In den Inselnorden nach Exogi und Frikes

Bevor wir in den Inselnorden aufbrechen, wollen wir dem volkskundlich-maritimen Museum in Vathy einen Besuch abstatten und fahren hinunter in die Stadt. Laut den Informationen, die ich aus dem Internet habe, müsste es geöffnet haben, aber die Türe ist zu, und es stehen auch keine Öffnungszeiten dran. Griechenland in der Vorsaison halt. Schade.

 

Also dann ab in den Norden. Nach der Brosaetou-Bucht steigt die Straße in Serpentinen an, die Landenge erreicht bei Hani, wo es eine Taverne gibt, die höchste Stelle. Heute Abend soll es dort laut einem Aushang kretische Live-Musik geben. Kretische Live-Musik auf den Ionischen Inseln - gibt es hier denn keine traditionelle Musik von Ithaki? Ich hab noch keine gehört. :-(

Danach teilt sich die Straße: rechts geht es nach Anoghí und zum Kloster Katharon. Das heben wir uns für morgen auf und wählen die linke Straße. Langgestreckt liegt Kefalonia jenseits des Steno Ithakis, im Norden vergleichsweise flach und landschaftlich wenig aufregend.

 

Im langen Weiler Lefki parken zwei schnuckelige Dreiräder, auf mehr oder weniger lange Zeit abgestellt, aber schon teilweise überwachsen. Tolles Fotomotiv! Und dann merke ich, dass ich die Abzweigung zum Aspros-Gialos-Strand schon verpasst habe, und wir wenden. Kurz darauf geht eine schmale Straße rechts hinab, ziemlich lang, mit einer erneuten Abzweigung nach rechts zum gewünschten Strand. Die Straße geht aber weiter, bis zum Weiler Agios Ioannis, und als Piste (nicht mehr befahrbar!) wieder bis zur Hauptstraße bei Hani.

Das ist uns aber egal, denn wir wollen baden, und parken oberhalb des Aspros-Gialos-Strandes und gehen auf einem schmalen, aber gepflasterten Weg hinab zu Küste. Vor uns liegt ein zweihundert Meter langer weißer Kieselstrand, dahinter eine große Villa in einem üppigen Garten (laut MM-Reiseführer soll es hier eine Straußenfamilie geben, wir hören aber Pfauenschreie und vermuten eine Verwechslung - Strauße brauchen offenes Land und viel Platz - hier hat es Wald und viel Hang).

Der Strand ist mit den großen Kieseln nicht sehr bequem, aber es ist niemand da (na, im Hintergrund knattert eine Motorsäge, aber die ist weit weg) und so kann das Bad lediglich mit Badeschuhen bekleidet stattfinden. Kühle zwanzig Grad misst mein Badethermometer, und das Wasser ist herrlich klar.

Ist das schön hier!

Im Sommer drängen sich hier vermutlich die Menschen, und die Autos entlang der Zufahrtsstraße. Am Rande des Strandes stapeln sich Liegen, die dann zum Einsatz kommen werden.

Es geht noch nichts über Vorsaison.

Erfrischt fahren wir wieder bergwärts. Wir wollen nun nach Stavros, ins archäologische Museum. An der schattigen Platia parken wir und stellen wie vor zwei Tagen bei der Durchfahrt fest, dass Stavros ein quicklebendiger griechischer Ort ist, jenseits touristischer Klischeevorstellungen. 

Das Museum liegt allerdings nicht in Stavros selbst, auch wenn dies manchmal bequemlichkeitshalber so angegeben ist (und auch wir fallen darauf herein) sondern in Pelikata etwas weiter nördlich (der Ort ist in unserer Landkarte nicht einmal eingezeichnet). Dort ist das Museum ausgeschildert, und wir finden es tatsächlich geöffnet (meist bis 15 Uhr, Eintritt frei). Es gibt zahlreiche Fundstücke aus Ithakis Geschichte in dem Einraum-Museum. Die meisten der Funde stammen aus der Loïzos-Höhle westlich von Stavros, die inzwischen durch ein Erdbeben verschüttet ist. Wichtigstes Fundstück, und damit auch Museumsstück ist eine Scherbe mit der Inschrift "„ΕΥΧΗΝ ΟΔΥΣΣΕΙ“ = dem Odysseus geweiht, womit man auf Ithaki belegen will, dass man wirklich die Insel des Odysseus ist. Weniger lokalpatriotisch gesehen beweist die Scherbe aus dem 2. oder 1. Jahrhundert vor Christus aber nur, dass Odysseus damals schon hier verehrt wurde. Die Inschrift findet man aber immer wieder stolz angebracht auf (modernen) Stücken der Insel, zum Beispiel an der Odysseus-Büste an der Platia in Stavros. Und es gibt T-Shirts damit, Postkarten etc.


Der Ort Exogi liegt über uns auf oder vielmehr an einem steilen Bergkegel. Einige Wandermöglichkeiten gibt es hier, aber danach steht unser Sinne heute nicht, heute machen wir es uns bequem. Und als auf der Fahrt nach Exogi rechts ein Wegweiser auf die "Schule Homers" hinweist, stellen wir das Auto faul nicht ab, sondern holpern auf der löchrigen Strecke den knappen Kilometer bis zum vermeintlichen Lehrort Homers.

 

Ein idyllischer Ort an und für sich - mit zirpenden Zykladen erstreckt er sich über mehrere Terrassen und bietet einem schönen Blick auf die Nordküste, aber alle Fundstücke sind durch höchst prosaische Bretterverschläge abgedeckt oder hinter löchrige Lattenzäunen gesperrt - das Ganze hat mehr das Flair eines Schafstalles. Riecht nur angenehmer. Natürlich hat Homer hier nicht wirklich unterrichtet (seine Existenz als eine reale Person ist bis heute nicht bewiesen), vielmehr ist der Ort die dritte Möglichkeit wo der Palast Odysseus' gestanden haben könnte (neben dem nahen Hügel von Pelikata und dem Berg Aetos am Isthmos). Die Abdeckungen und Bretter verstecken Reste einer Siedlung aus dem 6. und 5. vorchristlichen Jahrhundert, ganz oben mit den Ruinen der Kapelle Agios Athanasios, ganz unten mit einem Loch hinter einem Felsen, in dem sich ein Brunnen verbergen soll.

Als Ziel einer Wanderung wäre das Ensemble doch eher enttäuschend, und so zuckeln wir zurück zur Hauptstraße und nehmen den Anstieg nach Exoghí unter die Räder. Die schlechter werdende Straße windet sich in einigen Serpentinen auf 350 Meter hinauf, und der Blick auf die zwischen den drei Buchten von Polis, Asfales und Frikes liegende grüne Ebene von Stavros und Platrithias ist schön. Wir parken an der Kirche Agia Marina mit einer eigenwilligen, schraubenförmigen Treppe zum Glockenturm und schlendern bergwärts, wo es irgendwo "Pyramiden" geben soll.

 

Exoghi ist ein kleines Dorf ohne Läden und Tavernen, es hat gerade mal 40 Einwohner, und jetzt in der Mittagszeit liegt es völlig verlassen da. Ruinen wechseln sich mit kleinen Häusern ab, gepflegte Gärten, wuchernde Wildnis und Weinberge dekorieren das Ganze. Wer den Anfahrtsweg von unten nicht scheut, kann sich hier auch eine Immobilie kaufen, ein kleines Steinhäuschen für 150.000 Euro (die Maklerin Erika Bach betreibt auch die höchst informative Ithaki-Website http://ww.ithacagreece.com mit News von der Insel und zahlreichen Quartieren, Restaurants etc. - sehr empfehlenswert!). Für 30m² ist uns das etwas zu teuer (da wollten wir schon Meeresnähe), aber die Immobilienpreise auf Ithaki scheinen auch nicht die niedrigsten zu sein.

Die ausgeschilderten Pyramiden finden wir beim Friedhof am oberen Ortsende, wo die Straße noch weiter geht bis zum Kloster Panagias. Pyramiden - da assoziiert man jetzt vielleicht etwas falsch: es handelt sich um eine kleine spitze steinernen Pyramide und daneben einen mehrere Meter hohen Turm aus aufeinander gestapelten Steinscheiben (Mühlesteine?). Der Künstler Efstathios Raftopoulos hat sie errichtet, und wir finden das phallusähnliche Teil durchaus beeindruckend. Unten im Tal soll es bei einem kleinen Museum noch mehr solche Obelisken geben, wir werden sie nachher suchen.

 

Aber am schönsten ist die Aussicht, leider etwas von Bäumen versperrt. Die Asfales-Bucht im Norden mit ihren hellen steilen Küsten und den darunterliegenden Stränden, meist nur mit dem Boot zu erreichen, in der Ferne Lefkada und Meganisi. Nach Süden hin liegt, von hier aus nur mäßig hoch wirkend, der Berg Nirito. Ihn möchte ich morgen erklimmen.

Es ist schon drei Uhr, der Hunger meldet sich. Hier oben gibt es nichts, Zeit also, unser nächstes Ziel Frikes anzusteuern. Die Straße hinab bis Stavros ist die Wegführung am einfachsten, und von dort sind es nur noch drei Kilometer bis Frikes, wo wir das Auto am Hafen abstellen. Die Tavernen und Cafés entlang der Paralia sind gut gefüllt, fast sind wir erschrocken über die plötzlichen Menschenmengen. Sie kommen von einem größeren Ausflugsboot namens "Eptanisos" und vermutlich von Lefkada. Es sind Italiener und Engländer, aber auch einige Griechen. Wir setzen uns auf die durch Plastikplanen windgeschützte Terrasse der Taverne "Odysseas", wo uns der Kellner zuerst fragt, ob wir zum Schiff gehören. Dann müsste er sich nämlich beeilen, das fährt um dreiviertelvier wieder weg, wie prompt durch ein Hupsignal unterstrichen wird, auf das hin sich die Lokalitäten zügig leeren. Nein, wir haben Zeit, und bestellen Tomaten- und Zucchinibällchen und eine Portion Fava. Die Fava ist gut, die Zucchinibällchen auch, nur die Tomatenkeftedes sind eher so lala.

Nachdem das Ausflugsschiff abgefahren ist, ist die Paralia leer, und im benachbarten Souvenirgeschäft wird die Auslage reingeschoben. Fast haben wir Angst, dass der Kellner uns bittet zu gehen, damit er seine Siesta machen kann. Aber natürlich nichts davon.

Wir spazieren noch ein wenig durch den Ort, bummeln am Ufer entlang. Die Tavernen rüsten sich für die Saison - da dürfte ordentlich was los sein! Ja, nett hier (und ich werde es netter als das herausgeputzte Kioni finden, das wir am nächsten Tag besuchen). Aber Vathy ist als Standquartier völlig in Ordnung. Wer einen Badestrand sucht, muss aber in eine der Nachbarbuchten, direkt in Frikes gibt es keine Möglichkeit.

Bevor wir uns auf die Heimfahrt in den Inselsüden machen, wollen wir noch das kleine volkskundliche Freilichtmuseum in Kolieri besuchen, wo die weiteren Obelisken von Efstathios " Stathis" Raftopoulos stehen. Leider verlieren wir uns im Straßengewirr um Platrithias, finden Kolieri nirgends angeschrieben (die Wegweiser sind auf Ithaki oft so ausgebleibt, dass man sie nicht mehr lesen kann), und passieren bei unseren Suchrunden gleich zweimal Stavros. 

Schließlich fragen wir eine Frau, und bekommen den Hinweis auf eine Abzweigung bei einem Restaurant, die wir bisher immer übersehen haben, da sie im spitzen Winkel gegen unsere Fahrtrichtung geht, und von der hohen Vegetation verdeckt wird. Da ist dann sogar ein Wegweiser auf Kolieri und Kalamos. Und schon nach ein paar Metern schlechter Straße ragen vor uns die zwei Kegel empor: ein höherer und ein niedriger, aus grauen Mühlsteinen, drei bis fünf Meter hoch. Sie sind den Generationen gewidmet, die Ithaki kultiviert haben. Daneben hat es in einem kleine Hof einige Bronzeplastiken: Odysseus natürlich, ein Löwe, ein Pferd, eine Afrodite. Etwas landwirtschaftliches Gerät dazwischen. Nicht unser Geschmack, aber die Steinkegel gefallen mir. Leider konnte ich über Raftopoulos nicht mehr in Erfahrung bringen, er scheint aber Australier mit Wurzeln aus Thiaki zu sein, und die Pyramiden in Exogi scheinen etwas mit dem Grab eines John Pappas (Giannis Papadopoulos) zu tun zu haben.

Von Kolieri kann man der Straße noch bis Kalamos folgen, wo es eine Quelle gibt (schön gemauert und mit einem Raftopoulos-Gedicht versehen). Wenn man aus dieser trinkt, dann kehrt man nach Ithaki zurück. Mist, den Abstecher haben wir versäumt - ich hoffe, dass es trotzdem etwas mit dem Wiedersehen wird.

Über Stavros (mit Blick auf die Bucht von Polis - wir fahren aber nicht hinab) und die Westküste geht es zurück nach Vathy.

Ein prallvoller Tag, die zahlreichen Eindrücke müssen erst mal verdaut werden. Und weil das späte Mittagessen uns immer noch sättigt, fällt das Abendessen zugunsten von ein paar Gläschen Wein auf dem Balkon aus. Die in der Bucht liegenden Segelboote drehen sich dekorativ parallel zur Strömung, die Abendstimmung ist so friedlich.

Ithaki ist schön.

Später gehe ich alleine noch auf einen Raki hinunter an die Paralia. Es ist Samstagabend, und es ist neun Uhr vorbei, und trotzdem sind die Tavernen und Cafés nur dünn besetzt. Für die Vorsaison sind viele Taverne geöffent - die Konkurrenz ist (zu?) groß.

Vom Scheitel der Bucht aus sieht man die Spiegelung des Nirito auf der ruhigen Meeresoberfläche.

Ich setzte mich vor eine der Bars auf der östlichen Buchtseite, wo sich das Nachtleben abspielt, und werde eine Viertelstunde lang nicht bemerkt und bedient. Gut, dann eben nicht. So trinke ich meinen Raki eben bei "Kantouni". Die Zahl der Gäste hat sich nicht erhöht, die Segler essen eher früh, und die Griechen habe im fünften Krisenjahr kein Geld zum Ausgeh/ben.

 

So steige ich in der milden Nacht wieder zu unserem Veronis Apartment hinauf und freue mich auf morgen. Da will ich auf den Gipfel.