Im äußersten Nordosten von Paros

Um Viertel vor vier dürfen wir an Bord. Das Schiff wird gestürmt als wäre es das letzte für Wochen. Dabei haben doch alle Passagiere feste Plätze. Die unterdimensionierten Gepäckregale sind sofort überfüllt und der zuständige Angestellte kapituliert schließlich und gibt einen ständig wachsenden Bereich der Auto-Ladefläche für die Koffer und Trolleys frei. Paros ist Endstation, ich stelle meinen Trolley also ganz an die Wand.

Die Plätze auf dem SuperExpress sind nummeriert, und die Luft in Heckbereich, wo ich meinen Platz finde, ist miserable. Ein warme Mischung aus Abgas, Schweiß und ungelüftet. Der Platz ist im mittleren Bereich ohne Aussicht, aber immerhin am Gang. Vor, neben und hinter mir ist alles belegt. Aufs Deck an die frische Luft kann man nicht. Ich setze mich hin und finde es schrecklich. Das kann eine lange Fahrt werden.

Und wird es auch.

Mit einer Viertelstunde Verspätung legt der "SuperExpress" ab und ich mache mich auf die Suche nach einem besseren Platz. Auf der linken Seite werde ich fündig, ein einzelner Platz am (zwar ziemlich verspritzten) Fenster. Die Luft ist hier auch besser, so lässt es sich aushalten. Am Horizont zieht das Südende von Euböa mit der Bucht von Karystos vorbei, dann das bernsteinfarben verbrannte Andros.

Um 18 Uhr halten wir in Gavrio, da haben wir schon eine Stunde Verspätung. Von wegen Schnellfähre ....

 

Um Viertel nach sieben steuern wir Tinos an, da geht gerade die Sonne unter. Und ich schreibe eine eMail an meine Vermieterin in Naoussa, dass ich später kommen werde. Nicht wie heute Mittag noch geschrieben um acht, sondern frühestens um neun. Eher um zehn.

In Mykonos wird das Schiff leer. Über Naxos nach Paros zieht es sich, aber um halb zehn haben wir es geschafft und sind endlich in Parikia. Sah es auf dem Schiff noch so aus als würden nur noch ein paar versprengte Reisenden an Bord sein, so sind es jetzt doch eine ganze Menge, die von Bord gehen. Der nächste Bus nach Naoussa fährt um 22 Uhr, also nehme ich ein Taxi. Der junge Fahrer nimmt noch ein Touristenpaar mit.

 

Paros also. Ich war lange nicht mehr hier. Ein oder zweimal Stopp-Over in Parikia für ein paar Stunden auf der Rückreise Richtung Athen, aber der letzte längere Aufenthalt war an orthodoxen Ostern 2003. Das ist 16 Jahre her, und die lange Abwesenheit hat einen Grund: Ich mag Paros nicht besonders. Die Insel war mir schon in den Neunzigern (der Erstbesuch war 1994) zu zersiedelt, die Aufreißer in Parikia zu penetrant, die Wandermöglichkeiten zu eingeschränkt, der Tourismus zu heftig. All das wird nicht besser geworden sein, im Gegenteil: Paros wurde 2018 zu besten europäischen Insel des Magazins Travel+Leisure gewählt worden, vor Santorin und Kreta. Auch wenn Paros 2019 auf Platz fünf zurückgefallen ist, so sind solche Auszeichnungen vor allem ein Zeichen dafür, dass (zu) viele Besucher auf die entsprechenden Inseln kommen. Grund genug für mich, sie zu meiden.

 

Und warum war ich jetzt trotzdem hier? Aus alleine einem Grund: Kajak.

Die Paddelmöglichkeiten auf den Kykladen sind begrenzt. Milos hatte ich schon ausführlich gehabt und Rod war im September normalerweise auch frühzeitig ausgebucht. Santorin lockte auch nicht wieder, also blieb Paros. Die Beschreibung auf der Website von Sea Kayak Paros mit Standort in Naoussa las sich seriös und fundiert, der Kontakt zum Veranstalter und Guide Alex war schnell, unkompliziert und sympathisch, die letzte Septemberwoche sei optimal. Und die Bucht von Naoussa als Paddelterrain scheint mir vielversprechend, mal abgesehen davon, dass ich sie überhaupt noch nicht kenne. Von Antiparos und Despotiko als möglichen Zielen ganz zu schweigen.

Und ein paar Ecken an Land würde ich schon auch noch finden wenn es mir im Kajak nicht gefallen würde oder der Wind die Paddelpläne verwirbeln würde.

 

Als Quartier hatte ich mir die "Bocamviglies Rooms" am östlichen Ortsrand von Naoussa nahe dem Agii-Anargyri-Strand ausgewählt und eine Woche im oberen Stockwerk gebucht, 50 Euro die Nacht, Frühstück inklusive, davon fünf Euro für das obere Stockwerk.

Und dort wartet jetzt meine Wirtin auf mich.

Sie ruft mich gerade an als das Taxi die anderen Gäste in Naoussa im "Kalypso" absetzt. Das Taxi ist durch ein abendliches Naoussa gefahren, das mir unglaublich gewachsen scheint, aber das "Kalypso" ist nur hundert Meter von meinem Quartier entfernt. 25 Euro kostet die Taxifahrt, teurer als gedacht. Und doppelt kassiert, ist das überhaupt noch erlaubt? Na, egal, jetzt bin ich da, es ist 22 Uhr vorbei.

Die Frau, die mich empfängt, ist nur für das dazugehörende Bistro zuständig, und versorgt mich schnell mit den wichtigsten Infos: Frühstück ab 8.30 Uhr, und Sofia, die Wirtin, würde dann auch den Check-In machen.

 

Nun hab ich allerdings ein kleines Problem: Alex von Sea Kayak Paros hat mir am Vormittag geschrieben, dass er mich morgen um Viertel nach neun an der Busstation von Naoussa zur ersten Paddeltour erwartet. Und ich hab überhaupt keine Ahnung, wo diese Station ist und wie lange ich dorthin zu Fuß brauche. Weshalb ich mich nach einem schnellen Blick auf mein Zimmer - sieht gut aus - noch auf einen kleinen Abendspaziergang mache um die Bushaltestelle zu lokalisieren.

Mein Quartier liegt in einem reinen Hotelviertel, ich folge dem Licht und komme zu einer Art Hauptstraße mit noch mehr Pensionen, Autoverleihern, einem Restaurant und einem Mini-Markt. Sie führt in einem weiten Bogen Richtung Süden und trifft dort auf die Straße nach Ampelas und zur Ostküste. Rechts geht es in den Ortskern, es ist es weiter als gedacht und ich werde die nächsten Tage damit verbringen, den kürzesten Weg im Straßenwirrwarr zu suchen, wahlweise zum alten Hafen oder zum Bus.

 

Die Bushaltestelle liegt ein Stück im Hinterland an dem zur Straße umfunktionierten Bachlauf (jetzt im Herbst trocken). Eine Viertelstunde habe ich gebraucht, das wird morgen ein kurzes Frühstück. Aber die Bewegung hat mir gutgetan nach dem stundenlangen Sitzen heute. Dann bin ich mal gespannt auf morgen.

 

*

 

Die aufgehende Sonne weckt mich gegen 7 Uhr. Sie scheint direkt in mein Zimmer und präsentiert mir den ersten von einer Reihe wunderbarer Sonnenaufgänge. Vor meinem Balkon liegt die Bucht von Agii Anargyri. Links ein kleiner Anleger mit ein paar Bötchen, unter einer kurzen Reihe Bäume zwei Holzbänke und eine Treppe ins Wasser. Rechts schließt sich nach einem Stück befestigtem Ufer mit einigen Hotels der lange Sandstrand von Agii Anargyri an. Der rot-weiß geringelte Turm, der dort dekorativ in die Höhe ragt, ist kein Leuchtturm, sondern gehört zum Kraftwerk der DEI. Und dahinter recken sich die Berge der Nachbarinsel Naxos in die Höhe. Zumindest wenn die Sicht klar ist.

Eine wunderschöne Kulisse, die ich auch vom benachbarten Frühstücksraum oder dessen Terrasse aus genießen kann. Dort treffe ich schon vor halb neun die freundliche Wirtin Sofia an und kann mich einchecken. Und das köstliche, würzige Brot (hab ich das in Karystos vermisst!), das Rührei und das Müsli vom Frühstücksbuffet genießen. Bloß der Orangensaft gehört zur Sorte frisch = frisch angerührt und ist eher gruslig. Viel Zeit zum Frühstücken hab ich nicht, denn schon um neun mache ich mich auf den Weg zum Busbahnhof, in Paddlerkluft und ausgerüstet mit einer Flasche Wasser, Sonnencreme, Hut, Handtuch und Co.. Ich bin echt gespannt!

Der Treffpunkt ist der große Parkplatz am Busbahnhof, und dort warte ich nicht lange alleine: zuerst kommt Katrin, eine Schwedin, etwas älter als ich, und dann Michelle, Kanadierin aus Calgary, die ich etwas jünger als mich einschätze. Beide haben so wie ich mehrere Paddeltage auf Paros gebucht, heute ist ihr zweiter. Wir werden also noch öfters gemeinsam auf dem Wasser unterwegs sein.

Dann kommt noch ein junges amerikanisches Paar, und schließlich der Kleinbus mit Kajak-Anhänger, dem unserer Guides Alex und Sofia entsteigen sowie ein weiterer Grieche, der sich ebenfalls als Alex vorstellt und ein Freund von Alex 1 ist. Damit ist unsere Gruppe für heute schon vollzählig.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde steigen alle in den Kleinbus. Weit fahren wir nicht, es geht östlich aus Naoussa hinaus zum Nordostkap von Paros, zum Karnagio-Strand.

 

Alexandros "Alex" ist ein sympathischer und sehr sportlicher Typ Mitte 30. Er ist Grieche, seine Mutter Belgierin und er lebt die meiste Zeit des Jahres mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn in Ambelas auf Paros, im Winter arbeitet er als Ski- und Snowbordlehrer am Parnassos. Wobei seine kleine Familie diesen Winter Nachwuchs erwartet, da fällt das Skifahren eventuell aus.

Das Paddelgeschäft auf Paros betreibt er seit fünf Jahren. Und er hat sich, wer hätte es gedacht, dabei von Rod auf Milos inspirieren und anlernen lassen. Rod ist ja auch ein echter Paddel-Pionier an der Ägäis - seit 2001 bietet er seine Touren an. Ich bin gespannt auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

 

Sofia ist Alex Geschäftspartnerin und unauffällige, aber wichtige Assistentin im Hintergrund. Sie ist Mitte 40, ebenfalls ein Skifreak (war sogar für die griechische Nationalmannschaft bei den olympischen Spielen 1998 in Nagano, Riesenslalom, Platz 34) und ein echtes Bewegungstalent.

 

Wir werden heute alle im Einer unterwegs sein außer dem amerikanischen Paar, das ins Doppel steigt. Alex 2 hat seinen ersten Paddeltag, aber da auch er ein ausgesprochen sportlicher Typ ist - Skilehrer im Winter und im Sommer Wanderguide in den österreichischen Alpen - dürfte das kein Problem für ihn sein.

 

Sprache unterwegs ist (natürlich) Englisch. Aber die beiden Alexe unterstützen meinen Griechischbemühungen und reden Griechisch mit mir. Finde ich gut.

Die Kanadierin Michelle und ich teilen ein Schicksal: wir haben uns in Griechenland verliebt, und dort speziell in Milos beziehungsweise ins Paddeln dort. Nun wollen wir mal gucken, ob das auch anderswo Spaß macht. Sie hat vorher einen einwöchigen Griechischkurs auf Syros gemacht.

Katrin aus Schweden (geboren in Deutschland) ist eine versierte Kajakerin, mit all dem Können, dass das Paddeln an Schwedens Küsten so mit sich bringt (nicht so eine Warmwasserpaddlerin wie ich). Sie verknüpft eine Woche Paddelurlaub auf Paros mit einer weiteren Woche Yoga in einem Ressort an der Ostküste. Auch eine Möglichkeit, auf Paros kann man ja fast alles.

 

Das Wetter ist heute warm und es hat wenig (Süd-)Wind. Der noch blaue Himmel wird sich im Laufe des Tages aber zuziehen. Trotzdem ein guter Tag um auf dem Wasser zu sein.

Alex zeigt uns auf der Karte unsere heutige Route: erst entlang der Küste nach Osten bis zum Kap Gria, dann rüber zur vorgelagerten Insel Viokastro. Von dort wieder zurück nach Paros, Richtung Westen, zu einem Strand für die Vormittagspause. Schließlich weiter nach Westen zur Bucht von Platia Ammos und dann wieder zum Ausgangspunkt zurück. Das Ganze scheint mir nicht so sehr weit zu sein, sieben, acht Kilometer vielleicht, passt also gut für meinen Einstieg.

Dann gibt es noch ein paar Trockenübungen in Bezug auf Paddeltechnik und wir lassen die Kajaks zu Wasser.

Wie auf Milos hab ich ein Laser-Kajak von Rainbow mit Steuerruder und fühle mich schnell wieder wohl darin. Die ersten Schläge entlang der Küste: ja, das habe ich vermisst.

 

Paros ist hier relativ flach, es gibt aber einige niedrige Steilküstenabschnitte mit interessanten Felsenformationen. Dann queren wir hinüber zur Viokastro-Insel, vorbei an einem schicken weißen Zweimaster, der in der Bucht vor Anker liegt. Irgendeinen Island-Hopping-Tour. Und am Horizont flitzt eine Schnellfähre vorbei. Moment, ist heute nicht Fährenstreik? Gilt wohl nicht für alle Schiffe.

 

Viokastro ist rundherum steil, wir gehen nicht an Land, sondern paddeln dort entlang. Man kann ganz nah an die Küste und auch mal durch einen Kanal paddeln, den Felsen bilden.

Zurück auf der Hauptinsel - da gibt es kurz etwas mehr Wellen - steht nach eineinhalb Stunden Paddeln eine kleine Pause an. Alex hat uns dafür einen kleinen Sand-Kies-Strand (Vigladaki?) ausgesucht, der vor einer fünf bis sechs Meter hohen, hell-dunkel gebänderten Felsensteilwand liegt und auf dem Landweg nur schwer erreichbar sein dürfte. Wir sind zumindest alleine dort.

 

Ein wunderbares Plätzchen mit glasklarem Wasser (22°), ein Genuss zum Schwimmen. Ich probiere mich am Schnorcheln, aber das funktioniert nur leidlich - ich hab einfach lieber den Kopf über Wasser.

 

Aus dem Stavros-Niarchos-Zentrum in Athen erreicht mich eine SMS, dort regnet es. Manchmal haben Urlauber kein Glück (frühere Rückkehr nach Athen wegen, dazu noch nur halbherzigem, Fährenstreik), dann kommt auch noch Pech dazu: Regen. Ich hab zwar noch keine Ahnung ob meine Wahl Paros eine gute war, aber im Moment spricht absolut nichts dagegen.

Der Vormittagssnack auf Paros ähnelt dem von Milos: es gibt Obst und Koulourakia.

Gestärkt paddeln wir dann nach einer halben Stunde weiter, entlang der zerklüfteten Nordküste, die sich mal in Rostrot, dann wieder in ocker-schwarz gebänderten Streifen zeigt. Wir gucken mal in eine kleine Höhle hinein, umkurven im Wasser liegende Felsen und bewundern rundgewaschene Felsen am Ufer.

Gegen ein Uhr erreichen wir die weite Bucht von Platia Ammos, an deren Ufer sich ein dreihundert Meter langer Sandstrand zieht. Es geht sehr, sehr flach über feste Sandwellen ins Wasser, fast meint man, zur vorgelagerten Insel Gaidouronisi hinüberwaten zu können. Auch an diesem Strand, obwohl über eine Piste auf dem Landweg zu erreichen, sind wir fast alleine. Die Badelustigen scheinen sich woanders zu drängen. In der Bucht ankert eine Segelyacht.

 

Während wir schwimmen waren, waren Alex und Sofia nicht untätig. Aus vier Paddeln, Stangen und einem Segel haben sie ein Sonnendach gebaut, unter dem wir später den Lunch zu uns nehmen werden. Die Sonne hat sich inzwischen aber hinter einem diesigen Bleigrau versteckt, der Himmel wirkt schwer und der Übergang zum Meer wird fließend.

 

Der Lunch besteht aus zweierlei Brot, Manouri-Käse (köstlich), Käsescheiben, Schinken, Tomaten, Paprika, Gurken und Karotten, als Dessert gibt es Weintrauben. Passt!

Doch, das Paddeln hier auf Paros macht definitiv auch Laune. Und sowohl unsere Guides als auch die MitpaddlerInnen sind sehr nett. Ich freue mich auf mehr Tage auf dem Wasser.

Als wir uns gegen halb drei auf den Rückweg machen, ist das Meer glatt "san ladi - wie Öl" kommentiert Alex. Und etwas später fallen doch tatsächlich ein paar Regentropfen. Da stört uns aber nicht, und hört auch gleich wieder auf.

Gegen vier Uhr sind wir am Ausgangspunkt zurück und haben die Kajaks schnell verladen. Doch, ich möchte noch mehr Paddeltouren machen, Michelle und Katrin sowieso. Morgen hat Alex aber schon eine große Gruppe, und so werden wir morgen pausieren und erst am Donnerstag wieder ins Kajak steigen. Dann soll es von Antiparos aus losgehen, da bin ich ausgesprochen gespannt drauf!

 

Für den Abend verabreden Michelle, Katrin und ich uns um 20 Uhr an der Brücke am Hafen um gemeinsam essen zu gehen. Brücke? Gibt es das eine? Vom letzten Besuch 2003 kann ich mich nicht daran erinnern.

 

Alex setzt uns wieder am Busbahnhof ab, wir bedanken uns, und müde schlappe ich zurück ins "Bocamviglies". Zu müde um nicht noch ein schnelles Bad am Badeplatz vor dem Haus zu nehmen, bin ich aber nicht. Drei ältere Griechinnen und ein Grieche sitzen auf der linken Holzbank unter den Bäumen und ratschen, unterbrochen von kurzen Schwimmrunden. Das kann ich fast jeden Nachmittag beobachten. Die Sandstrände überlassen sie den Touristen. Und sie haben recht, denn das ist echt ein schönes Plätzchen.

 

Dann aber beginnt es richtig zu regnen. Es ist der erste Regen nach dem Sommer, höre ich später. Ich wollte eigentlich einen Bummel hinein nach Naoussa machen, warte nun aber bis es aufhört zu gießen.

Gegen halb sieben tröpfelt es nur noch, und ich mache mich auf den Weg. Dieses Mal durch das Pensionenviertel entlang der Küste. Nach diversen Sackgassen und Umwegen erreiche ich schließlich das Kastroviertel, das ich mit seinen verwinkelten Gässchen völlig vergessen hatte. Überall ist man fleißig zugange mit Aufwischen und Trocknen. Nur die Katze, die auf einem Kissen auf einer Steinbank vor einem Laden schläft (was sie immer tun wird wenn ich dort vorbeikomme), lässt das alles kalt.

 

Ich bin überwältigt von der Vielzahl der Läden und dem Angebot. Es ist weniger billiger Touristenkitsch, der hier angepriesen wird, sondern hochwertige und auch geschmackvolle Dinge in höherer Preisklasse. Braucht man jetzt auch nicht wirklich, aber in diesem Ambiente ist das alles sehr stimmig. Und nirgends wird man von Aufreißern angequatscht - da hat man gar nicht nötig.

Wenig einladend ist der schmutzige Uferstreifen östlich des alten Hafen, auf dem nassen Pflaster besteht Rutschgefahr. Hier sind drei, vier Tavernen mit etwas versteckten Zugängen. Muss ich mir merken.

 

Am alten Hafen ist so ziemlich jeder freie Quadratmeter mit Tischen und Stühlen bedeckt. Hier ist die Trockenaktion besonders emsig, und wenig später sehe ich warum: es gibt dann keinen freien Platz mehr. So wenig wie in den Lokalen, die ihre Tische und Stühle in den schmalen Gassen stehen haben. Naoussa am Abend ist knallvoll, ich bin echt erschrocken und will mir gar nicht ausmalen was hier im Sommer los ist. Ist ja auch wirklich nett mit den schmucken Kaikia und den weißen Würfelhäusern.

Die Sonnenuntergangsplätze entlang des Hafenbeckens sind heute aber dem Regen zum Opfer gefallen und leer geblieben.

Immerhin der Platz vor der Nikolaos-Kapelle ist tischfrei, die Kapelle ist geöffnet. So wie auch die meisten der kleinen und alten Gotteshäuser im Kastroviertel. Wer dem Trubel entfliehen will, findet hier immer einen Platz um zur Ruhe zu kommen. Schön.

Auf dem Hügel über der Altstadt thront die Hauptkirche Kimisi Theotokou. Vor 16 Jahren haben wir hier einen sehr schönen Auferstehungsgottesdienst erlebt. Ich bin mich sicher, dass die Kirche damals noch ein rotes Ziegeldach hatte. Inzwischen ist sie in Kupfergrün gedeckt, was ihr ein kykladenfremdes Aussehen verleiht. Aber 16 Jahre sind eine lange Zeit, da hat sich viel geändert.

 

Auch am Übergang von alten zum neuen Hafen erkenne ich nichts wieder. Geradezu schockiert bin ich aber von der absurden Fußgängerbrücke aus Natursteinen, die nahe dem Ufer am Ende des trockengelegten und als Straße und Parkplatz benutzten Bachbettes steht. Im Grunde zweckfrei, umplätschert von einem künstlichen Teich, nächtlich angestrahlt. Sogar ein paar Gänse hat man dekorativ dort angesiedelt.

Ich erinnere mich, dass im Februar 2003, kurz vor unserem letzten Naoussa-Aufenthalt (bei Sakis und Martina, die damals schwanger war. Wie es ihr und ihrer Tochter wohl geht? Und Sakis?), ein schweres Unwetter die alte Brücke weggerissen hatte (und ein paar Autos, die Bachbett geparkt waren, auch).

Offenbar hat man dann dieses Teil für einen ausreichenden Ersatz und schön befunden. Na, Geschmäcker sind verschieden, zum Glück.

 

Weiter westlich schließ sich der neue Hafen an, der eigentlich eine Marina ist. Für große Schiffe oder gar Fähren ist da Wasser hier zu flach.

Um acht Uhr trifft dann Michelle an der Brücke ein. Ich erkenne sie kaum wieder im Abendoutfit. Weil die Restaurants jetzt alle voll sind, lädt Katrin uns auf ein Glas Wein und Knabberzeug auf die Terrasse ihres Hotels Madaky ein, das direkt an der Brücke liegt. Wir schwätzen und schwätzen, und als Katrin dann gegen zehn doch noch in eine Taverne will, habe ich eigentlich keinen Hunger mehr. Michelle geht es ähnlich, aber wir können ja auch nur eine Kleinigkeit essen.

Wir entscheiden uns für das Lokal "Mediterraneo" an der Paralia des neuen Hafens. Ich bestelle Kartoffelsalat, Michelle Saganaki und Katrin möchte Fisch. Als der Kellner dann eine Platte mit drei nicht ganz kleinen Fischen zur Auswahl präsentiert und Katrin den größten aussucht, unterläuft uns der entscheidende Lapsus: wir fragen nicht nach dem Preis.

Natürlich geht der Kellner davon aus, dass wir den Fisch zu dritt essen. Gegrillt wird er uns wenig später serviert, aber Michelle ist grundsätzlich sehr wählerisch was Essen betrifft, und ich bin nach meinem Kartoffelsalat auch hinreichend gesättigt. Probiere aber von dem Fisch, der gut, aber nicht überragend ist. Es bleibt auch übrig.

Der Schock kommt mit der Rechnung, denn die 58 Euro für das Meerestier - 65 Euro das Kilo - sind deutlich über Katrins Erwartungen. In Schweden ist Fisch preiswert (ich dachte, dort wäre alles teuer), in Griechenland nicht, schon gar nicht in einer touristischen Ecke wie Paros.

Es bleibt uns natürlich nichts anderes übrig, als zu bezahlen, denn der Fehler lag bei uns. Noch sind wir ja nicht auf Mykonos, wo im Juni in einem Strandlokal die Portion Kalamari mit 98 Euro, ein Tomatensaft mit 18 Euro und ein großes Bier mit 25 Euro in Rechnung gestellt wurden.

Die Stimmung ist verständlicherweise im Eimer, und gedeppt trennen wir uns und schleichen in unsere verschiedenen Quartiere.

Für morgen haben wir getrennte Pläne: ich möchte mit dem Bus nach Lefkes fahren und von dort nach Piso Livadi wandern.