Zu Land und Wasser nach Kalamos

Die Zufahrt nach Astakos geht durch die Inselgruppe der Echinaden. Alle offiziell unbewohnt, einige sind käuflich zu erwerben. Griechische Inseln boomen gerade: Angelina Jolie und Brad Pitt sollen angeblich die Insel Gaia erworben haben, die auch hier liegt.

Die "Ionion Pelagos" ist zwanzig Minuten verspätet als sie in Astakos anlegt, aber wir haben trotzdem noch über eineinhalb Stunden Zeit, unser nächstes Ziel Mytikas zu erreichen. Ich habe mir eine Liste mit den Telefonnummern von Taxifahrern aus dem Internet ausgedruckt, falls keines da ist, aber die brauche ich nicht, denn ein Taxi steht am Anleger. Ich frag den Fahrer, einen älteren Mann, ob es frei, und was es nach Mytikas kostet. Das müssen etwa 45 Kilometer sein. Er deutet auf das Taxameter, und dass wir einsteigen sollen. Das Taxi ist nicht so gepflegt wie die auf Lefkada oder Ithaki, und der Fahrer auch nicht. Hier auf dem Festland ist alles ländlicher.

Er braust die Küstenstraße entlang als wäre er auf der Flucht. Die Straße ist breit, und es hat kaum Verkehr. Als die Mutter interveniert und ich ihm (auf Griechisch, ich glaube, er kann kaum Englisch) erkläre, dass die Mutter Angst hätte und er bitte langsamer fahren soll, tritt er tatsächlich auf die Bremse.

So können wir die dünn besiedelte Landschaft genießen: rechts die Berge, überraschend hoch und abweisend. Links das Meer, und darin die Inseln: Atokos, Kastos, Kalamos. Letzteres ist unser Ziel. Ich freu mich darauf.

Gegen ein Uhr setzt der Taxifahrer uns am Hafen von Mytikas (Aetoloakarnanias - es gibt noch zahlreiche andere Mytikas) ab und kassiert 45 Euro für die Fahrt. Der Preis liegt im geschätzten Rahmen.

Mytikas entpuppt sich beim Durchfahren als größer und netter als gedacht. Achim hatte gewarnt - das sei ein kleines Kaff, wo es nichts gäbe. Aber wir wollen ja hier auch nicht bleiben.

 

Am Hafen liegt ein Schiff, das man als Fähre bezeichnen kann: ein vielleicht zwölf Meter langes Boot namens "Chania I". Es sind schon einige Leute darauf, Erwachsenen und Schüler, und so frage ich ob das Boot nach Kalamos fahre, und wann. Es fährt, aber erst in einer Stunde , um zwei Uhr.

An der Paralia habe ich ein Café ausgemacht, und dorthin wenden wir uns nun um einen Kaffee zu trinken. Ein älterer Mann sitzt davor, zwei Jungs spielen. Wir kommen ins Gespräch - er war Lehrer, spricht auch etwas Deutsch. Es ist ein angenehmes Gespräch, über das Leben in der Provinz, die Krise, die Politik. Angenehm weil die sonst so häufigen Schuldzuweisungen fehlen und gegenseitiger Respekt herrscht. Von ihm bekomme ich auch bestätigt, was mit die KTEL Aetoloakarnanias geschrieben hatte: es gibt wirklich einen Bus nach Vonitsa, der auf die frühmorgendliche Fähre von Kalamos wartet. Den werden wir am Samstag brauchen.

Kurz vor zwei Uhr gehen wir dann an Bord der "Chania I". Wir sitzen nach innen, wo wir von den Mitreisenden - alles Einheimische - neugierig gemustert werden. Der Innenraum ist voll mit Kartons voller Waren für Kalamos. So kennen und lieben wir die kleinen griechischen Inseln, und erinnern uns an die "Pegasos" nach Othoni. Aber die Überfahrt wird hoffentlich ruhiger.

Die Schüler haben das Deck des Boots geentert, werktäglich fahren sie mit der frühen (und einzigen) Verbindung um 6.50 Uhr nach Mytikas um in die Sekundarschule zu gehen, und um 14 Uhr zurück.


Die Tickets werden an Bord verkauft: 80 Cent kostet die Überfahrt pro Person.

Pünktlich legt das Schiff ab und wir nehmen Kurs auf den steilen Felsen von Kalamos, der jenseits eines eineinhalb Kilometer breiten Meerarmes emporragt.


Kalamos also. Zeit, ein paar Worte über diese Insel zu verlieren, die völlig unbekannt zu sein scheint. Kalamos gehört innerhalb der Ionischen Inseln zu den Tilevoides (wie Meganisi und die Nachbarinsel Kastos), ist verwaltungstechnisch der Insel und Gemeinde Lefkada angegliedert und hat 496 Einwohner, die sich auf zwei Orte verteilen: den Hauptort Kalamos an der Südostküste und den kleinen Weiler Episkopi an der Nordküste (42 Einwohner) gegenüber von Mytikas. Ihn wird unser Schiff zuerst ansteuern.

 

Kalamos ist eine sehr felsige und steile Insel, wie wir in den letzten Tage von Meganisi und Ithaki aus schon sehen konnten. Die elf Kilometer lange Insel besteht aus einem langen Gebirgszug, der in der nördlichen Inselmitte bis auf 747 Meter ansteigt. Es gibt keinen nennenswerten Autoverkehr auf Kalamos (weshalb die wenigen Auto auch selten Nummernschilder haben) und auch nur wenige Straßen bzw. Pisten: von Kalamos-Ort nach Episkopi, und nach Porto Leone, einer bei Seglern beliebten Bucht im Inselwesten. Überhaupt Segler: sie scheinen - neben sehr wenigen griechischen und italienischen Besuchern - die einzigen Touristen zu sein, die die Insel besuchen.

 

Nach zehn Minuten sind wir in Episkopi, wo nur eine Frau aussteigt. Dann geht es um das sehr waldige und felsige Ostkap der Insel. Kleine weiße Badebuchten heben sich leuchtend vom Waldgrün ab, sind aber nur schwer zu erreichen.

Wenig später wird Kalamos-Ort sichtbar: Er liegt am Osthang des Vouno, und erstreckt sich oberhalb des Hafens.

Rechts der lange Strand von Mirtia(?), wir sehen Zelte und Kajaks. Sie sind von Sea Kayaking Kefalonia, wie wir später erfahren werden (diese Art des Inselspringens könnte mich auch locken).


Nach vierzig Minuten Fahrt legen wir in Kalamos-Ort an. Und wieder machen wir die Erfahrung der Othonischen Inseln: es wird fleißig aus- und eingeladen, und kein Mensch interessiert sich für uns. Auf Touristen ist man so früh im Jahr nicht eingestellt.

Wir sehen uns das Entladen eine Weile an, und ziehen unsere Trolleys dann Richtung Ort, als wir von einem Mann angesprochen werden. Ob wir ein Zimmer suchen würden? Ja. Da vorne, Panos, der würde Zimmer vermieten. Er ruft einem jungen Mann, der mit einer Frau gerade in einen Citroën Picasso ohne Kennzeichen einsteigen möchte. Panos kommt, nickt, und lädt uns mit unseren Sachen in den Wagen ein.

 

Wir fahren ein Stück eine steile Straße hinauf, dann zweihundert Meter nach links und sind da. Panos (Panajotis Portolos) hat vier neu aussehende, ebenerdige Apartments zu vermieten, mit Küche, Bad und Terrasse mit Meerblick. Wir bekommen das zweite von rechts, 35 Euro für die Nacht sind ein angemessener Preis. Während seine Frau das Zimmer richtet, bekommen wir ein kleines Eis zum Willkommen. Wir genießen es auf der Terrasse, deren Aussicht auf Meer und Festland leider durch einen unnötigen und hohen Drahtzaun gesiebt wird. Auf Kalamos liebt man Zäune, wie wir noch merken werden.

 

Panos wohnt im Haus gegenüber, er erklärt mir noch den Weg zum nahen Agrapidia-Strand (westlich des Ortes, lieber Klaus Bötig, nicht östlich...) und in den Ort, wo es einige kleine Läden und einen Bäcker geben würde.

Nein, Touristen würden nach Kalamos kaum kommen - allenfalls Griechenund Italiener, und beide hätten die Krise.

Erstaunt stellen wir trotzdem fest, dass noch ein Apartment bewohnt ist: ganz links, von einem jungen griechisch-ausländischen (?) Paar mit Baby, die den Nachwuchs am Abend "ausführen" werden.

Und dann ruhen wir uns erst mal aus.

 

Das heißt, vorher stellen wir noch fest, dass die Fähre, die "Chania I", gerade wieder Kalamos verläßt, und zwar Richtung Mytikas. Im Fahrplan ist aber für heute kein Kurs mehr eingetragen, und ich dachte, sie bleibt bis morgen früh hier.

Des Rätsels Lösung erfahren wir später: Die "Chania I" ist gar nicht die Fähre von Kalamos, sondern die der kleineren Nachbarinsel Kastos, die wir hier rechts von uns liegen sehen. Für Kalamos ist normalerweise die "Ioanna" zuständig. Die "Ioanna" ist aber gerade in der Werft, und so übernimmt die Nachbarfähre zusätzlich deren Kurse.

Das führt zu absurden Kutschierereien, denn es ist nicht so, dass die Fähre einfach von Mytikas via Kalamos nach Kastos führe (was viel näher und schneller wäre), sondern sie fährt die Route Mytikas - Kastos ab Mytikas, wie sich das gehört. Aber so ergeben sich verlockenden, außerplanmäßige Überführungsfahrten...

Normal ist ein Tagesausflug mit der Fähre von Kalamos zur nur zwei Kilometer entfernten Insel Kastos (50 Einwohner) nämlich nicht möglich - man kommt nicht an einem Tag hin und zurück. Eine Option wäre, um 6.50 Uhr von Kalamos nach Mytikas zu fahren, dort bis 15 Uhr zu warten und dann nach Kastos überzusetzen. Für den Rückweg nach Kalamos braucht man aber ein Sea-Taxi, denn die Fähre verkehrt je Richtung nur einmal am Tag.

Ein Plan für Frühaufsteher, aber nicht für mich. Wenn man nun aber am Mittag nach Mytikas fahren könnte, und direkt weiter nach Kastos? Inselsammler sind ja kreativ was das betrifft. :-)

Jetzt sind wir aber erst mal angekommen und haben drei volle Tage Zeit für Kalamos. Schaun mer mal.

Nach einer Pause mache ich mich auf den Weg zum Agrapidia-Strand. Der liegt nur fünf Minuten entfernt, vorbei an einer Windmühle und einigen Villen. Die Brandung am langen, nach Süden gerichteten Kieselstrand ist sehr stark, es scheint mir auch sehr schnell ins Wasser zu gehen. Aber zu Beginn des Strandes, um 90° versetzt und nach Osten liegt ein zweiter kleiner Strand, geschützt durch ein Kap mit einer weiteren Windmühle drauf. Nur zwanzig Meter ist der Kieselstrand breit, aber mehr brauche ich doch gar nicht. Man kommt auch zügig ins Wasser und am Strand kann man gut liegen (so gut man auf einem Kieselstrand eben liegen kann). Das wird mein täglicher Badeplatz. Andere Badegäste? Ein paar Segler kommen vom Hafen herüber, betrachten den langen Strand, und dann mit neidischen Blicken meinen Liegeplatz. Wahren aber Abstand. Na gut, ich wollte sowieso gerade gehen.

Der Himmel bewölkt sich, es wird gewittrig. Und als wir uns zum Einkaufen in den Ort begeben - das Zentrum liegt ein Stück oberhalb des Hafens - fängt es sogar an zu regnen. Zum Glück nicht stark, und auch nicht lange. Im Ortszentrum oberhalb der Hauptkirche gibt es eine kleine Platia mit einem Kafenio und einer Bar. Außerdem links in der Straße einen Bäcker, und rechts einen Metzger mit angeschlossener Psistaria (bisher nur Innenbewirtschaftung und daher zunächst nicht als solche von uns erkannt) und dahinter einen Minimarkt. Ich frage dort, ob es eine Landkarte von Kalamos gibt. Nein, die gibt es nicht. Das ist blöd, denn ich haben noch keine brauchbare Karte im Internet gefunden (leider auch nicht auf www.kalamos-island.gr ), und auch in den Reiseführern gönnt man Kalamos nur ein paar Quadratzentimeter. Immerhin habe ich mir aus GoogleEarth eine mehr provisorische Übersicht ausgedruckt. Die wird uns ein paar Tage später mächtig in die Irre führen, aber dazu dann später mehr.

Eine richtige Taverne gibt es im oberen Ortsteil nicht, also begeben wir uns zum Abendessen hinab zum Hafen. Ein gutes Dutzend Segelboote liegt im geschützten Hafen, englische Flaggen dominieren, aber eine oder zwei deutsche und österreichische sind auch darunter.

Der Platzhirsch dort ist "George", eine riesiges Restaurant, das seine Kundschaft vor allem aus den zahlreichen Seglern requiriert. Kein Wunder, kümmert sich der Chef und Namenspatron George doch im Hafen um ankommende Segler, weist sie ein, hilft aus, und zum Ausgleich kommt die Kundschaft natürlich in sein Lokal. Hinauf in den Ort verirren sich die wenigsten, und so sind Hafen und Ort geradezu zwei Parallelwelten.

 

Nun hatte Achim uns von "George" abgeraten: Schlechter Service, schlechte Essensqualität, aber hohe Preise. Mit den Seglern könne man es ja machen. Und der Empfehlung (oder Nichtempfehlung) von Achim wollen wir auch gerne nachkommen, allein: es gibt keine andere geöffnete Taverne hier unten. Eine Créperie, eine Snack-Bar, eine noch geschlossene Imbissbude der Heiß-und-fettig-Klasse, ein Mini-Markt (wo meine Frage nach einer Landkarte ebenfalls negativ beschieden wird) - das war's.

 

So müssen wir notgedrungen doch zu "George" (Untertitel "Akrogiali"), wo wegen des nassen Wetter die Tische draußen fast alle frei sind und sich die uniform gekleideten KellnerInnen langweilen. Ein Blick auf die Karte ergibt, dass die Preis durchaus im Rahmen sind. Wir bestellen Boujourdi und zwei Portionen Hühnchen mit Feta und Auberginen. Bei beiden ist geschmacklich nichts zu beanstanden, nur die Hauptgänge kommen doch sehr griechisch lauwarm daher. Und die Belege (die Rechnung beträgt 31 Euro) verschwinden mit dem Wechselgeld...

Im Dunkeln (Taschenlampe empfohlen) geht es auf einem Abkürzungweg zurück zu unserem Quartier. Man könnte noch auf der Terrasse sitzen, alleine: es gibt dort ein Mückenproblem. :-(

 

Morgen wollen wir die Insel dann mal Richtung Westen erkundigen.

Unser Terrassenblick (Zaun inklusive)
Unser Terrassenblick (Zaun inklusive)