor vertikalen, hellgrau-weißen Felsentürmen und -bändern verläuft. Wind und Wasser haben sie geformt. Darüber der blaue Himmel. Ein wunderschönes Farbenspiel!

Die Felsentürme stehen gelegentlich weit vor, so dass man sie nur im Wasser umgehen kann.

Ein Schild am Anfang warnt davor, sich unter die Steilküste zu legen: Steinschlag! Natürlich wird es von vereinzelten Sonnenanbetern ignoriert. Ob das die gleichen Leute sind, die ihre Namen in großen Buchstaben in die hellen Felsen gekratzt haben? Man kann man den hellen Tonschlicker von den Felsen kratzen und sich mit Wasser vermischt auf die Haut schmieren. Das soll dann gesund sein. Ich verzichte, und wandere lieber ein gutes Stück entlang der Erosionsküste, finde schließlich eine geeignete Badestelle und genieße das flache Wasser, das immer noch fast 24 Grad warm ist. Es geht ein leichter Wind, der mich danach schnell trocknet. Flachrunde, rötlichbraune Kiesel bilden kleine Inseln im Sand - Kefalonia kann nicht nur weiße Kiesel. Wirklich eine abwechslungsreiche Insel.

Von irgendwo im Hinterland ertönten Geräusche eines Baggers. Ist es ein Steinbruch, oder wird hier Platz für ein weiteres Hotel geschaffen wird? Bedauerlich wäre das, aber natürlich expandiert auch auf Kefalonia der Tourismus nicht unbeträchtlich.

Gegen ein Uhr bin ich am Auto und setze meine Halbinselrundfahrt fort. Dazu muss ich zuerst wieder nach Mantzavinata und verfahre mich leicht auf der Hochebene zwischen Vouni, Chavriata und Chavdata. Das Kloster Kipoureon ist mein nächstes Ziel, es liegt über der steilen Westküste. Und wenn unterwegs eine Taverne geöffnet wäre, wäre das auch nicht schlecht, denn allmählich habe ich Hunger.
Die einsame, karge und windausgesetzte Natur der Xerokampia-Hochebene ist irgendwann in Wald übergegangen, durch den sich die Straße in zwei Kurven hinab zum Kloster windet. Das Dach kann ich von oben sehen. Plötzlich versperren einige Rindviecher die Straße, geben sie nur zögernd frei. Sie knabbern auch an den Bäumen des Klosterparkplatzes.
Das Kloster Kipoureon ist natürlich geschlossen. Ob saisonal oder schon in der Mittagspause - keine Ahnung, es gibt kein Schild. Ich versuche, das Gelände zu umgehen und irgendwo einen Blick auf die Steilküste zu werfen. Es gelingt mir nur teilweise. Soll ich zu Fuß zum Kap vorgehen? Nein, denn mein Hunger ist größer geworden, und ich setze meine Hoffnung in die Taverne "Stathis", die mehrfach auf Schildern entlang der Straße beworben wird und ein Stück weiter unterhalb der Straße liegt. Leider ist sie auch geschlossen. Da muss ich mein Glück im Dörferwirrwarr weiter im Norden suchen. In Kaminarata werde ich nicht fündig, und auch nicht in Rifi, obwohl die untouristischen Dörfer einen durchaus bewohnten Eindruck machen.

Mit wenig Überzeugung steure ich Damoulianata an, stelle das Auto auf einem Parkplatz an einer Aussichtsplattform ab und entdecke in meinem Rücken die Taverne "Ladókolla Stin Plagiá". Und die hat offen! Nix wie rein, es ist schon fast halb drei. Zwei Tische sind belegt, von ausländischen Urlaubern, und es werden noch mehr werden. Es ist windig und frisch geworden, und obwohl ich drinnen sitze, muss ich noch meine Jacke holen.

Die Wirtsleute beweisen einen eigenwilligen Geschmack bei der Dekoration der Gaststube, der in einem geschmückten Nadelbäumchen gipfelt. Ja ist denn schon Weihnachten? Der Wirt, ein knorriger kleiner Typ, preist die Kreatopitta an, die seine Frau heute frisch gemacht hätte. Auf einen Salat vorab verzichte ich zum Glück, denn die Pastete, die mir auf einer Schieferplatte serviert wird, ist massiv und sättigend. Als Autofahrerin muss ich das Angebot des Wirtes, ein Glas Wein, eigentlich ausschlagen. Na, ein Versucherle wird gehen, und so bitte um ganz wenig. Vergeblich, er bringt mir trotzdem ein ziemlich großes Glas. Na, mit dem gut gefüllten Magen werde ich es verkraften.

Mit Amüsement verfolge ich die Ankunft weiterer Gäste. Da ist eine Frau, offenbar eine Teilzeitresidentin, die den Wirt in einem Mix aus Englisch und Griechisch fragt, ob das Lokal morgen Abend geöffnet habe, und einen Tisch bestellen möchte. Für zwei Personen. Der Wirt fragt mehrmals ungläubig nach: Eine Reservierung für zwei Personen - nicht eure Ernst? Diese Ausländer sind schon komisch. Ja, komm du mal nach Trapezaki, da musst du in manchen Restaurants sogar für eine Person einen Tisch bestellen, wie ich gestern erfahren habe. Merkwürdige Sitten bringen diese Briten mit ... 13 Euro bezahle ich und fahre um Viertel nach drei weiter.

Der berühmte Strand von Petani ist mein nächstes Ziel, er liegt nur wenige Kilometer entfernt an der Nordküste der Paliki-Halbinsel.

Auch hier führt eine Serpentinenstraße von der Höhe hinab, allerdings durch grüne Macchia. Beim Fotostopp kann ich schon von oben erkennen, dass wilde Brandung an den Strand schlägt und das Baden verunmöglicht. Zumindest wenn man nicht lebensmüde ist.

Am Hochsitz der Strandwache flattert die rote Flagge, und hier ist Nachfrage - der Posten ist tatsächlich besetzt - überflüssig. Fünf Reihen Liegen und Schirme bedecken den mittleren Abschnitt feinen, hellen Sandes, aber die beiden vorderen Reihen werde nur von den zugeklappten Sonnenschirmen gebildet, die Liegen hat man weggeräumt: Land unter. Ein paar Unentwegte trotzen dem kühlen und starken Wind auf den hinteren Sonnenliegen, aber die meisten potentiellen Badegäste haben sich in den Schutz der Strandtavernen zurückgezogen.

Ich bestaune die wilde Brandung und kann ein paar schönen Fotomomente einfangen. Schon witzig, dass das Meer an der Nordküste so tobt, während an der West- und Südküste kaum etwas vom Wind zu merken war. Oder ist er jetzt erst aufgekommen? Se, mein zukünftiger Paddelguide, wird mir einiges über die Unberechenbarkeit und Tücken des kefalonischen Wetters erzählen, mit dem er jahrelanger Erfahrung hat.

Ich trinke einen Elliniko im der Strandbar und betrachte entspannt das Wellenspiel.

Es wird allmählich Zeit, meine Runde zu ihrem Ende zu bringen, es ist noch ein ziemliches Stück Fahrt.

Bei der Fahrt Richtung Livadi, das an der Ostseite der Paliki-Halbinsel liegt, sehe ich dann die verbrannte Fläche des aktuellen, aber gelöschten Brandes. Größer als gedacht, aber zum Glück waren keine Orte oder Häuser betroffen. Die Feuerwachen sind noch zugange, immer wieder ist im Laufe des heutigen Tages das Paar Beobachtungsflugzeuge über mich hinweg geflogen.

Ich lege noch einen Abstecher zum Atheras-Strand ein, aber den hätte ich mir auch sparen können, denn die tiefe kleine Bucht ist zwar nett und liegt auch geschützt, der Strand ist aber von eher überschaubarem Reiz. Es sei denn, man möchte wild campen - ich sehe ein, zwei Zelte zwischen den Bäumen.

 

Die Nordseite des Golfes von Argostoli hat dann noch eine Überraschung für mich parat: eine amphibische Landschaft zwischen Wasser und Land erstreckt sich hier: das Sumpfgebiet von Livadi. Grüne Schilfinseln zwischen der glatten Wasseroberfläche bieten raren Vogelarten wie Eisvögeln und Reihern ebenso Schutz wie Schildkröten und Fischen. Die Straße, die nun schon wieder auf der Hauptinsel steil ansteigt, bietet darauf eine gute Übersicht.

Ich bleibe an der Bucht von Argostoli, und auf der Höhe. Wie weiter nördlich verläuft die Hauptstraße nach Argostoli auf einer Höhe von plus-minus hundert Metern über dem Meer. Im Küstengewässer befinden sich zahlreiche Fischzuchten. Wolfsbarsche (sea brass) und Goldbrassen (sea bream) werden hier gezüchtet, und finden sich dann auch zahlreich auf den lokalen Speisekarten wieder.

 

Einen kurzen Fotohalt lege ich noch an der Ostseite der De-Bosset-Brücke ein, und gucke hinüber nach Argostoli. Aber das war viel Input heute, ich bin einigermaßen erledigt jetzt.
Um halb sieben stelle ich das Mietauto zum letzten Mal ab, auf dem Parkplatz des Afrato Village. Nach 97 Kilometern gestern bin ich heute 106 Kilometer gefahren, insgesamt kommen 569 Kilometer in sechs Tagen zusammen. Mehr als gedacht. Ich räume meine Sachen aus und gucke, ob ich irgendwelche neuen Schrammen entdecken kann. Nein - dann ist ja alles gut. Den Autoschlüssel lege ich unter die Fußmatte und lasse den Wagen unverschlossen stehen. Ab 20 Uhr soll er abgeholt werden, und ist schon um halb neun weg. War alles ausgezeichnet mit "Greekstones".

Noch satt vom späten Mittagessen bleibe ich heute Abend hier und genieße bei einem Glas Wein den Sonnenuntergang über dem Livathos vom Balkon aus.

Morgen muss ich früh aufstehen. Schon um acht Uhr ist Treffpunkt an der Kajak-Basis in Trapezaki.
Ich bin sehr gespannt.