Über die Berge, zu Fuß und mit dem Auto

Das Wetter ist perfekt am Mittwochmorgen: Sonne, etwas Wind, angenehme Temperaturen.

Nach dem Frühstück frage ich Nikolas, ob er einen Mietwagenverleiher empfehlen kann, da ich auf meine Internetanfrage noch keine Antwort habe. Er telefoniert, und kann schließlich einen Wagen der VW-Polo-Klasse für 50 Euro zu meinen Wünschen anbieten. Ganz schön teuer! Das muss ich mir überlegen, ich werde ihm an Abend Bescheid geben. Wenig später kommt die Absage übers Internet - keine Verfügbarkeit. Das scheint ja wirklich nicht so einfach zu sein in der Chora. Auf dem Weg in die Innenstadt komme ich an dem E-Bike-Verleiher vorbei und erkundige mich. Die Räder machen einen guten Eindruck, keine Reservierung nötig, aber auch 30 Euro pro Tag. Dann doch besser ein Auto?

 

Im Bus sind auch die Franzosen wieder, die ebenfalls nach Ormos Korthiou wollen. Um halb elf fährt der Kleinbus los. Die Fahrt über Stavropeda, Kapparia, Vatsilianos, Mousionas und Korthi dauert fast eine Stunde, und mir ist wegen Kurven und Abgasgeruch im Bus halb schlecht als wir endlich Ormos Korthiou erreichen. Der Ort macht einen netten, aber auch verschlafenen Eindruck. Hoch darüber auf 400 Metern liegend kann ich mein erstes heutiges Etappenziel entdecken: das Dorf Kochylou oben auf dem Berg. Und rechts darüber das Felsenplateau mit einer weißen Kirche und dem Kastro Faneromenis, ein fakultatives zweites Etappenziel, nochmal hundert Höhenmeter mehr.

 

Es geht also erst mal gepflegt hinauf. Dann durch das Dipotamos-Tal abwärts Richtung Chora. Die beiden Franzosen beschließen bei diesem Anblick, nicht mitzuwandern. Wobei es heute keinen Bus mehr nach Chora gibt, aber es gibt ja die segensreiche Einrichtung des Taxis falls es per Anhalter nicht klappt. Ich wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt und marschiere los. In der Gasse parallel zum Paralia entdecke ich einen Wegweiser, der die Entfernung nach Chora auf Wanderweg Nr. 3 mit 10,8 Kilometern angibt. Und schon wenige Meter im Hinterland beginnt der steile Anstieg. Der gut erkennbare und spinnwebenfreie Fußweg schneidet die Kurven der Straße, führt vorbei an Feldern und Häusern gleichmäßig aufwärts. Nach ein paar Minuten liegt die Bucht von Ormos Korthiou (eine Verdoppelung) unter mir.

 

Nun ist der Weg gepflastert, geht durch gelbblühende Wiesen und immer wieder entlang von Steinplattenmauern. Überall flitzen Eidechsen verschiedener Größen davon, ein Paar kann ich sogar beim Liebesspiel beobachten.

Der Aufstieg fällt mir heute leicht, es ist ein wunderbarer Tag, auch wenn mi trotzdem warm wird. Nach einer halben Stunde kommt mir eine Gruppe Wanderer entgegen, und später nochmal ein Paar. Ob sie in der Frühe in Chora gestartet sind?

Die Häuser von Kochylou nähern sich, und dahinter immer deutlich das Plateau mit dem Kastro. Nach fünf Viertelstunden Aufstieg erreiche ich Kochylou, durchwandere das Hangdorf, das sich weniger verlassen zeigt als die vorgestrigen Dörfer. Von meine Sifnos-Wanderpartnerin weiß ich, dass es hier am Weg ein Kafenio gibt, und tatsächlich, am oberen Ortsausgang bei der Kirche Agios Georgios finde ich es. Es hat geöffnet und ich gönne mir die erste Pause mit einer Limo bei dem freundlichen Wirt, der nach dem Woher und Wohin fragt, mir dann einen Teller mit Gebäck und eine Flasche kaltes Wasser hinstellt. Wenn er nicht in die Welt kommt, so kommt die Welt doch zu ihm, dank der Andros Routes. Auf dem Tisch liegen ein paar abgegriffene Fotobücher und ein Andros -Guide. Könnte man sein Wissen intensivieren. Die Nachbarin kommt vorbei auf ein Schwätzchen - eine sympathische Dorfidylle.

 

Erfrischt wandere ich weiter, habe nun den Aufstieg zu Passhöhe fast geschafft. Natürlich nehme ich auch den Abstecher zur Kastro Faneromenis (auch Epano Kastro) unter die Füße, der auf einem Wegweiser mit 665 Metern Entfernung angegeben wird. Der Weg beginnt ganz gut, quert eine kleine Senke, wird dann aber sehr steil. Schließlich erreiche ich ein Straße, die von Kochylou herauf mäandert. Vom leeren Parkplatz führt dann eine schmale Treppe hinauf auf die Plattform zur Kirche der Panagia Faneromeni und über die langgestreckte Plattform über die Fundamente der früheren Siedlung hinüber zu den Resten der venezianischen Burg, mit einer Betonsäule markiert.

Die Aussicht ist unglaublich! Der Aufstieg hat sich wirklich gelohnt und ist ein weiterer, im wahrsten Wortsinne, Höhepunkt dieses Urlaubes. Dazu ist die mir zu Füßen liegende, südliche Insel mit einem grünen Farbton überzogen, der ihr etwas unwirkliches gibt. Ein paar Nebelkrähen fliegen über mir, unten zeichnet ein Boot Kringel ins azurfarbene Meer. Wow!

Ich verweile länger und genieße, ehe ich wieder zur Kirche hinabsteige. Da der Weg herauf so steil war, nehme ich lieber den längeren Umweg auf der Straße und erreiche nach einer Viertelstunde die Passhöhe, von der es nun ins waldige Dipotamata-Tal hinab geht.

 

Eine andere Welt, ohne Blick zum Meer. Die Straße führt oben entlang, aber ich bleibe darunter. Im Dipotamata-Tal gibt es die Ruinen von Wassermühlen, aber dazu müsste ich wohl an der Stelle, an der der Weg das Bachbett quert, dieses weiter hinauf gehen. Wenn dies durch dichtes Gestrüpp möglich ist. Ich bleibe auf dem Weg und der Nordseite des üppigen Tales, halte mich entlang von steilen Felsen bis der Weg schließlich in die Straße mündet, sehe ein paar schwer zu identifizierende Mauern. Und auch Bienenstöcke. Schließlich hat Andros den besten Honig! ;-)

Der Wegweiser will hier noch 4,8 Kilometer bis Chora, und zwei Stunden 15 Minuten bis Ormos Korthiou. Ich habe dreieinhalb Stunden gebraucht, mit Pausen und Abstecher, und in der steilen Gegenrichtung. Drei Uhr ist es inzwischen, und ich gehe auf der Straße weiter. Es hat kaum Verkehr, und auch keine Wanderer mehr. Vor Sinetí führt der Fußweg hinab ins tief im Tal liegende Dorf, aber den Abstecher schenke ich mir und bleibe auf der Straße.

 

Und oberhalb von Sineti, nach einer Kurve, habe ich dann auch plötzlich mein Tagesziel vor Augen: Die Chora auf dem schmalen, ins Meer ragenden Felsensporn mit dem vorgelagerten Burgfelsen und den Tourlitis-Leuchtturm wie ein steiles Segel noch weiter draußen. Es ist inzwischen warm geworden, und ich freue mich, dass es nicht mehr weit ist. Aber es zieht sich noch, wenn auch weiter bergab. Zwei kleine Hunde kläffen mich aus einem Garten an. Weit vor mir kann ich auf dem Weg zwei Wanderer erkennen. Bin ich doch nicht ganz alleine zu Fuß unterwegs.

Vor der Paraporti-Bucht muss ich noch das oleanderblühende Tal mit der Zwillingsbucht Lidi queren, und wieder hinauf auf die Höhe mit dem anderen Felsensporn des Kap Starás, der östlich der Chora ins Meer reicht und ein blaues Halbbecken bildet. Darauf liegt der Hubschrauberlandeplatz der Chora.

 

Um Viertel nach vier erreiche ich das Hinterland des Paraporti-Strandes mit einem Stadion und anderen Sporteinrichtungen. Ich stoppe die App (etwas vorschnell): 12,9 Kilometer, je 640 Meter auf- und abwärts, dreieinhalb Stunden reine Gehzeit.

 

Bis ich dann vorne am Paraporti-Strand bin, kann ich nochmal ein paar hundert Meter addieren. Am Strand hat es eine Handvoll Leute, und ich bedauere, die Badesachen nicht eingepackt zu haben. Dafür will ich mich in der Chora innerlich erfrischen, aber zur Siestazeit ist kein Café geöffnet, und so bleibt mir nur ein Eis auf die Faust als Belohnung. 5,90 Euro für zwei Kugeln - das sind ja schon Schweizer Verhältnisse!

Noch einen Frappucino im Café Tourlitis am Nimborio-Strand, und ein Bad dort. In diesem Urlaub bin ich genug gewandert, und so gebe ich dann Nikolas Bescheid, dass ich den Mietwagen für 50 Euro morgen nehmen würde. Er telefoniert und ich bekomme eine Absage - es sei nun kein Wagen mehr verfügbar. Schade! Später ruft mich Nikolas erneut an und hat nun doch noch einen Wagen, der mir morgen um halb zehn zum Quartier gebracht wird. Passt!

Weniger perfekt ist die Heuschnupfenattacke, die mich kurz darauf ereilt. Keine Ahnung was hier durch die Luft fliegt, aber die Niesanfälle setzen mir zu, so dass mein Weg am Abend in der Chora zuerst in eine Apotheke führt. Aerius, hat sich bewährt. Bis es wirkt, niese ich mit tränenden Augen weiter vor mich hin.

 

Zum Abendessen gehe ich heute ins "Lithi". Pasta Arrabbiata - nach fast drei Wochen stellen sich erste Ermüdungserscheinungen bezügliche griechischem Essen ein. Mit einem Glas Wein und kostenlosem Wasser bezahle ich 14 Euro. Erschöpft vom Wandern und Niesen sinke ich früh ins Bett.

 

*

 

Heute ist mein letzter ganzer Urlaubstag und der Mietwagen lässt auf sich warten. Ich war zeitig auf und habe noch vor acht Uhr gefrühstückt, weil dann der Strom abgestellt wurde. Was auch dazu führt, dass es kein Wasser gibt. Ich schlendere über die Anlage, überlege, ob ich in den Pool steigen soll. Um zehn Uhr ist der Wagen immer noch nicht da, und ich frage bei Nikolas nach. Er telefoniert und bestätigt, dass das Auto im Kommen ist. Kurz vor halb elf rollt dann ein kleiner roter Toyota in den Hof.

Ich werde ihn morgen um halb zehn in Gavrio zurückgeben, am Taxistand soll ich den Verleiher kontaktieren. Was ich umgehend vergesse und morgen am Hafen suchen werden. Der Wagen ist mit 72.000 Kilometern nicht mehr ganz taufrisch, trotzdem wird jede Macke im Protokoll verzeichnet. Ist ja schon immer interessant, wie unterschiedlich Verleiher das handhaben. Aber in zwanzig Jahren habe ich nie wirklich schlechte Erfahrungen mit lokalen Autovermietern gemacht und kann somit nicht bestätigen, dass man sich unbedingt an internationale Plattformen oder Anbieter wenden soll. Im Gegenteil.

Aber nun verlade ich schnell Wanderschuhe und Badesachen in den Kofferraum und fahre los.

 

Zunächst an der Marina vorbei Richtung Apíkia mit einem kurzen Abstecher zum Kloster Agia Marina, wo ich pflichtgemäß einen Rock über meine Hosen ziehe. Was aber nichts hilft: die Pforte des festungsähnlichen Gebäudes ist verschlossen. Immerhin habe ich einen schönen Blick über die Chora und das Tal von Steniés. Der Wind bläst heute wieder kühler.

 

Apíkia - vorne betont - ist mein nächstes Ziel. Genauer: die Wasserfälle von Pithara. Ich stelle den Wagen im Ort ab und folge der Beschilderung zu den Wasserfällen auf dem schmalen Wanderweg 2a entlang des Bachlaufes, der in ein enges, zunehmend waldiges Tal führt. Nach etwa zehn Minuten bildet der Bach ein weites flaches Becken, in das sich zwei kleine Kaskaden ergießen. Nett, aber für Mitteleuropäer vielleicht nicht so sensationell. Ich gehe noch etwas weiter aufwärts, aber dort wartet jetzt auch kein spektakulärer weiterer Wasserfall. Ein paar Frösche quaken, und ein grünes Baumdach gibt dem ganzen ein romantisch-verwunschenes Flair.

Auf dem Weg zurück begegnet mir wieder eine große Wandergruppe. Das Ziel der Andros Routes, die Insel für Wanderer und damit außerhalb der Hochsaison attraktiv zu machen, scheint aufgegangen.

 

Einen eher trotzlosen Eindruck vermittelt dagegen das Gebäude an der Sarisa-Wasser-Abfüllung an der Straße etwas weiter drinnen im Ort.

 

Gut, dann eben weiter, zum Kloster Agios Nikolaos. Mit schnellem Fotostopp am Kloster Agia Irini, das nagelneu und wie ein luxuriöses Feriendomizil wirkt, würde da nicht die ziegelgedeckt Kapellenkuppel über die Natursteinmauern hinausgucken. Ein paar Schafe betrachten die Besucherin mit Skepsis und ergreifen beim Näherkommen im Schweins - ähm, Schafsgalopp die Flucht. Das Kloster ist aber verschlossen und wirkt unbewohnt.

 

Anders ist das bei Agios Nikolaos. Beim letzten Besuch hing es im Nebel, und die Mönche waren abweisend. Heute strahlt die Sonne, und die französischen Passagiere zweier Mietwagen streben dann nach dem Parken auch nicht dem Kirchenbau zu, sondern dem Achla-Strand. 320 Höhenmeter für ein Badevergnügen? Ohne mich, auch wenn Nikolas den Strand wärmstens empfohlen hat. Es führt aber nur eine Schotterpiste hinab.

Ich ziehe wieder den Rock über die hochgekrempelte Hose ehe ich das Kloster betrete. Im engen und schattigen Innenhof sitzen zwei junge Frauen mit Kopftuch, über ihnen hängen Wimpelketten. Flaggen zieren die Wand der Kapelle. Eine freundliche Nonne kommt und fragt, ob ich in die Kapelle möchte, und schließt sie mir auf. Knipst auch das Licht an. Das Kloster soll im 11. Jahrhundert gegründet worden sein, die Gebäude stammen aus dem 16. Jahrhundert. Natürlich gibt es auch hier eine wundertätige Ikone, die der Panagia Myrovlytissa. Gleich dreimal im Jahr wird hier Panigiri gefeiert, am 9. Mai, 20. Juli und natürlich am 6. Dezember. Vom 9. Mai hängen vielleicht noch die Fähnchen.

Agios Nikolaos wirkt stiller als Panachrantou, architektonisch enger, obwohl das Ensemble aus Mauern, Kapellen und Gebäuden ganz schön groß ist wenn man es von der Straße aus überblickt. Vielleicht liegt das an der versteckten Lage im Tal während Panachrantou unübersehbar und mit Weitblick über dem Tal thront. Halt, das macht das Kloster hier auch (auf 340 Metern), nur dass im Tal eben keine Dörfer liegen. Ein kleiner Kiosk verkauft Devotionalien, ist aber geschlossen.

 

Schön auch hier der baumbeschattete Vorhof mit Brunnen, auf dessen Mauern die für Andros unvermeidlichen Eidechsen sonnenbaden. Ein friedlicher Ort.

 

Ich fahre weiter westwärts, über Vourkoti, den höchstgelegen Ort der Insel auf 650 Metern und grünen Terrassen. Hier komme ich näher an eine dunkelgraue Wolkendecke. Der Wind macht es zusätzlich ungemütlich, auch wenn ich nur kurz zum Fotografieren anhalte. Die Höhen von Andros sind eine Welt für sich.

Nach Westen schlängelt sich die Straße dann endlos durch grüne Täler. Revmata, Ano und Kato Katakilos streife ich, und begegne einmal einer großen Wandergruppe. Ja, auch hier sind Andros Routes ausgeschildert, aber individuell ist das schwer zu organisieren. Busse gibt es keine, Rundwanderungen auch nicht, da bleibt nur das Taxi. Aber ich bin für diesen Urlaub eh fertig mit Wandern. Zumal auch da wieder reichlich Höhenmeter auf dem Weg lägen.

Dafür meldet sich allmählich der Hunger. Hier in den Dörfern ist nicht mit einem geöffneten Lokal zu rechnen, aber in Batsi. Als ich die Küste und den Ort erreiche und den Einbahnstraßen folgend durchquere, präsentiert der sich aber noch vorsaisonal abweisend, voller Renovierungsarbeitenden, aber mit unbestuhlten Tavernenterrassen. Ich halte nur kurz, finde es aber auch frisch. Die Sonne macht sich auch hier rar.

 

An der Panoramastraße gen Chora waren doch auch Lokale, und so folge ich ihr aufwärts nach Süden. Ein Schild weist auf die Taverne "To Balkoni tou Aigiou" hin, die oberhalb der Straße liegen soll. Ob sie wohl offen hat? Ich werde es nicht erfahren, denn das Lokal liegt nicht, wie gedacht, etwas oberhalb der Hauptstraße, sondern einige Kilometer entfernt. Waren wir nicht vor Jahren auch schon mal in diese Falle getappt?

Egal, ich halte schließlich in der Snack Bar "Liotrivi" vor Paleopoli, genieße einen griechischen Salat und die Aussicht, und bekomme einen Teller Mousmoula (Mispeln) aufs Haus.

 

Ob ich mir die Ausgrabungen von Paleopolis angucke? Sie liegen unterhalb der Straße im steilen Gelände. Vielleicht zuerst in das kleine Museum, das mitten im Ort liegt und gerade noch geöffnet hat. Heute ist der 18. Mai, internationaler Tag der Museen, und der Eintritt frei. Immerhin drei Euro spare ich so, und betrachte zügig die Exponate des kleinen Museums. Nett. Die Ausgrabungen schenke ich mir dann doch, ich will ja noch etwas weiter.

Und Baden wäre noch schön. Ein Blick auf die Karte ergibt, dass es eine befestigte Straße zum Sandstrand von Chalkiolimnionas unterhalb von Stavropeda gibt.

 

Die Straße ist eng und steil, aber gut befahrbar, Verkehr hat es keinen, und am Strand bin ich alleine. Ein weiße Kapelle über einer Reihe einfacher Bootshäuser, weiter vorne die Bretter einer simplen Strandbar, die aber natürlich noch verlassen ist. Ein perfekter Ort für ein textilfreies Bad, erst im Meer, dann in der Sonne. So stelle ich mir meinen letzten Urlaubstag vor.

Es ist drei Uhr vorbei, und ich habe noch Zeit für die Schleife über die südliche Insel. Also wieder hoch zur Küstenstraße und über Zaganiaris und Aipatia ins Tal von Korthi. Ist schon eine interessante Landschaft hier, und vielleicht sollte ich Andros bald wiederbesuchen und hier wandern. Der äußerste Süden böte weitere Möglichkeiten, und im Norden war ich dieses Mal gar nicht. Aber mit dem ÖPNV könnte es besser bestellt sein, da bieten Inseln wie Sifnos oder Naxos klare Vorteile.

 

Egal, jetzt erst mal einen Elliniko in Ormos Korthiou in dem netten Café mit dem urgriechischen Namen "Sea Satin Nino" an der Platia. Und weil es mit Kuchen in diesem Urlaub auch selten geklappt hat, und der Kellner so nett darauf hinweist, gibt es noch einen hausgemachten Käsekuchen dazu. Wasser bekomme ich auf Wunsch aus der Quelle statt aus der Flasche.

 

Soll ich nun noch den Felsen "Tis Grias to Pidima" am gleichnamigen Strand besichtigen? Der "Sprung der Alten" liegt drei, vier Kilometer nördlich des Dorfes und ist über eine schmale Schotterstraße zu erreichen. Ich fahre nach Norden aus dem Dorf hinaus, über Rogos, und traue mich vorsichtig auf eine kurz darauf abzweigende Piste. Alles liegt in nachmittäglicher Ruhe, nur an der Kapelle der heiligen Sofia am östlichen Kap sehe ich ein paar Leute. Die Piste verläuft hier ein Stück oberhalb der Steilküste, und als sie mir zu holprig wird, bietet sich ein Parkplatz links an.

 

Wo ist denn nun die15 Meter hohe Felsensäule der erstarrten Greisin, die versteinerte nachdem sie das (gestern von mir besuchte) Kastro Faneromenis durch Verrat den Osmanen öffnete, die daraufhin die Bewohner massakrierten?

Weiter vorne erkenn ich zwei Personen. Die kenne ich doch? Tatsächlich, es ist das französische Paar, das sich über unser Wiedersehen an diesem abgelegen Ort ebenso erstaunt zeigt wie ich. Den Beiden hat Ormos Korthiou gestern so gut gefallen, dass sie heute mit dem Bus hierher umgezogen sind. Die gestrige Rückreise nach Chora hatte sich aber als schwierig erwiesen: Bus fuhr keiner mehr, und Anhalter werden auf Andros offenbar nicht mitgenommen. So blieb ihnen letztendlich nur ein Taxi, dessen Fahrer immerhin jedes Schlagloch zwischen Ormos Korthiou und Chora kannte. Und nun machen sie einen Nachmittagsspaziergang zur " Grias to Pidima", die sich im Übrigen direkt unterhalb von uns vor der Steilküste befindet. Imposant!

Wo der Weg zum Strand hinab führt, lässt sich nicht erkennen. Vielleicht weiter vorne? Ein baufällige Geländer ist zu erkennen, da gibt es vor Saisonbeginn noch etwas zu tun. Mir genügt der Blick von hier oben.

Über Kochylou und Sineti fahre ich in meinen gestrigen Spuren nach Chora zurück, und parke letztmalig am "Paradise Art Hotel". Dahinter liegt der alte Friedhof, dessen prunkvolle Grabmäler der andriotischen Seefahrerfamilien sehenswert sind. Es gibt eine lebensechte Statue eines Kindes, aber auch die eines Mannes namens Moráitis mit übergeschlagenem Bein. Und ein modernes Grab mit einer dünnen Wand aus Metall oder Glas, die wie ein Kristall oder Wasserfall wirkt.

Wirklich einen Besuch wert, dieser Friedhof.

 

Als ich gegen halb sieben das Auto vor meinem Quartier abstelle, bin ich 104 Kilometer gefahren. Andros ist eigentlich zu groß für meinen Geschmack.

Ich bezahle mein Zimmer und fange an zu packen. Am Abend gehe ich zum Essen wieder in die Chora hinein, ins "Endochora". Etwas gehoben, den Wein gibt es nur glasweise (allerdings bekomme ich auf Wunsch auch einen trockenen Rosé, der mir gut schmeckt), und vorab eine gar nicht so kleine Schale Olivenpaste. Ich befinde mich in Gesellschaft von holländischen und deutschen Wandergruppen, die lauter sind als mir lieb ist. Vielleicht bin ich nicht hungrig genug nach den Zwischenmahlzeiten des Tages, und hätte nur eine Speise bestellen sollen, vielleicht bin ich nach drei Wochen auch einfach das griechische Essen leid: Die drei Dips und die Zucchiniblüten können mich nicht ganz überzeugen, viel bleibt übrig, und ich bedarf eines Rakis danach. Den kaufe ich im Spezialitätenladen nebenan und genieße ihn später auf dem Balkon. Nochmal den nächtlichen Blick übers Meer aufsaugen und konservieren.

 

Und den frühmorgendlichen, eos-rosenfingrigen am Abreisetag.

Meine Fähre fährt um Viertel nach zehn ab Gavrio. Ich will mir unterwegs noch etwas Zeit lassen, und verabschiede mich kurz nach acht Uhr von Nikolas, seinem Vater und den Vassiliki Studios. Nach einem Abstecher über Pitrofos geht es an die Südküste, die sich im Morgenlicht sehr fotogen zeigt.

In Batsi tanke ich für 15 Euro, und bin um halb zehn in Gavrio, wo ich das Büro des Autoverleihern nicht finde. Es ist einiges los hier, und ich finde mit Mühe einen freien Parkplatz. Erst während des Telefonates mit der Verleiherin werde ich daran erinnert, dass ich ja zum Taxistand kommen soll. Weil inzwischen die "Fast Ferries Andros" angekommen ist, vergrößern sich Hektik und Chaos. Es ist aber noch nicht mein Schiff und ich kann mir nach der Autoübergabe und dem Ticketkauf immerhin noch einen Kaffee to go gönnen, wenn auch die Zeit nicht mehr für ein zweites Frühstück reicht.

 

Und kurz darauf biegen zuerst die "Superferry Andros" und dann die "Theologos P" um die Ecke. Die "Theologos P" ist mein Schiff, und die Hektik am Hafen spitzt sich wieder zu. Aber alles im grünen Bereich, und pünktlich um Viertel nach zehn legen wir ab.

Die Fähre kommt von Mykonos und ich konstatiere eine große Zahl indischer Passagiere. Waren es früher ostasiatische Fahrgäste, die sich ausgelassen wie Kinder an der Reling gegenseitig ablichteten, so sind es jetzt Inder, die für Fotos ihre bunten Schals im Wind flattern lassen. Da steckt mächtig Potential für den griechischen Fremdenverkehr drin.

 

Schnell nähern wir uns dem Cavo d'Oro mit den Windrädern, passieren Karystos und das westlich gelegenen Straßengewirr, ehe es hinüber nach Attika geht. Um halb eins erreichen wir Rafina, wo ich nicht lange auf den Bus zum Flughafen warten muss, der um ein Uhr abfährt und 40 Minuten zum Flughafen braucht. Gut zwei Stunden bis zum Abflug.

Perfektes Timing zum Abschluss eines fast perfekten Urlaubes.

Nur das Wetter hätte in der ersten Hälfte besser sein können. Aber da will ich nicht wirklich meckern.

 

Es waren wieder drei wunderschöne Kykladen-Wochen. Voller unterschiedlicher Eindrücke, Erlebnisse und Anregungen. Efcharisto Ellada!