Von Kerkyra nach Paleokastritsa

Die Sonne ist gerade untergegangen als wir im Anflug auf Korfu noch die Umrisse der Insel Erikoussa sehen können – eines unserer Ziele. Und dahinter Othoni, mehr zu erahnen als zu sehen. Eine große Schleife über Korfus Süden bringt uns dann auf die spektakulär nah am, fast im Wasser gelegene Landebahn, einen schnellen Blick auf die Mäuseinsel können wir erhaschen, dann sind wir unten.

Mit dem Taxi geht es für zehn Euro in Kerkyras Innenstadt, in das Hotel „Konstantinoupolis“, das am alten Hafen liegt. Mit dem Aufzug Modell „Jahrhundertwende“ (aber nicht die letzte!) geht es in den ersten Stock, wo uns eine deutsch-, oder vielmehr: österreichisch-sprechende Rezeptionistin empfängt. Das Zimmer ist geräumig und ordentlich, sogar mit Badewanne, wir sind zufrieden, ziehen aber gleich wieder los, zunächst zum neuen Hafen um Sicherheit zu bekommen, dass keine Fähre morgen ab Kerkyra auf die Diapontischen fährt. Im Reiseführer war noch der alte Hafen als Abfahrtsort verzeichnet, aber da fährt nichts, denn Bauarbeiten bestimmen dort das Bild. In den diversen Reisebüros und an den Ständen der Igoumenitsa-Fähren hat man keinen Ahnung, Othoni und Co. liegen auch hier völlig außerhalb des Horizontes. Die Hafenpolizei kann uns aber weiterhelfen: Nein, keine Verbindung am Sonntag ab Kerkyra, sie bestätigt aber die Fähre am Montag ab Paleokastritsa. Bestens.

 

Nun noch den Busbahnhof orten (er liegt hinter der Neuen Festung unweit des neuen Hafens) und die Abfahrtszeiten nach Paleokastritsa eruieren. Unterwegs essen wir in einem unscheinbaren Imbiss-Lokal sehr lecker, finden dann den recht verlassenen Busbahnhof (es ist schon nach 22 Uhr) mit einen vollkommen unübersichtlichen Fahrplan – keine Ahnung wann der Bus fährt. Zum Glück weiß ein Einheimischer mehr, sonntags fahren nicht so viele Busse, aber um 16 Uhr geht einer, das passt. Es ist noch unheimlich lau, fast schwül, und wie wir weiter Richtung Altstadt bummeln und uns ein wenig verlaufen, fängt es doch tatsächlich an zu tröpfeln. Die Schirme (Korfu verzeichnet statistisch 4 Regentage im September) liegen gut im Hotelzimmer, zum Glück haben wir ein Dach aus Bäumen über uns. Es ist schon 23.30 Uhr als wir die Esplanade, die Promeniermeile von Kerkyra erreichen. Unter den Arkaden steppt der Bär, mehr Leute sitzen in den Cafés als am Verkaufsoffenen Sonntag in Stuttgart...

Wir sind aber erst mal müde, suchen uns durch die labyrinthischen Gässchen den Weg zum Hotel und sinken bald in Morfeas’ Arme...

Das Frühstück im Hotel kostet 8 Euro pro Person, eigentlich sind wir gar nicht so hungrig und suche erst im Ort einen netten Frühstücksplatz. Haben aber kein Glück, es ist noch zu früh und fast nix offen, nur vorne an der Esplanade, da sind die Preise so dass wir die Hotelpreise dann doch wieder günstig finden (auch weil wir inzwischen hungriger geworden sind). Also zurück ins Hotel, das vor allem von Engländern frequentiert wird – ein größere Gruppe bekommt gerade eine Einführung vom Reiseleiter – und deshalb Würstchen, Speck und Spiegeleier bietet, neben der typischen Plastikwurst (wir verzichten) und brauchbarem Käse, Marmelade, Honig, Joghurt etc..

So gestärkt packen wir im Zimmer unsere Sachen zusammen und sehen, dass sich am gegenüberliegenden Platz eine Zeremonie anbahnt: Soldaten (Matrosen) mit Gewehren sind erschienen, ein Pappas ist auch da, Kränze liegen bereit, Männer im Anzug erscheinen, auch eine Frau dabei. Und was es geht können wir nicht feststellen (20. September?), auch die Rezeptionistin hat keine Ahnung. Angesichts derart zur Schau getragener Pseudo-Wehrhaftigkeit (gezückte Säbel, präsentierte Gewehre) überkommt uns Heiterkeit. Von der einen Seite kommt jeweils ein Matrose, nimmt einen der Kränze, übergibt ihn an einen Honoratior (Politiker?), der ihn wiederum in der Mitte des Platzes an einem Denkmal niederlegt. Als die Zeremonie beendet ist, will ich mir den Niederlegensort genauer ansehen, da stehen aber noch vier Matrosen, aus den Soldatenhelmen in deren Hand raucht Weihrauch. Nicht alle Kränze wurden gebraucht, liegen verlassen am Rand des Platzes, Lautsprecher und Co werden ratzfatz abgebaut, der Spuk ist vorbei.

Wir können unser Gepäck bis zum Nachmittag im Hotel lassen, und ziehen los, zunächst zur neuen Festung. Sie kostet 3 Euro Eintritt, und es sind nur wenig Leute dort. Ein recht imposantes Bauwerk, aus dem 16. Jahrhundert, und am besten ist der Blick über die Stadt mit ihrer für uns völlig ungriechischen, eher italienisch anmutenden Architektur. Hat aber auch was, das muss man sagen, ist ja auch UNESCO-Weltkulturerbe. Eine schmale Metalltreppe geht es hinauf in das oberste Stockwerk, hier hat man den besten Blick, fehlt nur noch dass ein Flugzeug über uns herein landet....

Das Wetter ist noch nicht so recht überzeugend, aber immerhin regnet es nicht.

Wieder unten verlaufen wir uns in den Altstadtgassen, finden faszinierende halbe Gebäude, halbabgerissene Kirchen, bunte Kirchenfähnchen, bekommen den korfutypische Kumquatlikör angeboten (zu süss), geraten ins Touristengetümmel (vorwiegend griechische Gruppen) und landen an der Kirche Agios Spiridonas, der des Inselheiligen. Ein Taufe findet statt, der Täufling brüllt sich nach dem traumatischen Untertaucherlebnis fast die Seele aus dem Leib und will sich auch nicht beruhigen, die Verwandtschaft ist irre aufgebrezelt (Darf man eigentlich schulterfrei in eine Kirche? Von wegen decently dressed?) und mit Videos und Fotoapparaten ausgestattet.

Mit fortschreitender Stunde wird die Stadt voller, die Kellner und Verkäufer aufdringlicher, und wir den Rummel müder. Wir ziehen uns auf einen Frappé nach Faliraki in die Cafe-Bar „En Plo“ zurück (Klaus Bötig Tipp), die liegt wunderbar direkt am Wasser, und pflichtgemäß fahren auch gleich ein paar Fähren vorbei. Toller Platz zum Ausruhen (neudeutsch: Chillen). Nebenan ist übrigens ein Strandbad, ein Mini-Teil, kostet Eintritt – einen fußläufig zu erreichenden Strand hat Kerkyra nicht zu bieten.

Dann müssen wir uns auf den Weg ins Hotel machen, und mit den Trolleys weiter zum Busbahnhof. Die Busabfahrtszeiten stehen – was wir heute Nacht nicht bemerken konnten – jeweils an Kopfseiten der Bussteile, 16 Uhr hatte uns die Rezeptionistin auch noch bestätigt. Das Ticket nach Paleokastritsa kostet 2,10 Euro pro Person, und der Bus fährt pünktlich los, erst den Hafen entlang, dann vorbei an Kontokali und dort ins Inselinnere nach Westen. Wir staunen wie grün Korfu ist....

Nach einer halben Stunde Fahrt schlängelt sich die Straße an der Küste entlang abwärts, Paleokastritsa ist erreicht. Der „schönste Ort Korfus“ ist eigentlich kein Ort, sondern eine über mehrere Kilometer verteilte, nicht unschöne Ansammlung von Hotels und Pensionen in Zypressen- und Olivenwäldern, drei übersichtlichen Stränden ganz unten, und dem Kloster Panagia Theotokou auf einer steilen Halbinsel über dem Meer. Weil so ziemlich jeder Korfureisende hier gewesen sein muss (ich auch vor 19 Jahren bei einem Tag Korfu), ist hier ein ordentlicher Auftrieb (ein riesiger Parkplatz - jetzt fast leer - weist darauf hin dass es hier noch viel voller sein kann), dabei hat es eigentlich gar keinen Platz hier unten zwischen den beiden schmalen Stränden, und außer Tavernen und Hotels auch nicht viel zu sehen.

 

Ich begebe mich auf Quartiersuche, wir wollen allerdings nicht wieder die Straße hinauf, denn unser Boot morgen muss hier unten irgendwo abfahren. Im ersten Hotel wird für das Doppelzimmer 65 Euro verlangt, mit Frühstück zwar, aber ob uns das Zimmer gefällt, soll ich anhand eines Prospektes entscheiden. Nein, das gefällt mir nicht! Schließlich landen wir im „Astacos“, auch noch stolze 50 Euro für das Zimmer, aber es ist geräumig und sauber, mit Küche (brauchen wir nicht), und dieses Korfu scheint sowieso ein teures Pflaster zu sein. Egal, davon lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen, ohne Geld kein Urlaub, da ist nix zu wollen.

Nachdem der Strand sich nach 18 Uhr deutlich entvölkert hat, springe ich noch schnell ins 25°C warme Meer, super!

Zur Unterkunft gehört auch eine Taverne, und dort essen wir sehr gut zu Abend: Sofrito, die Inselspezialität, eine Art Sauerbraten, dazu vom Hause selbst produzierter Weißwein, sehr süffig und lecker!

Dadurch entgeht uns wohl auch, dass wir von einer ganzen Schar Steckmücken belagert werden, die Beine sind voller Stiche am nächsten Tag. Und die blutgierigen Viecher werden während des ganzen Urlaubes ein Problem sein...

Der Wecker klingelt früh, es ist noch dunkel draußen. Nein, das Schiff fährt nicht so früh, aber das Kloster Panagia Theotokou hat schon ab 7 Uhr geöffnet, und da wollen wir noch eben hinauf vor dem Frühstück. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, dadurch dass Korfu ganz im Westen der Zeitzone liegt, geht sie erst recht spät auf und unter.

Am Fuße des Hügels sehen wir nun, warum die Busse alle warten ehe sie hinauf zum Kloster fahren: die Zufahrt ist ampelgeregelt, denn zwei Busse können unterwegs nicht aneinander vorbei. Lässt auf hohes Verkehrsaufkommen schließen... In 15 Minuten sind wir oben, die Sonne geht gerade auf. Das Kloster ist offen, es scheint niemand da. In der Klosterkirche allerdings findet gerade ein Gottesdienst statt, drei Mönche, und drei Frauen, kniend, den Kopf verhüllt. Wir haben ordnungsgemäß einen Rock an, die Schultern bedeckt, aber Kopftuch? Weihrauchschwenkend fuhrwerkt der Priester um die Ikonostase herum, die orthodoxe Liturgie bleibt mir fremd, schade dass ich den Vortrag über Orthodoxie nächste Woche in unserer DGG verpasse. Wir wollen nicht länger stören und gehen wieder hinaus. Das angeschlossenen kleine Museum hat noch zu, ein paar Katzen toben durch die Anlage. Eine davon ist auch in die Kirche eingedrungen, hat es sich bei den Kerzen bequem gemacht, wird aber von einem der Mönche liebevoll entfernt.

Wir spazieren wieder hinunter, holen Brot in der Bäckerei (Modell flaumig-kätschig) und frühstücken auf dem Balkon. Schon um 9 Uhr kommen die ersten Busse, verfrachten ihre Ladung entweder zum Kloster hinauf oder auf die kleinen Boote, die Ausflugsfahrten entlang der Küste in die Höhlen anbieten. Die Souvenir- und Badezubehörverkäufer bestücken ihre Stände. Paleokastritsa, ein Ort zum Urlaub machen? Nachts ist es ja sehr ruhig, aber tagsüber...

Wir sehen zu, dass wir zum 5 Minuten entfernten kleine Hafen kommen. Dort liegen Glasbodenboote und zu mietende Motorboote, und außerdem die „Πηγασος“ (ich übersetze das η mal schnöde mit e und nenne sie „Pegasos“). Groß ist sie nicht, vielleicht 15 Meter lang, aber das geflügelte Pferd auf der Seite flösst Vertrauen ein. Wir wissen zum Glück noch nicht, dass wir mit ihr die übelste Überfahrt unseres Lebens erleben werden, fragen nach dem Zielort „Eríkoussa?“, und steigen nach nickendem Bestätigen ein. Das Gepäck auf die kleine Freifläche hinten, zwischen Kohlköpfen, Wasserflaschen, Melonen, Brotsäcken. Fast kein Platz für Passagiere mehr draußen, wir gehen in den kleinen Passagierraum, es stinkt nach Abgas. Na super.

Knapp zwei Handvoll Passagiere auf dem Schiff, drei Mann Besatzung, los geht’s.

Vorne hängt ein Plakat von Othoní, sieht sehr hübsch aus, die Vorfreude steigt. Und wir disponieren ganz schnell um: zuerst nach Othoni, dann am Freitag nach Erikoussa. Denn die „Pegasos“ fährt die Route montags und freitags jeweils in entgegengesetzer Richtung, und so haben wir mehr Zeit auf dem größeren Othoni. Eine Wahl, die wir nicht bereuen werden.

 

Pame stous Othonous….

September 2009