Poros - erste Erkundung und sinnlose Wanderung

 

Unser Hotel „Seven Brothers“ liegt nur ein paar Schritte vom Anleger der Fliegenden Delphine und Katzen entfernt am südwestlichen Ende von Sferia.

Poros (ο Πόρος - neben Agios Efstratios die einzige griechische Insel, die männlich ist*) besteht aus zwei Inselteilen: dem kleinen Zipfel Sferia im Süden, auf dem die meisten der Bewohner leben, und dem größeren, waldigen Teil Kalavria im Norden. Beide Inseln sind durch einen Kanal getrennt, der wiederum von einer Brücke überspannt wird. Sferia trennt ein nur knapp dreihundert Meter breiter Meeresarm von der Peloponnes, das gegenüberliegende Städtchen Galatas säumt dort das Ufer. Zwischen den beiden Orten pendeln kleine Passagierboote und Autofähren – alle paar Minuten. Insofern ist Poros – im Gegensatz zu Hydra – leider nicht autofrei. Und erst recht nicht mopedfrei.

 

Wir bekommen ein großes Zimmer im zweiten Stockwerk mit Balkon nach Osten. Weshalb wir wegen der schon morgendlich intensiven Sonneneinstrahlung nicht auf dem Balkon frühstücken können ohne zu schmelzen. Aber schön ruhig ist es. Wobei mir Meerblick lieber gewesen wäre. So gucken wir unter anderem in den Hofgarten einer griechischen Familie mit Kindern – durchaus aufschlussreich. ;-) 45 Euro bezahlen wir für das Doppelzimmer ohne Frühstück.

Wir bummeln entlang der Paralia nach Norden und kehren im „Gonia“ ein, kurz vor dem Anleger für die großen Fähren. Bezahlen für eine große und wohlschmeckende Choriatiki-Salata und begleitenden Weißwein acht Euro fünfzig.

Gegenüber wird die Straße bemalt. Genauer: es wird eine gelbe Parkverbotszone markiert. Dafür sind drei Männer im Einsatz, mit einem rechteckigen Holzrahmen wird der Abstand von Gehweg abgemessen und einfach entlang des Längsbalkens mit gelber Farbe die Markierung gerollert. Im Weg stehende Quads werden flugs vorne angehoben, der Rahmen darunter geschoben, und weitergepinselt. Mit Autos klappt das nicht so, also wird nach dem Besitzer gerufen. Sollte der sich nicht einfinden, so wird dieses Stück farbmäßig eben ausgespart. Ich überlege wie lange man in Deutschland vorher Parkverbotsschilder anbringen und abschleppen würde… manches geht in Griechenland einfach unkomplizierter.

Ansonsten wird die Markierung in den nächsten Tagen nach Kräften ignoriert. :-)

Auf dem Rückweg lockt die Eisdiele „Pagotomania“ mit von der Mutter gezählten 48 verschiedenen Sorten (inklusive Fasten-Eis – ohne Sahne oder Milch. Es ist ja noch Karwoche, Gründonnerstag). Da fällt die Auswahl schwer, die Riesenkugel kostet eins fünfzig, in der Waffel zuzüglich zwanzig Cent Zuschlag. Sooo lecker! Und natürlich darf man sich auch mit der Waffel in den Stühlen vor dem Laden niederlassen, ja es wird sogar darum gebeten. So was ist schließlich die beste Werbung!

 

Tja, dass wir dann am Abend keinen Hunger mehr haben braucht uns nicht zu wundern. So landen wir nach dem Sonnenuntergang (mit Blick auf die „schlafende Riesin“ auf der Peloponnes) an der kleinen Platia Karamanou, östlich von unserem Hotel. Dieser kleine quadratische Platz ist etwas zurückgesetzt von der Uferstraße, gesäumt von Cafés und einem Laden mit den für Poros typischen Süßwaren („Amygdalota“). In seiner Mitte steht wie eine Säule der Rest eines Brunnens. Und das Ganze ist DER Kinderspielplatz von Poros. Während sich die Eltern bei Ouzo oder Frappé mit vorbeiflanierenden Bekannten unterhalten oder zum After-Work treffen, tobt der Nachwuchs mit Kickboard oder Fahrrad über die Platia, versucht den Brunnen zu erklimmen oder sitzt auf den Treppenstufen des Dimarchio und starrt gebannt in das elektronische Spielzeug. Dieses Treiben wird in den nächsten Tagen noch eine Steigerung erfahren, wenn die Kinder die Ostergeschenke erhalten haben und noch mehr Familien über das Osterwochenende auf Poros eingetroffen sind.

 

Wir bestellen im „Mostra“ zwei sehr gut eingeschenkte Ouzo mit Meze (für sechs Euro zusammen) und genießen die urgriechische Atmosphäre. Es ist nicht so still und so geschniegelt wie auf Hydra, auf der Uferstraße knattern immer wieder Mopeds und Autos vorbei, und entlang der kilometerlangen östliche Paralia liegt Segelboot an Segelboot. Aber es hat trotzdem viel Flair, dieses Poros.

Wir haben vier Tage Zeit, es uns näher anzusehen.

Die schlafende Riesin
Die schlafende Riesin

*

 

 

Es war warm in der Nacht, dieses Mai-Osterfest verspricht rekordverdächtige Temperaturen. Heute ist Karfreitag. Nach dem Frühstück in einem Café an der Platia Karamanou sehen wir uns die Agora-Halle an, die in direkter Nähe zu unserem Hotel liegt. Das Fischangebot ist groß, aber auch die ganzen Lämmer hängen schon in den Vitrinen, und Kokoretsi-Spieße. Ich muss mal sehen wo wir in der Osternacht noch eine Majiritsa bekommen – das muss unbedingt sein!

 

Die freundliche Frau an der Rezeption des „Seven Brothers“ (eine Empfehlung von Dimitrios Mastoras von Hellas-Service – die Grüße wurden natürlich ausgerichtet) gibt mir dann noch einige Tipps zu Poros. So erfahren wir, dass es stündlich (zur vollen Stunde) einen Bus zum Kloster Panagia Zoodochou Pigis im Osten von Kalavria gibt, und auch einen nach Neorio im Westen. Das Kloster hat bis 14 Uhr geöffnet, auch (oder gerade) heute. Der Bus fährt direkt an der Paralia beim Hotel ab, und so sind wir um elf Uhr an Bord. Ein Euro vierzig kostet die Fahrt bis zum Kloster, der Weg führt entlang der Ostküste von Sferia, dann über die Brücke nach Kalavria und durch den Strandort Askeli bis zum Kloster, das wir nach einer Viertelstunde erreichen. Ist weiter als gedacht, und weil wir nachher noch ein wenig wandern wollen sind wir froh, dass wir uns diesen Weg immerhin gespart haben.

Gegenüber vom Klostereingang gibt es ein kleines Café und eine Quelle, deren Wasser Unsterblichkeit verheißt. Wir trinken später davon.

Das Schild am Klostertor verlangt anständige Kleidung (= Röcke für Frauen, Hosen gehen nicht, auch nicht lange), ich wickle mir mein Strandtuch um, die Mutter nimmt von den zur Verfügung stehenden Leihröcken, ebenso die Griechin, die mit uns mit dem Bus gekommen ist. Ein Mönch fragt nach unserer Herkunft um uns daraufhin auf Deutsch zu begrüßen. Er ist aber der einzige Klosterbewohner, den wir zu Gesicht bekommen werden.

 

Nachdem wir uns im gepflegten Klosterhof ein wenig umgesehen haben gehen wir in die Kirche, die aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt und innen sehr schön ausgemalt ist. Besonders prächtig ist die hohe Ikonostase. Und dann steht da heute der blumengeschmückte Epitafios davor, der am Karfreitagabend in einer Prozession um die Kirche und durch den Ort getragen wird (wenn vorhanden).

Vom Kloster streben wir nach unten an die Küste zum Monastirion-Strand. Eine Kantina und eine vergammelte Taverne sind noch nicht geöffnet (praktischerweise kann man es sich mit den Plastikstühlen am Strand bequem machen), nur eine Handvoll Badegäste verlieren sich an dem fast schattenlosen Sand-Kiesstrand, zwei Segelboote ankern. Die Küste der Peloponnes mit dem Gebirgszug des Vromosykia liegt vor uns, da muss der Zitronenhain/Lemonodasos liegen.

Ich traue mich ins Meer, das eine Temperatur von zwanzig Grad Celsius hat – nicht schlecht für den dritten Mai. Bei Poros ist das Meer anscheinend immer am wärmsten in der Ägäis, haben meine Online-Beobachtungen der letzten Wochen ergeben.

Inspiriert durch Theos Artikel über Winterwanderungen auf Poros wollen wir nun eine Runde durch das waldige Hinterland von Poros machen. Dazu müssen wir erst auf der Straße ein Stück zurück, vorbei an dem Edelhotel „Sirene Blue Resort“. Die Parkplätze stehen voll mit griechischen Wagen der gehobenen Mittelklasse, das Hotel ist mit Preisen ab hundert Euro für das Doppelzimmer (und da hat es noch viel Luft nach oben) nicht gerade preiswert und dennoch bei booking auf Monate ausgebucht. Macht die Krise auf Poros Pause? Oder nur bei den Gästen? Athen ist nah, und natürlich gibt es immer noch viele Griechen mit viel Geld.

 

Vom Hotel geht es dann auf der Straße ins Inselinnere. Die Sonne brennt, es ist ordentlich heiß und die Straße so breit, dass wir von Schatten durch die Kiefernwälder nur träumen können. Ein, zwei Autos oder Mopeds passieren uns, sonst ist nichts los. In einer Straßenkehre biegen wir nach links ab auf eine breite Piste, auch für Feuerwehrfahrzeuge. Da läuft es sich zwar angenehmer als auf der Straße, aber so richtig der Hit ist der dahinmäandernde Weg auch nicht. Ich weiß schon warum ich auf karge Inseln stehe: da versperren einem Bäume nicht die Aussicht. Wenn sie wenigstens für Schatten sorgen, aber das tun sie hier auch nicht. :-(

Kurz und gut – diese Wanderung ist allenfalls in der kühlen Jahreszeit zu empfehlen, wir finden sie entbehrlich und langweilig. Gelegentliche Ausblicke nach Askeli und Sferia hinab oder zur Peloponnes entschädigen da wenig.

Das letzte Stück bergab verläuft wieder auf der Straße, und auch endlich im Schatten. Dort „beeindrucken“ die vielen Marterl/Ikonostasia, die kleinen Kapellen am Wegrand, die leider fast immer für ein hier verlorenes Menschenleben stehen. Eine gefährliche Strecke.

In der letzten Kehre entpuppt sich ein großer Stein auf der Straße als eine gar nicht kleine Landschildkröte. Ich trage sie an den Straßenrand und hoffe, dass sie nicht wieder zurück auf die Straße geht weil hinter dem Straßengraben eine Felswand verläuft, an der sie eigentlich nicht weiterkommt.

 

Die auf Kalavria liegenden Ausläufer von Poros-Stadt sind nicht sehr attraktiv, wir drängen weiter zum Kanal, der Sferia und Kalavria trennt, überqueren ihn auf der Brücke, passieren die ehemalige Marineschule, und freuen uns auf ein kaltes Getränk in der ersten Taverne am Wegrand, vor dem Hotel Dionysos. Beobachten die nach Galatas pendelnden Autofähren.

 

Weiter südlich, entlang der westlichen Paralia, haben sich inzwischen immer mehr große Motoryachten eingefunden. Weiße Pavillons stehen am Kai – vom griechischen Tourismusverband, von einen teuren Olivenölhändler, von einer Weinkellerei, von Yachtcharterern. Vorbereitungen für die „East Med Yacht Show“ , die über Ostern auf Poros stattfinden wird – einen Schau für Charteryachten der exklusiveren Sorte. Über fünfzig Yachten werden wir noch zählen, die dicht an dicht liegen und von der Besatzung auf Hochglanz poliert werden. Ein paar große Segelyachten sind auch dabei, aber das Gros stellen fette Motoryachten. Sagte ich schon, dass man auf Poros nicht das Gefühl hat, dass es in Griechenland eine Krise gäbe?

Dass heute Karfreitag ist rückt erst wieder in unser Bewusstsein als wir auf dem Hotelzimmer in regelmäßigen Abständen monoton die Totenglocken der umliegenden Kirchen läuten hören – immer nur ein Schlag, alle paar Sekunden, stundenlang.

 

Später drehe ich noch eine kleine Runde auf dem Hügel, der direkt hinter unserem Hotel aufsteigt und auf dem der Uhrtum steht, das Charakteristikum von Poros. Die schmalen Gassen, die Treppen – hier oben ist Poros eine eigene Welt, die sehr malerisch ist. Ein paar abgedeckte Dreiräder parken hier, oder ein Smart – für breitere Fahrzeuge reicht die Straßenbreite nicht.

Eine Kirche befindet sich auch hier oben, Agios Giorgios, und der Karfreitagsgottesdienst hat eben begonnen. Er wird noch eine, zwei Stunden dauern und der Zulauf ist verhalten. Etwas weiter vorne dressiert der Metzger gerade ein Lamm spießfertig, und in der Taverne „Platanos“ nimmt man Bestellungen für das Essen in der Osternacht entgegen. Hmm, das ist hier oben sicher auch nett, und so bestelle ich einen Tisch für „nach der Auferstehung“. Schließlich wollen wir unbedingt eine Majiritsa.

Der Felsen mit dem Uhrturm ist halbherzig abgesperrt und mit Drahtseilen verzurrt – wer soll da was halten? Unten legt gerade die giftgrünen Flyingcat 6 an – selbst über die Osterfeiertage (Ostersonntag!) gönnt ihr der Fährplan keine Pause. Vorsichtig zieht sie nahe entlang der Paralia weiter um nicht auf eines der zahlreichen im Meeresarm zwischen Insel und Peloponnes verankerten Boote zu fahren.

 

Das Meer liegt ruhig. Schön der Blick nach Galatas hinüber – natürlich wollen wir die nächsten Tage einmal hinübersetzen. Unermüdlich pendeln die kleinen Passagierboote hinüber, und, weiter drüben, auch die Autofähren. Ein Kommen und Gehen. Trotzdem bleibt mehr Inselgefühl als wenn es eine Brücke hinüber nach Galatas gäbe.

Gegen halb neun brechen wir auf um uns die Karfreitagsprozession anzusehen. An der östlichen Paralia gibt es eine Kirche, Panagia Evangelistria. Dort herrscht reger Zulauf, Menschen mit Kerzen kommen, betreten die Kirche, treten vor den blumengeschmückten Epitafios, begleitet von klagenden Kirchengesängen. Warten dann vor der Kirche so wie wir auch. Gegen neun Uhr wird der Epitafios dann aus der Kirche getragen. Kinder in kirchlichen Gewändern und der Chor voraus. Es geht langsam entlang der Paralia zur Platia Iroon. Die Straße ist knallvoll von Leuten, kein Überholen möglich. Wir gehen durch eine Seitengasse zur Platia, wo schon ein weiterer Epitafios eingetroffen ist und eine Blaskapelle Aufstellung genommen hat. Sie spielt äußerst schräg und äußerst traurig, wieder einmal fühlen wir uns an eine Beerdigung in New Orleans erinnert.

 

Hinter „unserem“ Epitafios trifft ein weiterer ein, und von rechts kommt auch einer, so dass schließlich vier Epitafii rechts und links des Denkmales auf der Platia stehen. Eine kurze Rede, oder ein Segen, von wem sehe ich nicht, ich vermute aber von einem der kirchlichen Würdeträger. Das war dann wohl auch der Höhepunkt der Veranstaltung, die Leute streben in die Tavernen, die vorhin schon überall eingedeckt wurden. Wir sind inzwischen auch hungrig, aber wir kriegen wohl keinen Tisch hier an der Platia – da hätten wir reservieren müssen.

Unglaublich: eigentlich wird in der Karwoche, aber vor allem am Karfreitag, in Griechenland streng gefastet: es gibt kein Öl, und auch keinen Fisch. Fleisch und tierische Produkte sowieso nicht. Erlaubt sind noch Meeresfrüchte, die kein Blut haben wie Oktapodia und Muscheln. Aber als wir noch einen Tisch in der weiter östlich gelegenen Taverne „Karavella“ bekommen, finden wir uns inmitten Fisch schlemmender Griechen, die es zum Ende der Fastenzeit kulinarisch mindestens so krachen lassen wie zum Auftakt am Kathara Deftera auf Skyros.

Wir ordern leckere Fava, Artischockengemüse und Gigantes – reichliche Portionen, die kaum zu verputzen sind – und einen halben Liter Weißwein (Rotwein geht in der Fastenzeit auch nicht) für gerade mal zwanzig Euro. Und staunen darüber, wie unterschiedlich in verschiedenen Regionen die Fastenzeit und der Karfreitag gehandhabt werden.

 

An der Paralia promenieren die Leute, die Boote pendeln von der Peloponnes herüber, es ist brechend voll. Es scheint üblich zu sein, auch von weiter her am Megali Paraskevi nach Poros zu kommen um hier zu essen. Eigentlich kann in der Osternacht auch nicht viel mehr los sein!

 

Da sind wir mal gespannt...

 

* Ich meinte die Singularinseln - Pluralinseln wechseln wohl das Geschlecht und werden männlich. OK so, Günter?