Zu Fuß nach Molos, und mit dem Auto über die Insel

Das mit dem Wetter hat schon mal geklappt: der Wind hat auf Süd gedreht, schon am Morgen hat es 13°C, und der Himmel ist fast blau. Zwar bläst der Wind recht stark, aber in den Gassen der Altstadt können wir ihm entgehen. Diese ist ziemlich ausgestorben, manche ziehen mit Gepäck vorbei – Abreisetag. Entweder schon früh um sieben Uhr mit der Fähre ab Linaria nach Kymi/Evia, oder um kurz vor zwei am Mittag mit dem Flugzeug nach Athen. Schön, dass wir noch bleiben können!

 

Unser erstes Ziel ist das Kloster Agios Giorgios mit dem Kastro. Auch wenn man nicht hinein bzw. ganz hinauf kann – die Aussicht von dort soll toll sein. Heute präsentiert sich die Chora wirklich im Kykladenstil (wobei ich den Sporadenstil noch nicht kenne). Weiße Kubenhäuser, gepflasterte Wege, Blumenstöcke, Katzen. Unscheinbare Kapellen, die sich erst auf den zweiten Blick als Gotteshäuser entpuppen. Im Ort sind alle abgeschlossen.

Wir gehen einfach aufwärts und erreichen einen wunderschönen und gepflegten Platz. Mit Aussichtsbänken, einer kleinen Kapelle, einem wunderhübschen Wohnhäuschen, das ich sofort nehmen würde, und dem Steilfelsen der Burg dahinter. Und rechts der Weg zur Klostertüre in der unverputzten Mauer. Nur Tauben wohnen dort. Die Türe ist abgeschlossen, von rechts kommt ein Lastaufzug für Baumaterial herauf. Aber gearbeitet wird nicht. Sieht von außen schon renoviert aus, und das unvermeidliche Schild mit den Renovierungsleistungen datiert das Ende der Arbeiten auf 2013. Aber das stand schon vor der Krise dort, fürchte ich. 3,3 Millionen Euro sind für die Klosterrenovierung veranschlagt, das Kastro kostet extra. Schade, ich wäre wirklich gerne hinein. Ein Grund wiederzukommen.

So genießen wir eben den Blick nach Westen auf das rote-grau-weiße Dächermosaik von Chora (Fotos ohne Leitungen unmöglich) mit dem Gipfel und den grünen Hängen des Olympos dahinter. Nach Norden geht die Sicht auf die Strandorte Magaziá und Molos bis zur Windmühle am Kap Pouriá, unserem Tagesziel. Sattes Grün überall dazwischen erfrischt unsere vom Winter farbentwöhnten Augen, das Meer leuchtet in türkis mit Schaumspitzen. Kein anderes Land in Sicht. Kein Schiff.

Wir bleiben auf der Bank sitzen für eine Pause. Dann geht es auf einem breiteren Pflasterweg nach Norden abwärts, vorbei an zahlreichen Kapellen, einer wunderschönen Kirche (Archontopanagia?) mit einem herrlichen Tor und weiteren Kapellen um sich versammelt. Alles zu.

Auf einem langen geraden Weg gelangen wir dann zu dem Platz mit dem Brooke-Denkmal. Der englische Dichter, der mit der Insel eigentlich nichts zu tun hat außer dass er auf einem Schiff südlich von Skyros gestorben ist und im Süden der Insel bestattet wurde. Man hat ihn posthum zum Philhellenen und Ehren-Skyrioten erklärt und hier das Denkmal errichte (Michalis Tómbras ist der Schöpfer). Die Nacktheit der Statue soll gelegentlich Anstoß erregen auch wenn das Gemächt überschaubar ist. Ob es bei religiösen Festen wirklich noch verhüllt wird?

In unmittelbarer Umgebung des Platia Brooke gibt es zwei Museen: das archäologische Museum und das Faltaits-Museum. Beide heben wir uns für Regentage auf (falls die den kommen), registrieren aber noch schnell die Öffnungszeiten: vormittags bis 15 bzw. 14 Uhr.

 

Ein gepflegter Treppenweg führt von der Platia in einigen Kurven hinunter nach Magazia. Es blüht an allen Ecken und Enden, wir sind begeistert! Nun wollen wir den Strand entlang bis Mólos gehen, biegen also von der Straße nach rechts ab. Zahlreiche Pensionen, Studios und auch ein paar Tavernen sehen wir, aber alle sind geschlossen, Magazia (früher Skala) macht einen unbelebten Eindruck. Laut Census 2011 hat Molos 618 Einwohner, Magazia ist nicht extra aufgelistet, zählt also wohl dazu. Die verstecken sich jetzt alle. Die ineinander gewachsenen Siedlungen sind aber auch weit verstreut.

So haben wir den Strand für uns, schade, dass kein Badewetter ist. Von hinten schiebt uns ein heftiger Wind, wirbelt den Sand auf. Wir kommen aber nicht weit weil ein Flusslauf uns den Weg versperrt. Nasse Füße wollen wir nicht, also zurück und auf der Straße weiter nach Molos. An der Bushaltestelle in Molos hat immerhin ein Periptero geöffnet, der kleine Hafen sieht trostlos aus, es stinkt. Ein Mann arbeitet an seine Kaiki.

Weiter nach Vína und zum Kap Pouria. Wir verlaufen uns etwas, müssen an einer malerischen Schrottsammlung umkehren. Ein alter Mann führt seine Katze aus. Lämmer liegen in den grünen Wiesen. Noch sieben Wochen bis Ostern….

 

Knorrige Weinstöcke schwenken die schwarzen Arme im saftigen Grün. Zu Blumentöpfen umfunktionierte Kloschüsseln. Violette Blütenmeere. Ein angebundenes Skyros-Pferdchen. Eine vom Wind umgewehte Baracke liegt schwankend am Wegrand. Die Besiedlung wird dünner, nur noch rechts hat es Pensionen, an der Küste, aber das Meer sieht man nicht mehr.

Dann vor uns die Windmühle am Kap, und da muss auch die Höhlenkapelle Agios Nikolaos sein, in einen nicht natur-eckigen Felsenblock getrieben – das ganze Gelände diente früher als Steinbruch.

 

Da ist sie, in einem violetten Teppich, und sie ist viel kleiner als ich sie mir anhand von Fotos vorgestellt hatte. Man muss sich bücken um durch die niedrige Türe einzutreten, es geht eine Stufe hinab. Aber sie ist geöffnet (endlich mal) und hat Ausstrahlung. Ich glaube, man kann es riskieren hier eine Kerze brennen zu lassen.

An der Windmühle wird gearbeitet, aber jetzt ist das Café natürlich nicht geöffnet. Schade.

 

Neben Agios Nikolaos liegt eine zweite, und, nur einen Steinwurf entfernt, eine dritte Kapelle. Wobei man den Stein übers Meer werfen müsste – die Kapelle befindet sich auf einem Inselchen (Agios Ermolaos, wie die Kapelle), durch einen schmalen Kanal von Skyros getrennt. Mal eben rüberschwimmen ist auch im Sommer schlecht – die Küste ist felsig, man kommt nicht raus. Jetzt ist die Strömung sowieso zu stark.

 

Entlang des Ufers sind die Felsen ausgeschachtet wie eine Art Pool – alles Überbleibsel des Steinbruches. Kalksandstein wurde hier abgebaut. Gefüllt mit weichem Seegras und Tang – bodenlos. Am sandigen Oststrand hat es bizarre Felsen, von Mensch und Natur geformt. Der Nordstrand ist nicht sehr sauber und weniger einladend. Aber wir sind ja eh nicht zum Baden da.

Inzwischen haben wir Hunger, aber es gibt weit und breit keine Taverne, kein Café. Im Reiseführer entdecken wir den Hinweis auf eine Bäckerei Richtung Jyrísmata, nur eine Kreuzung entfernt, und wir haben Glück: sie ist geöffnet, und sie hat ein paar Tische und Stühle draußen stehen. Nach einer Bougatza, einem Brioche und einem Kaffee geht es uns wieder besser, und wir wandern auf der Straße gen Süden, zurück nach Chora.

 

Unterwegs gibt es immer noch viel zu gucken: die blökenden Lämmer, die blühenden Natur, der alte Inselbus, das neue Georgskloster, das üppige Tal, das die Chora umgibt, die überall grasenden Skyros-Pferdchen. So sind wir erst nach vier Uhr wieder in unserem Quartier. Gerade zum richtigen Zeitpunkt um sich auf der Terrasse zu sonnen und ein Schwätzchen mit unserer Vermieterin zu halten. Morgen werden wir bei ihr ein Auto mieten, das Wetter soll erst mal gut bleiben.

Zum Sonnenuntergang gehen wir auf den nahen Hügel hinter dem Friedhof. Dort soll in der Antike ein Apollo-Tempel gestanden sein. Man muss aber sehr viel Phantasie haben um auf dem abgesperrten Gelände etwas erkennen zu können – alles ist total überwachsen. Aber der Blick auf den Kastrofelsen, die Chora und Mazagia/Molos ist schön. Natürlich sehen wir uns auch noch den Friedhof an. Der ist ganz schön groß und auch gepflegt. Perplex sind wir aber über die im Freien gestapelten (und noch gefüllten) Knochenkisten. Kein Platz mehr im Beinhaus? Finden wir ganz schön trostlos.

Für das Abendessen wählen wir heute die Taverne Mariettis aus, in der es uns gestern Nachmittag gut geschmeckt hat. Wir sind die einzigen Gäste, und der Raum ist nicht beheizt, so dass wir die Jacken erst mal anlassen. Außer den diversen Vorspeisen und Salaten gibt es nur Essen vom Grill, was uns nicht überrascht, denn warum sollte man tagsüber Schmorgerichte kochen wenn man nicht weiß ob abends überhaupt jemand kommt?

Der Ort ist wieder im Alltag angekommen, und der sieht Mitte März keine Gäste vor. Das Wirtsehepaar scheint sich durch uns in seinem Fernsehkonsum (die Zypernkrise auf sechs Fernsehfenstern) gestört zu fühlen – eher unwillig werden wir bedient. Vielleicht waren die letzten Tage zu anstrengend. Zucchiniküchlein und Biftekia sind aber einwandfrei und reichlich. Als wir fast fertig sind kommen nochmals Gäste, ein deutsches Paar. Wir fliehen aber vor der nicht nur temperaturmäßig unterkühlten Atmosphäre dieses Orts.

*

 

Für 29 Euro mieten wir bei Martina einen Kia Picanto. Leider hat sie ihn von den Vormietern nicht – wie vereinbart – vollgetankt zurückbekommen, sondern fast leer. Kein Problem - so können wir ihn dann auch zurückgeben. Benzin für zehn Euro soll für die geplante Tour rund um die Insel und in den Süden reichen, sagt sie. Abgelegene Strände, die nur auf Holperstraßen zu erreichen sind, wollen wir sowieso nicht ansteuern.

 

Nach dem quittungslosen Tanken in Magazia fahren wir nach Nordwesten. Eigentlich zu Kirche Agia Paraskevi, von der aus man laut MM „Nördliche Sporaden“ von Dirk Schönrock einen schönen Blick auf die Chora hat. Aber die Kirche ist nirgends zu sehen und liegt laut der Terrain-Karte auch näher bei Girismata. Dass man von dort aus die Chora sieht wage ich zu bezweifeln. Vielleicht war die von Timios Stavros gemeint? Immerhin sehen wir uns die beiden Kapellen Panagia Mesochorio (neu) und Genisi Theotokou (alt) an, die direkt an der Straße liegen. Das Schönste sind aber die blühenden Bäume und Wiesen.

 

Durch ein grünes Tal mit versprengten Bauernhöfen dann weiter bis Katounes, einem verlassenen Dorf, von dem nur noch verstreute Mauerreste stehen. Hier muss der Weg zur Panagia Lymbiani abzweigen, die wir uns erwandern wollen: ja, da links bei den Satellitenschüsseln geht es hinauf. Ab hier ist Fotografieren der Landschaft verboten: der Flughafen von Skyros wird überwiegend militärisch genutzt. Immer wieder hören und sehen wir Düsenjäger über uns fliegen.

Rechts weist ein Schild auf die Ausgrabungen in Palamari hin. Die Straße sei zwar nicht asphaltiert, aber gut befahrbar, meinte Martina, und die Ausgrabungen wären interessant weil dort noch gearbeitet würde. Also abgebogen. Es sind etwas drei Kilometer bis zu der an der Küste gelegenen Ausgrabungsstätte. Vorbei an Bauernhöfen, in denen Honig von Skyros angeboten wird. Und da stehen doch glatt zwei Dreiräder! Die werden auf dem Rückweg fotografiert.

 

Auf einem flachen Felsenkap liegt Palamári, eine Siedlung aus der frühen und mittleren Bronzezeit (2500 bis 1700 vor Christus). Ein Bus steht dort – hat er die Arbeiter gebracht? Wir sehen aber niemand außer eine jungen Frau, die kurz in dem kleinen Museum nach uns guckt, das sich am Anfang des Ausgrabungsbereiches befindet. Viel Text (griechisch und englisch), viele Skizzen – so genau wollen wir es gar nicht wissen und gehen hinaus auf das Gelände (geöffnet Montag bis Freitag bis 13 Uhr oder so…). Das ist durchaus interessant, es gibt dicke Mauern und mehrere Bastionen, gut beschriftet. Alle hübsch grün überwachsen. Und als dann tatsächlich die Arbeiter von ihrer Besprechung oder Kaffeepause zurückkommen, kümmern sie sich überwiegend um das frische Grün: es wird gerupft und gejätet. Vielleicht wird da noch Chorta draus… Ein Mann arbeitet an einer zementierten Mauer, puzzelt Steinchen für Steinchen heraus. Das kann noch eine Weile dauern, und ich bin dann doch irgendwie froh, dass ich meinen früheren Berufswunsch Archäologe nicht nachgegeben hab.

Auf der Rückfahrt ein Fotostopp an den Dreirädern. Der Wachhund bellt und es sind mehrere Männer dort, also frag ich ob ich fotografieren darf. Natürlich, stolz werden die beiden Mazda-Dreiräder präsentiert – sind auch top in Schuss.

 

Südlich entlang des Flughafens ist die Landschaft wunderschön – heideähnlich, überall Schafe und Ziegen samt Hirten, ab und zu steht ein angebundenes Skyros-Pferdchen in der Landschaft.

Dieses Kleinpferd oder Pony, je nach Lesart (Stockmaß maximal 1,10 Meter), das es nur auf der Insel Skyros gibt, soll schon Vorbild für die Pferde auf dem Parthenon-Fries gewesen sein. Die Tiere leben halbwild im wilden Süden der Insel, werden gelegentlich für die landwirtschaftliche Arbeit benutzt, danach wieder freigelassen, und im Winter auch gefüttert. Heute sollen es etwa 140 Tiere auf der Insel sein. Ein Problem ist es, den Bestand rein zu halten – vor allem Esel wollen immer wieder Skyros-Mulis oder Skyros-Maulesel produzieren. Es gibt ein Projekt zur Unterstützung des Erhalts des Skyros-Pferdchens, und man hat inzwischen Zuchtgruppen außerhalb von Skyros in Thessaloniki und auf Korfu.

Die Tiere sind wirklich hübsch, sie haben einen edlen Kopf und einen zierlichen Körperbau. Hier im Inselnorden leben sie nicht wild, aber im Süden hoffen wir später welche zu sehen.

Je weiter wir nach Westen kommen, umso waldiger wird es. Die meisten Reiseführer schreiben dann von Pinienwäldern, aber tatsächlich handelt es sich um Aleppo-Kiefern (beides im Griechischen το πεύκο, die englische „pine“ heißt auch nichts anderes als „Kiefer“), deren Form weniger schirmartig ist.

 

Nächstes Etappenziel ist das Örtchen Atsitsa, früher eine Verladestation von Erz, heute im Sommer Tummelplatz wohlhabender britischer Alternativtouristen. Das heißt: heute im März ist es einfach nur ein fast verlassener Ort, den man in wenigen Minuten gesehen hat. Immerhin gibt es Einwohner: eine Frau heizt ein Backhaus an, ein kommunaler Pick-Up bringt ein Pferdchen auf der Ladefläche. Das ehemalige Schulhaus, heute Zentrum für sommerliches Yoga, Tai-Chi oder (vermutlich sündteuer) Stressabbauseminare ist noch im Dornröschenschlaf. Der Strand ist kiesig und überschaubar, am interessantesten sind die Pfeiler der ehemaligen Verladerampe, die bis ins Meer reichen. Weshalb man sie wohl nicht verfallen lässt… Unsere - zugegeben nur schwache - Hoffnung auf eine geöffnete Taverne wird natürlich nicht erfüllt.

Und so fahren wir weiter nach Süden, durchqueren das Waldbrandgebiet von 2007 (oder 2008 – Karte und Reiseführer widersprechen sich da. Oder brannte es in beiden Jahren?), in dem auch der Weiler Agios Fokas liegt. Hübsch hier, und das Kahle ist sowieso mehr mein Ding als das Waldige.

 

Bei der Kapelle Agios Panteleimonas gibt es einen Aussichtspunkt mit Bänkchen für Langbeinige und einen überdimensionierten Picknickplatz mit Tischen und Bänken aus Beton. Das alte Gestühl hat man nebendran entsorgt. Es ist bewölkt und etwas diesig geworden, aber die vorgelagerte Insel Walaxa, der Badeplatz Ormos Pefkos und der Hafenort Linariá sind gut zu sehen. Und der Inselsüden, zu dem wir später noch wollen.

 

Bis Linaria ist es jetzt nicht mehr weit, und im Vorbeifahren verpassen wir die Marmorbrüche, die hier irgendwo sein sollen. Aus dem Flugzeug werde ich sie beim Heimflug sehen.

Linaria fällt auf durch seine Aufgeräumtheit und die zahlreichen Hinweis- und Verbotsschilder. Dann hat es noch so überdimensionierte Einkaufswägen für Müll (von den Segelbooten vermutlich). Hunde dürfen auch nirgends hinmachen – ob sie die Schilder lesen können? Nach einem kurzen Bummel entlang der Uferpromenade (wir suchen – vergeblich - die Taverne Almira) kehren wir in der einzigen Taverne ein, in der Leute sitzen: ein Polizist, Männer von einem Schiff der Coast Guard, ein paar Fischer, zwei ältere griechische Paare an einem anderen Tisch. Sie bestellen Unmengen an Essen, vor allem Fisch. Wir essen Taramosalata und Kalamaria, letztere verlangen eigentlich nach einem Tsipurro danach, aber den muss ich mir verkneifen, ich muss ja noch fahren.

Der Himmel ist richtig grau geworden, es hat auch etwas abgekühlt. Noch ein Runde rauf zur Kirche: nein, in der Vor-Vorsaison wohnt man in Chora sicher besser. Auch wenn wir aus einer halbfertigen Taverne zum Kaffee eingeladen werden, was wir ablehnen - uns liegt das Essen noch im Magen.

Weiter nach Süden entlang des Sumpfgebietes bei Kalikri und Loutro mit üppigem Grün nach Kalamitsa. Der Kiesstrand hat wundervolle Kiesel, und ich messe die Wassertemperatur - 17°C im Uferbereich – nicht so kalt wie ich dachte. Aber es sieht kalt aus – eisgrau.

Bei Nifi gibt es eine Quelle, die in ein großes Becken fließt, ein Pickup parkt davor. Die Leute kommen um sich das gute Wasser zu holen. Klar füllen auch wir unsere Flasche. Denn jetzt geht es in die trockene Einöde des Südens.

Dort gibt es keine Orte mehr, kein Felder, nur Steine, windzerzauste Büsche, dornige Macchia, Schafe und Skyros-Pferdchen.

Das Grab von Rupert Brooke schenken wir uns – ich hab Bedenken, dass uns der Sprit ausgeht wenn wir den Abstecher machen. Wäre so ziemlich der blödeste Ort dafür, denn wir sind weit und breit alleine hier. Und so spannend finde ich das Grab jetzt auch nicht. Habe, ehrlich gesagt, nie vor Skyros was von dem Dichter gelesen oder gehört.

 

Zwei Pferdchen stehen nahe der Straße und schubbern sich an den Resten von Wacholderbüschen. Die sind jetzt nicht angebunden oder eingezäunt. Ich würde gerne ein Fohlen sehen, wäre ja jetzt schon die richtige Zeit. Bisher nur Lämmer.

 

Wir fahren weiter, die Straße biegt nach Osten ab. Plötzlich zieht dichter Nebel herein, verdüstert die Kulisse. Große Steinbrocken wurden am Straßenrand zu bizarren Gestalten arrangiert – ein Felsen sieht aus wie ein Pferdchen, andere wie winkende Menschen oder Wegelagerer. Dazu die zerzausten Büsche. Irgendwie gruselig, das Ganze.

Überraschend auf der linken Seite eine saftig-grüne Hochebene (Ari-Hochebene) mit ein paar Caspar-David-Friedrich-Bäumen darin. Einige flache Seen mit Regenwasser. Und zahlreiche Pferdchen darum verteilt, Braune und Falben. Sieht kein bißchen wie Griechenland aus. Eher nach den schottischen Highlands wie ich sie mir vorstelle (ich war da noch nie). Ich steige aus, es ist eigentlich nicht kalt. Das kurzgeknabberte Gras ist moosähnlich weich. Die neblige Stille ist unwirklich. Ich gehe auf die vordere Pferdeherde zu, locke die Tiere. Ein hübscher Brauner kommt neugierig näher, bleibt dann mit Sicherheitsabstand stehen. Wendet sich wieder ab als ich nichts für ihn habe.

Gut hundert Meter entfernt steht eine weitere Herde, und dort sehe ich ein Fohlen. Als ich näher komme, türmen sie. Wie schade!

 

Weiter geht die Fahrt, aber dann verkürzt sich die Sicht auf wenige Meter. Die erhoffte Aussicht im Inselosten werden wir nicht haben. Und so fahren wir nicht weiter, sondern kehren um.

 

Skyros‘ Süden – ganz anders als erwartet.

Entlang der flachen Ebene, die vermutlich in Vorzeiten noch überschwemmt war vom Meer, geht es über Loutro und Flea nach Achili, wo über den viel zu großen neuen Hafen der Wind und die Trostlosigkeit der Fehlplanungen wehen. Viele EU-Euros wurden hier versenkt, nur ein paar Kaikia verlieren sich zwischen den Kaimauern.

 

Wir tanken in Aspous für fünf Euro und fahren nochmals nach Linaria, wo wenig später die inseleigene Fähre „Achilleas“ von Kymi/Evia kommend anlegt. Außerhalb der Saison gibt es keine anderen Fährverbindungen nach Skyros. Unter openseas wird die Fähre merkwürdigerweise nicht geführt, als gäbe es keine Verbindung nach Skyros…. Im Sommer fährt das Schiff auch mehrmals pro Woche nach Alonissos und Skopelos (aber via Kymi, also mit Umweg), aber jetzt in der Vorsaison nicht. Skyros gehört auch nur nominell zu den Sporaden, verwaltungstechnisch ist es Evia zugeordnet. Und im Grunde ist man überhaupt ganz eigen.

Es ist schon dunkel als in Chora zurück sind. 107 Kilometer sind wir doch gefahren, das hätte ich vorher nicht gedacht. Weil der Mutter immer noch die mittäglichen Kalamaria zu schaffen machen und sie keine Lust hat auszugehen, hole ich mir eine Jiropitta bei Mantzourana.

Autofahren macht auch müde. Wir schlafen früh.

Und morgen?