Die einstündige Überfahrt mit dem "Speedrunner 3" verläuft wie auf Schienen. Kein Schaukeln, kein Schwanken.
Bei der Einfahrt in die von den kahlen Bergen eingerahmte Hafenbucht von Kamares klopft mein Herz voller Vorfreude. Endlich öffnet sich die Ladeklappe, gibt den Blick auf den Strand und den am Fuße des Profitis Ilias gelegenen Ort frei. Schnell runter.
Sifnos, da bin ich wieder!
Hat viel zu lange gedauert seit dem letzten Besuch...
Neugierige Blicke während ich auf der Straße durch den Ort gehe - was hat sich verändert, was ist noch da? Das Mezedopolio von Sofia, das "Poseidonas", scheint es nicht mehr zu geben. Oder habe ich es übersehen? Kaum möglich. Aber "Meropi", "Simos", die Cafés, der Keramikladen von Antonis, die gibt es noch. Wie schön. Mir kommen fast die Tränen während ich meinen Trolley bergwärts ziehe.
Beim Parkplatz am Ortende erwartet mich mein Vermieter Stathis.
Nein, ich bin dieses Mal nicht im "Morfeas" abgestiegen, sondern habe mich für oben, für Ano Petali entschieden. Wegen der besseren Bus- und Wegverbindungen. Aber eigentlich wollte ich erst am Montag auf Sifnos eintreffen, von Serifos kommend. Der Fährstreik hat diese Pläne durchkreuzt: Serifos habe ich gestrichen (als hätte ich es geahnt, hatte ich dort nichts gebucht) und mir zwei zusätzliche Sifnos-Tage gegönnt. Diese werde ich nun in Kamares verbringen. Aber unbedingt mit Aussicht - die hat mir bei "Eleni" auf Milos schon gefehlt. Und da ist das "Morfeas" nicht erste Wahl. Aber "Froudi Rooms", am oberen Ortsrand von Kamares gelegen. Gestern gebucht, die Nacht für krumme 34 Euro 47.
Weit ist es nicht mehr von der Stelle, wo der nette Stathis, Besitzer des Schmuckladens "Opalio" in Apollonia, mich einlädt. Aber die Straße ist steil, und mein Gepäck war auch schon leichter.
Das geräumige Zimmer ersteckt sich über zwei Halbetagen. Im der oberen das Bett und Bad, unten ein Wohnbereich. Eine Küche gibt es nicht, aber einen Kühlschrank, einen Heißwasserkocher und eine Miniausstattung an Bechern und Löffel (Teller wären noch nicht schlecht).
Das Beste ist aber der Blick über die ganze Bucht, den man sogar vom Bett aus genießen kann: Der "Speedrunner 3" legt gerade ab, und da ist auch ein Dreimaster, die "Galileo".
Ich bin sehr zufrieden mit meiner Zimmerwahl. Da wird es mir übermorgen schwerfallen, nach oben zu ziehen, denke ich.
Dann hinab nach Kamares zum Lagecheck. Ich frage in der Taverne "Araxovoli", die sich vorne am Hafen dort befindet, wo früher das "Poseidonas" war, nach Sofia. Der junge Kellner hat keine Ahnung, aber die Wirtin schon: Sofia habe sich zur Ruhe gesetzt und kümmere sich in Artemonas um ihre Enkel. Es sei ihr ganz herzlich gegönnt. Trotzdem fehlt mir mit ihr und ihrem Lokal ein Stück Sifnos.
Eine Jiropitta aus dem Psitopolio "Ablemonas" am Beginn des Strandes stillt meinen Mittagshunger in Gesellschaft einer Horde Kinder, die am Nachbartisch lautstark auf ihr Gegrilltes wartet. Auf Sifnos ist gut Kind sein.
Am Strand sind zwei Männer dabei, Sonnenschirme aufzustellen. Massive Teile, die der Wind nicht gleich wegweht. Die Saison hat auf Sifnos am 20. Mai noch nicht begonnen. Abschließende Selfies dokumentieren die getane Arbeit.
Ich gehe Baden, was in der sehr flachen Bucht gar nicht so einfach ist. Das Meer hat angenehme 21 Grad.
Beim anschließenden Trocknen in der Sonne nähert sich ein Strandspaziergänger, den ich kenne: es ist Dimitrios Mastoras aus Kiel. Wie jedes Frühjahr unterrichtet er auch aktuell wieder einen Griechischkurs auf Sifnos. 2005 habe ich bei ihm einen Kurs belegt und zwei schöne Wochen auf Sifnos verbracht. Zwölf Jahre ist das schon her, wie die Zeit vergeht! 2009 habe ich ihn in Kiel besucht als dort die Mitgliederversammlung der VDGG stattfand. Auch schon wieder ewig her, aber trotzdem gleich wiedererkannt. :-)
Dass wir uns über kurz oder lang über den Weg laufen würden, war mir klar (zumal er mit seinem Kurs immer noch in der gleichen Pension wohnt wie damals, die im gleichen Viertel liegt wie meine). Aber nicht so schnell. Und Dimitrios versichert, es wäre sein erster Strandbesuch seit er auf Sifnos sei, und das sind schon ein paar Tage.
Ich freue mich, ihn zu treffen.
Wie immer ist Dimitrios bestens über aktuelle Heiligenfeste informiert: morgen ist Konstantin und Eleni, aber gefeiert wird heute schon. Und zwar gleich zweimal doppelt: in der Kirche in Artemonas, und im Kloster Panagia sto Vouno oberhalb von Platys Gialos. Ratzfatz bin ich eingeladen, um 19 Uhr mitzufahren. Dimitrios würde mich sogar auf seinem Motorroller mitnehmen. Mhh, da würde ich vier Räder doch vorziehen, auch wenn ich ihm glaube, dass er ein gute Fahrer ist.
Ich zögere, aus zwei weiteren Gründen: einmal wegen der Gruppendynamik - die Sprachschüler kennen mich ja nicht und fühlen sich womöglich überrumpelt. Und dann kommt Theo heute Abend hier an. Allerdings nicht vor 21 Uhr, vermutlich eher später - im Nachstreikverkehr sammeln sich Verspätungen an.
Ich entscheide mich später und recht kurzfristig und fahre um 19 Uhr mit der Gruppe mit. Theo kriegt eine SMS, er wird es schon noch etwas ohne mich aushalten. Dass Dimitrios und ich mit dem Motorroller fahren, lassen drei Sprachschülerinnen nicht zu, und so quetschen uns zu fünft in einen kleinen Miet-Chevrolet und fahren zunächst nach Artemonas hinauf.
Vor der Kirche Konstantin und Eleni sind schon einige Leute versammelt, man übt sich in Glockenläuten, und wir bekommen sofort Ouzo und Süßigkeiten angeboten. In der Kirche ist ein Turm geweihtes Brot aufgebaut, aber der Gottesdienst hat noch nicht begonnen.
Das kann hier noch dauern, und Live-Musik ist auch nicht vorgesehen, und so fahren wir Richtung Süden, zum Kloster Panagia sto Vouno.
Die Zufahrtsstraße ist schon ganz gut zugeparkt. Es ist wie so oft beim einem griechischen Panigiri: der Gottesdienst steht eher im Hintergrund, wichtig ist das Treffen und Schwätzen.
Der Pangiras, dessen Familie das Fest ausrichtet und für ein Jahr die Zuständigkeit für Kirche und Ikone hat (das kann schnell in die mehreren Tausende gehen), nimmt von überall Glückwünsche entgegen. Erstaunlich, dass sich für die vielen Kapellen auf Sifnos immer noch ausreichend Menschen finden, aber natürlich ist das Ganze eine Frage der Ehre und hat mit einem Imagegewinn auf der Insel zu tun. Es wird aber auch nicht jedes Namensfest an jeder Kapelle so groß gefeiert.
Von der Plattform vor der Kirche sieht man auf Platys Gialos hinab. Die Sonne ist schon weg, im letzten Dämmerlicht liegt die Strandbucht ruhig da. Dahinter, das muss Folegandros sein. Schöne Stimmung!
Der Gottesdienst ist vorbei, es herrscht ein Kommen und Gehen zur Kirche, zum Platz.
Plötzlich werde ich angesprochen: ob ich die Katharina von Nissomanie sei?
Nein, mein Ruf ist nicht bis zu den Sifnioten (oder Sifniern?) vorgedrungen - es sind Dimitrios' SprachschülerInnen, die meine Website lesen und mich erkennen. Ich finde es total witzig und nett, meine Leser (neudeutsch oder auf Gesichtsbuch wohl "Follower"?) zu treffen. Und auch motivierend. Der Austausch ist ja normalerweise ein einseitiger - ich schreibe, andere lesen, und weil das Schreiben ziemlich zeitaufwendig ist, kann man da schon mal eine Sinnkrise bekomme. Die ist vorerst überwunden - vielen Dank! :-)
Benno kenne ich außerdem von seinen schönen Fotos, und er war auch mal in Böblingen bei einem DGG-Vortrag. Die Welt ist klein.
Zurück zum Panigiri. Dimitrios hat inzwischen dafür gesorgt, dass wir an der nächsten Essensrunde teilnehmen dürfen. Immer etwa zwanzig Leute werden an den Tisch im Speiseraum gebeten und "abgespeist". Ich kenne das schon von Agios Georgios. Wir setzen uns an die lange Tafel, und schon steht ein Teller mit Kichererbsensuppe vor jedem. Brot und Zitrone dazu, und natürlich Weißwein. Schnell essen und trinken, und dabei den Spender nicht vergessen: ein Hoch auf den Pangiras und mit dem Besteck an den Teller klopfen! Diese Zeremonie wiederholt sich mehrmals, auch als wir zu meiner Überraschung nach der Suppe schon wieder hinauskomplimentiert werden - normalerweise gibt es einen zweiten Gang mit Fleisch. Tja, die Krise, oder es ist eben nur ein kleines Panigiri. Wegen des Essens sind wir ja auch nicht gekommen.
Draußen hat inzwischen die Musik begonnen, Violi und Laouto. Es wird Wein ausgeschenkt (Becher behalten und immer parat haben), Canapés werden angeboten, und auch mal ein Runde getanzt. Bei einem Sirtos schließe ich mich an und stelle fest, dass der zementierte und weißgestrichene Untergrund ziemlich uneben ist - Geländehindernis beim Tanzen inklusive.
Gegen halb elf haben wir genug gesehen, gegessen und getrunken und rücken wieder ab.
Ich fahre mit einem anderen Auto und Leuten zurück nach Kamares (signomi, ich hab so ein schlechtes Namensgedächtnis), wo wir bei "Stavros" noch einen Absacker trinken.
Um elf Uhr am Samstagabend ist in Kamares überraschend wenig los, weswegen Theo auch im "Stavros" sitzt. Er ist mit einstündiger Verspätung endlich auch in Kamares eingetroffen ist und wohnt im "Meltemi".
Ich freue mich, ihn wiederzusehen.
Morgen werden wir einen ruhigen Tag einlegen.
*
Erst um halb zehn treffen Theo und ich uns fürs Frühstück. Mit seinem Quartier ist er wenig zufrieden - es ist eng, und die ganze Nacht gab es Geräusche von Nachbarn und Lüftung. Ich hab dagegen gut geschlafen, bei "Froudi" bin ich momentan der einzige Gast und es ist entsprechend ruhig. Aber klar, dafür etwas weiter zu Fuß. Und mit drei Stufen.
Wir landen bei "Pipis Café" weil man dort so schön am Ufer sitzt und sonst noch wenig geöffnet ist. Die Kaffee-Preise sind allerdings stolz (ich erinnere mich, dass das schon vor Jahren so war): 3,50 für einen gewöhnlichen Nescafé ist schon fast Wucher. Mit einem kompletten Frühstück für neun Euro, bestehend aus Spiegeleiern, Speck, frischgepresstem Orangensaft, Brot, Butter, Marmelade und natürlich Kaffee fährt man da deutlich besser.
Am Nachbartisch scheint eine füllige Frau lautstarke Frauen-Parea einzuladen. Vermutlich eine Eleni oder Konstantina, die heute Namenstag hat.
Auf Sifnos ist von der nun auch schon sechs Jahren andauernden Krise wenig zu merken.
Es ist dann auch schon Mittag, als wir uns zu einem Bummel zur Kapelle der Agia Ekaterini auf der anderen Buchtseite begeben. Wanderungen in unwegsamen Gelände machen Theos Knie nicht mehr (oder noch nicht wieder) mit.
Die Sonne sticht.
Der Ortsteil Agia Marina an der Nordseite der Bucht ist auch gewachsen, und es gibt einige Pensionen, die sich im Hinterland des Strandes befinden. Sicher ruhig, aber weniger schön gelegen.
Die Kapelle der heiligen Ekaterini ist offen. Die Anlage mit ihren Nebengebäuden ist immer noch so ein angenehmer und blitzsauberer Ort wie früher. Sogar die Papierkörbe sind auf Sifnos aus Keramik.
Der Blick über die Bucht nach Kamares ist herrlich, und direkt über uns blinkt als weißer Strich die Kapelle des Profitis Ilias Troulakiou auf dem entsprechenden Gipfel. Da will ich dieses Jahr unbedingt hin.
Auf der Rückseite der Kapellenummauerung gibt es ein Tor, von dem Stufen in einen Felsenscharte hinabführen. Laut meiner inzwischen schon rechts betagten Anavasi-Landkarte (von 2003) führt hier ein Weg entlang der Küste zum Kap Kokalas. Aber wohl nur für Bergziegen.
Die Fähre "Artemis" nähert sich in einem weiten Bogen vor uns dem Anleger in Kamares. Günter wird mit ihr heute nach Syros weiterfahren. Eigentlich wollten wir uns treffen, aber gestern war ich mit der Koordination der verschiedenen Termine überfordert, und konnte mich auch für heute nicht festlegen weil Günter oben in Apollonia gewohnt hat und für die Fahrt nach Kamares auf den Bus angewiesen war. Schade, wenn ich früher dran gedacht hätte, hätte er mit uns frühstücken können.
So schicke ich wenigstens eine SMS hinüber, und winke ihm nach.
Wird es uns an der Nordseite der Bucht bald zu sonnig und heiß, so wechselt das Wetter als wir später wieder zur Tavernenmeile der Südseite zurückwechseln - es bewölkt sich und kühlt ab. Dieses wechselhafte Wetter wird mir die nächsten Tage treu bleiben. Aber zum Wandern wird es gut sein: noch nicht zu heiß, und etwas Wind.
Nach einem Bier und einem Eis ist dann eine Siesta fällig. Heute ist der letzte Spieltag der zweiten Bundesliga, und ich muss verfolgen, ob der VfB Stuttgart den Wiederaufstieg mit oder ohne Relegation schafft. Leider ist auf der Aussichtsterrasse meines Froudi-Zimmers der Wlan-Empfang mies (auch drinnen dürfte er besser sein), aber die gewünschte Zweitligameisterschaft meines Lieblingsvereines kann mich darüber hinwegtrösten.
Mit einem Ouzo stoßen wir danach auf Theos Terrasse auf den Aufstieg an. Nie wieder 2 Liga!
Plötzlich werden wir von einer vorbeigehenden Frau angesprochen: ob er nicht Theo und ich die Nissomanin sei? Sie haben unsere Seiten gelesen und vorhin zu ihrem Mann gesagt, das sei doch Theo, der da sitze. Dem Mann scheint es eher peinlich, dass sie uns anspricht, aber wir freuen uns über die Begegnung. Nächstes Mal nehme ich Autogramme mit...
Tja, und dabei darf ich die ganzen schönen Fotos, die ich von Theo gemacht habe, alle hier nicht hochladen - Theos Rechtsabteilung hat sie zensiert. ;-)
Nach dieser netten Episode gehen wir zum Abendessen zu "Meropi". Fava, Tomaten- und Zucchinikeftedes, Flogeres und Tsatziki sowie Wein für insgesamt 31 Euro schmecken ordentlich, aber so ein richtiges Highlight sind sie nicht.
Wir planen für morgen. Ich muss das Quartier wechseln und werde dafür ein Auto mieten. Damit können wir auch noch ein paar Inselorte besuchen. Eigentlich ist ein Mietwagen dank des guten Bussystems auf Sifnos nicht nötig, aber mit ist man natürlich flexibler. Das gönnen wir uns für einen Tag.