Es ist schon am Sonntagmorgen so sonnig, dass wir auf unserem Balkon frühstücken können.
Die hell strahlende und nicht abschaltbare Leuchte über dem Eingang zu unserem Apartment decken wir auf Wunsch einer durch deren Strahlkraft um den Nachtschlaf gebrachten Nachbarin jede Nacht mit einer Papiertüte ab.
Ich möchte heute unbedingt noch zum Kloster Tharri und nach Asklipio im Südteil der Insel. Wir wollen auf Umwegen dorthin fahren, und starten kurz nach zehn Uhr entlang der Westküste. Barbara fährt.
Als wir Rhodos-Stadt verlassen haben, leuchte eine Kontrollleuchte im Display des Wagen auf: der Reifendruck. Da trifft es sich gut, dass wir sowieso noch tanken müssen. In Ialyssos füllen wir für 25 Euro Sprit nach und lassen den Reifendruck messen und nachfüllen. Weiter geht es dann bis hinter Soroni. Dann ist das Reifendrucklicht wieder da, ergänzt durch ein Warndreieck-Licht. Upps.
Wir sind auf der Höhe der Kapelle Agios Silas und halten an, um uns die Sache von außen anzusehen. Barbara ist sicher, dass der Reifen vorne rechts Luft verloren hat. Außerdem funktioniert das linke Bremslicht nicht. Nach mehreren vergeblichen Versuchen - kein Empfang - erreichen wir schließlich unseren Autoverleiher Izet. Nein, das sei kein Problem, wir könnten weiterfahren, und sollten halt gelegentlich den Reifendruck nachfüllen. Ähm, wir wollen jetzt ins dünn besiedelte Inselinnere und finden das keinen gute Idee. Gut, dann sollten wir zurückkommen, er würde uns einen anderen Wagen geben.
Schlechter Laune macht sich breit auf die Rückfahrt. Es ist fast Mittag, als wir wieder in Rhodos-Stadt sind, wo Izet uns den Wagen gegen einen anderen Fiat Panda tauscht. Gleiche Farbe, ähnlicher Kilometerstand, gleiche Tankfüllung wie bei der Übergabe vor fünf Tagen, also etwa ein Viertel voll. Ich moniere, dass wir gerade für 25 Euro Sprit nachgefüllt hätten, und dass es schon etwas spät wäre um jetzt nochmals gen Tharri loszufahren. Gut, wir könnten das Auto ohne Aufpreis auch morgen noch nutzen. Sollen Beschied geben, wenn er es am Athanasios-Tor abholen soll.
Kein optimaler Deal für uns: Barbara will morgen lieber ins Rhodos-Stadt bleiben, und wenn ich in den Süden will, muss ich trotzdem nochmal nachtanken. Aber die 15, zwanzig Euro bringen uns jetzt auch nicht um, und morgen sehen wir weiter. Wir parken den Wagen am Athanasios-Tor und kehren ins Quartier zurück.
Richten uns auf einen faulen , aber sonnigen Nachmittag auf der Dachterrasse ein, beschallt vom nahen Fußballstadion. Pittes vom Bäcker stillen den Hunger. Auch mal schön so.
Gegen drei Uhr brechen wir dann Richtung Strand auf, denn ich will nun meinen Badevorsatz in die Tat umsetzen. Durch die Altstadt - auch am Sonntag leer wie gewohnt - bummeln wir vorbei am Mandraki-Hafen zum Elli-Strand. Da sind mir aber zu viele neugierige Blicke vom Café, also weiter bis fast zur Nordspitze. Heute hat es hier keine Badegäste, die sind wohl schon wieder zuhause. Als sich eine Wolke vor die Sonne schiebt, kommt mein Badevorsatz beinahe ins Wanken. Nein, keine Ausrede: Jetzt oder nie!
Im Schatten der verlassenen Imbissbude ziehe ich mich um und stürme dann zügig dem Meer zu. Barbara hat keine Badegelüste, begleitet mich aber moralisch und dokumentiert mein Winterschwimmen. Leider ist mein Badethermometer vor ein paar Tagen abgestürzt und zerbrochen, so dass ich die Wassertemperatur nicht messen kann. Bevor es mir zu frisch werden kann, tauche ich zügig die Fluten ein. Es ist weniger kalt als befürchtet, da war das Meer am 1. Mai auf Astypalea kälter. Ich schätze mal auf knapp 18 Grad. Und eigentlich herrlich.
Ein ausgedehntes Badevergnügen wird es aber trotzdem nicht, schon nach ein paar Minuten geht es wieder raus. Mission Winterschwimmen erfüllt. Luft und Wasser haben etwa die gleiche Temperatur, das ist nicht unangenehm. Trotzdem schlüpfe ich schnell wieder in trockene Klamotten, die Sonne kommt erst kurz darauf hinter den Wolken hervor. Und ich fühle mich wunderbar erfrischt.
Wir gehen zurück zum Mandraki-Hafen und auf der anderen Seite an den Windmühlen vorbei bis zum Kastell Agios Nikolaos, hinter dem vorhin die "Blue Star II" vorbeigedampft ist. Auch nach vielen Jahren auf den griechischen Inseln erfüllen vorbeiziehende Fähren mein Herz mit Freude und Fernweh.
Erstaunlich viele nutzen den nun wieder sonnigen Nachmittag für den gleichen Bummel entlang der Marina. Das Kastell ist aber verschlossen, nicht nur saisonal. Es schützte die Hafeneinfahrt und konnte auch von den Osmanen bei der Belagerung 1480 nicht eingenommen werden.
Unter einem Bogen an der der Mole hat jemand ein veritables Katzennest eingerichtet, das von den Tieren gut frequentiert wird. Jetzt wird es sogar von der Nachmittagssonne beschienen.
Ich finde, es gibt zu viele Katzen in Rhodos-Stadt. Trotz vorhandener Tierschutzvereine, die sich auch Kastrationsprogramme auf die Fahnen geschrieben haben. Immerhin sind alle Tiere, die wir gesehen haben, in recht properem Zustand.
Den Sonnenuntergang genießen wir dann wieder auf unserer Dachterrasse. Wer hätte gedacht, dass das Wetter im Januar so schön sein könnte, dass wir sie benutzen können. Wenn die Sonne weg ist, wird es aber schnell kühl. Ist halt doch Winter.
Am Abend kehren wir nochmal im "Zebrano" ein und heben uns das "Drosoulites" für morgen auf.
Den Wein bestellen wir heute nur glasweise, dazu Humus, Caponata-Salat und Dolmadakia und eine Brotauswahl. Sättigt völlig ausreichend, und schmeckt wieder ausgezeichnet. Mit 40 Euro sind wir auch wieder im preislich im Rahmen, und zufrieden.
*
Auch am Montagmorgen genießen wir das Frühstück auf dem Balkon. Es ist der letzte Rhodos-Tag, und morgen müssen wir früh raus. Sehr früh.
Barbara und ich gehen heute getrennte Wege. Sie möchte noch etwas bummeln und entspannen. Ich möchte den Besuch von Kloster Tharri nachholen. Ich starte um Viertel nach neun, die Tankanzeige zeigt einen Strich und eine Reichweite von 150 Kilometern an. Ob das reichen wird?
Anders als gestern entscheide ich mich für die Anfahrt entlang der Ostküste, und tanke doch lieber prophylaktisch für zehn Euro irgendwo bei Faliraki. Bei Benzinpreisen von knapp zwei Euro erhöht das den Aktionsradius nur unwesentlich, sollte aber reichen.
Ich freue mich, so in den sonnigen Tag hineinzufahren. Die Strecke kenne ich mittlerweise ja recht gut bis Lindos, biege aber vorher schon ab ins Landesinneren, über Lardos nach Laerma. Die Gegend wird einsamer, hügeliger und waldreicher, durchaus idyllisch. In Laerma dann links ab, Kloster Tharri ist angeschrieben. Nach fünf Kilometern auf einer kurvigen Strecke erreiche ich es, es ist inzwischen halb elf.
Kloster Thárri (manchmal auch Thari, aber die griechische Schreibweise ist mit Doppel-R) ist ein altes Kloster, das bis in die 1990-Jahre verlassen war, inzwischen aber wieder von Mönchen bewohnt wird. Die Kirche soll von einer byzantinischen Prinzessin gegründet worden sein, die es sterbenskrank dorthin verschlug und der im Traum der Erzengel Michael erschien und ihr Mut machte: Θάρσει, θα γίνεις καλά/tharsi, tha jinei kala - habe Mut, es wird gut werden. Und sie wurde geheilt.
So wurde um im 9. Jahrhundert die Kirche gebaut, die dem Erzengel Michael geweiht ist.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstand auch das Kloster. Damals wurde die Kirche umgebaut und mit Fresken ausgemalt, die später ergänzt wurden.
Ich stelle das Auto auf dem großen Parkplatz neben einem zweiten ab und nähere mich zögerlich dem Tor. Es ist geöffnet, und offeriert eine ummauerte, sehr gepflegte Anlage mit frischem Rasengrün, die sich leicht abwärts über eine sonnige Terrasse erstreckt. Rechter Hand steht ein bombastische Glockengestell, fast schon brutal in seiner Größe. Durch ein zweites Tor betrete ich das Innere des Klosters. Zwei Mönche sitzen rechts in einem Torbogen und machen Iliotherapia. Mit einem Nicken nehmen sie mich zu Kenntnis.
Die Kirche ist unverputzt und strahlt Ruhe aus. Die Kirchentüre ist geöffnet, mit dem verweisenden Schild, dass Fotografieren im Inneren nicht erlaubt ist. Ich fotografiere also schnell von außen durch die offene Türe. Das Bildprogramm der Fresken ist beeindruckend, aber leider schlecht beleuchtet, so dass ich mich schwertue, Details zu erkennen. Prachtvoll ist die Ikonostase. Während ich alles noch auf mich einwirken lassen, betreten die zwei Mönche die Kirche und schalten das Licht an. Ah, sehr viel besser so! Die reduzierte Klarheit der Bilder, die lichten Farben - wunderschön! Erinnert mich fast schon Giottos Fresken in Italien. Da ich mich an das Fotografierverbot halte, versuche ich, alles im Gedächtnis aufzusaugen. Beeindruckt verlasse ich die Kirche und schlendere einmal um die Anlage mit urigen Olivenbäumen, Zypressen und Zitronenbäumen. Die Mönche und ihre Helfer haben hier wirklich ein schönes Paradies geschaffen, über dem nun die Sonne mit Kraft strahlt. Als ich wieder im Klosterhof bin, sehe ich einen dritten Mönch, dunkelhäutig, der beim Telefonieren offenbar ein Netzproblem hat, denn suchend läuft er herum, wird schließlich fündig.
Leider ist der Klostershop nicht geöffnet. Nicht schlimm.
Auf dem Weg zurück zum Parkplatz sehe ich etwas unterhalb ein großes, neues Gebäude liegen. Es handelt sich um das Wohnhaus der Mönche und ist ganz schön groß. Wie viele Mönche es hier wohl gibt? Ich will gerade ins Auto einsteigen, als einer der Mönche kommt und dem anderen PKW zustrebt. Nun fragt er mich doch, wo ich herkomme, und was ich auf Rhodos machen würde. Offenbar zufrieden mit der Antwort steigt er in das Auto und fährt davon. Und ich tue es ihm nach.
Meine Route führt mich weiter nach Süden. Die Landschaft ist hügelig, mit einer Mischung aus Olivenbäumen und Wald (nein, es sind keine Pinien!). So im Herzen von Rhodos ist es wirklich wunderschön! Und einsam. Finden auch die beiden Damhirsche am Wegrand. Bis ich jäh eine Waldbrandfläche erreiche. 2008 wütet hier ein Feuer.
Nach zehn, zwölf Kilometern Fahrt erreiche ich mein nächstes Ziel: Asklipio. Das Dorf mit weißen Häusern liegt kompakt unterhalb einer Burgruine (mal wieder). Der Name könnte auf eine antike Kultstätte für den Gott des Heilkunst Asklipios hinweisen. Im Dorfzentrum steht die leider aktuell verschlossene Kirche Kimisi Theotokou (Entschlafung der Muttergottes), laut Portalinschrift im Jahr 1060 erbaut, vielleicht aber noch älter. Kirchen wurden ja häufig an antiken Tempelstätten erbaut.
Da ist es natürlich schon bedauerlich, dass die Kirche jetzt nicht besucht werden kann. Zum ersten Mal tut mir die winterliche Verschlossenheit leid. Das Dorf ist hübsch, ein Standort hier würde zahlreiche Wandermöglichkeiten in näherer Umgebung bieten. Trotzdem unwahrscheinlich, dass ich mal im Mai oder September nach Rhodos komme - das Angebot an zu besuchenden griechischen Inseln ist einfach zu groß.
Zur Burg hinauf ist es nicht weit. Sie ist kleiner als etwa die in Archangelos, stammt aus dem 15. Jahrhundert und diente gemäß Reiseführer vor allem als Signalturm gen Lindos.
Der Blick auf die westliche Hügel ist beeindruckend, das ruhig-hellgraue Meer ist auch nicht mehr weit. Im Norden hebt nun zum ersten Mal frei sichtbar der breite Rücken des Attavyros ab. In dem Moment beschließe ich, die Rückfahrt später quer über die Insel zur Westküste hin zu gestalten.
Zunächst steht aber ein weiteres Kloster auf dem Programm: Kloster Ypseni in der Nähe von Lardos. Da ich vermute, dass es Mittagspause machen könnte (wenn es überhaupt geöffnet ist), fahre ich ohne Umwege zur Küste nach Kiotari, dann nördlich bis Lardos, wo ich vor dem griechischen Dorf links einer Straße zum Kloster folge. Mehrere Kirchen am Straßenrand lassen mich kurz innehalten, aber bis zum Kloster Ypseni muss ich noch weiter. Eine Baustelle noch, dann bin ich dort.
Kloster Ypseni ist nicht alt, und eigentlich bin ich gekommen, weil im Reiseführer der Klosterladen angepriesen wird (will ja auch mal shoppen, Barbara). Zuerst steuere ich die falsche Kirche an: ein riesiges Gebäude in nagelneu aussehendem Steingrau, unbenutzt wirkend. Nein, das kann es nicht sein. Auf der Terrasse darüber erblicke ich eine Nonne, die ihren Rollator über den Platz schiebt. Dort muss es sein. Eine breite Zufahrt mit Wendeplatte - scheint ja manchmal mächtig was los zu sein hier - führt zu einem Tor, das ins Innere eines erneut pflanzengschmückten Klosterhofes führt. Ja, wenn eine Insel so von der Sonne verwöhnt wird, fällt das Gärtnern leicht.
Leider ist aber die Kapelle ebenso geschlossen wie alle anderen Gebäude und damit auch der Klosterladen. Außer der Nonne draußen auf Spazierfahrt ist niemand zu erblicken. Schade. Erst als ich mich zu Gehen wende, erscheint ein Pappás und wird von einigen Nonnen empfangen. Mich ignorieren sie. Egal.
So fahre ich nach Lardos und kehre dort wieder bei "Savvas" ein. Mit Briam, Brot und Limo stille ich meinen Hunger, ehe ich mich nordwestwärts auf Umwegen auf die Rückfahrt mache. Bis Laerma kenne ich die Strecke vom Vormittag. Die Straße westwärts zum Attavyros ist laut meiner Karte nicht befestigt, also biege ich nordwärts ab. Am Stausee von Gadoura vorbei geht es wieder in die Einsamkeit der Hügel und Wälder, in der ich erneut Damhirsche sehe. Westlich umfahre ich das Profitis-Ilias-Massiv, erwäge kurz einen Abstecher nach Embonas. Aber eigentlich habe ich genug gesehen heute, und es zieht mich heimwärts. Zumal der schon wieder gesunkene Pegelstand meines Tanks meckert. Über Salakos steuere ich zur Nordküste und diese entlang via über Soroni nach Rhodos-Stadt. Unterwegs muss ich doch noch mal für ein paar Euro Sprit fassen. Als ich das Auto am Athanasios-Tor abstelle und dem Verleiher Bescheid gebe, dass er es holen kann, bin 184 Kilometer gefahren (insgesamt 812 in sechs Tagen). Izet kommt prompt, ich bezahle hundert Euro in bar für den Wagen, und bedanke mich. Dann geselle ich mich für ein letztes Sonnenbad auf der Dachterrasse zu Barbara, die auch erfolgreich ihren Einkaufsbummel absolviert hat. Unter anderem mit einem neuen Badethermometer für mich. Super, danke!
Um 18 Uhr kommt unser Vermieter und wir bezahlen das Apartment - 300 Euro für zehn Tage. Das ging ohne Anzahlung, und war eine ausgezeichnete Wahl. Ioannis bestellt auch noch ein Taxi für uns am nächsten Morgen vor das Tor, zur höchst unchristlichen Zeit vier Uhr 30. 38 Euro werden wir für die Fahrt bezahlen, und viel zu früh da sein. Der Flug nach Athen geht schon um sechs Uhr 45, aber so kann Barbara direkt ohne Aufenthalt nach Zürich weiterfliegen, während ich knapp zwei Stunden Zeit in Athen habe.
Dummerweise haben wir übersehen, dass das "Drosoulites" montags geschlossen hat, und stehen vor verschlossener Türe. So probieren wir am letzten Abend die Psistaria "Mpahar" in der Neustadt aus. Dreierlei Dips und dreierlei Spieße, dazu Pitta und Wein. Auch ok, und somit ein gutes Ende eines in jeder Hinsicht sehr gelungenen Urlaubes.
Mit Barbara unterwegs zu sein, ist immer schön. Und mit den warmen und überwiegend sonnigen Tagen haben wir auch alles richtig gemacht.
Danke, Eisvögel, für die Überstunden!