Am Samstag lacht wieder die Sonne, und wir dann auch. Nach einem üppigen Frühstück besuchen wir zuerst den bayrischen Löwen, der sich nur ein paar Schritte von unserem Quartier entfernt befindet. Der bayrische König Ludwig I. ließ ihn 1840 zum Gedenken an die bayrischen Soldaten, die 1833/34 in Tiryns einer Typhus-Epidemie zum Opfer fielen, von dem Bildhauer Christian Siegel aus dem Stein meißeln. Da war Ludwigs zweiter Sohn Otto schon König von Griechenland, und Nafplio schon nicht mehr Landeshauptstadt (von 1829 bis 1834). Bayern und Griechenland waren damals eng verbandelt, aber das ist eine Geschichte für sich.
Die Skulptur des schlafenden Löwen wurde oberhalb einer kleinen Parkanlage aus einem natürlichen Felsen gehauen und ist ganz schön groß, vielleicht fünf oder sechs Meter lang. Sie gefällt mir. Das Vorbild soll der Löwe von Luzern sein, aber den kenne ich nicht. Ein Tafel erklärt dreisprachig, aber trotzdem wenig verständlich die Urheberschaft. Von Typhus keine Rede, und war sie da in Tiryns überhaupt verloren hatten. Wird irgendwie im Gemenge des griechischen Freiheitskampfes gewesen sein. Ja, die deutschen Philhellenen. Noch so ein Kapitel für sich, und kein kurzes.
So, abgehakt. Schnell weiter zum Wochenmarkt. Der erstreckt sich vorne am Platz an der Straße des 25. März und ist ein klassischer Wochenmarkt (Laïki agora). Es gibt viel Obst und Gemüse aus der nahen Umgebung, aber auch Fisch, Hülsenfrüchte, Honig, Marmelade, Wein und Raki. Und natürlich Haushaltswaren aller Art und Wühltische mit Wäsche und Klamotten. Wir probieren hier, kaufen da. Löffelsüße Früchte, eingelegtes Kapernkraut, Thymianhonig, Feigen aus Kimi. Nur der probierte Raki ist zu rauh, da verzichte ich lieber.
Und nun in die Innenstadt. Vorbei an der vermalten Dampflokomotive samt Wagengarnitur - ein vergammelnder Museumszug. Die Peloponnes-Bahn solle reaktiviert werden, lese ich diese Woche in der Griechenland Zeitung. Eine Privatinitiative habe sich gebildet um die Strecke vor der endgültigen Verrottung retten. Ich fürchte, da ist es schon zu spät.
Durch das Überbleibsel des ehemaligen Stadttores "Pyli tou Xiras" mit der Statue des Freiheitshelden Staikos Staikopoulos - er nahm mit seiner Truppe 1822 die Palamidi-Festung ein - erreichen wir die Altstadt mit der Kirche Agios Spiridonas. Auch ein geschichtsträchtiger Ort, denn hier erschossen am 9. Oktober 1831 Sohn und Bruder des maniotischen Beys Petros Mavromichalis das (erste) griechische Staatsoberhaupt Ioannis Kapodistrias. Beide Attentäter fanden den Tod, aber Petros Mavromichalis wurde freigelassen und zum großen Anhänger König Ottos I..
Geburtswehen eines Staates. Kapodistrias hat am Park natürlich auch eine Statue. Das unter Glas geschützte Einschussloch übersieht man leicht.
Die Kirche ist offen, uns beeindrucken vor allem die beiden großen silberbedeckten Ikonen der Agia Varvara und des Agios Spyridonas. Dann suchen wir die katholische Kirche Frankokklisia, die ein Stück oberhalb am Hang zur Akronafplia-Festung liegt und in deren Krypta die Gebeine von den bayrischen Soldaten liegen, die bei der Typhus-Epidemie verstorben sind. Mehrere hundert sollen es sein, sagt hier nun der Reiseführer. Die Kirche ist allerdings geschlossen, Bauarbeiter verlegen auf dem Platz davor Pflaster neu. Winterarbeit.
Am Mittag dient der Hauptplatz von Nafplio, die schöne Platia Syntagmatos (auch Syntagma), Jungs als Ballspielplatz während die schattigen, klassizistischen Cafés noch spärlich besetzt sind. Dass das Denkmal für die Gegnerin König Ottos I., Kalliopi Papalexopoulou mit "Ναυπλιείς Θαρρείτε - Nafplio wag es" von den Kindern als Ablage für ihre Sachen benutzt wird, stört niemand.
Die Platia Syntagmatos wird von einer Reihe historischer Gebäude eingefasst: ganz am Rand neben dem archäologischen Museum, einer ehemaligen venezianischen Kaserne, befindet sich das Vouleftiko, das Gebäude des ersten griechischen Parlaments, ursprünglich eine ottomanische Moschee ("Tzami"). Eine zweite, alte Moschee liegt am anderen Platzende. Im sogenannten "Trianon" befindet sich heute ein Kulturzentrum. Leider prangen immer wieder die Graffiti-Schmierereien auf den Wänden.
Das Gebäude der Ethniki Trapeza mit den roten Knossos-Säulen muss man auch nicht wirklich schön finden.
Auffällig ist auch die Δημόσια Κεντρική Βιβλιοθήκη Ναυπλίου "Ο Παλαμήδης", die öffentliche Zentralbibliothek Nafplios in einem neoklassizistischen Gebäude an einem kleinen Platz weiter westlich.
Schnell noch in der Weberei vorbei und den Schmuck kaufen. Dann gehen wir zur Uferpromenade an der Platia Filéllion beim Hotel "Grand Bretagne" hinab. Tatsächlich fährt von dort jede halbe Stunde bis 16 Uhr ein Boot hinüber nach Bourtzi. Das merken wir uns. Zuerst wollen wir aber nun entlang des Ufers die Westspitze von Nafplio mit der Akronafplia-Festung umrunden.
Am kleinen Hafenausleger mit dem "Lighthouse" - nur ein Mast mit Lampe - treffen wir einen Angler, der uns mit Orangen beschenkt. Allmählich müssen wir ganz schön schleppen.
Die Arvanitia-Promenade um die Halbinsel ist gut gebaut, nur einmal ganz am Anfang müssen wir uns an einen geschlossenen Tor vorbeidrücken. Ein üppiges Grün säumt sie, über dieses geht der Blick zur Ostküste, schon Arkadien. Und vor uns ragt kurz darauf die Palamidi-Festung in die Höhe. Ich hatte da eigentlich hinauf gewollt, aber zuerst geht es nach Akronafplia, das mit 80 Metern deutlich niedriger ist als der 200 Meter hohe Palamidi-Felsen mit 999 Stufen.
An Arvanita-Strand sind tatsächlich ein paar Winterschwimmer im Wasser.
Nach wenigen Meter Aufstieg erreichen wir die Ruinen des Xenia-Hotels. Ende der 1950er wurde es an dieser prominenten Stelle über Nafplio errichtet, hatte 58 luxuriöse Zimmer mit einer tolle Aussicht. Ab wann es leer stand, ist nicht zu eruieren. 2002 wurden Verträge zur Renovierung und Wiederinbetriebnahme unterschrieben, aber passiert ist nichts. Mit kaputten Scheiben und übersät von Graffiti gammelt es vor sich hin, durchaus ein Schandfleck. Das erinnert mich an Andros, wo sich ebenfalls ein Xenia-Hotel in so desolaten Zustand befindet. Ruinen müssen in Griechenland schon älter als hundert Jahre sein, dass man sich ihrer annimmt.
Die Festung Akronafplia hat kein Tor, kostet keinen Eintritt. Eine Pflasterstraße führt hinauf auf Plateau mit einem Uhrturm, von hier überblickt man die Stadt Nafplio.
Weiter vorne, bevor am zur Wendeplatte der überdimensionierten Straße kommt, verstecken sich unterhalb die Gebäude der Luxusherberge "Nafplia Palace", gewähren keine Einblicke - man ist ja diskret. Im Winter ist es verlassen, erst im April öffnet es wieder. Wer mindestens 316 Euro pro Nacht für das Doppelzimmer hinlegt, kann hier wohnen. Kontinentales Frühstück inklusive, Preis je nach Zimmer heftig ansteigend.
Das Plateau ist ein Kakteengarten, der nur an wenigen Stelle überblickt werden kann und Aussicht gen Westen und Süden erlaubt, über den argolischen Golf zur Lárissa-Festung. Nicht schlecht!
Inzwischen ist es ein Uhr mittags vorbei und wir haben Hunger. Schade, dass es hier oben nicht mal ein Café gibt. Also steigen wir hinab in die Altstadt und landen im Café "Rosso" mit cooler Deko aus halben Autos. Ein Club Sandwich ist zwar nicht stilecht, aber stillt unseren Hunger. Durstig sind wir auch, also ein Wasser und schließlich noch einen Elliniko.
Und nun müssen wir entscheiden, welche Festung wir nun noch besuchen - die Öffnungszeiten reichen nur noch für eine: Bourtzi oder Palamidi. 999 Stufen oder eine einfache Bootsfahrt - da fällt die Wahl leicht. Natürlich entscheiden wir uns für Bourtzi. Um 15 Uhr fährt das Boot hinüber. Fünf Euro hin und zurück kostet die minutenkurze Überfahrt pro Person. Dass die Festung Bourtzi dann nochmals fünf Euro Eintritt pro Person kostet, erfahren wir als wir dort an Land gehen und die frisch renovierte schwimmende Festung durch das Tor betreten.
Bourtzi wurde in seiner jetzigen Form im 17. Jahrhundert über venezianischen Vorbauten errichtet und war unter dem Osmanen mit einem Damm mit dem Festland verbunden. Mit einer Kette quer über das
Wasser konnte man außerdem den Hafen abriegeln. Nach der Revolution bis 1865 wohnt der Henker der Palamidi-Festung auf der Insel, die er nur verließ um in Palamidi seines blutigen Amtes zu
walten. Danach war die Inselfestung lange verlassen.
Ab 1930 wurde die Festung vom deutschen Architekten Wulf Schaeffer zum A-Klasse-Hotel mit 14 Zimmern umgebaut und bis 1967 entsprechend genutzt. Auch internationale Prominenz stieg hier ab, und
Melina Mercouri verbracht ihren Honeymoon mit Gatte Jules Dassin hier.
Danach blieb das Restaurant und schließlich die Nutzung als Sehenswürdigkeit bis zur Schließung zur Renovierung vor ein paar Jahren. Neu ist nun eine zweisprachige Ausstellung mit vielen Fotos über die Geschichte der Festung, deren heller Stein sie wie neu erscheinen lässt. Auch eines der Hotelzimmer kann man noch angucken. Das wirkt jetzt doch eher spartanisch, aber die Location natürlich einzigartig.
Wir lassen uns Zeit mit der Besichtigung, steigen auf jeden Turm, jede Plattform und gucken über die Zinnen. Die schiffsähnliche Burg gefällt mir ausnehmend gut. Und man hat einen schönen Blick auf Nafplio. Als wir uns im östlichen Bereich an kleinen Hafen befinden, sehe ich einen Eisvogel davonfliegen. Da, die Eisvogeltage sind da!
Beglückt genießen wir die späten Sonnenstrahlen. Es wird aber schon wieder kühl. Für die Nacht sind Temperaturen bis null Grad angekündigt.
Erst mit dem letzten Boot um halb fünf fahren wir aufs Festland zurück. Das Aufsichtspersonal verschließt das Tor und kommt mit, die griechische Flagge auf dem höchsten Turm und die unvermeidlichen Katzen halten die Stellung.
Schnell bleibt Bourtzi in einer weiße Gischtwelle zurück. Und wir gehen müde entlang der sparsam belegten Marina in unser Quartier zurück.
Zum Abendessen sind wir dann wieder im "Pidalio". Wir bestellen Käsesalat, Taramosalata, Spanakorizo und Hochzeitspilaw. Die Portionen sind zu groß um sie zu bezwingen, obwohl wir über den Tag nicht viel gegessen haben. Mit einem halben Liter Wein bezahlen wir wieder 45 Euro.
Und morgen ziehen wir schon in den Süden der Peloponnes. Weil die Wettervorhersagen Sonne versprechen und wir unterwegs noch einen Abstecher nach Monemvasia machen möchten, werden wir zeitig aufbrechen.