Minas bringt uns um elf Uhr hinauf nach Olymbos. Versuche, ihn nachträglich noch für die Fahrten zu entlohnen, scheitern. Er wird uns aber am Freitag zum Flughafen fahren. Und das „Dorana“ kann ich empfehlen, wenn man auf stylische Dinge keinen großen Wert legt und das Preis-Leistungsverhältnis stimmen soll.
Anruf bei Parthenon-Afrodite-Nikos zwecks Abholung unseres Gepäcks. Er wird gleich da sein. Barbara und ich checken so lange das Angebot des Mini-Marktes. Gar nicht schlecht, es gibt sogar Brot. Inzwischen hat Nikos unsere Sachen schon geholt. Wo wir denn wären, hat er die Mütter gefragt, und die Antwort „shopping“ hat ihm gefallen (Power-Shopping in Olymbos – das wäre doch mal ne Marktlücke… ;-) ).
Wir zotteln ganz gemütlich durch den Ort. Heute ist etwas mehr los als vorgestern, ein Ausflugsschiff ist gekommen, und auch eine Wandergruppe ist unterwegs. Wir gucken in der Schau-Schmiede der Lentakis‘ neben dem der Taverne „Olymbos“ vorbei. Das kleine freche Bürschchen, vielleicht drei Jahre alt, das da seine ältere Schwester mit einer Feile malträtiert, ist der Enkel des Schmiedes, und die beiden dürften die Täuflinge sein, die Theo 2012 erlebt hat. Der Kleine ist ein richtiger Satansbraten, der kaum Grenzen kennt. Der Großvater geht nahcsichtig mit ihm um. Ein paar Tage später wird der Bengel meine Mutter beißen als sie mit der Tante im „Olymbos“ einkehrt. Er streunt gerne im Dorf herum, Sofia von „Mike’s“ passt am Ostseingang auf, dass er nicht Richtung Straße abhaut, und vor ihr hat er immerhin Respekt.
Am „Afrodite“ müssen wir nicht lange warten bis Nikos mit unserem Gepäck auf seiner Monsterkarre angeknattert kommt. Wir bekommen die beiden Zimmer im oberen Stockwerk (das Doppelzimmer für € 30,-), und die Aussicht ist absolut atemberaubend. Weniger atemberaubend ist die Grundsauberkeit der Zimmer, von denen nur unseres eine einfache Küche hat – dürftig ausgestattet, und ungepflegt. Na, wir wollten ja sowieso nicht kochen, und werden auch hier frühstücken gehen.
Die Kloschüssel ist vom gleichen Modell wie die vom Namensvetter in Diafani, bei dem wir vor sechs Jahren waren. Das heißt, man kommt auch hier mit der Klobürste nicht bis unten auf den Boden der Schüssel, und entsprechend präsentiert die sich dann auch.
Der Badezimmerspiegel hat am Rand eine Patina, die sich erst auf den zweiten Blick nicht als gewolltes Dekor entpuppt. Und über den Duschvorleger breiten wir den Mantel des Schweigens – und machen jeweils einen großen Schritt.
Dass in den vier Tagen kein einziges Mal der Eimer geleert wird (täglich frische Handtücher oder gemachte Betten verlangen wir sowieso nicht) verdrießt uns dann aber doch nachhaltig, so dass wir nach zwei Tagen zur Nothilfe greifen und die Mülltüten selbst wechseln. Nur wohin damit? Ab ins Tal, wie es die Einheimischen zu machen pflegen? So weit können wir nicht werfen ohne die unten liegen Terrassen zu treffen, und für Mitteleuropäer ist diese Art der Müllentsorgung doch eher gewöhnungsbedürftig. Wir deponieren die Mülltüte schließlich auf dem Balkon vor der Etagentreppe – da steht sie vermutlich heute noch.
Schade eigentlich um das Hotel. Nikos ist ja ein netter Kerl, wir wollen uns auch nicht bei ihm beschweren. Trotzdem: alles kann er nun ja nicht mit seinem Gram über die Petherá entschuldigen....
Von den kleinen Balkonen hat man einen schönen Blick auf die Westküste und den Profitis Ilias. Den wollen wir auch noch bezwingen, wobei die Wetterprognosen für die nächste Tage nicht berauschend sind: Wind oder Wolken (oder beides). Was ist besser?
Einen netten Blick ins Alltagsleben der Olymbiten gewährt uns der Blick vom Balkon auf den Nachbarn: bei der ehemaligen Windmühle unterhalb legt ein Mann nach Anweisung seiner Gattin einen Gemüsegarten an. Nichts macht er ihr richtig, sie schimpft herum. Selbst ist sie durch eine Halskrause gehandicapt. Wir werden den Garten-Fortschritt in den nächsten Tagen begleiten.
Dass wir dann zum Mittagessen nicht ins „Parthenon“ gehen, sondern auf die Dachterrasse des benachbarten „Blue Garden“ (einfach weil dort gerade leckere Tomatenküchlein herausgetragen werden), wird von Nikos Schwiegermutter mit Missfallen beobachtet. Na, wir kommen schon auch noch zu ihr – sie kann ja nicht ernsthaft erwarten, dass wir jetzt nur bei ihr Essen gehen.
Solide Glasfenster schützen die Dachterrasse des „Blue Garden“ vor dem Wind. Zwei Touristinnen mit frisch gekauften und drapierten Olymbos-Kopftüchern auf sind offensichtlich das Opfer des Lehrers und Mannes von Rigopoula geworden. So bin ich hier auch mal herumgelaufen, zum Glück ist es lange her. :-)
Der Wirt vom „Blue Garden“ (mal wieder ein Nikos samt Gattin Popi) ist von einer offensiven Freundlichkeit, die mehr nicht zu ertragen wäre. Aber das Essen – natürlich Kolokithokeftdakia und Tomatenkeftedakia samt griechischem Salat – ist sehr gut, und nachdem wir im „Afrodite“ kein Wlan haben, aber das Wetter für morgen checken wollen, macht er uns auf das offene WLAN in Olymbos aufmerksam. „Manolisnet“ heißt es, nach einem jungen Mann olymbitischer Abstammung, der in USA verstorben war.
Blue-Garden-Nikos meint dann bei der Wind-oder-Wolken-Frage, wir sollten lieber auf den ProfitisIlias steigen wenn es Wind hat, aber keine Wolken. Morgen am Vormittag, da würde es gehen. Gut, wir werden sehen.
Nun wollen wir noch in das Vasilis-Hatzivasilis-Museum. Bei der Schreibweise dieses Namens gibt es so viele Möglichkeiten – ich bleib jetzt mal bei der erstgewählten. Das lindgrüne Haus befindet sich unterhalb der Kirche und ist schon an seiner auffallenden Balkonzier mit mythologischen Szenen zu erkennen.
Vasilis Hatzivasilis wurde 1918 geboren und starb 2005 auf Rhodos. Von 1969 bis 1981 lebte er in Olymbos, und er hat zahlreiche Häuser auf Karpathos und Rhodos mit seinen Malereien und Reliefs verziert. Sein Sohn Jannis, der selbst auch Künstler ist, hat das Haus zusammen mit seinen Geschwistern eingerichtet.
Zwei Euro kostet der Eintritt ins Museum, das zugleich auch ein volkskundliches ist, mit Soufas ausgestattet. Der Sohn ist da und er erklärt uns auf Englisch nicht nur bereitwillig die ausgestellten Arbeiten (das Museum ist sehr überschaubar – es besteht nur aus einem Raum), sondern zeigt uns Ausschnitte aus seinem Filmen über den Norden von Karpathos. Er versucht die verschwindenden Bräuche des Nordens filmisch zu dokumentieren und hat auch ein schönes Video (auf Deutsch!) über die Insel zusammengestellt, das man sich bei youtube angucken kann: http://www.youtube.com/watch?v=UAMXdV4RoAo&list=UU6q-A82kiQWGiS1DaePfVYg (Alle seine youtube-Videos findet man hier)
Interessant ist auch ein Video, das das Übersetzen der Rinder am Steno zeigt (ein ähnliches gibt es hier). Oder wie die Frauen früher mit langen Stöcken über die Stufen der Felderterrassen und Wege gesprungen sind, ähnlich wie auf den Kanaren.
Jannis findet in uns ein interessiertes Publikum und redet sich in Fahrt. So kommen die Exponate seines Vaters fast ein wenig kurz. Die Bilder mit den vier Jahreszeiten, die gleichzeitig auch vier Lebensstufen symbolisieren und an mehreren Orten auf Karpathos dargestellt sind: die ganz junge Frau in Tristomo, die nächste zwischen Avlona und Diafani, die ältere in Vananda und die alte in Olymbos. Das hat uns schon beim letzten Besuch gut gefallen. Aber auch die Entwürfe für die Fliesen des Delfin-Brunnens in Diafani, die Serie mit der Hochzeit in Olymbos, und natürlich die Gorgone als Schwester Alexanders des Großen gefällt mir. Man kann das natürlich als primitiv und kalkuliert abtun, aber es passt schon zu Karpathos. Und die Schüler der Grundschule von Diafani sind sicher auch im 21. Jahrhundert angekommen und haben im Fernsehen und Internet Gruseligeres gesehen.
Wir waren bestimmt eine Stunde im Museum, der Himmel draußen hat sich inzwischen zugezogen, die Sonne ist verschwunden. Passendes Wetter für einen Besuch des Friedhofes, finden die Cousine und ich, während die Mütter lieber einen Mittagsschlaf machen. Optional könnte man noch zu fototechnischen Zwecken das abgestellte Dreirad an der Straße aufsuchen. Aber das verwerfen wir wenig später – das Trikyklo befindet sich auf der Straße zu weit weg, und durch das Tal ist auch keine wirkliche Abkürzung auszumachen.
Der Friedhof liegt im Tal östlich des Ortes, und hat mich schon vor Jahren durch sein gepflegtes Äußeres überrascht. Wobei das nicht überraschen muss: schließlich werden an jedem Dienstag nach Ostern (Lambri Triti) die Gräber mit den Ikonen der Hauptkirche aufgesucht und Essen für die Toten bereitgestellt. Da soll es dort schon ordentlich aussehen.
Die blühenden Geranien und Ringelblumen bilden schönen Farbtupfer zwischen den marmornen Gräbern. Im Beinhaus sind alle Kisten in gleicher Größe und in Holz gearbeitet, was eher an Karteikästen erinnert. Wenn die Gebeine dort mal keinen Platz mehr haben, landen sie weniger pietätsvoll in einem niedrigen, in die Erde eingemauerten Gewölbe nebenan.
Bei Rückweg durch die Gärten unterhalb des Ortes begegnen wir einem freundlichen Esel, danach erschrecken wir eine Olymbitin, die uns mit zwei Ziegen an der Leine entgegenkommt. Vielmehr erschrecken wir die Kitze der beiden Geißen, die in wilder Flucht davongestoben sind. Wir können eigentlich nichts dafür, aber die Frau schimpft heftig über die Geißen und uns unnütze Touristinnen, auch als wir sie auf Abstand passieren lassen und die Zicklein schließlich nach langem Locken doch nachkommen. Ein Foto klau ich mir aber noch – sie sieht einfach toll aus in ihren Stiefeln und der Tracht.
Zur Strafe bekomme ich einen Hustenanfall. Die Erkältung aus Arkassa ist mir auch im Norden treu geblieben, hat sich jetzt auf die Bronchien verlegt. Was zum Trinken wäre gut. Das Dorf ist nun wie ausgestorben, die Läden geschlossen. Aber das Café „Edem“ hat geöffnet und so bestellen wir einen Frappé und für mich einen köstlichen Bergtee mit viel Salbei. Von der Terrasse hat man einen schönen Blick über das Tal mit den Gärten von Olymbos – schade, dass kein Frühstück auf der Karte steht.
Zurück im Hotel finden wir es inzwischen ziemlich frisch auf unseren luftigen Balkonen über dem Abgrund. Trotzdem müssen wir draußen sitzen – der Blick ist einfach zu toll. Und der Nachbar hat inzwischen die Reihen für die zu pflanzenden Setzlingen fertig, das Unkraut und die Steine ab ins Tal – wenn er weit genug geworfen hat. Sonst landet es am Rand des Beetes und ruft lautstarke Protestbekundungen bei der Gattin hervor. Er leidet unwidersprochen.
Zum Abendessen gehen wir schon recht früh ins „Mylos“ bei den Windmühlen. Auf der offenen Terrasse sitzen tatsächlich noch ausländische Touristen – die Zahl der Olymbos-Übernachter hält sich Mitte Mai noch sehr in Grenzen. Wir ordern Spanakopita, Keftedakia, in Öl gekochte Artischocken (ich habe noch nicht genug davon), und bekommen die unvermeidlichen Loukoumades und süß eingelegte Früchte und Rosenblätter als Dessert aufs Haus. Sehr interessant, wie die Blütenblätter zwischen den Zähnen quietschen.
Eine hupende Autokarawane kommt von Diafani herauf – es ist der neue Bürgermeister von Karpathos, der sich im Norden auch feiern lässt und Olymbos einen Besuch abstattet. Das erfahren wir erst später – im „Mylos“ sitzt man abseits und ruhig.
Auf einen Absacker kehren wir noch in „Parthenon“ ein, das sich zum veritablen Kafenio samt entsprechender Männerrunde entwickelt hat – was sagt denn da die Konkurrenz vom „Kriti“ und vom „Tsambouna“ dazu? Oder sind diese samt ihren zugeordneten Parteien so sehr auf dem absteigenden Ast, dass man sich nun hier trifft? Die hustende Tante bekommt von Nikos einen heißen Rakomelo – mhhh!
Unser erster Olymbos-Tag geht zu Ende. Mal sehen welche Optionen uns das Wetter morgen lässt.