Schon die Anreise war anders als sonst: nur drei Mal pro Woche fährt die Fähre „Ierapetra“ von Rhodos nach Kastellorizo und zurück, mit unserer Ankunft auf Rhodos hatten wir sie um einige Stunden verpasst, die nächste ging erst 3 Tage später. Auf Hinweis von Olli (Vielen Dank! Gebucht hatten wir noch 2 Tage vorher bei Olympic Airways in Stuttgart, 25 Euro p.P., subventioniert) nahmen wir dann den Flieger am Sonntag früh um 7 Uhr – eine familiäre Sache. Von den 37 Plätzen der „Katerina Thanou“ waren nur 10 besetzt, der Flug (tolle Aussicht auf Ialysos und Rhodos) dauerte 22 Minuten, was für den Bordservice kaum reichte um Getränke zu verteilen. „Hoppla,“ denke ich noch, „ist der jetzt nah am Felsen“ – da landet das Flugzeug schon.
Der kleinste Flughafen, den ich je gesehen habe. „Muss man jetzt das Gepäck selbst aus dem Flugzeug holen?“ – Aber nein, ein Kleinbus bringt das Gepäck die 40 Meter zum Flughafengebäude wohin wir vorausgegangen sind. Nun mit dem offiziellen Mini-Flughafenbus auf der einzigen Inselstrasse (etwa 3 km lang) hinunter nach Megisti, wo uns unser Vermieter Damien bereits erwartet und in unsere Unterkunft in einem restaurierten neoklassizistischen Haus bringt. Leider hat es keinen Meerblick oder Balkon (das haben die landestypischen Häuschen dort einfach nicht), doch das geräumige, liebe- und geschmackvoll eingerichtete Zimmer entschädigt dafür.
Hungrig gehen wir erst einmal frühstücken und landen gleich an einem der schönsten Plätze von Megisti, dem Zacharoplasteion/Patisserie an der Hafenfront. Im Schaufenster locken frische, köstliche Torten, von denen wir uns nach dem Frühstück gleich jeder ein Stück gönnen - mmmh! Der Besitzer ist sehr freundlich (er prophezeite uns eine Gewichtszunahme wenn wir länger blieben), die Stimmung gemütlich – wir kommen wieder! Man könnte hier den ganzen Tag vertrödeln, nach den Fischern, die ihre Netze richten und dem kleinen Grenzverkehr zur Türkei schauen, und so ziemlich jeder der Bewohner von Megisti (sind neben 100 Soldaten nur etwas über 200 Menschen und eine Handvoll Touristen) kommt hier wohl mindestens einmal am Tag vorbei. Dazu die schöne, malerische Hafenansicht der Häuserfassaden, die unzähligen Katzen, die die Strassen bevölkern, die Ruhe....
Aber wir wollen wandern und machen uns auf nach Norden, eine gemütliche 1 ½-stündige Wanderung zur Kapelle Agios Stefanos. Bei der Runde um die Kapelle erschreckt uns ein Soldat – der Ärmste muss hier, nur knapp 2 Kilometer von der türkischen Küste entfernt, Wache stehen, eine langweilige Sache. Bestimmt hat er uns längst kommen sehen. Zwei seiner Kollegen schlafen auf Feldbetten in einer Baracke, was soll man hier auch sonst tun? Unten an einer Felsenbucht stecke ich den grossen Zehen ins Wasser, rrrrr ist das kalt! Das Thermometer zeigt 18°C, da bleib ich lieber draußen, auch wegen der magentafarbenen Qualle, den Seeigeln und den langen Fischen, bei denen es sich wohl um Hornhechte handelt.
Beim Rückweg immer wieder der Blick auf die Hafenbucht von Megisti und die vorgelagerten Inselchen, auf einer der größeren ein Haus – dort könnte man Robinson spielen, oder Inselbesitzer, das wäre was.
Das Abendessen genießen wir im „Orea Megisti“: Rindfleisch in Zitronen- oder wahlweise Tomatensauce, sehr gut. Sonst ist auch kaum eine Taverne geöffnet Ende April (auch das „Little Paris“ sah noch zu aus), auch hier werden wir wiederkommen.
Am nächsten Tag nehmen wir den Stufenweg hinauf aufs Hochplateau unter die Füsse – schweisstreibend, aber mit herrlicher Aussicht auf den Ort und die Insel. Zwischen den Stufen blüht es in allen Farben. Das unbewohnte Kloster Agios Giorgios ist leider zu (wie alle anderen Kirchen auf Kastellorizo auch), die Mauern verfallen schon. Nicht weit entfernt eine antike Weinkelter, ein Patitiri: drei kreisrunde Vertiefungen im Felsen. Jede Menge Ziegen und Zicklein meckern rund um uns herum – zunächst neugierig, aber sofort fluchtbereit wenn man sich ihnen nähert.
Wir haben Mühe, nach dem neuen Wanderführer von Dieter Graf den Weg zu finden: alles ist sehr zugewachsen und dornig. Beinahe verknackse ich mir den Knöchel beim Springen über die Felsen. Auch
die Zyklopenmauern sind für unser Auge unsichtbar (später auf Nisyros werden wir dann tatsächlich welche sehen). Nach dem Kirchlein von Agios Ioannis (natürlich zu) führt der einzig sichtbare Weg
in die Irre, also zurück, dann quer durch die Pampa Richtung Schotterpiste. Die Soldaten auf dem Aussichtspunkt Vigla beobachten uns bestimmt schon seit langer Zeit mit den Ferngläsern, als wir
uns dem Berg nähern („No photos!“) legt einer spielerisch mit dem Gewehr auf uns an, danach salutiert er. Wahrscheinlich haben wir ihm einen abwechslungsreichen Nachmittag beschert mit unserem
Herumgestolpere in der Landschaft. Oder sie haben Wetten auf uns abgeschlossen....
Da stehen wir zum Glück drüber und wandern um den Vigla herum nach Paleokasto, einem seit Jahrtausenden besiedelten Burgberg auf dem sich jetzt nur noch einige Kapellen und Ruinen befinden. Tolle Aussicht: auf die Insel mit dem Profitis Elias, dem Flughafen, dem Vigla, Megisti, zur türkischen Küste, zum Inselchen Ro. Eine tote Ziege zwischen den Mauern nimmt uns etwas die Stimmung, das Wetter scheint auch umzuschlagen, wir machen uns lieber auf den Heimweg.
Auf einem halbverwilderten Treppenweg steigen wir hinab zunächst zur Kaserne (die erstaunlich stilecht und rücksichtsvoll auf den Sattel oberhalb von Megisti gebaut wurde), dann weiter nach Megisti.
Unsere Wanderlust hat wegen der schlecht zu findenden Wege einen leichten Dämpfer erlitten. Am nächsten Tag ist das Wetter trübe, Gelegenheit für einen Museumsbesuch im Inselmuseum. Schöne Blumen im Innenhof, gerade ergiebig gewässert. Interessante Exponate auf der Geschichte: Steinfragmente, Keramik, Trachten, eine Schwammtaucherausrüstung. Am Felsen unterhalb des Museums liegt eine weitere Sehenswürdigkeit der Insel: das lykische Grab, aus dem 5. oder 4. Jahrhundert vor Chr. Es ist erstaunlich gut erhalten und soll das einzige in Griechenland sein (Ich dachte, ich hätte auf Santorin bei Vlichada ähnliche Gräber gesehen.).
Beim weiteren Bummel werden wir in der Bucht von Mandraki von einem heftigen Gewitterguss überrascht, in Gesellschaft einiger Bauarbeiter stehen wir unter einem Balkon unter. Ziemlich feucht geht es weiter: Die malerische Bucht macht leider einen verschmutzten Eindruck, der Friedhof sieht recht trostlos aus: kaputte Steinplatten, umgestürzte Kreuze, eingestürzte Gräber. Auf dem Rückweg nach Megisti liegen auf der linken Seite jede Menge kleine, im Inselstil gebaute Häuser, die vergammeln obwohl sie nie bewohnt waren. Ein teurer Fehlschlag für die Insel, wird uns später unsere Vermieterin Monika erklären: die Häuser waren für einheimische Familien gedacht, aber um sich zu bereichern hat der Bauunternehmer am Material gespart, die Häuschen sind einsturzgefährdet und dürfen nicht bewohnt werden! Lediglich 2 oder 3 der Häuser sind stabil genug so dass sie auch ein Erdbeben überstehen könnten. Traurig.
Monika, die Frau von Damien und unsere Vermieterin, stammt aus Deutschland und betreibt neben der Vermietung einiger Zimmer und Appartements (sie zeigt uns noch ein neues, wunderschönes Appartement, auch eine weitere Ruine soll als Wohnhaus für sie selbst komplett renoviert werden – eine Höllenarbeit, Respekt!) auch einen Geschenke- und Souvenirladen in Megisti mit jeder Menge hübscher Sachen und sehr leckerer Feigenmarmelade (die leider allzu schnell leer ist). Von ihr erfahren wir auch, dass die Insel als griechischer Aussenposten gegen die Türkei sehr verwöhnt ist: uns sind schon die 2 Müllautos aufgefallen (für 200 Bewohner!), es gibt 3 Ärzte auf der Insel, und die Schüler haben die Möglichkeit, dort das Abitur zu machen! Für 45 Schüler gibt es 16 Lehrer! Man tut alles, um junge Familien auf die Insel zu bekommen und die Abwanderung zu verhindern. Allerdings: die meisten jungen Männer, die abends die Cafés und Tavernen bevölkern, sind Soldaten aus der Kaserne (alle unheimlich freundlich übrigens, wie auch die Inselbewohner), die hier ihren Wehrdienst leisten. Kurz vor 22 Uhr am Abend wird dann ganz schnell das Taxi (ja, auch das gibt es eines, steht vor dem „Orea Megisti“, der Taxifahrer ist gleichzeitig Wirt) genommen um rechtzeitig zum Zapfenstreich in der Kaserne zu sein.
Die Hauptsehenswürdigkeit der Insel, die „blaue Grotte“ entgeht uns leider: das Meer muss sehr ruhig dazu sein, denn sie ist nur per Boot zu erreichen und der Höhleneingang ist nur einen Meter
hoch.
Aber das stört uns nicht, denn wir werden sicher wiederkommen. Hier kann man die Seele baumeln lassen wie kaum woanders.
So nehmen wir nach 4 Tagen wehmütig Abschied, dieses Mal mit der Fähre „Ierapetra“, deren kaum 20 Passagiere sich auf dem Schiff verlieren. 4 Stunden dauert die Fahrt entlang der türkischen Küste
nach Rhodos, wo uns Lärm, Hektik und aufdringliche Menschen empfangen.
Mai 2004
Ergänzung:
Ivonne und Horst Imhof haben im April 2008 einen kleinen, feinen Bildband über Kastellorizo herausgegeben: "Moments on Kastellorizo. Fotobildband 72 Seiten Vorwort GR/DE/EN/FR. Mai 2008., ISBN 978-3-9810001-3-9.
Man möchte sofort Segel setzen und hinfahren!
2. Ergänzung:
Thomas Junker vom mdr berichtet im Februar 2010 über Kastellorizo im Rahmen seiner Doku "Vergessene Inseln": http://www.mdr-junkers-tagebuch.de/junker/kastellorizo